Deutscher Bundestag Zur NS-Vergangenheit von Mitgliedern des Deutschen Bundestages und Angehörigen der Bundesregierung Dokumentation Wissenschaftliche Dienste © 2009 Deutscher Bundestag WD 1 – 463/09 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 – 463/09 Seite 2 Zur NS-Vergangenheit von Mitgliedern des Deutschen Bundestages und Angehörigen der Bundesregierung Verfasser/in: Ausarbeitung: WD 1 – 463/09 Abschluss der Arbeit: Mittwoch, 20. Januar 2010 Fachbereich: WD 1: Geschichte. Zeitgeschichte, Politik Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 – 463/09 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Zur Forschungslage 4 2. Anforderungen an systematische und umfassende biographische Arbeiten 6 3. Zusammenfassung der bisher vorliegenden Erkenntnisse 7 4. Bundestagsabgeordnete, die laut „Biographischem Handbuch der Mitglieder des Deutschen Bundestages“ Mitglied einer NS-Organisation waren 9 5. Hinweise auf eine Mitgliedschaft in NS-Organisation von weiteren Bundestagsabgeordnete in der „Wikipedia-Liste ehemaliger NSDAP-Mitglieder, die nach Mai 1945 politisch tätig waren“ 13 6. Hinweise auf eine Mitgliedschaft in NS-Organisationen von weiteren Bundestagsabgeordnete in „M.d.B. – Die Volksvertretung 1946–1972“ 15 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 – 463/09 Seite 4 1. Zur Forschungslage Auch sechzig Jahre nach Gründung der Bundesrepublik sind die Biographien der Abgeordneten des Deutschen Bundestages – sieht man einmal von der wissenschaftlichen Beschäftigung mit einzelnen bedeutenden oder bekannten politischen Persönlichkeiten ab – noch nicht umfassend erforscht. Zwar wurden mit dem im Saur Verlag herausgegebenen „Biographischen Handbuch der Mitglieder des Deutschen Bundestages 1949-2002“1 erstmals sämtliche Biographien der Bundestagsabgeordneten der ersten 53 Jahre der Bundesrepublik dokumentiert, aber Umfang und Systematik der zusammengestellten Informationen sind höchst unterschiedlich und ungleichgewichtig . Für zahlreiche Abgeordnete werden nur lückenhafte, unvollständige und ohne zusätzliches Kontextwissen nicht zu verstehende Informationen geliefert. Angemessene biographische Rekonstruktionen zu den verschiedenen Aspekten eines Lebenslaufs und der politischparlamentarischen Arbeit des jeweiligen Abgeordneten sind auf der Basis dieses Werks ebenso wenig möglich wie vertiefende sozialwissenschaftliche Analysen und generalisierende Aussagen zu Strukturen und Verhaltensregelmäßigkeiten. Außerdem lagen der biographischen Arbeit für dieses Werk offensichtlich keine verbindlichen Standards für Art und Umfang der zu dokumentierenden Informationen zum Lebenslauf und zur politischen Tätigkeit zugrunde. Somit wurde die Auswahl der biographischen Informationen, der Grad der Detailgenauigkeit oder die politische Bewertung bzw. Würdigung der portraitierten Abgeordneten jeweils individuell durch die Autoren der einzelnen biographischen Artikel bestimmt. Dadurch erhalten insbesondere die namentlich gekennzeichneten Artikel des Handbuchs eine (von den Herausgebern vielleicht so gewollte , wissenschaftlich aber bedenkliche) subjektive Färbung.2 Besonders gravierend wirken sich die Mängel des Biographischen Handbuchs bei der Bearbeitung der hier im Zentrum stehenden Frage nach dem Lebensschicksal der Bundestagsabgeordneten während der Herrschaft der Nationalsozialisten 1933-1945 aus. In den biographischen Artikeln der rund 1500 Abgeordneten, die 1929 und früher geboren wurden und somit