Deutsche Minderheiten in der Zwischenkriegszeit – Ausarbeitung – © 2009 Deutscher Bundestag WD 1 – 3000 – 093/09 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser: Deutsche Minderheiten in der Zwischenkriegszeit Ausarbeitung WD 1 – 3000 – 093/09 Abschluss der Arbeit: 31.07.2009 Fachbereich WD 1: Geschichte, Zeitgeschichte und Politik Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W. – Zusammenfassung – Die Geschichte der deutschen Minderheiten in der Zwischenkriegszeit ist unzureichend erforscht. Zur Lage bestimmter Minoritäten existieren keine neueren Untersuchungen und selbst dort, wo die historische Wissenschaft – wie etwa im Falle der ostmitteleuropäischen Staaten – sich diesem Gegenstand vergleichsweise intensiv gewidmet hat, wird man die Forschungslage nicht als gut bezeichnen können, da die nationalsozialistische Barbarei sowie die Vertreibung der Deutschen zu einer weitgehenden Emotionalisierung der Debatte geführt haben und eine sich auf die einschlägigen Archivalien stützende Forschung erst nach 1989 einsetzen konnte. Im internationalen Vergleich nimmt sich die Situation der untersuchten Minderheiten sehr unterschiedlich aus. Während sich die Nationalitätenpolitik der Tschechoslowakei durch eine Sprachenpraxis auszeichnete, die den Bedürfnissen der deutschen Minderheit weitgehend Rechnung trug, und auch im Rahmen der oftmals kritisierten Bodenreform von 1919 offenbar kein Versuch unternommen wurde, die Grenzen des deutschen Sprachraums zurückzudrängen, setzte in Polen – nicht zuletzt in Reaktion auf die preußische Polenpolitik – schon früh eine repressive Minderheitenpolitik ein. Zwischen 1919 und 1921 kam es in Posen und den an Polen gefallenen Teilen Westpreußens zu einem – obgleich nicht durch staatliche Maßnahmen provozierten, wohl aber vom polnischen Staat begrüßten – Exodus der Deutschen, der den Umfang der Minderheit dramatisch zurückgehen ließ. Die Lage der deutschen Minderheit verbesserte sich auch nicht, als im Mai 1926 Marshall Józef Piłsudski putschte und Polen von einer parlamentarischen Demokratie in ein autoritäres Regime überführte. Entgegen der ursprünglich von der deutschen Minderheit gehegten Hoffnung, verschärfte sich in der Ära Piłsudski die polnische Nationalitätenpolitik: Polen ging nach dem Urteil des Bonner Historikers Albert Kotowski nunmehr von einer „planlosen“ zu einer „planmäßigen Entdeutschung“ seiner westlichen Landteile über, in deren Zuge insbesondere durch einen Wandel der Bodenbesitzverhältnisse versucht wurde, den Revisionsansprüchen des Deutschen Reiches die Grundlage zu entziehen. Alle Repressalien, denen sich die Deutschen in Polen ausgesetzt sahen, wurden aber noch von der Politik in den Schatten gestellt, die das Italien Mussolinis gegen die deutsche Minderheit in Südtirol ins Werk. Das faschistische Regime begann umgehend damit , Sprache und Kultur der deutschen Minderheit zu unterdrücken, und setzte, als seine Assimilationsversuche keine nachhaltigen Erfolge zeitigten, auf eine ethnische „Säuberung “ der Region nördlich der Salurner Klause. Nach einer Vereinbarung zwischen Hitler und Mussolini hatten die Südtiroler im Jahr 1939 zwischen dem Verbleib in ihrer Heimat – bei folgender Italianisierung – und der Aussiedlung in das Deutsche Reich zu optieren. Infolge des Abkommen verließen bis zum Jahr 1943 rund 75.000 Deutsche Südtirol. - 3 - Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Polen 7 2.1. Umfang und Siedlungsstruktur der deutschen Minderheit 7 2.2. Der Exodus der deutschen Minderheit (1919–1921) 8 2.3. Polnische Minderheitenpolitik 10 2.4. Staatsbürgerschaftsfrage 12 2.5. Agrarreform 13 2.6. Schulpolitik 16 3. Tschechoslowakei 17 3.1. Umfang und Siedlungsstruktur der deutschen Minderheit 17 3.2. Agrarreform 19 3.3. Sprachenpolitik 21 4. Italien 24 4.1. Umfang und Siedlungsstruktur der deutschen Minderheit 24 4.2. Italienische Minderheitenpolitik 24 5. Literaturverzeichnis 26 - 4 - 1. Einleitung Die Pariser Friedensordnung von 1919/20 führte zu einer fundamentalen Umgestaltung der europäischen Landkarte. Manche Nation fand ihr Territorium in erheblichem Umfang verkleinert, andere hatten infolge des Weltkrieges beachtliche territoriale Gewinne zu verzeichnen und mit Estland, Lettland und Litauen, mit Polen, der Tschechoslowakei und dem Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen entstanden eine Reihe neuer Staaten. In Anbetracht der ethnischen Gemengelage in Ost-, Ostmittel- und Südosteuropa war eine territoriale Neuordnung entlang eindeutiger Grenzen a priori unmöglich. Wo es aus machtpolitischem Kalkül geboten schien, folgten die siegreichen