Deutscher Bundestag 150 Jahre Deutsch-Japanische Beziehungen. Stationen einer politischen Entwicklung Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 1 – 3000 - 181/10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000 - 181/10 Seite 2 150 Jahre Deutsch-Japanische Beziehungen. Stationen einer politischen Entwicklung Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 1 – 3000 - 181/10 Abschluss der Arbeit: Datum 18.11.2010 Fachbereich: WD 1: Geschichte, Zeitgeschichte und Politik Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000 - 181/10 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Stationen der Beziehungen zwischen Deutschland und Japan 4 3. Literatur 10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000 - 181/10 Seite 4 1. Einleitung In der Geschichtswissenschaft wird mit Blick auf die Entwicklungen von Japan und Deutschland auf die anscheinende Parallelität bestimmter Ereignisabfolgen hingewiesen, die im Vergleich zu anderen – westlichen – Nationen zudem später eingetreten seien, weshalb von „verspäteten Nationen “ oftmals die Rede ist.1 Diese bis in die Gegenwart reichenden Parallelen legen ein Vergleich der beiden Länder nahe. In beiden Ländern vollzogen sich mit der Errichtung der Meiji-Restauration 1868 in Japan und der Gründung des Deutschen Kaiserreiches 1871 entscheidende Veränderungen. Sowohl in Japan als auch in Deutschland setzten Modernisierung und Industrialisierung vor dem Hintergrund zunehmenden Bevölkerungswachstums und Verstädterung in etwa gleichzeitig ein. Beide Länder erhoben ungefähr zur selben Zeit den Anspruch auf eine Rolle als Großmacht in der Weltpolitik. In beiden Ländern wurde diese Entwicklung von einem ausgeprägten Berufsbeamtentum innerhalb einer konstitutionellen Monarchie vorangetrieben. Beide Staaten erfuhren in Folge des Ersten Weltkrieges negative Entwicklungen auf politischem und wirtschaftlichem Sektor, auch wenn Japan zu den Siegermächten gehörte. 1933 verließen die Regierungen beider Staaten den Völkerbund und beschritten einen unheilvollen Weg zum Aufbau eigener Großreiche. Für beide Länder endete dieser Versuch 1945 im totalen Zusammenbruch. Japan und (die Bundesrepublik) Deutschland kamen unter den Einfluss der USA, denen sowohl von Japan als auch von Deutschland 1941 der Krieg erklärt worden war. Unter maßgeblichem Einfluss der USA wurde in beiden Staaten eine parlamentarische Demokratie etabliert. Sowohl Japan als auch die Bundesrepublik Deutschland erlebten in den 1950er und 1960er Jahren einen Aufschwung der Wirtschaft und gehören heute zu den führenden Wirtschaftsmächten der Welt. Heute stehen beide Staaten vor der Frage, welche Rolle sie in der internationalen Politik nach dem Ende des Kalten Krieges spielen sollen. 2. Stationen der Beziehungen zwischen Deutschland und Japan a) Die ersten diplomatischen Beziehungen im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts Deutsch-japanische zwischenstaatliche Beziehungen begannen mit der Unterzeichnung des Preußisch-Japanischen Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrages zwischen der preußischen Ostasiendelegation und dem japanischen Shogunat vom 24. Januar 1861. Vier Monate zuvor , am 4. September 1860, waren vier Kriegsschiffe der „Ostasien-Expedition“ unter Leitung des Diplomanten Friedrich Graf zu Eulenburg in Edo gelandet. Aufgabe der Expedition war es, die relativ schwach entwickelten deutschen Wirtschafts- und Handelskontakte, die bis dahin in erster Linie von den Hansestädten aus betrieben wurden, zu verbessern. Dies konnte aber nur nach Abschluss staatlicher Verträge erwartet werden.2 Der Einladung Preußens, sich der Expedition 1 Vgl. z. B. Kreft, Heinrich (1998): Deutsch-japanische Beziehungen, in: Pohl, Manfred/Hans Jürgen Mayer (Hrsg.) (1998): Länderbericht Japan. Geographie, Geschichte, Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur, Bundeszentrale für politische Bildung, S. 256-266, hier S. 257; vgl. darüberhinaus die weiterhin unter Punkt 3 angegebene Literatur . 