Zur Diskussion um eine angebliche Kooperation USamerikanischer Firmen mit dem NS - Regime - Ausarbeitung - © 2007 Deutscher Bundestag WD 1 – 134/07 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Zur Zusammenarbeit US-amerikanischer Kreise mit den Nationalsozialisten Ausarbeitung WD 1 - 134/07 Abschluss der Arbeit: 28.09.2007 Fachbereich WD 1: Geschichte, Zeitgeschichte und Politik Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. Inhalt 1. Einleitung 3 2. US-amerikanische Kreise und der Nationalsozialismus 4 2.1. Antisemitismus in den USA 5 2.2. Henry Ford 5 3. US-amerikanische Konzerne in Deutschland vor und nach 1933 7 3.1. Ford Motor Company 7 3.2. General Motors 8 3.3. IBM 11 3.4. Standard Oil New Jersey 12 4. Fazit 14 5. Literaturverzeichnis 15 - 3 - 1. Einleitung „Es sei dahingestellt, wie die Grundlagen dieser Geschäftspolitik aussahen, ihre Wirkung bestand jedenfalls darin, den Standard zum Verbündeten Hitlers und somit zu einem feindlichen Wirtschaftsagenten im eigenen Land zu machen.“ (Borkin1978: 90) Diese Aussage des amerikanischen Journalisten I.F. Stone aus dem Jahre 1942 über Geschäftsbeziehungen des Ölkonzerns Standard Oil New Jersey mit Hitlerdeutschland hat bis zum heutigen Tage nicht an Brisanz verloren. Ebenso sehen sich auch andere US-Konzerne dem Vorwurf ausgesetzt, sich durch ihre Handelsbeziehungen zum NS-Regime am Terror des Dritten Reiches mitschuldig gemacht zu haben. Opferverbände erhoben mehrfach Schadensersatzklagen, weil in den Fabriken deutscher Tochterfirmen Tausende von Zwangsarbeitern beschäftigt waren. Opel, seit 1929 im Besitz von General Motors, und die Ford-Werke produzierten neben Lastwagen auch Flugzeugteile für die Wehmacht, die IBM-Tochter Dehomag unterstützte die Nationalsozialisten bei der statistischen Erfassung vor allem der jüdischen Bevölkerung, und die Kartellabsprachen zwischen Standard Oil und der I.G. Farben waren für das Hitlerregime militärisch vorteilhaft. Dem Hamburger Historiker Bernd Greiner zufolge unterhielten 26 der 100 größten amerikanischen Unternehmen Mitte der 1930er Jahre enge Geschäftsbeziehungen nach Deutschland (Lueken 1998). Vor diesem Hintergrund wird immer wieder auch die Frage gestellt, ob und inwieweit diese US-Firmen Kenntnis davon besaßen, was in Deutschland und speziell in den Fabriken ihrer Tochterfirmen nach 1933 vor sich ging, inwieweit die Konzernzentralen in New York, Detroit oder Dearborn auf die Entwicklung und Geschehnisse in Deutschland und Europa tatsächlich hätten Einfluss nehmen können und welche Motive es waren , die einen Abbruch der Geschäftsbeziehungen auch nach dem Kriegseintritt der USA und trotz des zunehmenden Drucks der heimischen Öffentlichkeit oftmals verhinderten .(Kolko 1962: 720) Gab es wirklich, wie zumal einschlägige rechts- und linksextreme Kreise und ihre Medien immer wieder unterstellen, politische Sympathien für die Nationalsozialisten in den Reihen der US-amerikanischen Wirtschaftselite oder wurden ökonomische Interessen der Firmen politischen und moralischen Fragen schlicht übergeordnet ? Im Folgenden soll zunächst untersucht werden, ob und inwieweit es solche politischen Sympathien in den Vereinigten Staaten für die Nationalsozialisten gegeben hat. Anschließend soll am Beispiel der Firmen Ford, General Motors, IBM und Standard Oil New Jersey untersucht werden, wie die Handelsbeziehungen dieser Firmen zu Deutschland vor und nach 1933 aussahen. - 4 - 2. US-amerikanische Kreise und der Nationalsozialismus Weder die Person noch die politischen Aussagen des Nationalsozialismus und seines Protagonisten Hitler stießen in der US-amerikanischen Öffentlichkeit auf eine nennenswerte positive Resonanz, galten sie doch der überwiegenden Mehrheit der Bürger als barbarisch, brutal und ideologischer Nonsens. Nationalsozialistisch geprägte Organisationen von Deutsch-Amerikanern, wie beispielsweise der „Bund der Freunde des Neuen Deutschlands“ und die „Teutonia Society“ wurden als „un-amerikanisch“ und als Versuch Hitlers wahrgenommen, das politische System der USA zu unterwandern (Diamond 1974: 22f.). Die Wahl Franklin D. Roosevelts zum Präsidenten 1932 gilt, zusammen mit der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler im darauffolgenden Jahr, als Wendepunkt in den deutsch-amerikanischen Beziehungen. Nach dem Ersten Weltkrieg hatten sich diese, vor allem aufgrund der ablehnenden Haltung der USA gegenüber dem Versailler Vertrag , ständig verbessert (Sirois 2000: 23). Das US-amerikanische Ziel eines freien Welthandels