Deutscher Bundestag Programme und Initiativen der Bundesregierung gegen Extremismus (Rechtsextremismus – Linksextremismus – Islamismus) zwischen 2000 und 2010 Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 1 – 3000-177/10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000-177/10 Seite 2 Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 1 – 3000-177/10 Abschluss der Arbeit: 13.10.2010 Fachbereich: WD 1: Geschichte, Zeitgeschichte und Politik Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000-177/10 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Die Bundesprogramme 4 2. Wissenschaftliche Bewertung 5 3. Literatur 7 4. Anlage: Tabelle 7 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000-177/10 Seite 4 1. Die Bundesprogramme Seit 2000 hat die Bundesregierung eine Reihe von Modellprogrammen zur Bekämpfung des Extremismus aufgelegt, in deren Rahmen sie Programme und Initiativen verschiedener Projektträger fördert. Auch wenn diese Programme teilweise auch auf die Bekämpfung des Linksextremismus und des Islamismus ausgerichtet sind, liegt der Schwerpunkt der Modellprogramme auf der Bekämpfung des Rechtsextremismus durch Stärkung der demokratischen Zivilgesellschaft, u. a. durch politische Bildung, Beratung von Initiativen und Vereinen sowie deren Vernetzung. In der als Anlage beigefügten Tabelle werden die Programme aufgelistet und jeweils das Datum ihrer Gründung und ihre Laufzeit sowie das zuständige Bundesministerium angegeben. Außerdem werden die Ziele und Aufgaben der Programme benannt und es wird angegeben, in welcher Höhe Haushaltsmittel zur Umsetzung der Programme bereit stehen bzw., soweit die Programme bereits abgeschlossen sind, standen. Im einzelnen handelt es sich in der Tabelle um folgende Programme der Bundesregierung oder nachgeordneter Behörden: A. Maßnahmen der Bundesregierung gegen den Extremismus 1. Bündnis für Demokratie und Toleranz – gegen Extremismus und Gewalt (seit 2000) 2. XENOS – Leben und arbeiten in Vielfalt (2000 bis 2007) 3. XENOS – Integration und Vielfalt (2008 bis 2013) 4. VIELFALT TUT GUT. Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie (2007 bis 2010) 5. Violence Prevention Network (seit 2001) B. Maßnahmen der Bundesregierung gegen Rechtsextremismus 1. XENOS-Sonderprogramm „Ausstieg zum Einstieg“ (2009 bis 2012) 2. CIVITAS – Initiative gegen Rechtsextremismus in den neuen Bundesländern (2001 bis 2006) 3. ENTIMON – gemeinsam gegen Gewalt und Rechtsextremismus (2001 bis 2006; neue Programmphase seit 2007) 4. EXIT-Deutschland (2009 bis 2012) 5. Aussteigerprogramm für Rechtsradikale des Bundesamtes für Verfassungsschutz (seit 2001) 6. Jugendschutz.net (seit1997) 7. Bundeszentrale für politische Bildung 8. Kampagne „Wölfe im Schafspelz“ im „Programm „Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes (ProPK)“ 9. Forum Internet (in Planung) 10. Kompetent für Demokratie – Beratungsnetzwerke gegen Rechtsextremismus (2007 bis 2010) 11. Forum gegen Rassismus (seit 1998) 12. Rahmenplan für Toleranz und Fairplay und gegen Rechtsextremismus im Sport (17. WP) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000-177/10 Seite 5 C. Maßnahmen der Bundesregierung gegen Linksextremismus 1. Präventionsmaßnahmen durch Förderung der Träger Jugendhof Scheersberg und der Europäischen Jugendbildungs- und Begegnungsstätte Weimar (in Planung) 2. HATIF (seit Juli 2010) 3. Clearingstelle „Präventionskooperation“ (im Aufbau) 2. Wissenschaftliche Bewertung Da seit 2000 bis heute fast ausschließlich Bundesprogramme mit dem Ziel der Bekämpfung des Rechtsextremismus ins Leben gerufen wurden, konzentriert sich auch die vorliegende wissenschaftliche Literatur auf die Auseinandersetzung mit solchen Programmen. Wissenschaftliche Expertisen zu den Programmen gegen Linksextremismus und Islamismus (z.B. Jugendhof Scheersberg; HATIF) gibt es aufgrund der erst sehr kurzen oder sogar noch nicht begonnenen Laufzeiten der Programme nicht. Die in der Tabelle aufgeführten Programme werden größtenteils wissenschaftlich begleitet. Hierzu wurden von den Ministerien Fachinstitute mit der Erstellung von Evaluationen beauftragt. Es liegen eine Vielzahl solcher Evaluationsberichte zu einzelnen Programmen und Teilprogrammen, ihren Details und ihrer Umsetzung vor.1 Eine Auswertung dieser Berichte war jedoch im Hinblick auf die Komplexität und Fachspezifität der Berichte innerhalb der zur Verfügung stehenden Zei nicht möglich. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die wissenschaftliche Validität solcherEvaluationsberichte nicht uneingeschränkt angenommen werden kann. 1 Beispiele: Klingelhöfer, Susanne; Schmidt, Mareike; Schuster, Silke; Brüggemann, Ulrich (2007). Abschlussbericht der wissenschaftlichen Begleitung des Programms »Entimon – gemeinsam gegen Gewalt und Rechtsextremismus«, Jahre 2002– 2006. http://www.entimon.de/content/e28/e45/e952/Abschlussbericht_wissenschaftliche_Begleitung_Entimon.pdf [Stand: 12.10.2010]. Gesamtbericht zum Berichtszeitraum 01.01.2008 – 31.08.2009 der Wissenschaftlichen Begleitung in Programmsäule 1: „Entwicklung integrierter lokaler Strategien“ (Lokale Aktionspläne) im Programm „VIELFALT TUT GUT. Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie“. http://www.vielfalt-tut-gut.de/content/e4458/e7451/Gesamtbericht_2008-2009 _WB_LAP.pdf [Stand: 12.10.2010]. Gesamtbericht der Wissenschaftlichen Begleitung für den Berichtszeitraum 01.02.2008 – 31.08.2009 „kompetent. für Demokratie – Beratungsnetzwerke gegen Rechtsextremismus“. http://www.kompetent-fuer-demokratie.de/ wissenschaftliche _begleitung_16.html [Stand: 12.10.2010]. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2006). Abschlussbericht zur Umsetzung des Aktionsprogramms „Jugend für Toleranz und Demokratie – gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus “ Stand: 31.10.2006 Abschlussbericht des Aktionsprogramms „Jugend für Toleranz und Demokratie – gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“ 2001 – 2006 http://www.entimon.de/content/e28 /e45/e826/Abschlussbericht_zum_Aktionsprogramm.pdf [Stand: 12.10.2010]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000-177/10 Seite 6 Aus den vorgenannten Gründen beschränkt sich die vorliegende Ausarbeitung auf die Literatur, die eine wissenschaftlich abgesicherte Untersuchung der Programme, ihrer Ausrichtung und ihrer Wirkung gewährleistet. Diese Werke befassen sich überwiegend nicht nur mit einer einzelnen Maßnahme, sondern haben mehrere Maßnahmen zum Gegenstand. Auch in dieser wissenschaftlichen Literatur allerdings werden die Bundesprogramme hinsichtlich Effektivität und Erfolgswirkung größtenteils als positiv bewertet. Die seit dem Jahr 2000 ins Leben gerufenen Programme stellten den ersten Großversuch dar, bürgerschaftliches Engagement mit staatlichen Mitteln für bestimmte Ziele zu fördern.2 Befürwortet wird, dass in erster Linie lokale Initiativen und Netzwerke, die sich für Zivilcourage und Demokratie stark machen, unterstützt werden. Die zivilgesellschaftliche Orientierung der Programme, d.h. Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit eher als Problem der politischen Kultur und nicht als abweichendes Verhalten Einzelner in einer bestimmten Lebensphase zu betrachten , bedeute zudem eine programmatische Weiterentwicklung. Positiv bewertet wird auch, dass durch die Bundesprogramme eine große Fülle von zusätzlichen Initiativen, Projekten und Maßnahmen im gesellschaftlichen Problembereich „Rechtsextremismus“ ermöglicht werde.3 Zudem sei es erfolgversprechend, dass allen Programmen gemeinsam sei, dass sie auf die Stärkung und Entwicklung einer demokratischen Kultur setzten, politische Bildung als Schwerpunkt auswiesen und überwiegend lokal orientiert seien. Insbesondere die durch einzelne Bundesprogramme besonders geförderten beiden Komponenten „mobile Beratung“ und „Opferberatung“ werden als erfolgversprechend beurteilt.4 Es werden jedoch auch einige Defizite der Programme hervorgehoben. So wird u. a. kritisiert, dass die Programme größtenteils nicht auf Dauer angelegt sind und ihnen dadurch die Nachhaltigkeit genommen werde.5 Auch wenn es den beteiligten Ministerien durchaus gelungen sei, zivilgesellschaftliche Akteure einzubinden und deren Infrastrukturen und Komponenten zu nutzen , sei die Finanzierung und Abwicklung in den Bundesprogrammen jedoch zu stark projektbezogen . Dies führe dazu, dass größere Akteure bzw. Projektträger begünstigt würden, da sie sich flexibler auf jeweilige Bedingungen einstellen könnten. Kleinere Projekte blieben hingegen oft unberücksichtigt.6 In Bezug auf die Aussteigerprogramme für Rechtsradikale wird bemängelt, dass die passive Ansprache der in Frage kommenden Personen über Hotlines nur bedingt geeignet sei, Ausstiegswillige auch tatsächlich zu erreichen.7 2 Vgl. Roth (2010), S. 27. 3 Vgl. Roth (2010), S. 27. 4 Vgl. Roth (2010), S. 27. 5 Vgl. Lynen von Berg; Roth (2003), S. 14. 6 Vgl. Lynen von Berg; Roth (2003), S. 13/14. 7 Vgl. Rieker (2009), S. 135. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000-177/10 Seite 7 Teilweise wird auch in Frage gestellt, ob Programme, die hauptsächlich politische Bildung zu ihren Leitzeilen machen, überhaupt die gefährdeten Personengruppen erreichten, da politische Bildung nur diejenigen Menschen erreichen könne, die eine gewisse Offenheit mitbrächten und selbst bereit seien, Fragen zu stellen. Dazu gehörten aber nicht diejenigen Personengruppen, die rechtsextreme Positionen vertreten.8 3. Literatur Lynen von Berg, Roth, Roland (2003). Maßnahmen und Programme gegen Rechtsextremismus wissenschaftlich begleitet. Aufgaben, Konzepte und Erfahrungen. Opladen: Leske + Budrich. Rieker, Peter (2009). Rechtsextremismus: Prävention und Intervention. Ein Überblick über Ansätze , Befunde und Entwicklungsbedarf. Weinheim und München: Juventa. Roth; Roland (2010). Demokratie braucht Qualität! Beispiele guter Praxis und Handlungsempfehlungen für erfolgreiches Engagement gegen Rechtsextremismus. Berlin: Wagemann-Medien. 4. Anlage: Tabelle 8 Vgl. Rieker (2009), S. 50.