2 Vgl. Becker, Bert, mit einem Beitrag von Oke Maas [1996]: Japan an der Spree. Deutsch-japanische Beziehungen im Spiegel Berlins und Brandenburgs, hrsg. von der Ausländerbeauftragten des Senats – Barbara John – Berlin: Verwaltungsdruckerei, S. 16ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000 - 181/10 Seite 5 formell anzuschließen, folgten sowohl sämtliche Zollvereinsstaaten als auch die Hansestädte Hamburg und Bremen sowie die beiden mecklenburgischen Großherzogtümer, d.h. insgesamt 39 deutsche Staaten. In diesen Vertrag traten später der Norddeutsche Bund und schließlich das Deutsche Reich ein. Der Vertrag mit Preußen – wie auch Verträge mit anderen europäischen Mächten – sorgten in der japanischen Gesellschaft für erhebliche innenpolitische und gesellschaftliche Unruhe, die auch zu einer Gefahr für die Macht des Taikuns wurde. Als Reaktion auf die zunehmende Fremdenfeindlichkeit und lauter werdende Rufe nach einem Regierungssturz entschloss sich die japanische Regierung, eine Mission nach Europa zu entsenden. Diese diente zum einen der Erkundung bislang unbekannter Länder, zum anderen sollten bestehende Verträge den veränderten Bedingungen in Japan entsprechend modifiziert werden. Mitte Juni 1862 erreichte eine erste offizielle japanische Gesandtschaft Berlin. Eine der entscheidendsten Erkenntnisse, die die japanische Delegation mit zurück in die Heimat nahm, war, dass der Staat Preußen in militärischer Hinsicht stark war, was für seine maritime Verteidigungskraft hingegen nicht galt. Ein besonderes Interesse für die preußische Waffentechnik aber war geweckt, wie der Besuch der nächsten japanischen Mission, der „Ikeda-Mission“, zeigte, die 1864 das Land mit dem Ziel aufsuchte, das preußische Militär zu studieren und um Zündnadelgewehre für die Armee der Shogunatsregierung zu kaufen . 1863 hatte mit Max von Brandt als Konsul erstmalig ein deutscher Diplomat seine Tätigkeit aufgenommen , zu einem Zeitpunkt, als ein Prozess der Veränderung der japanischen Gesellschaft einsetzte. Anfang 1868 übernahm der 16 Jahre alte Kaiser offiziell die Macht und das Shogunat wurde abgeschafft. Der junge Kaiser stellte seine Amtszeit unter den Namen „Meiji“, d.h. „erleuchtete Regierung“. Mit der Meiji-Restauration erfolgten im Bereich der Politik, der Gesellschaft , Wirtschaft und Kultur Japans umfangreiche und progressive Umgestaltungen „von oben“, d.h. also durch die Regierung selbst. Wichtigster Antrieb war die Furcht vor einer Kolonisierung durch den Westen, wichtigstes Ziel war die Gleichrangigkeit Japans auf allen Gebieten, um eben dieser Gefahr zu entgehen. Um eine Zivilisation nach „westlichem Muster“ zu werden, entschloss sich die Regierung zu einem umfassenden Entwicklungsprogramm. In der berühmten Eidescharta vom April 1868, die die reformerischen Ziele festhielt, heißt es: „Erkenntnisse sollen überall auf der Welt gesucht werden, um auf diese Weise die Grundlagen der kaiserlichen Regierung zu stärken.“ Eine Doppelstrategie sollte Japan befähigen, in kurzer Zeit den Vorsprung des Westens einzuholen. Zum einen reisten zahlreiche Japaner als Bildungsreisende oder Studenten in die USA und nach Europa, zum anderen warb die Regierung ausländische Experten als Modernisierungshelfer an. Diesem Ziel dienten auch die japanische Amerika- und Euroapexpedition, die unter Leitung des japanischen Außenministers Iwakura Tomomi stand. Zwei Jahre nach Gründung des Kaiserreiches , 1873, erreichte die japanische Delegation Deutschland und Berlin. Festgestellt wurde, dass sich bei einem Vergleich Japans und Deutschlands etliche Parallelen und ähnliche