und der deutsche Wunsch, sich aus handels- und außenpolitischer Isolation zu befreien, begünstigten eine starke Annäherung beider Staaten bis in die frühen 1930er Jahre (Sirois 2000: 24-39). Nun brach der fundamentale ideologische Gegensatz zwischen beiden Staaten offen aus, da die klare Demokratiefeindlichkeit des NS-Regimes der öffentlichen Meinung in den Vereinigten Staaten diametral entgegenstand. Was die Amerikaner an Deutschland besonders schätzten, etwa die Universitäten und die literarische Freiheit und Kreativität, wurde von den Nazis beschädigt oder gar zerstört und das Ansehen Deutschlands sank, nicht zuletzt wegen der Diskriminierung und Verfolgung jüdischer Deutscher, deutlich. So wurde der Besuch des Reichsbankpräsidenten und späteren Wirtschaftsministers Hjalmar Schacht im Mai 1933 von massiven Protesten begleitet und dieser sogar im Gespräch mit dem Präsidenten unmittelbar mit der Judenfrage und dem militaristischen Habitus des neuen Regimes konfrontiert (Weinberg 1963: 170-173). Es ist bezeichnend für die Beziehungen zwischen der NSDAP und den USA, dass es sich bei diesem einzigen Kontakt auf so hochrangiger Ebene zwischen dem nationalsozialistischen Deutschland und den Vereinigten Staaten um den Besuch eines parteilosen Vertreters der Nazi- Herrschaft handelte (Weinberg 1963: 167). - 5 - 2.1. Antisemitismus in den USA Dennoch gab es auch in den USA antisemitische Strömungen, die sich in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg in einigen konservativen Kreisen mit dem vorherrschenden Antikommunismus vermengt hatten. So überwachte etwa seit Herbst 1919 das F.B.I. linksorientierte Aktivitäten, und unter der Leitung des Generalstaatsanwalts Alexander Mitchell Palmer kam es sogar zu Razzien und Massenverhaftungen (Diamond 1985: 99f.). Dieser Angst vor der „Roten Gefahr“ wusste sich unter Verweis auf die jüdische Abstammung führender Kommunisten auch der bis dahin vornehmlich religiös motivierte Antisemitismus zu bedienen, der nun Juden wurden als Unruhestifter und potentielle Kommunisten zu stigmatisieren suchte, so zum Beispiel auch Walter Rathenau, Außenminister der Weimarer Republik (Diamond 1985: 13.). Aus diesem Denken heraus wurde Hitler in den 1930er Jahren von manchen US- Außenpolitikern zunächst als „Bollwerk gegen den Kommunismus“ in Europa verstanden , eine Haltung, die im diametralen Gegensatz zur unmittelbaren Verdammung nationalsozialistischer Politik vor Kriegsbeginn stand (Diamond 1985: 14.). Hier muss jedoch hervorgehoben werden, dass es sich dabei immer um eine Minderheitenposition handelte. 2.2. Henry Ford Die wohl exponierteste Person in den genannten antisemitischen und antikommunistischen Kreisen der USA war der Großindustrielle und Automobilhersteller Henry Ford. In seinem Buch „The International Jew“, das er in den frühen 1920er Jahren veröffentlichte , bezichtigte er die Juden der Anstiftung zum Ersten Weltkrieg und gab ihnen die Schuld am angeblichen Niedergang der amerikanischen Kultur und ihrer Werte (Pool 1979: 82). Sein Werk fand auch international Beachtung und wurde in 16 Sprachen, unter anderem auch ins Deutsche, übersetzt. Ob und wieweit dieser Text –der unter anderem auch die berüchtigte antisemitische Lüge von den „Protokollen der Weisen von Zion“ aufgreift- tatsächlich Einfluss auf die Entwicklung des Nationalsozialismus ausgeübt und dessen ideologisches Konglomerat verstärkt hat, kann jedoch wissenschaftlich belastbar nicht nachgewiesen werden. Dass dieser angebliche Einfluss sowohl von Kreisen, die den Nationalsozialismus als zwingende Konsequenz des Kapitalismus darzustellen suchen, ebenso behauptet wird wie von denen, die durch den Hinweis auf angebliche Vorbilder die Schuld und Verantwortung der Nationalsozialisten für ihre Verbrechen relativieren möchten, kann nicht überraschen; Beweise für diesen Einfluss vermögen jedoch beide Seiten nicht zu liefern. Auch die Behauptung des Angeklagten Baldur von Schirach im Verlauf der Nürnberger Prozesse, er sei erst durch die Lektüre von „The International Jew“ zum Antisemiten geworden, entlarvt sich selbst als Schutzbehauptung und besitzt keine Beweiskraft. Auch dass sich Entsprechungen zu Texten in - 6 - Fords Sammelband, für die er sich 1942 entschuldigte, in Hitlers „Mein Kampf“ wiederfänden (so Pool 1979: 83), hält einer textkritischen Analyse nicht stand und dürfte eher auf inhaltliche wie sprachliche Stereotypien antisemitischer Vorstellungen und Schmähschriften zurückzuführen sein. Zur Bewunderung, die die Nationalsozialisten