die nationalsozialistische Zeit zumindest als Jugendliche oder junge Erwachsene noch bewusst miterlebt haben , wird über das Leben der Abgeordneten in dieser Zeit höchst Unterschiedliches berichtet. Während einige Artikel relativ ausführlich auf die entsprechende Lebensphase eingehen und beispielsweise Mitgliedschaften und Funktionen im NS-Staat, Kriegserfahrungen oder Verfolgsschicksale dokumentieren, beschränken sich andere Artikel auf äußerst spärliche oder wenig aussagekräftige Kurzhinweise bzw. gehen auf diesen Lebensabschnitt überhaupt nicht ein. Es ist angesichts dieser unterschiedlichen Handhabung bei der Präsentation entsprechender bio- 1 Vierhaus, Rudolf; Herbst, Ludolf (Hrsg.). Biographisches Handbuch der Mitglieder des Deutschen Bundestages 1949-2002. München: Saur 2002 2 Zur wissenschaftlichen Dokumentation von Abgeordnetenbiographien und der Entwicklung wissenschaftlich begründeter Kriterien für die Auswahl und Relevanz biographischer Informationen auf der Basis des Konstrukts einer so genannten „Normalbiographie“ vgl. Best, Heinrich; Weege, Wilhelm (1998). Biographisches Handbuch der Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung. Düsseldorf: Droste, S. 13- 29 sowie Schröder, Wilhelm Heinz (1995). Sozialdemokratische Parlamentarier in den deutschen Reichsund Landtagen 1867—1933.Biographien — Chronik — Wahldokumentation. Ein Handbuch. 1098 S., Düsseldorf : Droste, S. 15-36. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 – 463/09 Seite 5 graphischer Informationen keinesfalls gewährleistet, dass selbst „positionale Merkmale“ wie die Mitgliedschaft in Organisationen oder die Ausübung formaler Funktionen (z.B. öffentliche Ämter ) auch nur annähernd vollständig dokumentiert sind. Dies dürfte im Übrigen auch für biographische Merkmale zutreffen, die sich auf Lebensphasen vor oder nach der NS-Zeit beziehen. Die genannten Lücken bei der Dokumentation der Lebensphasen in der NS-Zeit lassen sich auch nicht mit Hilfe anderer Werke kompensieren. Weder die von der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien herausgegebene Online-Publikation „M.d.B. Die Volksvertretung 1946–1972“3 (das im Übrigen die Lebensläufe der Abgeordneten in ähnlicher Weise dokumentiert wie das Biographische Handbuch) noch die Zusammenstellung „Liste ehemaliger NSDAP-Mitglieder, die nach Mai 1945 politisch tätig waren“ in Wikipedia4 können Anspruch auf vollständige und von einer durchgängigen Systematik geprägte Erfassung der entsprechenden biographischen Merkmale bzw. der NSDAP-Mitgliedschaft von Bundestagsabgeordneten erheben. Überdies zeigt ein Vergleich der genannten Werke, dass in den einzelnen Zusammenstellungen für bestimmte Bundestagsabgeordnete eine Mitgliedschaft in NS-Organisationen verzeichnet wird, die jeweils in den beiden anderen Verzeichnissen nicht erfasst ist. Auch diese Tatsache legt den Schluss nahe, dass biographische Informationen zur Lebensphase in der NS- Zeit in den hier genannten drei biographischen Unternehmungen weder systematisch noch vollständig erfasst wurden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die entsprechenden Informationen eher zufällig bzw. aufgrund rein subjektiver Auswahlkriterien wiedergegeben wurden. Allgemeine Aussagen über das Leben der späteren Abgeordneten während des Nationalsozialismus, ihre Distanz oder Nähe zum NS-System oder zu deren (politischen) Sozialisationserfahrungen in dieser Zeit lassen sich anhand der in diesen Werken präsentierten Angaben nicht formulieren. Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die biographischen Dokumentationen, die - wie die Amtlichen Handbücher der Mitglieder des Deutschen Bundestages oder das Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages – von der Verwaltung des Deutschen Bundestages oder – wie die Bände von Kürschners Volkshandbuch Deutscher Bundestag – in ihrem Auftrag herausgegeben werden, schon aus Datenschutzgründen ausschließlich auf den von den Mitgliedern des Bundestages selbst gemachten und freigegebenen Angaben zu ihrer Biographie beruhen. Auch auf Grundlage dieser Werke sind folglich systematische wissenschaftliche Analysen der Abgeordnetenbiographien nur in engem Rahmen möglich. 3 M.d.B. – Die Volksvertretung 1946–1972. http://www.kgparl.de/online-volksvertretung/online-az.html [Stand 2.12.2009]. 4 Liste ehemaliger NSDAP-Mitglieder, die nach Mai 1945 politisch tätig waren. http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_ehemaliger_NSDAP-Mitglieder,_die_nach_Mai_1945_politisch_ t%C3%A4tig_waren#cite_note-0 [Stand 26.11.2009]. Die Wikipedia-Liste ist zwar insofern umfassend angelegt , als sie die politische Tätigkeit von NSDAP-Mitgliedern sowohl in der Bundesrepublik Deutschland wie in der DDR auflistet, ihre Genauigkeit kann jedoch ebenso wenig überprüft werden wie ihre Vollständigkeit , an der allerdings bereits der Vergleich mit den beiden anderen genannten Werken Zweifel aufkommen lässt. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 – 463/09 Seite 6 2. Anforderungen an systematische und umfassende biographische Arbeiten Biographische Arbeiten, die systematisch und umfassend den Werdegang – auch während der NS-Zeit - und die parlamentarische Tätigkeit der Bundestagsabgeordneten dokumentieren, sind immer noch ein Desiderat der Forschung. Das Lebensschicksal der Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik während der NS-Zeit hingegen ist inzwischen recht gut, wenn auch keineswegs umfassend erforscht. Hierzu haben etwa Martin Schumacher und Mitarbeiter 1991 den Band „M.d.R. – Die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus . Politische Verfolgung, Emigration und Ausbürgerung 1933-1945 (zuletzt 3. Auflage 1995) vorgelegt, in dem die parlamentarischen Aktivitäten vor 1933, vor allem aber politische Verfolgung, Emigration und Ausbürgerung ehemaliger Reichstagsabgeordneter zwischen 1933 und 1945 dokumentiert und mit entsprechenden Quellen belegt sind.5 Prinzipiell könnte sich das dort gewählte methodische Vorgehen auch auf die entsprechenden biographischen Forschungen zu den Bundestagsabgeordneten anwenden lassen. Neben den „üblichen“ biographischen Quellen wie Einzelbiographien und biographische Lexika sowie den speziellen parlamentsbezogenen biographischen Quellen (Parlamentshandbücher und -verzeichnisse) müssten hierzu insbesondere folgende Quellengruppen umfassend ausgewertet werden: - die personenbezogenen Quellen aus dem Berlin Document Center im Bundesarchiv, - Entnazifizierungs- und Spruchkammerakten, - die Akten der Wiedergutmachungs- und Entschädigungsverfahren. Darüber hinaus dürfte eine entsprechende Dokumentation auch nicht auf eine Auswertung weiterer personenbezogener Archiv-Quellen und einschlägiger Medienveröffentlichungen verzichten können, sofern sie systematisch ausgerichtet sein soll sowie zumindest annähernd die methodischen Ziele „Vollständigkeit“ und „Zuverlässigkeit“ anstrebt. Entsprechende wissenschaftliche Bemühungen ließen sich zufriedenstellend nur im Rahmen eines größeren, auf mehrere Jahre angelegten Forschungsprojekts, das über ausreichende personelle und materielle Ressourcen verfügen müsste, realisieren. An der Erarbeitung der bereits erwähnten Dokumentation „M.d.R.