Problemstellungen im Entwicklungsprozess beider Länder erkennen ließen. Preußen schien ein geeignetes Entwicklungsmodell für Japan, sowohl in technologischer wie militärischer Hinsicht, nicht zuletzt auch, weil Preußen eine konstitutionelle Monarchie mit begrenzten demokratischen Rechten , aber mit einem entwickelten Rechts- und Verwaltungssystem war. Die Meiji-Reformer orientierten sich insbesondere in den Bereichen Verfassung, Militärwesen, Erziehungssystem an westlichen Erfolgsrezepten. Neben englischen, französischen und amerika- Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000 - 181/10 Seite 6 nischen Experten wurden auch etliche deutsche Fachwissenschaftler nach Japan eingeladen. Am stärksten war der Einfluss der Juristen Hermann Roesler und Albert Mosse, die von 1879-93 bzw. 1886-1890 als Berater der Regierung, insbesondere von Premierminister Ito Hirobumi nach Japan gekommen waren und wesentlich an den Entwürfen zur Meiji-Verfassung mitwirkten, die 1890 in Kraft trat. Roesler entwarf auch das erste japanische Handelsgesetzbuch und begründete die bis dahin in Japan nicht bestehende Wissenschaft vom Handelsrecht. Zu denjenigen, die deutsches Recht an japanischen Universitäten lehrten, gehörte auch der spätere Reichskanzler Georg Michaelis. Aber auch in den Bereichen der Medizin, des Bildungssystems, des Militärs und der Polizei entschied man sich in Japan für deutsche Vorbilder. Für die Jahre von 1882 bis zum Ersten Weltkrieg wird sogar von einer „Germanisierung“ der japanischen Staatsorganisation gesprochen . Nach außen hin zeigte die Einrichtung diplomatischer Vertretungen, welchen Stellenwert Japan in Deutschland und Deutschland in Japan einnahm. 1880 wurde die kaiserlich-deutsche Mission zur Gesandtschaft und 1906 zur Botschaft aufgewertet. Japan seinerseits eröffnete seine diplomatische Vertretung 1874 in Berlin, Gesandter wurde der als ausgesprochener Deutschlandfreund bekannte Shuzo Aoki. b) Erste Verwerfungen im Verhältnis Deutschland – Japan Der chinesisch-japanische Krieg, mit dem Japan als eine neue Großmacht auf die Bühne der Weltpolitik trat, kann als ein erster Wendepunkt in den deutsch-japanischen Beziehungen angesehen werden. Durch die Beteiligung Deutschlands an der so genannten Triple-Intervention, auch als „Dreimächte-Intervention“ bezeichnet, – neben Russland und Frankreich im Jahr 1895 – nach dem japanischen Sieg über China wurden die Beziehungen zwischen Deutschland und Japan einer Belastungsprobe ausgesetzt. Das Deutsche Reich unterstützte, um im Fernen Osten nicht in eine Außenseiterposition gedrängt zu werden, die russischen Forderungen gegenüber Japan, territoriale Erwerbungen aus dem Krieg gegen China aufzugeben. Japan wurde so genötigt, auf den in dem Friedensvertrag von Shimonoseki zugesicherten Erwerb der südmandschurischen Liaodong-Halbinsel zu verzichten. Obgleich in erster Linie Russland für diesen Japan demütigenden Anspruch antrat, wurde durch das diplomatisch ungeschickte Agieren des deutschen Gesandten in Tokyo, Felix Freiherr von Gutschmid, ein anderer Eindruck erweckt. Die Verstimmung Japans erfuhr weitere Verstärkung, als das Deutsche Reich begann, in Asien koloniale Erwerbungen zu machen. Im November 1897 besetzten deutsche Truppen im Zuge eines Überraschungscoups die chinesische Kiautschou-Bucht mit der Stadt Tsingtau und befanden sich damit im Rücken der japanischen Garnison auf der Shantung-Halbinsel. Japanische Politiker und Teile der Presse verurteilten dieses deutsche Vorgehen. Kaiser Wilhelm II. empfand den Anspruch Japans auf Ebenbürtigkeit mit dem Westen als Unverfrorenheit und sah sich zu der Bemerkung veranlasst, „diese Kerls [müßten] bei Gelegenheit mal was auf den Kasten kriegen“. Schließlich schloss die japanische Regierung 1902 einen Bündnisvertrag mit