Inwiefern hat sich das Bild der DDR in den letzten knapp 20 Jahren verändert? - Ausarbeitung - © 2008 Deutscher Bundestag WD 1 – 3000 - 222/08 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser: Inwiefern hat sich das Bild der DDR in den letzten knapp 20 Jahren verändert? Ausarbeitung WD 1 - 3000 - 222/08 Abschluss der Arbeit: 30. September 2008 Fachbereich WD 1: Geschichte, Zeitgeschichte und Politik Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W. - Zusammenfassung - In der Forschung besteht weitgehend Konsens, dass sich das Bild, das sich große Teile der ostdeutschen Bevölkerung von der DDR machen, schon kurze Zeit nach dem Zusammenbruch der SED-Diktatur dramatisch gewandet hat. Herrschte anfänglich nicht zuletzt durch den unmittelbaren Zugang zu bislang verschlossenen Quellen eine äußerst kritische Sicht auf die DDR vor, wandelte sich angesichts der politischen, sozialen und ökonomischen Herausforderungen der deutschen Einheit schon Mitte der 1990er Jahre der Blick auf den SED-Staat gründlich, und es setzte eine nostalgisch geprägte Betrachtung ein. Diese Entwicklung hat sich seither nicht nur fortgesetzt, sondern noch verstärkt. Im Jahr 1997 gelangten erstmals fast 50 Prozent der Ostdeutschen zu dem Urteil, dass sich die SED-Diktatur durch mehr gute als schlechte Seiten ausgezeichnet habe und der vorherrschende Umgang mit ihrer Vergangenheit die Lebenswirklichkeit in der DDR nicht angemessen beschreibe. Nach Erkenntnis der Forschung geht mit diesem Urteilswandel in der ostdeutschen Bevölkerung eine tendenziell schwindende Identifikation mit der Bundesrepublik einher. Folgt man der Soziologin Katja Neller, die zur politischen Konnotation des DDR-Bildes die maßgeblichen Untersuchungen vorgelegt hat, dann verbindet sich bei einer großen Mehrheit der ostdeutschen Bevölkerung der nostalgische Rückblick auf die SED- Diktatur mit der widersprüchlichen Kombination einer affirmativen Grundhaltung zum Sozialismus und zur Demokratie. Zugleich wächst aber nach Ansicht Nellers die vergleichsweise kleine Gruppe der Ostdeutschen an, bei denen sich eine nostalgische Sicht auf die DDR mit einer grundsätzlichen Kritik am politischen und gesellschaftlichen System der Bundesrepublik verbindet. Im Gegensatz zum Wahrnehmungswandel der Ostdeutschen blendet eine breite Mehrheit der westdeutschen Bevölkerung auch rund zwanzig Jahre nach dem Mauerfall die diktatorischen und repressiven Seiten der DDR nicht aus und insistiert auf ihrem unrechtsstaatlichen Charakter. Allerdings möchte inzwischen auch in den alten Bundesländern eine Mehrheit der Deutschen einen Schlussstrich unter die Auseinandersetzung mit der Tätigkeit des Ministeriums für Staatssicherheit ziehen. Inhalt 1. Einleitung 4 2. Die Entwicklung des DDR-Bildes nach 1989 5 3. Die politische Konnotation des DDR-Bildes 8 4. Literaturverzeichnis 9 5. Anlagen 10 - 4 - 1. Einleitung Zu dem Bild, das sich die Deutschen von der SED-Diktatur in den Jahren nach dem Fall der Mauer gemacht haben, existiert inzwischen eine beachtliche Reihe von Umfragen und Untersuchungen. Den umfassendsten Überblick zum Stand der Forschung gibt die am Institut für Sozialwissenschaften der Universität Stuttgart arbeitende Soziologin Katja Neller, die in ihrer im Jahr 2006 erschienenen Dissertation „DDR-Nostalgie“ auf mehr als 50 Seiten Entwicklung und Erkenntnisgewinn der Forschung ausbreitet1. Eine knappe Zusammenfassung des Forschungsstandes beinhaltet auch die im Jahr 2008 veröffentlichte Untersuchung „Soziales Paradies oder Stasi-Staat?