“ etwa waren zwei Forschungsinstitute mehrere Jahre mit zeitweise 15 bis 20 Mitarbeitern beteiligt, die von einem wissenschaftlichen Beirat beraten wurden, dem mit den Mitgliedern der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien die führenden Vertreter der historischen Parlamentarismusforschung in Deutschland angehörten. Derartige Forschungsanstrengungen würden sowohl außerhalb des Aufgabenbereichs der Wissenschaftlichen Dienste liegen wie ihre Kapazitäten bei weitem überschreiten. 5 Martin Schumacher (1995). M.d.R. Die Reichstagsabgeordnete der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus. Politische Verfolgung, Emigration und Ausbürgerung 1933-1945. Eine biographische Dokumentation. Dritte Auflage Düsseldorf: Droste. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 – 463/09 Seite 7 3. Zusammenfassung der bisher vorliegenden Erkenntnisse Auf Basis der eingangs vorgestellten und diskutierten biographischen Werke werden im Folgenden lediglich ausgewählte positionelle Bezüge und Verflechtungen von Bundestagsabgeordneten zum bzw. in das Organisationssystem des NS-Staats dokumentiert. Da diese Quellen – wie ausgeführt – hinsichtlich der betreffenden Informationen keinesfalls vollständig sind, kann auch die nachfolgende Zusammenstellung keinerlei Vollständigkeit beanspruchen. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die reine Mitgliedschaft in Organisationen des NS- Systems allenfalls ein Hinweis auf die mögliche Nähe der betreffenden Personen zum NS-Staat darstellt, wobei Datum des Eintritts und evtl. eines frühzeitigen Austritts von Bedeutung wären. Eine Mitgliedschaft in der SS und /oder eine Tätigkeit im Bereich des RSHA hätten allerdings ein anderes Gewicht. Zur Verdeutlichung der selektiven und lückenhaften Wiedergabe biographischer Informationen, insbesondere hinsichtlich der biographischen Bezüge und Erfahrungen in der NS-Zeit, werden im Folgenden zunächst Abgeordnete aufgelistet, für die das „Biographische Handbuch“ Hinweise auf eine organisatorische Einbindung in das NS-System gibt. In der zweiten Tabelle werden weitere Abgeordnete genannt, die laut „Wikipedia-Liste“ NSDAP-Mitglieder waren, aber nicht als solche im Biographischen Handbuch genannt werden. Die dritte Tabelle enthält schließlich die Namen und NS-Bezüge von Abgeordneten, die zwar in der Online-Publikation „M.d.B“, nicht aber in den beiden zuvor genannten Werken enthalten sind.6 Insgesamt werden in den bearbeiteten Werken 61 Bundestagsabgeordnete aufgeführt, die Mitglied der NSDAP oder einer anderen NS-Organisation waren. Neun (15 %) dieser Abgeordneten gehörten bereits dem ersten Deutschen Bundestag an. Gut ein Drittel (21 Abgeordnete) trat erstmals in der zweiten Wahlperiode und ein Fünftel (13 Abgeordnete) in der dritten Wahlperiode in den Bundestag ein. Weitere 6 Abgeordnete (10 %) mit Erfahrungen in NS-Organisationen übernahmen erstmals in der vierten Wahlperiode ein Bundestagsmandat. Gut ein Zehntel (12 Abgeordnete ) der MdB, die vor 1945 Mitglieder oder Funktionäre von NS-Organisationen waren, hat erst 1965 oder später das erste Mandat angetreten. Der letzte Abgeordnete, der (eigenen Angaben zufolge ohne sein Wissen) einer NS-Organisation angehörte, der langjährige Bundesaußenminister und FDP-Ehrenvorsitzende Hans-Dietrich Genscher, schied 1998 aus dem Deutschen Bundestag aus.7 Auf die im Bundestag vertretenen Fraktionen, Gruppen und Arbeitsgemeinschaften vertei- 6 Ausführliche Biographien zu den in den nachfolgenden Tabellen genannten Abgeordneten befinden sich in dem bereits erwähnten Biographischen Handbuch der Mitglieder des Deutschen Bundestages (s. Anm 1). 