und vor allem Hitler selbst dem amerikanischen Industriellen entgegen gebracht haben sollen, werden ebenfalls immer wieder angebliche Äußerungen kolportiert. So soll Hitler Ford angeblich einmal den „Führer der wachsenden faschistischen Bewegung in Amerika“ genannt haben (Pool 1979: 85). Des Weiteren soll, einer Ausgabe der New York Times aus dem Jahr 1923 zufolge, zu diesem Zeitpunkt angeblich ein Bild des Automobilherstellers in Hitlers Büro in der Münchner NSDAP-Parteizentrale gehangen haben (Lueken 1998). Eine belastbare Aussage dazu, ob und ggf. in welchem Ausmaß Ford auf die Ideologie der Nationalsozialisten einen Einfluss ausgeübt haben könnte, kann jedoch wissenschaftlich nicht getroffen werden. So kann es auch nicht überraschen, dass die u. a. von Ron Rosenbaum und James Pool vertretene These, es habe einen signifikanten Einfluss gegeben, von ernstzunehmenden Historikern abgelehnt oder gar als ideologisches Konstrukt entlarvt wird (Lueken 1998). Es wird von einigen Autoren wie Ron Rosenbaum ebenso vermutet, dass Henry Ford die NSDAP bereits vor der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler finanziell unterstützt habe (Lueken 1998). So habe beispielsweise die New York Times 1922 über einen Appell des Berliner Tageblattes an den amerikanischen Botschafter Houghton berichtet, er möge dem Gerücht einer Finanzierung der Nationalsozialisten durch Ford nachgehen und diese gegebenenfalls unterbinden. Ebenso habe es in einem Bericht an den Reichspräsidenten Friedrich Ebert durch den bayerischen Landtagsabgeordneten Erhard Auer geheißen, es lägen Informationen über Zahlungen Fords an Hitler vor, die über Warren C. Anderson, einen Vertreter Fords nach Deutschland gelangt wären (Pool 1979: 108) – auch dies eine Behauptung, die ohne jeden Beleg in vielen Werken aufgegriffen wird, die sich erkennbar darum bemühen, Nazi – Verbrechen durch den Verweis auf angebliche Hintermänner zu relativieren. Der am häufigsten angeführte „Beleg“ für eine finanzielle Unterstützung der Nationalsozialisten durch Henry Ford ist seine Auszeichnung des amerikanischen Industriellen mit dem Großkreuz des Adlerordens 1938 durch Hitler (Lueken 1998). Die Interpretationen dieser Auszeichnung gehen weit auseinander und reichen je nach Intention der Autoren von einer angeblichen Bewunderung Fords für Hitler bis zur widerwilligen Annahme des Ordens durch Ford aus rein geschäftlichen Erwägungen (Bonin 2003: 323; Higham 154). Fazit aller hier angestrengten Versuche, Belege für eine Kooperation oder gar einen persönlichen Kontakt zwischen Ford und der NSDAP zu finden, ist, dass es solche Belege nicht gibt und lediglich Verschwörungstheorien diese zu konstruieren versuchen. (Bonin 2003: 323). - 7 - Wenn es aber eindeutig ist, dass eine persönliche Unterstützung der Nationalsozialisten durch Henry Ford nicht nachweisbar ist und sich entsprechende Behauptungen immer wieder als Elemente von Verschwörungstheorien herausstellen, könnte sich eine „Unterstützung “ lediglich darauf stützen, dass deutsche Dependancen amerikanischer Unternehmen – darunter auch die Ford Motor Company - mit dem Dritten Reich zusammen gearbeitet und dadurch die nationalsozialistische Diktatur unterstützt hätten. Ob dies der Fall war, soll im Folgenden untersucht werden. 3. US-amerikanische Konzerne in Deutschland vor und nach 1933 3.1. Ford Motor Company Im August 1925 wurde in Berlin die Ford Motor Company Aktiengesellschaft gegründet . Über die Beziehungen zur NSDAP vor deren Machtübernahme 1933 gibt es aufgrund der schlechten Quellenlage lediglich widersprüchliche Aussagen, so sprechen die schlechten Beziehungen des Aufsichtsratsvorsitzenden Heinrich Albert zum Regime gegen eine Kooperation, während Charles Higham die bewusste Auswahl des „Nazianwalts “ Albert durch den Mutterkonzern betont, mit der Ford die Verbindungen nach Deutschland habe festigen wollen (1983: xiv f.; Bonin 2003: 324). Den Aussagen einiger Historiker zufolge verlor die Ford Motor Company allerdings mit dem Verlauf der 1930er Jahre im Zuge der „Germanisierung“ der deutschen Wirtschaft zunehmend an Einfluss auf die Tochterfirma, die seit 1931 ihren Hauptsitz in Köln hatte . Auch der Informationsfluss ins Ford-Hauptquartier nach Dearborn geriet dem „Ford Report“ von 2001 zufolge in den Jahren bis zum Kriegseintritt der USA beinahe vollständig zum Erliegen (Bonin 2003: 325f.). Parallel dazu verbesserten sich die Beziehungen zwischen der Kölner Dependenz und der NS-Regierung merklich und der Germanisierungsprozess