“, in der Monika Deutz- Schroeder und der Leiter des Forschungsverbundes SED-Staat der Freien Universität Berlin ihrer viel beachteten Untersuchung zum DDR-Wissen von Schülern ein Kapitel zum Bild der DDR in der ost- und westdeutschen Bevölkerung vorausgeschickt haben2. Beide Arbeiten machen deutlich, dass sich die Forschung mit dem grundsätzlichen Problem konfrontiert sieht, dass seit 1989 sowohl in den wissenschaftlichen Untersuchungen als auch in den Umfragen der Meinungsforscher eine Fülle sehr unterschiedlicher Indikatoren verwandt worden ist, mit denen man das DDR-Bild der Deutschen zu fassen suchte. Die Verwendung unterschiedlicher und zum Teil disparater Indikatoren hat zur Folge, dass sich die Erkenntnisse einzelner Untersuchungen kaum miteinander vergleichen lassen und infolgedessen trotz einer Fülle von Publikationen die Entwicklung bestimmter Facetten des DDR-Bildes nur in wenigen Fällen über einen längeren Zeitraum verfolgt werden kann. Eine weitgehend unerforschte terra incognita ist zudem die Frage, welche politischen Einstellungen sich mit Bild verbinden, das sich die Deutschen im Rückblick von der SED-Diktatur machen. Die Forschung hat diese Fragestellung bislang nur vereinzelt aufgegriffen, die gründlichsten Untersuchungen hat für diesen Bereich Katja Neller in ihrer Dissertation angestrengt. Im Vergleich zur beachtlichen Zahl von wissenschaftlichen Arbeiten und Umfragen, die dem Wandel des DDR-Bildes in der ostdeutschen Bevölkerung nachgehen, liegen für die westdeutsche Bevölkerung kaum gesicherte Daten vor. Die Forschung hat sich für diesen Gegenstand bislang nur am Rande interessiert. Bedeutendere Untersuchungen sind mit der oben genannten Studie zum DDR-Wissen von Schülern allenfalls für einzelne Gruppen angestrengt worden. 1 Vgl. Neller, Katja, DDR-Nostalgie. Dimensionen der Orientierung der Ostdeutschen gegenüber der ehemaligen DDR, ihre Ursachen und politischen Konnotationen, Wiesbaden 2006, S. 117–172. 2 Vgl. Deutz-Schroeder, Monika; Schroeder, Klaus, Soziales Paradies oder Stasi-Staat?: Das DDR- Bild von Schülern - ein Ost-West-Vergleich, Stamsried 2008, S. 55–80. - 5 - 2. Die Entwicklung des DDR-Bildes nach 1989 Innerhalb der deutschen Bevölkerung bestand in den ersten Jahren nach dem Mauerfall hinsichtlich der Beurteilung der SED-Diktatur ein breiter Konsens: Nicht nur in den alten, sondern auch in den neuen Bundesländern stimmte eine große Mehrheit darin überein, dass in der DDR Unfreiheit und Willkür geherrscht hatten und mit Blick auf diesen Staat keinesfalls von einem rechtsstaatlichen System gesprochen werden konnte. Spätestens Mitte der 1990er Jahre begann sich das DDR-Bild in West und Ost deutlich zu unterscheiden. Die Forschung beobachtet seither unter der ostdeutschen Bevölkerung nicht nur ein beachtliches, sondern auch wachsendes Maß an rückblickender Verklärung der SED-Diktatur. Zwar lässt sich für einzelne Aspekte des DDR-Bildes ein unterschiedlich hoher