7 Zur Frage der NSDAP-Mitgliedschaft von Hans-Dietrich Genscher vgl. u.a. Henning Krumrey. Hans-Dietrich Genscher: Das Denkmal bröselt - FDP-Ehrenvorsitzender gerät zwischen die Fronten – unfreiwillig NSDAP-Mitglied? In: Focus Nr. 27 (1994). http://www.focus.de/politik/deutschland/hansdietrich -genscher-das-denkmal-broeselt_aid_147546.html [Stand. 15.12.2009]; Guido Heinen, Irrungen und Wirrungen diplomatischer Nachrufpraxis. Die Fälle Genscher und Scheel: Wie sich das Auswärtige Amt in seinen Richtlinien für einstige NSDAP-Mitglieder verfängt. In: Die Welt (2.5.1985). http://www.welt.de/print-welt/article563139/Irrungen_und_Wirrungen_diplomatischer_Nachrufpraxis .html [Stand 15.12.2009]; Martin Broszat, Von Grass bis Genscher - Wer noch in der NSDAP war. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 – 463/09 Seite 8 len sich die betreffenden Abgeordneten wie folgt: CDU / CSU 33 (CDU 25, CSU 8), SPD 12, FDP 17, GVP (Gesamtdeutsche Volkspartei) 3, GB / BHE (Gesamtdeutscher Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten) 10, DRP / SRP (Deutsche Reichspartei / Sozialistische Reichspartei) 2.8 Gemessen an den stabilen politischen Verhältnissen der Bundesrepublik fällt der Anteil derjenigen unter den Bundestagsabgeordneten mit biographischen Bezügen zu NS-Organisation, die nach 1945 mindestens einmal ihre Fraktion oder Partei gewechselt haben, mit knapp 30 Prozent (18 MdB) relativ hoch aus. Durchschnittlich gehörten die 61 Bundestagsabgeordneten mit Mitgliedschaft in einer NS-Organisation 2-3 Wahlperioden dem Deutschen Bundestag an (Mittelwert: 2,8, Minimum: 1, Maximum: 9). Grundsätzlich ist jedoch festzustellen, dass der Anteil der Bundestagsabgeordneten mit Bezug zu NS-Organisationen auf Basis der verfügbaren Quellen insgesamt recht gering ausfällt. Den höchsten Anteil von Abgeordneten mit einem entsprechenden biographischen Merkmal gab es mit 3,9 Prozent in der 3. Wahlperiode (20 MdB). Über drei Prozent lag deren Anteil nur in der 3. bis 6. Wahlperiode, so dass der Anteil dieser Abgeordneten in den Wahlperioden der sechziger Jahre insgesamt höher lag als in den Wahlperioden der fünfziger Jahre. Dem ersten Deutschen Bundestag gehörten nur 5 Abgeordnete mit Mitgliedschaft in NS-Organisationen an. Deren Anteil fiel mit 1,19 Prozent somit geringer aus als im 7. Deutschen Bundestag (1972-1976), dem 13 Abgeordnete (2,51 Prozent) mit diesem Merkmal angehörten. In: Die Welt (1.7.2007). http://www.welt.de/kultur/article989531/Von_Grass_bis_Genscher_ Wer_noch_in_der_NSDAP_war.html [Stand: 15.12.2009]. 8 Aufgelistet sind nur die größeren Fraktionen, Gruppen und AG’s. Die zahlreichen Zusammenschlüsse, Um- und Neubildungen vor allem in den ersten drei Wahlperioden des Deutschen Bundestages sind hier nicht berücksichtigt worden. MdB mit NS-Organisationserfahrung 0,00 1,00 2,00 3,00 4,00 5,00 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 Wahlperiode Anteil (in %) Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 – 463/09 Seite 9 4. Bundestagsabgeordnete, die laut „Biographischem Handbuch der Mitglieder des Deutschen Bundestages“ Mitglied einer NS-Organisation waren Name NS-Organisationen Partei / Fraktion nach 1945 MdB Ahrens, Hermann * 8. 