wurde 1939 mit der Umbenennung in Ford-Werke AG abgeschlossen (Bonin 2003: 330). Zwar hielt die Ford Motor Company bis zum Kriegsende 52% der Anteile an der deutschen Tochtergesellschaft (Silverstein 2000), es findet sich allerdings keine Darstellung, wie die Company angesichts der Zeitumstände und zumal nach dem Kriegseintritt der USA tatsächlichen Einfluss auf die Ford Werke hätten ausüben sollen. Auch inwieweit sie über die Geschehnisse in Europa, insbesondere über die Tatsache des Völkermords und seinen Umfang, überhaupt informiert gewesen sein könnte und ob und wie sie aufgrund solcher Informationen die Ford Werke dem staatlichen Zugriff hätte entziehen können, ist bis heute ungeklärt. Auch wenn die Herstellung von Lastkraftwagen für die Wehrmacht durch die Ford Werke AG als erwiesen gilt, so dürften doch die Umstände, unter denen diese Lieferungen erfolgten, ebenso von hohem Interesse sein wie die Frage, wann bzw. bis wann die Lieferungen erfolgt sind (Lueken 1998). Denn während Autoren wie Ron Rosenbaum - 8 - von einer für die NS-Kriegsführung existenziell wichtigen Kooperation sprechen, stellt sich Ford selbst im o. g. Report als für die deutschen Kriegsvorbereitungen eher unwichtigen Betrieb dar (Lueken 1998). Des Weiteren stand Ford nach eigener Aussage vor der Entscheidung zwischen wirtschaftlichem Ruin und der Annahme von Regierungsaufträgen , die mit dem Produktionsrückgang von Pkws zur wichtigsten Einnahmequelle des Automobilherstellers geworden waren (Bonin 2003: 332). 1938 begannen die Ford Werke mit der Produktion von V8 Lkws im Auftrag der Nazi - Regierung, die diese Fahrzeuge bei der Besetzung der Tschechoslowakei einsetzte. Während des Krieges produzierten die Ford Werke zwischen 87.000 und 92.000 Fahrzeuge , hauptsächlich für die Wehrmacht und andere militärische Zwecke (Bonin 2003: 332-335). Demgegenüber ist darauf hinzuweisen, dass die Ford Motor Company während des II. Weltkrieges etwa in Großbritannien über 30.000 Rolls-Royce Merlin V12 Flugzeugmotoren und 347.000 Lkw für die Streitkräfte produzierte und lieferte (Bonin 2003: 350). 3.2. General Motors 1931 an General Motors (GM) verkauft, wurde die Rüsselsheimer Adam Opel AG dem US-amerikanischen Historiker Bradford Snell zufolge wichtigster Zulieferer für den deutschen Mittelstreckenbomber Ju 88 und die Messerschmitt ME 262 (Neliba 2000: 51-53; Gassert 1999). Obwohl Opel als „nach Amerika orientierte Fabrik“ für die Produktion des Volkswagens abgelehnt wurde, gelang es dem Unternehmen dennoch, sich nach der Machtübernahme Hitlers durch die Betonung seiner deutschen Traditionen immerhin vor der Ford Motor Company zu positionieren (Neliba 2000: 51-53; Gassert 1999). Nach einem persönlichen Treffen des GM-Präsidenten William S. Knudsen mit Göring im Oktober 1933 verfestigten sich die Geschäftsbeziehungen zur neuen Regierung und Sympathiebekundungen für die Nationalsozialisten in der GM-Chefetage blieben keine Seltenheit (Neliba 2000: 82). In der Folge dieses Besuches konnte Opel durch lukrative Regierungsaufträge seinen Marktanteil in Deutschland bis 1935 von 35% auf über 50% steigern (Kolko 1962: 725). Im Mai 1935 traf sich der für Europa zuständige GM-Vizepräsident James D. Mooney mit Hitler und Ribbentropp und erhielt von diesen die Zusage, dass das in Deutschland investierte Kapital des Unternehmens sicher sei. Ein Brief, den Mooney danach an den Reichskanzler schrieb, und dessen „starke, weitsichtige Führung“ lobt, kann zwar als Zeichen dafür gedeutet werden, dass Mooney in den frühen Jahren des Dritten Reiches eine große Sympathie für die neue Regierung empfunden habe (Neliba 2000: 80); min- - 9 - destens ebenso plausibel erscheint aber auch die Interpretation, dass ein Vertreter geschäftlicher Interessen, der zu diesem Zeitpunkt noch weitaus weniger als viele demokratische Politiker die tatsächlichen Ziele der nationalsozialistischen Diktatur durchschaute , Hitler zu besänftigen suchte, um das investierte Kapital zu sichern. Die auch nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler und der Zerstörung der Demokratie in Deutschland fortgeführte Zusammenarbeit mit der deutschen Regierung, die in der amerikanischen Öffentlichkeit auf heftige Kritik stieß, ermöglichte GM, hohe Gewinne in Deutschland zu erwirtschaften, die aber schon bald nicht mehr transferiert werden durften, sondern in Deutschland reinvestiert werden mussten. Zwar mussten sich amerikanische Manager aus dem Unternehmen zurückziehen und wurden durch Parteifunktionäre ersetzt und