Grad an Nostalgie konstatieren - so wird zum Beispiel von der ostdeutschen Bevölkerung immer noch ein deutlicher Wohlstandsgewinn gegenüber der Zeit vor dem Mauerfall wahrgenommen -, doch führt insbesondere die gewandelte Einschätzung der sozialen Aspekte der DDR mit wachsender zeitlicher Distanz zu einem zunehmend verklärten Gesamturteil. So stieg der Anteil der Ostdeutschen, die der DDR mehr gute als schlechte Seiten abgewinnen, in den Jahren nach dem Mauerfall rasch an, erreichte im Jahr 1997 mit 48 Prozent einen Höchstwert und lag zuletzt, das heißt im Jahr 2004, bei 40 Prozent. Im selben Zeitraum stimmten unter der westdeutschen Bevölkerung hingegen nur fünf bis zehn Prozent diesem Urteil zu3. Nach einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach bezeichneten im Jahr der deutschen Einheit noch 72 Prozent der ostdeutschen Bevölkerung ihre Lebenssituation unter der SED-Diktatur als unerträglich4. In den folgenden Jahren sank auch dieser Wert nicht nur kontinuierlich, sondern rasch. Schon in den Jahren 1992 und 1994 lag er bei 60 respektive 56 Prozent und erreichte im Jahr 2001 schließlich ein Niveau von 44 Prozent. Im selben Zeitraum wuchs der Teil der ostdeutschen Bevölkerung, der die Verhältnisse in der DDR als „ganz erträglich“ bezeichnete, von 19 Prozent im Jahr 1990 auf 42 Prozent im Jahr 2001 an. Nach einer anderen Langzeiterhebung der Allensbacher Forscher stimmte darüber hinaus im Jahr 1994 knapp die Hälfte der ostdeutschen Bevölkerung dem Satz: „Wir waren alle gleich und wir hatten Arbeit. Darum war es eine schöne Zeit in der DDR“ zu und traf damit schon vier Jahre nach der deutschen Einheit eine Aussage, die auch im Jahr 2006 noch bei rund 50 Prozent der Ostdeutschen Zustimmung erfährt. Auf die Frage des Instituts für Demoskopie Allensbach: „Wo gab es bzw. gibt es mehr Rechtssicherheit, früher in der DDR oder heute in Deutschland“ 3 Vgl. Neller, Katja, „Auferstanden aus Ruinen?“. Das Phänomen DDR-Nostalgie, in: Gabriel, Oscar W.; Falter, Jürgen W.; Rattinger, Hans (Hg.), Wächst zusammen, was zusammengehört? Stabilität und Wandel politischer Einstellungen im wiedervereinigten Deutschland, Baden-Baden 2005, S. 352. 4 Vgl. Schroeder, Soziales Paradies oder Stasi-Staat?, S. 56. - 6 - spricht - mit einem großen Anteil an Unentschlossenen - eine Mehrheit der ostdeutschen Bevölkerung und zwar in allen Jahren, in denen Allensbach diese Umfrage durchführte (1994, 1997, 1998 und 2001), davon, dass die Rechtssicherheit in der DDR größer gewesen sei. Die affirmative Grundeinstellung zu der Aussage, man habe in der DDR eine „schöne Zeit“ verbracht, geht dabei laut Allensbach mit einer zunehmend ambivalenten Haltung der Ostdeutschen zur Bürgerrechtsbewegung und einer geringen Wertschätzung der DDR-Dissidenten einher. So stuften 15 Jahre nach dem Mauerfall nur 14 Prozent der von Allensbach Befragten den sich seit Juli 1989 in der Leipziger Nikolaikirche versammelnden Gebetskreis „Schwerter zu Pflugscharen“ als wichtig ein und lediglich sechs Prozent zeigten sich von dieser Bewegung beeindruckt, die zur Keimzelle der Montagsdemonstrationen wurde. Die ersten freien Volkskammerwahlen erreichten in diesem Zusammenhang Werte von 28 respektive 16 Prozent und auch die