4. 1902 Jerstedt, † 14. 7. 1975 Salzgitter NSDAP 1931-1945 GB / BHE, GDP, SPD 1965-1969 Bading, Harri * 23. 5. 1901 Berlin † 12. 6. 1981 Hamburg NSDAP 1937-1939 (Austritt) SPD 1957-1969 Bartram, Walter * 21. 4. 1893 Neumünster † 29. 9. 1971 NSDAP 1937–1945 CDU 1952-1957 Birrenbach, Kurt * 2. 7. 1907 Arnsberg † 26. 12. 1987 Düsseldorf NSDAP 1933–1934 CDU 1957-1976 Bismarck, Otto Fürst von * 25. 9. 1897 Schönhausen † 24. 12. 1975 Friedrichsruh NSDAP 1933–1945 CDU 1963-1965 Bucher, Ewald * 19. 7. 1914 Rottenburg am Neckar † 31. 10. 1991 Mutlangen NSDAP bis 1945, NS-Schülerbund 1931-1933 FDP / DVP CDU (s. 1983) 1953-1969 Carstens, Karl * 14. 12. 1914 Bremen † 30. 5. 1992 Meckenheim NSDAP 1939–(1945), SA seit 1934 CDU 1972-1976 Deist, Heinrich * 10. 12. 1902 Bant (Wilhelmshaven ) † 7. 3. 1964 Meran NSDAP 1938-(1945) SPD 1953-1964 Dichgans, Hans * 16. 5. 1907 Elberfeld † 21. 3. 1980 Düsseldorf NSDAP 1933-(1945), SS 1933-1934 CDU 1961-1972 Dowidat, Otto * 27. 10. 1896 Remscheid † 4. 7. 1975 Remscheid NSDAP FDP 1957-1961 Engell, Hans-Egon * 15. 11. 1897 Selmsdorf (Mecklenburg) † 16. 8. 1974 Bad Salzdetfurth NSDAP 1931-1945 GB / BHE 1953-1957 Farny, Oskar * 9. 4. 1891 Dürren † 20. 6. 1983 Argenbühl Hospitant (Gast) der NSDAP- Reichstagsfraktion 1933-1945 CDU 1953 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 – 463/09 Seite 10 Faßbender, Heinrich * 24. 5. 1899 Solingen † 22. 6. 1971 Rotenburg (Fulda) NSDAP 1931–1932 NDP (bis 1946), LDP / FDP, DP, DNVP (ab 1962) NPD 1949-1957 Gille, Alfred * 15. 9. 1901 Insterburg † 18. 2. 1971 Bonn. NSDAP 1937–1945, SA seit 1933 GB / BHE GDP (s. 1961) 1953-1957 Henckel von Donnersmarck, Georg, Graf * 5. 8. 1902 Grambschütz (Schlesien) † 28. 4. 1973 Bonn NSDAP 1937-1945 CSU 1953-1957 1959-1961 Höcherl, Hermann * 31. 3. 1912 Brennberg † 18. 5. 1989 Regensburg NSDAP 1935–1945, NS-Hochschulbund 1931– 1932 CSU 1953-1976 Kiesinger, Kurt Georg * 6. 4. 1904 Ebingen (Albstadt) † 9. 3. 1988 Tübingen NSDAP 1933–1945 CDU 1949-1959 1969-1980 Klausner, Wolfgang * 8. 1. 1906 Pfaffing (Chiemsee) † 17. 4. 1958 Hohenstadt NSDAP 1940-1945 CSU 1953-1958 Köhler, Otto * 10. 3. 1897 Bühnsdorf † 27. 6. 1960 Bühnsdorf NSDAP 1933-1945 FDP 1957-1960 Körner, Georg * 3. 7. 1907 Charlottenburg NSDAP 1929-1945 Reichsbetriebsgruppenleiter in der Deutschen Arbeitsfront GB / BHE. fraktionslos, FDP, fraktionslos, DA FVP, DP / FVP 1953-1957 Kraft, Waldemar * 19. 2. 1898 Brustow (Provinz Posen) † 12. 7. 1977 Bonn NSDAP bis 1945 GB / BHE, fraktionslos, Gruppe Kraft-Oberländer, CDU 1953-1961 Kriedemann, Herbert * 1. 3. 1903 Berlin † 20. 1. 1977 Bad Nauheim Gestapo-V-Mann seit 1936 SPD 1949-1972 Krüger, Hans * 6. 7. 1902 Neustettin † 3. 11. 1971 Bonn NSDAP 1933–1945; Mitglied eines NS- Sondergerichts CDU 1957-1965 Lauritzen, Lauritz * 20. 1. 1910 Kiel † 5. 6. 1980 Bad Honnef Reiter- SA 1934-38, NS-Rechtswahrerbund, NS-Volkswohlfahrt SPD 1969-1980 Lindrath, Hermann * 29. 6. 1896 Eisleben † 27. 2. 1960 Mannheim (NSDAP 1938-1945) CDU 1953-1960 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 – 463/09 Seite 11 Meyer, Philipp * 29. 3. 1896 Auhausen bei Nördlingen † 29. 1. 1962 NSDAP bis 1945 (s. 1933 Kreisleiter) CSU 1953-1962 Müller, Gebhard * 17. 4. 1900 Füramoos, Kr. Biberach † 7. 8. 1990 Stuttgart SS seit 1933 (förderndes Mitglied ), Bund Nationalsozialistischer Deutscher Juristen seit 1934, NS-Volkswohlfahrt seit 1935 CDU 1953 Oberländer, Theodor * 1. 