jüdische Mitarbeiter wurden entlassen (Higham 1983: 167); im Gegenzug dazu konnte sich Opel aber ab Januar 1936 als wichtiger Militärlieferant für das NS-Regime etablieren und produzierte im neu eröffneten Brandenburger Werk, der größten und modernsten Lkw-Fabrik Europas, mit dem Opel Blitz das „Rückgrat der Wehrmacht“, der während der Kriege in Polen, Frankreich und in der Sowjetunion zum Einsatz kam (Neliba 2000: 62; Dobbs 1998). Jeder dritte in Brandenburg produzierte Lkw ging an die Wehrmacht und Mooney, der, Higham zufolge (1983: 167), diese Zusammenarbeit auch durch weitere Treffen u. a. mit Hjalmar Schacht im Winter 1936 maßgeblich vorangetrieben hatte, wurde im August 1938 mit dem Orden des deutschen Adlers für seine Verdienste um den Ausbau der Adam Opel AG ausgezeichnet . Auch nach der Besetzung der Tschechoslowakei beendete Opel die Zusammenarbeit nicht, vielmehr ließ GM-Geschäftsführer Alfred P. Sloan verkünden, das Unternehmen könne die politischen Umstände und Einstellungen des Managements bzw. des jeweiligen Standortes nicht berücksichtigen und darauf hinweisen, dass die Geschäftsbeziehungen mit den Nationalsozialisten „höchst profitabel“ seien (Kolko 1962: 725; Dobbs 1998). In Rüsselsheim stellte Opel unter anderem Teile für die Ju 88 und die Messerschmidt Me 262, Zünder für Geschosse und Lastenträger für Bomben her (Neliba 2000: 89). Zu den Geschehnissen nach Beginn des Zweiten Weltkrieges finden sich aufgrund der Quellenlage allerdings viele widersprüchliche Aussagen. General Motors selbst, aber auch die Historiker berichten vom Kontrollverlust der Detroiter Zentrale über die deutsche Tochterfirma im September 1939 und der Gefahr einer Enteignung von 100 Millionen Dollar Investitionskapital im Fall einer Beendigung der Geschäftsbeziehungen oder auch nur einer Rückgabe des Adlerordens durch Mooney. Insgesamt kann als gesichert gelten, dass der Zentrale der nötige Handlungs- - 10 - spielraum –zumal nach der Einsetzung eines „Feindvermögensverwalters“ - fehlte, um nach 1939 die Beteiligung Opels an der nationalsozialistischen Rüstungswirtschaft einschränken oder gar einstellen zu können (Gassert 1999; Dobbs 1998). Die Eingliederung des Rüsselsheimer Werkes in die Flugzeugteileproduktion 1939 soll demnach ohne das Wissen der Zentrale eigenmächtig von Opel-Gremien in Deutschland entschieden worden sein, während Opel nur noch formal im Besitz der Amerikaner verblieben war. Die Frage, ob die deutschen Manager, die ab 1939 die Kontrolle ausübten, tatsächlich das Vertrauen der Zentrale genossen und diese so gut wie möglich auf dem Laufenden hielten oder ob der Informationsstrom völlig versiegte, kann nicht mit Gewissheit beantwortet werden (Gassert 1999; Kugler 2006). Ebenso ist unklar, ob die Besuche Mooneys in Berlin und Rüsselsheim im Oktober 1939 und im Februar/März 1940 und seine Gespräche mit Göring und Hitler den erfolglosen Versuch darstellten, zwischen den Kriegsparteien zu vermitteln und einen Weltkrieg zu verhindern, oder ob dabei Absprachen bezüglich der Produktion von Flugzeugteilen in Rüsselsheim getroffen wurden. Gleichfalls lässt sich nicht belegen, dass diese Gespräche im Widerspruch zur These des Kontrollverlustes stünden(Neliba 2000: 79- 87; Dobbs 1998). Zwar wurde noch im März 1940 das amerikanische Aufsichtsratsmitglied Ellis Hoglund zum Generalbevollmächtigten für GM im Deutschen Reich ernannt, im Frühjahr 1941 aber übernahm der deutsche Rechtsanwalt Heinrich Richter die Leitung des deutschen Unternehmens (Neliba 2000: 103f.; Dobbs 1998). Spätestens mit dem Kriegseintritt der USA im Dezember 1941 wurde, wie oben bereits erwähnt, jedenfalls das GM – Investitionskapital als feindliches Vermögen behandelt (Neliba 2000: 166f.). Zum Verhalten der GM – Manager gegenüber dem nationalsozialistischen Regime kann insgesamt festgestellt werden, dass nicht ein Wunsch nach Kooperation mit dem Nationalsozialismus, sondern die Sorge um den Schutz der Investitionen im Vordergrund stand; so sagte Mooney noch im Juli 1941 gegenüber dem FBI aus, nichts unternehmen zu wollen, das Hitler „wütend machen“ könnte (Dobbs 1998). Ähnlich wie im Falle der Ford Motor Company muss aber an dieser Stelle auch betont werden, dass General Motors in den USA ebenso für die Alliierten tätig wurde. So produzierte das Unternehmen bis 1945 Kriegsgerät im Wert von 12 Milliarden Dollar, darunter Panzer, Flugzeugmotoren und Munition für die B-29 Bomber der US- Armee (Neliba 2000: 170). - 11 - 3.3. IBM Hermann Hollerith, ein deutschstämmiger