Großbritannien, der sich gegen die russischen Bestrebungen im ostasiatischen Raum richtete. c) Die Beziehungen Deutschland-Japan nach Beginn des I. Weltkrieges Den Bestimmungen des Bündnisvertrages mit Großbritannien entsprechend, trat Japan bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges auf dessen Seite in den Krieg ein. Am 23. August 1914 erfolgte die Kriegserklärung an Deutschland, und dem deutschen Botschafter Arthur Graf Rex (1911-1914) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000 - 181/10 Seite 7 wurden die Pässe überreicht. Nach japanischer Auffassung begann damit der „Nichi-Doku Senso “, der Japanisch-Deutsche Krieg. Eröffnet wurden die Kampfhandlungen durch den japanischen Angriff auf Tsingtau. Die gefangen genommenen 4.000 deutschen Soldaten wurden auf Shikoku, der kleinsten – und am schlechtesten zu erreichenden – der vier Hauptinseln Japans, interniert. Trotz wiederholter Gerüchte um eine deutsch-japanische Verständigung blieb Japan im Lager der Westalliierten. Am Ende des Krieges nahm Japan an den Friedensverhandlungen über das Schicksal der besiegten Mittelmächte Deutschland und Österreich teil. Im Vertrag von Versailles vom 28. Juni 1919 wurde Japan zur Mandatsmacht der deutschen Pazifikinseln nördlich des Äquators. Damit verlor das Deutsche Reich seine letzten kolonialen Besitzungen im pazifischen Raum. Als ausgesprochen liberal kann jedoch die Tatsache betrachtet werden, dass nach Ende des Ersten Weltkrieges Japan den Deutschen 70 Prozent ihrer gesperrten Vermögen zurückgab. (Meissner 1962, S. 17) d) Die 1920er Jahre als „Blüte“ der Beziehungen Deutschland-Japan Die Gegnerschaft zwischen Deutschland und Japan während des Ersten Weltkrieges wirkte nicht lange nach. Bereits 1921 wurden die diplomatischen Beziehungen wieder aufgenommen. Der Handelsvertrag wurde 1927 wieder in Kraft gesetzt. Die 1920er Jahre waren durch eine besondere Blüte der deutsch-japanischen Beziehungen geprägt. Vor allem tat sich der deutsche Botschafter in Japan, Wilhelm Heinrich Solf, hervor, der den kulturellen und wirtschaftlichen Austausch zwischen den beiden Nationen intensiv förderte. Unter maßgeblichem Einfluss des Physikers und Chemikers Fritz Haber vollzog sich 1926 die Gründung des Japan-Instituts in Berlin. Nahezu zeitgleich vollzog sich im Jahr 1927 in Tokyo die Gründung des Japanisch-Deutschen Kulturinstituts . Ende der 1920er Jahre entstand die Deutsch-Japanische Gesellschaft in Berlin, sowie 1933 ein zweites japanisch-deutsches Forschungsinstitut in Kyoto. Seit den 1920er Jahren wurde auch die auf dem militärischen Sektor während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begonnene Kooperation wieder aufgenommen und ausgebaut, u. a. durch die Entsendung japanischer Marine-Mitarbeiter nach Deutschland zu Ausbildungszwecken. e) Die „Achse Berlin – Rom – Tokio“ 1933-1945 Die 1930er Jahre gelten für Japan und Deutschland als eine Phase, in der die Parallelität der Entwicklungen besonders stark ausgeprägt schien, wenn auch die Diktaturen Hitlers und des japanischen Militärs in ihren Zielen, Methoden und vor allem Wertvorstellungen grundverschieden waren. 1936 wurde der Antikomintern-Pakt zwischen Japan und Deutschland abgeschlossen, dem sich ein Jahr später Italien anschloss. Das im Jahr 1938 geschlossene „Abkommen über die kulturelle Zusammenarbeit zwischen dem Deutschen Reich und Japan“ wurde zum Startpunkt einer zunehmend intensiver werdenden Propagandawelle, die den Mythos einer deutschjapanischen Verwandtschaft schuf. 