Montagsdemonstrationen werden nur von knapp 40 Prozent für bedeutend erachtet. Nur jeder Dritte Ostdeutsche (29 Prozent) zeigt sich im Jahr 2004 noch von ihnen beeindruckt. Dass die ostdeutsche Bevölkerung die SED-Diktatur mit wachsender zeitlicher Distanz in ein immer milderes Licht taucht, manifestiert sich insbesondere in der gewandelten Beurteilung der schwärzesten Seiten der DDR. Stimmten laut einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach im Jahr 1992 noch 70 Prozent der Aussage: „Die SED hat uns alle betrogen“ zu, so betrug dieser Wert im Jahr 2004 nur noch 39 Prozent. Fühlten sich im Jahr 1992 noch 57 Prozent der ostdeutschen Bevölkerung in der DDR „unfrei und gefangen“, waren es im Jahr 2004 nur noch 36 Prozent. Besonders deutlich wird dieser Wandel bei Antworten auf Fragen, mit denen Allensbach im Rahmen seiner Langzeiterhebungen die ostdeutsche Bevölkerung um ein Urteil über die Tätigkeit des Ministeriums für Staatssicherheit bat. Fühlten sich im Jahr 1992 noch 43 Prozent der Befragten „bespitzelt“ und waren der Meinung, dass sie unter der SED-Diktatur kaum jemand trauen konnten, so waren im Jahr 2004 nur noch 25 Prozent dieser Ansicht5. 34 Prozent stimmten im Jahr 1992 noch dem Satz: „Es war quälend, so viel Unrecht mitansehen [sic] und geschehen lassen zu müssen, ohne etwas tun zu können“ zu. 2004 waren nur noch 18 Prozent der Ostdeutschen dieser Ansicht. 5 Diese Erkenntnisse des Instituts für Demoskopie Allensbach stimmen mit Ergebnissen überein, die Jürgen Hofmann auf der Grundlage der Datenreihe „Ident“ ermittelt hat. Charakterisierten laut Hofmann im Dezember 1990 noch knapp 75 Prozent der Ostdeutschen die DDR als ein System „totaler Überwachung“, waren fünf Jahre später nur noch rund 40 Prozent dieser Ansicht. Vgl. Hofmann, Jürgen, Identifikation und Distanz. Ostdeutsche Meinungsbilder zur DDR-Gesellschaft und zum Einigungsprozess im Spiegel der Untersuchungsreihe „Ident“ 1990 bis 1999, in: Timmermann, Heiner (Hg.), Deutsche Fragen: Von der Teilung zur Einheit, Berlin 2001, S. 431– 449. - 7 - Mit den Ergebnissen dieser Umfrage korrespondiert, dass ein wachsender Anteil der ostdeutschen Bevölkerung die Stasi-Vergangenheit ganz ruhen lassen möchte. In den Jahren zwischen 1991 und 2000 stieg der entsprechende Wert von 36 auf 65 Prozent an und erreichte schon zwei Jahre nach der Deutschen Einheit mehr als 50 Prozent. 1994 schloss sich auch eine Mehrheit der westdeutschen Bevölkerung diesem Wunsch an. Untermauert wird dieser für die ostdeutsche Bevölkerung ermittelte Urteilswandel nicht zuletzt von zwei regionalen Untersuchungen: dem Thüringen-Monitor, mit dem eine Forschergruppe der Friedrich-Schiller-Universität Jena seit dem Jahr 2000 im Auftrag der Thüringer Staatskanzlei jährlich eine Studie zu den politischen Einstellungen der Bürger des Freistaates erarbeitet, und dem im Jahr 2007 erstmals vorgelegten Sachsen- Anhalt-Monitor, bei dem es sich um eine Studie von Infratest dimap handelt, die im Auftrag der Landeszentrale für politische Bildung Sachsen-Anhalt und des MDR entsteht . Folgt man den Erkenntnissen der Jenaer Forscher, so hatte im Rückblick einer absoluten Mehrheit der Thüringer (56 Prozent) im Jahr 2006 die DDR mehr gute als schlechte Seiten