5. 1905 Meiningen † 5. 5. 1998 Bonn NSDAP 1933–1945 (1933-37 Gauamtsleiter in Ostpreußen ), 1923 Teilnahme am Hitlerputsch in München, Vereinigung für das Deutschtum im Ausland (Leiter des Landesverbandes Ostpreußen ) 1933, Bund Deutscher Osten (Leiter ) 1934-37 FDP (bis 1950), GB / BHE, fraktionslos, Gruppe Kraft-Oberländer, CDU 1953–1961 1963-1965 Pietscher, Carl * 30. 4. 1900 Köthen † 20. 12. 1973 Bad Harzburg. NSDAP 1936-1945 CDU 1957-1961 Raffert, Joachim * 16. 3. 1925 Hildesheim Waffen-SS (Kriegsfreiwilliger ) seit 1943 SPD 1965-1972 Rößler, Fritz, alias Franz Richter * 17. 1. 1912 Bad Gottleuba (Sachsen) † 11. 10. 1987 Radstadt (Salzburg ). NSDAP 1930–1945 (Kreisleiter , Leiter der Gau- Schulungsburg Augustusburg, zuletzt in der Gauhauptstellenleitung Sachsen) DKP / DRP (bis 1949), SRP (bis 1949), DRP / NR, fraktionslos, WAV, fraktionslos 1949-1952 Schäfer, Friedrich * 6. 4. 1915 Sindelfingen † 31. 8. 1988 Tübingen NSDAP 1933-1945, SA seit 1933 (Reiter-SA) SPD 1957-1967 1969-1980 Schiller, Karl * 24. 4. 1911 Breslau † 26. 12. 1994 Hamburg NSDAP 1937-1945 Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund seit 1933 SPD (bis 1972), SPD (seit 1980) 1965-1972 Schmidt-Wittmack, Karlfranz * 27. 7. 1914 Charlottenburg † 23. 10. 1987 Berlin NSDAP 1938-1945 CDU, fraktionslos 1953-1955 Schneider, Heinrich * 22. 2. 1907 Saarbrücken † 12. 1. 1974 Stuttgart NSDAP 1930–1937 (Parteiausschluss ) FDP / DPS 1956-1965 Schranz, Helmuth * 7. 1. 1897 Haiger (Dillkreis) † 7. 5. 1968 Offenbach NSDAP seit 1925 (Ortsgruppen - und Kreisleiter) DP, fraktionslos 1953-1961 Schröder, Gerhard * 11. 9. 1910 Saarbrücken † 31. 12. 1989 Kampen (Sylt) NSDAP 1933–1941 (Austritt) CDU 1949-1980 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 – 463/09 Seite 12 Schwann, Hermann * 2. 1. 1899 Niederhöchstadt † 15. 1. 1977 Bergisch Gladbach NSDAP 1934–1945 FDP, Vereinigung Deutsche Nationalversammlung (VDN) ab 1961, Wahlbündnis Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher (AUD) ab 1965 1953-1957 Seiboth, Frank * 9. 5. 1912 Proschwitz (Kr. Gablonz) † 4. 7. 1994 Wiesbaden NSDAP 1939–1945 (Gauschulungsleiter ) HJ (Gebietsführer im Sudetenland ) GB / BHE, GDP / BHE, ab 1959 SPD ab 1967 1953-1957 Weyer, Willi * 16. 2. 1917 Hagen † 25. 8. 1987 Juist NSDAP 1937-1945 FDP 1953-1954 Wissebach, Hans * 19. 10. 1919 Marburg † 13. 8. 1983 Marburg Waffen-SS seit (1939) CDU 1969-1976 Zoglmann, Siegfried * 17. 8. 1913 Neumark (Böhmerwald) † 25. 8. 1987 Juist NSDAP 1934-1945, HJ (Gebietsführer), Abteilungsleiter beim Reichsprotektor in Böhmen und Mähren ab 1939, SS-Obersturmführer FDP, Nationaliberale Aktion ab 1969 (ab 1970 Gast der CDU/CSU-Fraktion), Deutsche Union ab 1971 (ab 1972 CDU/CSU- Fraktion), CSU ab 1974 1957-1976 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 – 463/09 Seite 13 5. Hinweise auf eine Mitgliedschaft in NS-Organisation von weiteren Bundestagsabgeordnete in der „Wikipedia-Liste ehemaliger NSDAP-Mitglieder, die nach Mai 1945 politisch tätig waren“ Name NSDAP Partei / Fraktion nach 1945 MdB Achenbach, Ernst * 9. 4. 1909 Siegen † 2. 12. 1991 Essen NSDAP 1937–1945 FDP 1957-1976 Becher, Walter * 1. 10. 1912 Karlsbad NSDAP 1931–1945 GB/BHE, CSU (s. 1967) 1965-1980 Buchka, Karl von * 23. 9. 1885 Göttingen † 11. 2. 1960 Freiburg (Elbe) NSDAP bis 1945 CDU 1953-1957 Dahlgrün, Rolf * 19. 5. 1908 Hannover † 19. 12. 