1940 folgte der Dreimächtepakt, 1941 erklärten Deutschland und Japan den USA fast gleichzeitig den Krieg. Die Vertragsabschlüsse zwischen Deutschland und Japan waren aber kaum in der Lage, die großen Interessendivergenzen und das gegenseitige Misstrauen sowie die fast kaum vorhandene politische oder gar militärische Koordination zu überdecken. Das Dreimächteabkommen blieb ein „Verteidigungsvertrag mit Schlupflöchern, mit dem zwar nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges Deutschland, Japan und Italien ihre Einflussgebiete festlegten, wobei die „neue Ordnung in Europa“ unter deutsch-italienischer Führung und Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000 - 181/10 Seite 8 die „Großasiatische Wohlstandssphäre“ unter Japan gesichert werden sollte. Der feierlich am 27. September 1940 von den Außenministern Joachim von Ribbentrop und Galeazzo Ciano sowie dem japanischen Botschafter Kurusu Saburo in der neuen Reichskanzlei unterzeichnete Vertrag war lediglich eine Deklamation der Stärke und verpflichtete die Vertragspartner zu nichts. Die außenpolitische Wirkung indessen war enorm, da besonders die USA die veröffentlichten Teile des Vertrages über das neu geschmiedete „Dreieck Berlin – Rom – Tokio“ sehr ernst nahmen und ihn als aggressive Herausforderung verstanden. Ein Zeichen für die Leere des Dreimächteabkommens ist die Tatsache, dass weder Deutschland Japan über seinen Angriff auf die Sowjetunion noch Japan Deutschland über seinen ohne vorherige Kriegserklärung ausgelösten Überfall auf die amerikanische Pazifikflotte in Pearl Harbor vorab informierte. Während des Zweiten Weltkrieges kam der Handel zwischen Deutschland und Japan praktisch zum Erliegen. Ebenso wurden wissenschaftlich-kulturelle wie auch menschliche Beziehungen fast gänzlich unmöglich. Den in Deutschland lebenden Japanern empfahl die Japanische Botschaft nach Kriegsbeginn zu ihrer eigenen Sicherheit nach Japan zurückzukehren. Im Juni 1941 fand der Austausch von Delegationen zwischen Deutschland und Japan durch die Sperrung der Transsibirischen Eisenbahn ein Ende. Der Informationsaustausch zwischen den beiden Ländern blieb daher auf die schmalen Kanäle der offiziellen Organisationen beschränkt. Der Propagandamaschinerie bot dies den Vorteil, den Mythos von der Völkerfreundschaft zwischen Deutschland und Japan pflegen zu können. Die politische und militärische Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen Berlin und Tokio ist jedoch nach Meinung der Geschichtswissenschaft vielfach überschätzt worden, da eine gemeinsame militärische Strategie zwischen Japan und Deutschland nicht zustande kam. Während Deutschland die Sowjetunion als Hauptgegner ansah, waren die USA für Japan der größte Herausforderer. Zudem führte der gegen den erklärten Widerstand Deutschlands abgeschlossene Neutralitätsvertrag zwischen Japan und der Sowjetunion zu einer „Bündnislücke“. Japan griff entgegen Hitlers Erwartungen die Sowjetunion nicht von Osten her an und ermöglichte der Roten Armee dadurch den vollen Kräfteeinsatz gegen die Wehrmacht. Am Ende des von ihnen entfesselten Krieges stand für Japan wie für Deutschland die bedingungslose Kapitulation. f) Neuanfang nach Ende des Zweiten Weltkrieges Für die Zeit nach Ende des Zweiten Weltkrieges sind im Vergleich Deutschlands und Japans sowohl Parallelen als auch Divergenzen festzustellen. Die bedingungslose Kapitulation 1945 führte sowohl für Deutschland als auch für Japan, das die erste militärische Niederlage seiner Geschichte erlebte, zu einer historischen Zäsur. Beide Gesellschaften wurden entmilitarisiert, in Nürnberg wie auch in Tokyo fanden Kriegsverbrecherprozesse statt. In Japan und in den unter Einfluss der westlichen Alliierten stehenden Besatzungszonen Deutschlands wurde mit dem Aufbau parlamentarischer Demokratien begonnen. Japan und (West-)Deutschland wurden schrittweise in das von den Vereinigten Staaten geführte westliche Wirtschafts- und Sicherheitssystem integriert und zu zentralen Partnern der USA. Japan befand sich in einer im Vergleich zu Deutschland weniger schwierigen Lage, da es lediglich