und ein bemerkenswert hoher Anteil der Bürger des Freistaates erblickte zu diesem Zeitpunkt in der DDR keinen Unrechtsstaat mehr6. Die für Thüringen ermittelten Werte stimmen in nahezu allen Bereichen mit den Erkenntnissen des Sachsen -Anhalt-Monitors überein, dessen Autoren die Resultate ihrer Untersuchung mit den Worten resümieren: „Im Blick zurück nimmt die DDR […] Züge eines großen Volksfreundes an, der eine soziale Rundumversorgung für alle vorhielt und solidarische Lebensformen in Gesellschaft und privater Gemeinschaft ermöglichte. Wohl sehnt sich kaum jemand nach dem politischen System namens DDR zurück, […] aber der diktatorische Kern des Systems und dessen undemokratische Funktionslogik werden abgeschwächt […]“7. Dass innerhalb der ostdeutschen Bevölkerung dieser verklärende Rückblick auf die SED-Diktatur auch das Bild der Gruppe prägt, die nicht mehr in der DDR sozialisiert worden ist, macht die einleitend erwähnte Untersuchung von Monika Deutz-Schroeder und Klaus Schroeder deutlich, in deren Rahmen rund 5200 Schüler im Alter zwischen 15 und 17 Jahren in Bayern, Berlin, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen zu ihrer Meinung über die SED-Diktatur befragt und um eine Bewertung der beiden deutschen Teilstaaten gebeten wurde. Im Gesamtergebnis haben die Schüler zwar ein besseres Urteil von der Bundesrepublik als von der DDR, doch unterscheidet sich das Bild in West- und Ostdeutschland ganz beträchtlich, sobald es in seinen unterschiedlichen Facetten beleuchtet wird. Schüler aus Bayern, Nordrhein-Westfalen und dem westlichen Teil Berlins präferierten in fast allen 6 Vgl. Thüringen-Monitor 2006, S. 58. 7 Zit. Sachsen-Anhalt-Monitor 2007, S. 61. - 8 - Kategorien - gefragt wurde unter anderem nach der Sozial- und Wirtschaftspolitik, dem politischen System und Herrschaftsverständnis, aber auch nach Schule und Alltag - die alte Bundesrepublik; Schüler aus Ost-Berlin und Brandenburg zogen dagegen zumeist die DDR vor. Insbesondere hinsichtlich der alltäglichen Lebenserfahrung oder der sozialen Leistungen bewerteten ostdeutsche Schüler mit breiter Mehrheit die DDR höher, und selbst innerhalb der Gruppe der westdeutschen Schüler äußerten sich viele über die Sozialpolitik der DDR lobend. Ein negatives Urteil fällten in diesem Bereich nur etwas mehr als 30 Prozent der Schüler in den untersuchten westlichen Bundesländern . Darüber hinaus erkannten zwar gut 60 Prozent der befragten Schüler in Bayern, Nordrhein-Westfalen und West-Berlin den Diktaturcharakter des SED-Staates, in den beiden ostdeutschen Bundesländern mochte aber nicht einmal die Hälfte der Befragten die DDR als „Diktatur“ charakterisieren. 3. Die politische Konnotation des DDR-Bildes Klang schon in der oben zitierten Passage der von Infratest dimap durchgeführten Untersuchung an, dass sich eine nostalgische Betrachtung der SED-Diktatur nur in geringem Maße mit der Sehnsucht nach einer Restauration der DDR verbindet, kennzeichnen überregional angelegte Studien diesen für Sachsen-Anhalt ausgewiesenen Befund als repräsentativ für die gesamte ostdeutsche Bevölkerung8. So ermittelte fünfzehn Jahre nach der deutschen Einheit die Untersuchung „Leben in den neuen Bundesländern “ des Sozialwissenschaftlichen