Ingenieur, hatte Ende der 1880er Jahre in den USA ein Verfahren zur Erfassung und Speicherung von Daten mittels Lochkarten entwickelt . Auf der Grundlage dieses Verfahrens und der entsprechenden Lizenzen gründete Willy Heidinger 1910 die Deutsche Hollerith Maschinen Gesellschaft (Dehomag), die Lochkartensortiermaschinen in Deutschland vertrieb (Aly; Roth 2000: 21f.). Als die Dehomag nach dem Ersten Weltkrieg aufgrund der Inflation nicht mehr in der Lage war, ausstehende Lizenzgebühren an die US-amerikanische Computing Tabulating Recording Corporation (CTR) zu bezahlen, kaufte CTR-Chef Thomas J. Watson 1922 90% der Firmenanteile, zwang die Dehomag, ihre wirtschaftliche Aktivität auf das Deutsche Reich zu beschränken und machte sie damit zur „Deutschlandfiliale“ des 1924 in International Business Machines Corporation (IBM) umbenannten US-Konzerns (Aly ; Roth 2000: 24). 1937 kam die Dehomag mit Organisationen und Institutionen des NS - Staats ins Geschäft , die an statistischen Erhebungen ein Interesse hatten und wurde so Ende der 1930er Jahre zur ertragreichsten Tochtergesellschaft von IBM (Aly; Roth 2000: 24). Mit Tabelliermaschinen aus den Werken der Dehomag führte das Statistische Reichsamt 1939 schließlich die Volkszählung durch, die eine wesentliche Basis der systematischen Vernichtung der Juden in Deutschland und später auch den besetzten Gebieten schuf(Aly; Roth 2000: 24-32). Noch in den letzten Kriegsmonaten konnte die NS- Bürokratie mittels Dehomag - Maschinen die erfasste Bevölkerung nahezu vollständig erfassen und zu kontrollieren (Aly; Roth 2000: 154-159). Welche Rolle der US-Amerikanische Mutterkonzern IBM und sein Vorstandsvorsitzender Thomas J. Watson in diesem Zusammenhang spielten, ist bis heute unklar. Insbesondere die Frage, ob sich in der Lieferung von Hollerith - Maschinen nur ein besonders ausgeprägter, vielleicht als skrupellos zu bezeichnender Geschäftssinn ausdrückt oder ob auf der Tatsache dieser Lieferung gar die Behauptung einer ideologischen Nähe zum Nationalsozialismus und sogar einer Bewunderung Watsons für Hitler aufgebaut werden kann, kann auch von Edwin Black, Autor des Buches „IBM und der Holocaust“ nicht geklärt werden. Auch scheint es eher gewagt, eine Reise, die Watson trotz der anhaltenden Kritik am NS-Regime in den Vereinigten Staaten im Herbst 1935 nach Berlin unternahm und in deren Rahmen er anlässlich des 25. Jahrestages der Dehomag ein Bankett im Hotel Adlon veranstalten ließ, als „Beweis“ dafür zu werten, dass eine besondere Affinität zum NS – Regime bestanden habe. Dass zu dem Bankett u. a. auch Hitlers Presseattaché Hanfstaengl und Wirtschaftsminister Schacht eingeladen gewesen seien (Black 2001: 148f.), dürfte eher dafür sprechen, dass zu diesem Zeitpunkt jedenfalls keine Beziehungen zu allerhöchsten Kreisen des Regimes bestanden. 1937 wurde er von Hitler für seine Ablehnung des Handelsboykotts gegen Deutschland und seine - 12 - Bereitschaft, den Welthandelsgipfel in Berlin stattfinden zu lassen, mit dem höchsten Orden ausgezeichnet, der im Dritten Reich an Ausländer verliehen wurde: dem Führer- Verdienstkreuz des Deutschen Adlers mit Stern (Black 2001: 170f.). Watson gab den Orden allerdings bereits im Juni 1940 zurück. Dass die geschäftlichen Beziehungen zwischen der IBM-Tochter Dehomag und dem NS - Staat trotz dieses Affronts gegen Hitler bis Kriegsende andauerten (Black 2001: 280f.), lässt jedoch keine Rückschlüsse darauf zu, welche Einflussmöglichkeiten IBM auf Dehomag nach Kriegsbeginn besaß und über welche Informationen sie hinsichtlich des Krieges und des Völkermordes in Europa verfügte. 3.4. Standard Oil New Jersey Im Fall der Deutsch-Amerikanischen Petroleum Gesellschaft (DAPG), einer Tochter des US-amerikanischen Ölkonzerns Standard Oil New Jersey, steht nicht nur die Firma selbst, sondern auch und eher noch stärker ihre Beziehungen zur I.G. Farben im Mittelpunkt des Interesses. 