1969 Hamburg NSDAP bis 1945 FDP 1957-1969 Dorls, Fritz * 9. 9. 1910 Brilon (Westfalen) † 25. 1. 1995 Opponitz (Niederösterreich ) NSDAP 1929–1945 CDU, Gemeinschaft unabhängiger Deutscher (GuD) ab 1949, DKP-DRP bis 1949, SRP 1949-1952 (Vorsitzender ), fraktionslos 1949-1950, WAV (Gast) 1950-1951, fraktionslos ab 1951 1949-1952 Ehmke, Horst * 4. 2. 1927 Danzig NSDAP 1944-1945 SPD 1969-1990 Eppler, Erhard * 9. 12. 1926 Ulm NSDAP 1944-45 GVP bis 1956, SPD 1961-1976 Genscher, Hans-Dietrich * 21. 3. 1927 Reideburg bei Halle / Saale NSDAP 1945 LDPD bis 1952, FDP 1965-1998 Glüsing, Hermann * 27. 10. 1908 Wrohm † 25. 9. 1981 Wrohm NSDAP 1928-1945, SA seit 1928 CDU 1949-1972 Güde, Max * 6. 1. 1902 Donaueschingen † 29. 1. 1984 Werl NSDAP 1940–1945 CDU 1961-1969 Jordan, Pascual * 18. 10. 1902 Hannover † 31. 7. 1980 Hamburg NSDAP 1933-1945, SA 1933-1945 CDU 1957-1961 Kempfler, Friedrich * 6. 12. 1904 Eggenfelden † 18. 10. 1985 Eggenfelden NSDAP 1932–1945 CSU 1957-1976 Neumann, Erich Peter * 14. 7. 1912 Breslau † 12. 6. 1973 Bonn NSDAP bis 1941 CDU 1961-1965 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 – 463/09 Seite 14 Petersen, Helmut * 18. 9. 1903 Breslau † 26. 7. 1982 Düsseldorf NSDAP bis 1945 GB / BHE 1953-1957 Reichmann, Martin * 29. 11. 1907 Pfohren b. Donaueschingen † 12. 6. 2000 Donaueschingen NSDAP 1932(-1945) FDP 1961-1969 Schachtschabel, Hans Georg * 16. 3. 1914 Dessau † 29. 10. 1993 Mannheim NSDAP 1937-1945, SS ab 1935 SPD 1969-1983 Scheel, Walter * 8. 7. 1919 Höhscheid b. Solingen NSDAP bis 1945 FDP 1953-1974 Schneider, Ludwig * 20. 9. 1898 Erdhausen b. Gladenbach † 23. 4. 1978 Lollar NSDAP (1935)-1945 FDP bis 1956, Demokratische Arbeitsgemeinschaft 1956, FVP 1956-1957, DP / FVP 1957-1961, CDU / CSU ab 1961 1949-1957 1958-1961 Stegner, Artur * 10. 6. 1907 Kattowitz (Oberschlesien ) † 5. 8. 1986 Bad Reichenhall NSDAP 1931-1945 FDP bis 1954, fraktionslos 1954-1957, GB / BHE ab 1957 1949-1957 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 – 463/09 Seite 15 6. Hinweise auf eine Mitgliedschaft in NS-Organisationen von weiteren Bundestagsabgeordnete in „M.d.B. – Die Volksvertretung 1946–1972“ Name NSDAP Partei / Fraktion nach 1945 MdB Dorn, Wolfram * 18.7.1924 Altena/Westfalen HJ-Führer; Waffen-SS 1942–1946 FDP 1961-1972 Fircks, Otto Freiherr von, * 14.9.1912 Pedwahlen/Lettland, † 17.11. 1989 Hannover SS (1939 Mitarbeiter Ansiedlungsstabes Litzmannstadt; 1940-1941 Leiter des SS- Arbeitsstabes in Gnesen/ Warthegau, Teilnahme an der »Evakuierung « polnischer Familien und der Einweisung volksdeutscher Umsiedler CDU 1969–1976 Hütter, geb. Jahn, Margarete * 26.3.1909 Berlin † 25.11.2003 NSDAP 1943 FDP / DVP 1949-1953 1955-1955 Kalinke, Margot * 23.4.1909 Bartschin/Krs. Bromberg (Prov. Posen) † 25.11.1981 München NS-Frauenschaft DP, CDU seit 1961 1949–1953 Leverkuehn, Paul, Dr. * 31.7.1893 Lübeck † 1.3.1960 Hamburg NSDAP seit (1933) CDU 1953–1960 Pohle, Wolfgang, Dr., * 28.11.1903 Erfurt † 27.8.1971 München NSDAP seit 1933 CSU 1953–1957 1965–1971 Porsch, Werner * 25.2.1915 Speichersdorf † 25.2.2004 HJ-Führer FDP 1967-1969 Preusker, Victor-Emanuel, Dr. * 25.2.1913 Berlin † 13.5.1991 Bonn SS seit 1933 FDP bis 1956, fraktionslos. DA DP / FVP 1956-1957 DP 1957, fraktionslos 1960 CDU seit 1960 1949–1961 Röder, Franz Josef, Dr. * 22.7.1909 Merzig/Saar † 26.6.1979 Saarbrücken NSDAP seit 1933 CDU 1957 Wartner, Johann * 17.6.1883 Scheibelsgrub † 13.1.1963 Scheibelsgrub NSDAP-Fraktion im Bayerischen Landtag bis 1933 Bayernpartei / FU 1949–1953