Forschungszentrums Berlin-Brandenburg unter den älteren ostdeutschen Bürgern nur einen Anteil von acht Prozent, die sich mit der Aussage : „Möchte am liebsten die DDR wiederhaben“ identifizieren konnten9. Keinesfalls ohne Folgen bleibt der nostalgische Rückblick auf die SED-Diktatur aber, wenn in Umfragen die emotionale Bindung der ostdeutschen Bevölkerung an die DDR in Kombination mit ihrer Identifikation mit der Bundesrepublik betrachtet wird. So ist der Anteil der ostdeutschen Bevölkerung, die sich „stark“ oder „ziemlich“ mit der DDR und zugleich „wenig“ oder „gar nicht“ mit Gesamtdeutschland verbunden fühlt, in den Jahren 1990 – 2004 der Tendenz nach deutlich gewachsen. Seit 2002 geben nur etwas mehr als 40 Prozent der Ostdeutschen an, sie fühlten sich mit der Bundesrepublik verbunden . In den Jahren 1990, 1993 und - gegen den Trend - auch 2000 hatte dieser Anteil noch rund 70 Prozent betragen.10 8 Vgl. Neller, DDR-Nostalgie, S: 144f. 9 Vgl. Schroeder, Soziales Paradies oder Stasi-Staat?, S. 70. 10 Vgl. Neller, „Auferstanden aus Ruinen?, S. 353f. - 9 - Folgt man der einleitend erwähnten Untersuchung von Katja Neller, dann kann nur ein kleiner Teil der ostdeutschen Bevölkerung der Personengruppe zugeordnet werden, bei denen sich ein nostalgischer Rückblick auf die SED-Diktatur mit einer umfassenden Akzeptanz des politischen Systems und der Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik verbindet. Nach den Erkenntnissen der Stuttgarter Soziologin ist unter der ostdeutschen Bevölkerung vielmehr das Muster einer Verbindung von euphemistischem Rückblick auf die DDR, Sympathie für den „Sozialismus“ und demokratischer Grundüberzeugung sehr weit verbreitet. Zugleich wuchs aber bis zum Jahr 2002 die Gruppe der Ostdeutschen an, bei denen sich eine nostalgische Sicht auf die DDR mit einer antidemokratischen Grundüberzeugung verbindet. Sie machte – den Arbeiten Nellers zufolge – im Jahr 2002 zuletzt rund 14 Prozent der ostdeutschen Gesamtbevölkerung aus11. 4. Literaturverzeichnis Deutz-Schroeder, Monika; Schroeder, Klaus, Soziales Paradies oder Stasi-Staat?: Das DDR-Bild von Schülern - ein Ost-West-Vergleich, Stamsried 2008. Hofmann, Jürgen, Identifikation und Distanz. Ostdeutsche Meinungsbilder zur DDR- Gesellschaft und zum Einigungsprozess im Spiegel der Untersuchungsreihe „Ident“ 1990 bis 1999, in: Timmermann, Heiner (Hg.), Deutsche Fragen: Von der Teilung zur Einheit, Berlin 2001, S. 431–449. Neller, Katja, „Auferstanden aus Ruinen?“. Das Phänomen DDR-Nostalgie, in: Gabriel, Oscar W.; Falter, Jürgen W.; Rattinger, Hans (Hg.), Wächst zusammen, was zusammengehört ? Stabilität und Wandel politischer Einstellungen im wiedervereinigten Deutschland, Baden-Baden 2005, S. 33–381. Neller, Katja, DDR-Nostalgie. Dimensionen der Orientierung der Ostdeutschen gegenüber der ehemaligen DDR, ihre Ursachen und politischen Konnotationen, Wiesbaden 2006. Sachsen-Anhalt-Monitor 2007, in: http://www.sachsenanhalt .de/LPSA/index.php?id=26088 [Stand 28. September 2008]. Thüringen-Monitor 2006, in: http://www.thueringen.de/de/politisch/tm/ [Stand: 28. September 2008]. 11 Vgl. Neller, DDR Nostalgie, S. 287 und 300. - 10 - 5. Anlagen Pressespiegel zum Wandel des DDR-Bildes der Deutschen nach dem Mauerfall