von den USA besetzt war und die Einheit des Landes hatte bewahren können. Während in Deutschland jede staatliche Autorität zusammengebrochen war, blieb in Japan das Kaiserhaus ebenso gewahrt wie eine Zentralregierung mit funktionsfähigen Ministerialbürokratien. Mit Ausbruch des Kalten Krieges erlangte Japan 1952 durch den Abschluss des Friedensvertrages von San Francisco die Wiederherstellung seiner Souveränität. Die Bundesrepublik Deutschland erlangte mit den Pariser Verträgen zwei Jahre später und durch die Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000 - 181/10 Seite 9 Einbeziehung in die Atlantische Allianz ihre Souveränität mit Einschränkungen ebenfalls zurück . g) Ausblick Heute sind die Beziehungen Japans zu Deutschland – wie auch zu Europa überhaupt – im Vergleich zu den extrem engen japanischen Beziehungen zu den USA nur schwach entwickelt. (Kreft 1998, S. 62ff.) Kreft bezeichnet weiterhin diese Beziehungen als wenig substantiell, wenngleich es seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges zwischen Deutschland und Japan weder zu Spannungen noch zu Konflikten gekommen ist. In Anlehnung an die transatlantischen Erklärungen der Europäischen Gemeinschaft sowie der Vereinigten Staaten und Kanadas vom November 1990 schlug das japanische Außenministerium eine entsprechende europäisch-japanische Erklärung vor, die im Sommer 1991 unterzeichnet wurde. Die Erklärung, die inzwischen von beiden Seiten mit Substanz gefüllt worden ist, soll die bisher stark unterentwickelten europäischjapanische Seite des Dreiecks Nordamerika-Japan-Europa verstärken helfen. Die gemeinsame Erklärung bildet den Rahmen für eine stärkere Integration und Vernetzung der politischen, wirtschaftlichen , kulturellen und wissenschaftlich-technologischen Beziehungen zwischen der EU und Japan. Kooperationen werden vor allen Dingen bei sogenannten Zukunftsfragen der Menschheit – Umweltschutz, Drogen, internationale Verbrechen, Massenvernichtungswaffen – angestrebt. Die Veränderung der internationalen Rolle Japans und Deutschlands in der Gegenwart hat zu einer Verstärkung des bilateralen Dialogs geführt. Im Asienkonzept der Bundesregierung [FN: Asienkonzept der Bundesregierung, in: Europa-Archiv, 6/(1994, S. D 187-200] von 1993 nimmt Japan daher eine herausragende Stellung ein. Der in den vergangenen Jahren intensiver gewordene Dialog wird über eine breite Palette von Themen geführt. Hierzu zählen UN-Reform, Hilfe für Russland/GUS und Osteuropa, Ächtung von Massenvernichtungswaffen, Nichtverbreitung von Kernwaffen, Abrüstung und Rüstungskontrolle, Umwelt und Sicherung des freien Welthandels. Zwischen deutschen und japanischen Fachministerien gibt es regelmäßige Konsultationen auf Staatssekretärs und Direktorenebene. Auch kam es in jüngster Vergangenheit wiederholt zu hochrangigen Kontakten. Im September 1993 besuchte Kaiser Akihito Deutschland und Bundespräsident Herzog im April 1997 Japan. Bundeskanzler Kohl besuchte Japan 1993 und 1996. 1994 weilte im Gegenzug Ministerpräsident Hata zu einem offiziellen Besuch in Deutschland. 1996 wurde die ein Jahr zuvor durch den damaligen Außenminister Kinkel angeregte „Agenda für die deutsch-japanische Partnerschaft“ beschlossen. Auch nach der Wiedervereinigung Deutschlands spieltt Japan in der deutschen Asienpolitik weiterhin eine gewichtige Rolle, wie die derzeit gültigen Regionalkonzepte zeigen (s. hierzu http://www.auswaertigesamt .de/diplo/de/Aussenpolitik/RegionaleSchwerpunkte/Asien/Asienpolitik-Text.html ) Wie auch der Besuch von Bundesaußenminister Westerwelle in Japan im Januar 2010 zeigte, bleibt die Abrüstungspolitik einer der Schwerpunkte der deutsch-japanischen Zusammenarbeit. Deutschland und Japan, so betonte der deutsche Außenminister, seien Partner mit sehr ähnlichen Interessen und gemeinsamen Werten, insbesondere bei der Rüstungskontrolle. Westerwelle betonte nach einem Gespräch mit seinem Amtskollegen Katsuya Okada: "Wir wollen unseren gemeinsamen Beitrag dazu leisten, dass dieses Jahrzehnt ein Jahrzehnt der Abrüstung wird - kein Jahrzehnt der Aufrüstung". Okada unterstrich, dass beide Staaten "eine führende Rolle übernehmen sollten, um eine nuklearfreie Welt zu realisieren." Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000 - 181/10 Seite 10 Neben den wirtschaftlichen und den sich intensivierenden politischen Beziehungen bildete und bildet der kulturelle Austausch das Fundament der deutsch-japanischen Beziehungen. Auch heute hat die japanische Bildungsschicht großes Interesse an klassischer und moderner deutscher Literatur sowie an „klassischer“ deutscher Musik. Allerdings ist das Interesse seit Beginn der deutsch-japanischen Beziehungen auf japanischer Seite sehr viel größer als auf deutscher. So stellte Kreft fest, dass es Ende der 1990er Jahre ca. 2.500 japanische Germanisten gab, denen aber nur 50-60 Japanologen an deutschen Universitäten gegenüber standen. Weit über 10.000 an deutschen Universitäten ausgebildeten Japanern stehen nur ca. 1.000 Deutsche gegenüber, die an japanischen Universitäten und Instituten ausgebildet wurden. Dieses Defizit an Deutschen mit profunden Kenntnissen der japanischen Kultur und Sprache ist u.a. nach Meinung Krefts ein wesentliches Hindernis für ein breiteres Engagement der deutschen Wirtschaft in Japan. 3. Literatur Becker, Bert, mit einem Beitrag von Oke Maas [1996]: Japan an der Spree. Deutsch-japanische Beziehungen im Spiegel Berlins und Brandenburgs, hrsg. von der Ausländerbeauftragten des Senats – Barbara John – Berlin: Verwaltungsdruckerei. Fischer, Joseph (2001): Japan und Deutschland im 21. Jahrhundert: Sieben Säulen der Kooperation , in: Berichte/ Forschungsinstitut der Internationalen Wissenschaftlichen Vereinigung Weltwirtschaft und Weltpolitik (IWVWW), 11 (2001), 104, S. 11-20. Haasch, Günther (1987): Deutschland und Japan – Wechselbeziehungen, in: ders. (Hrsg.): Japan - Deutschland. Wechselbeziehungen. Ausgewählte Vorträge der Deutsch-Japanischen Gesellschaft Berlin in den Jahren 1985 und 1986, Berlin: Verlag Ute Schiller, S. 51-62. Hack, Annette (1995): Das Japanisch-Deutsche Kulturinstitut in Tokyo zur Zeit des Nationalsozialismus . Von Wilhelm Gundert zu Walter Donat, in: NOAG [auflösen!] 157-158, S. 77-100 [Online- Abruf!] Hedrich, Klaus-Jürgen (1997): Die Zusammenarbeit zwischen Japan und Deutschland und ihr multilateraler Rahmen, in: KAS-Auslands-Informationen 13 (1997), 4, S. 4-11. Kreft, Heinrich (1998): Deutsch-japanische Beziehungen, in: Pohl, Manfred/Hans Jürgen Mayer (Hrsg.) (1998): Länderbericht Japan. Geographie, Geschichte, Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur, Bundeszentrale für politische Bildung, S. 256-266. Meissner, Kurt [1962]: 100 Jahre Deutsch-japanische Beziehungen, hrsg. vom ostasiatischen Verein Hamburg-Bremen, Hamburg, in Gemeinschaft mit dem Institut für Auslandsbeziehungen, Stuttgart, Bonn: Kühn-Verlag. Petzina, Dietmar/Ronald Ruprecht (Hrsg.) (1991): Wendepunkt 1945? Kontinuität und Neubeginn in Deutschland und Japan nach dem 2. Weltkrieg, Bochum: Universitätsverlag. Pohl, Manfred (1996): Deutsch-Japanische Beziehungen – von wohlwollender Nichtbeachtung zum intensiven Dialog?, in: Karl Kaiser/Joachim Krause (Hrsg.): Deutschlands neue Außenpolitik, Bd. 3: Interessen und Strategien, München: R. Oldenbourg Verlag, S. 153-160. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000 - 181/10 Seite 11 Sprengard, Karl Anton/Kenchi Ono/Yasuo Ariizumi (Hrsg.) (2002): Deutschland und Japan im 20. Jahrhundert. Wechselbeziehungen zweier Kulturnationen. Symposium 6.-9. September 2000 in Main, Wiesbaden: Harrassowitz Verlag.