41 deutsche Chemiewerke, darunter AGFA, Bayer, Hoechst und BASF hatten sich im Herbst 1925 zur I.G. Farben zusammengeschlossen und damit das hinsichtlich seines Umsatzes zweitstärkste Industrieunternehmen des Landes mit einer Belegschaft von über 150.000 Menschen begründet (Karlsch; Stokes 2003: 136). Besonderes Aufsehen erregte die I.G. Farben Mitte der 1920er Jahre mit der Ankündigung, ein Verfahren zur Herstellung von synthetischem Benzin (Bergius-Verfahren) zu entwickeln. Im März 1926 besuchte Walter C. Teagle, Präsident der Standard Oil die Produktionsanlagen der BASF und war beeindruckt von deren Forschungsergebnissen. Angesichts einer möglichen deutschen Unabhängigkeit von ausländischen Öllieferungen versuchte Standard Oil, diese mögliche wirtschaftliche Bedrohung durch eine verstärkte Zusammenarbeit mit der I.G. Farben abzuschwächen (Borkin1978: 50f.). So wurde im September 1927 eine weitreichende Forschungszusammenarbeit vereinbart, und 1928 kam es auch zu geheimen Kartellabsprachen über die Rechte am Bergius-Verfahren (Karlsch; Stokes 2003: 138). Die Beziehungen der I.G. Farben zur NSDAP waren vor der Machtergreifung eher reserviert und schwankten zwischen der Furcht vor einer möglichen antikapitalistischen Politik Hitlers und der Hoffnung auf eine aktivere Wirtschaftspolitik des Staates (Karlsch; Stokes 2003: 158f.). Nach der Machtergreifung 1933 näherte man sich, vor allem aufgrund Hitlers Streben nach einer deutschen Ressourcenunabhängigkeit, allerdings sehr rasch einander an (Borkin1978: 57f.). Mit der Herstellung von synthetischem Öl, Gummi, Giftgasen, Sprengstoff und unzähligen anderen Produkten wurde die I.G. Farben für die Aufrüstung des nationalsozialistischen Deutschlands unersetzlich und - 13 - übernahm die Führungsrolle bei den industriellen Kriegsvorbereitungen (Borkin1978: 74). Auch die internationalen Verbindungen der I.G. Farben konnte sich das NS-Regime zu Nutzen machen. Das Antiklopfmittel Bleitetraethyl wurde für die Luftwaffe benötigt. Die I.G. handelte im Sommer 1939, also noch vor dem deutschen Überfall auf Polen und dem dadurch ausgelösten Zweiten Weltkrieg, mit der Standard Oil - Tochterfirma Ethyl Export Corporation die Lieferung von 500 Tonnen dieses Stoffes aus. Ob den Amerikanern der in den Verhandlungen verschwiegene Endabnehmer des Treibstoffzusatzes bekannt war, kann allerdings nicht mit absoluter Sicherheit gesagt werden (Borkin 1978: 75), und es wäre ebenfalls fraglich, ob die Lieferung zu diesem Zeitpunkt nicht erfolgt wäre, wenn der Abnehmer bekannt gewesen wäre. Die DAPG- Tochter Ethyl und die I.G. gründeten sogar ein gemeinsames Unternehmen, die Ethyl GmbH, die ohne Einwände des amerikanischen Mutterunternehmens Standard Oil oder gar des amerikanischen Verteidigungsministeriums in Deutschland Anlagen für die Herstellung von Bleitetraethyl baute und betrieb. Die NS - Regierung bestand jedoch angesichts dieser kriegswichtigen Produktion auf scharfen Geheimhaltungsmaßnahmen gegenüber den ausländischen Vertragspartnern der I.G., um die Weitergabe technischer Informationen an diese zu verhindern (Borkin 1978: 76f.). Relevant wurde dies vor allem im Zusammenhang mit der Synthese des ebenfalls kriegswichtigen Rohstoffes Kautschuk, als I.G. Farben auf Geheiß der NS- Regierung der DAPG (und damit der Standard Oil) die Weitergabe entsprechender Rechte bis Oktober 1939 und den Zugriff auf die Technologien vollständig verweigerte (Borkin1978: 80ff.). Spätestens im Dezember 1941 wurde das Ausmaß dieses militärischen Nachteils offensichtlich und brachte Standard Oil auch juristisch in große Bedrängnis . Das Ansehen des Unternehmens in der amerikanischen Öffentlichkeit litt vor allem nach dem Bekanntwerden eines Memorandums, in dem Standard Oil die Zusammenarbeit mit der I.G. Farben als von einem möglichen Kriegseintritt der USA unabhängig darzustellen versucht hatte (Borkin1978: 85-90). Ebenso wie andere ausländische Firmen wurde auch die Standard Oil - Tochter DAPG Ziel von nationalsozialistischer Agitation und bemühte sich rasch um die Demonstration ihrer Loyalität gegenüber der neuen Regierung (Karlsch; Stokes 2003: 193-197). Durch die von der I.G. Farben und der Reichsregierung vorangetriebene Kapitalbeteiligung der DAPG am Hydrierwerk Pölitz ab 1937, in dem im Fall eines Krieges und ausbleibender Öllieferungen Flugbenzin aus Steinkohle und Teer hergestellt werden sollte, trug sie nolens volens zu den Kriegsvorbereitungen der Nationalsozialisten bei. Denn auch wenn die Regierung großen Druck auf die ausländischen Firmen ausübte und per Gesetz die Transferierung der Gewinne untersagt und eine Reinvestition der in Deutschland - 14 - erwirtschafteten Gewinne erzwungen hatte, so erschien dem Mutterkonzern Standard Oil New Jersey die Aufrechterhaltung der geschäftlichen Beziehungen mit den Nationalsozialisten doch schon mit Blick auf die Sicherung der getätigten Investitionen als außerordentlich wichtig. Dies könnte auch die angeblichen –allerdings nicht belegten- Lieferungen von Spezialölen aus den USA über Drittländer nach Deutschland in den Jahren zwischen dem Kriegsbeginn und dem Zeitpunkt der Kriegserklärung der USA gegenüber dem Nazi – Reich erklären (Karlsch; Stokes 2003: 136). 4. Fazit Auch wenn als erwiesen gelten kann, dass US-amerikanische Firmen bzw. ihre deutschen Tochtergesellschaften nach 1933 und zum Teil auch nach 1939 mit Hitlerdeutschland zusammengearbeitet haben, müssen hierzu doch einige Feststellungen getroffen werden: Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass für amerikanische Firmen zu gelten hat, was auch die Deutschen selbst für sich in Anspruch nehmen, dass sich nämlich zum Zeitpunkt der Machtübergabe an Hitler nur eine Minderheit darüber im klaren war, welche verbrecherischen Ziele die Nationalsozialisten verfolgten, geschweige denn dass sie erwarten konnten, dass ein solcher Kulturbruch in Deutschland, das von vielen Amerikanern wegen seiner Kultur und Wissenschaft geschätzt wurde, möglich sein würde. Es wäre von daher überraschend gewesen, wenn US – amerikanische Firmen den Machtantritt Hitlers als Anlass zum Abbruch sämtlicher Geschäftsbeziehungen genutzt hätten, während die Regierung der USA und die Regierungen aller europäischen Staaten sowie der Sowjetunion ihre politischen Kontakte aufrecht erhielten. Sodann ist festzustellen, dass sich sämtliche Mutmaßungen als gegenstandslos erwiesen haben, dass politische und ideologische Sympathien von US – amerikanischen Managern gegenüber den Nationalsozialisten der Grund für die wirtschaftliche Zusammenarbeit der deutschen Tochterunternehmen amerikanischer Konzerne mit dem NS – Staat gewesen seien. Es ist vielmehr deutlich geworden, dass geschäftliche Interessen und, vor allem nach 1939 und bis zum Kriegseintritt der USA, insbesondere die Sorge um eine Sicherung der Investitionen das ausschlaggebende Motiv waren. Was schließlich Vermutungen betrifft, dass der Zweite Weltkrieg oder gar der Völkermord ohne die Lieferungen US – amerikanischer Firmen nicht möglich gewesen wären (vgl. hierzu etwa Dobbs 1998: 1 und andere), so ist zunächst generell zu betonen, dass Gegenstand der Geschichtswissenschaft nicht die Frage ist, was gewesen wäre, wenn, sondern dass sich die Geschichtswissenschaft um die Klärung dessen bemüht, was tat- - 15 - sächlich der Fall war. Außerdem sollte, wie bereits eingangs erwähnt berücksichtigt werden, dass solche Spekulationen regelmäßig von Kreisen in die Welt gesetzt werden, die entweder die Verantwortlichkeit generell einem internationalen Finanzkapital oder gar einer jüdischen oder zionistischen Verschwörung zuschreiben wollen; dabei ist bemerkenswert , dass sich diese Verschwörungstheorien stets auf „Quellen“ stützen, die sich bei näherer Prüfung als falsch oder gar inexistent erweisen. So bewegen sich etwa auch die Publikationen von Black und Pool zumindest auf einem schmalen Grat zwischen geschichtswissenschaftlicher Darstellung tatsächlicher Wirtschaftszusammenarbeit und der Konstruktion einer Verschwörung des internationalen Kapitals zugunsten der Nationalsozialisten. Die Vorwürfe, IBM hätte die systematische Vernichtung der europäischen Juden erst ermöglicht, General Motors durch die Herstellung von entsprechenden Flugzeugteilen die Opfer von Coventry auf dem Gewissen und ohne die Kooperation von Standard Oil und der I.G. Farben wäre Zyklon B in seiner Entwicklung entschieden verlangsamt worden, entbehren nicht nur jeglichen Beweises. Sie ordnen die Verfasser auch in die Reihen derer ein, die den Holocaust als Produkt einer Weltverschwörung von Freimaurern und Kapitalisten sehen und die damit zur Relativierung der Verbrechen der Nationalsozialisten beitragen. Abschließend sollte jedoch noch darauf hingewiesen werden, dass gerade wegen solcher abstrusen Theoriebildungen die betroffenen Firmen gut daran täten, eine vollständige wissenschaftliche Erforschung des Themas energischer voranzutreiben und ihre Archive aus der fraglichen Zeit der Wissenschaft vollständig zugänglich zu machen. Erst dann begegneten die –durchaus zahlreichen - eigenständigen Veröffentlichungen der Firmen zu ihrer Geschichte in der Zeit von 1933 bis 1945 nicht mehr dem Verdacht, die betroffenen Konzerne hofften, dadurch tiefer gehende, unabhängige Untersuchungen zu vermeiden. 5. Literaturverzeichnis Aly, Götz; Roth, Karl Heinz (2000): Die restlose Erfassung. Volkszählen, Identifizieren, Aussondern im Nationalsozialismus. Frankfurt a. Main: Fischer [P 325674]. Black, Edwin (2001): IBM und der Holocaust. Die Verstrickung des Weltkonzerns in die Verbrechen der Nazis. München: Propyläen [M 568634]. 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