Großmächte zudem nicht dem Ideal der nationalen Selbstbestimmung, sondern gestatteten es den neuen Staaten – so etwa im Falle Polens und der Tschechoslowakei –, weit über die ethnischen Grenzen ihres Staatsvolkes hinauszugreifen1. Verteilt auf dreizehn Staaten fanden sich nach 1919/20 allein rund 8,3 Millionen Deutsche im Status einer nationalen Minderheit wieder. Obgleich die territoriale Neuordnung Europas am Ende des Ersten Weltkrieges ungleich umfassender ausfiel als im Jahr 1945, ging die Festsetzung der neuen Grenzen nicht mit der systematischen Vertreibung der deutschen Minderheiten einher2. Umgehend ist in diesem Zusammenhang freilich einschränkend hinzuzufügen, dass es auch nach dem Ersten Weltkrieg zum Exodus deutscher Minderheiten gekommen ist – so verließen schon in den ersten beiden Jahren polnischer Herrschaft mindestens eine halbe Million Deutscher das ehemals preußische Territorium. Doch führte die Neufestsetzung der Grenzen nicht notwendig zur Auswanderung dieser Minderheiten, sondern machte in Ostmittel- und Südosteuropa den ethnisch heterogenen Nationalstaat zum Regelfall. Für eine systematische und vergleichende Analyse der Politik, die die einzelnen europäischen Staaten in den folgenden beiden Jahrzehnten gegenüber ihren deutschen Minder- 1 Vgl. Dülffer, Jost, Selbstbestimmung, Wirtschaftsinteressen und Großmachtpolitik: Grundprinzipien für die Friedensregelung nach dem Ersten Weltkrieg, in: Melville, Ralph; Pešek, Jiří; Scharf, Klaus (Hg.), Zwangsmigrationen im mittleren und östlichen Europa. Völkerrecht – Konzeptionen – Praxis (1938-1950), Mainz 2007, S. 82 und 96. 2 Im Rahmen der Pariser Friedensordnung überzogen die siegreichen Großmächte Ost-, Ostmittelund Südosteuropa mit einem Netz von Minderheitenschutzverträgen, deren Unterzeichnung sie zur Bedingung für eine Anerkennung der in ihrem Territorium erheblich erweiterten oder neu entstandenen Staaten machten. Der erste Minderheitenschutzvertrag, der für alle nachfolgenden Verträge als Modell diente, wurde am 28. Juni 1919 mit Polen in Versailles geschlossen. Es folgten Verträge mit der Tschechoslowakei, Rumänien, Griechenland und dem Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen. Im Falle Estlands, Lettlands, Litauens und Albaniens wurden entsprechende Minderheitenschutzerklärungen beim Beitritt dieser Staaten zum Völkerbund im Jahr 1921 vereinbart. Darüber hinaus enthielten auch die mit Österreich, Ungarn, Bulgarien und der Türkei geschlossenen Friedensverträge Bestimmungen zum Minderheitenschutz. Vgl. Scheuermann, Martin, Minderheitenschutz contra Konfliktverhütung? Die Minderheitenpolitik des Völkerbundes in den zwanziger Jahren , Marburg 2000 (Materialien und Studien zur Ostmitteleuropa-Forschung 6), S. 25-28. - 5 - heiten ins Werk setzten, hat sich die Geschichtswissenschaft lange Zeit nicht interessiert . Erst in den letzten Jahren sind eine Reihe von Arbeiten publiziert worden, die sich diesem Gegenstand widmen3. Ein erster Blick auf den Forschungsstand macht in diesem Zusammenhang deutlich, dass die Geschichte der deutschen Minderheiten in den 1920er und 1930er Jahren nur sehr ungleichmäßig erforscht worden ist. So existieren zur Lage bestimmter Minderheiten keine neueren Untersuchungen, die den Anspruch erheben könnten, ihren Gegenstand umfassend und gründlich behandelt zu haben. Zu dieser Gruppe zählt insbesondere die deutsche Bevölkerung im Reichsland Elsass-Lothringen, das mit der Pariser Friedensordnung an Frankreich zurückfiel. Im Zuge einer Politik des „purifier, centraliser, assimiler“ erfassten hier die französischen Behörden den Bevölkerungsteil , der zwischen 1871 und 1918 aus dem Inneren des Deutschen Reiches nach Elsass-Lothringen gewandert war, systematisch und vertrieben offenbar „in weniger als zwei Jahren mehr als 100.000 Menschen aus dem nun wieder zu Frankreich gehörigen Gebiet, zum Teil unter entwürdigenden Bedingungen und unter Zurücklassung praktisch all ihrer Habe“4. Im Gegensatz zur Vertreibung der Deutschen aus dem ehemaligen Reichsland Elsass- Lothringen hat sich die historische Wissenschaft der Situation der deutschen Minderheiten in den ostmitteleuropäischen Staaten vergleichsweise intensiv gewidmet. Doch auch in diesem Fall wird man den Forschungsstand insgesamt betrachtet nicht als gut, sondern allenfalls als zufriedenstellend bezeichnen können und in einzelnen, im weiteren Fortgang der Untersuchung noch genauer kenntlich zu machenden Bereichen gar von einer schlechten Forschungslage sprechen müssen. 3 Vgl. Corsini, Umberto; Zaffi, Davide (Hg.), Die Minderheiten zwischen den beiden Weltkriegen, Berlin 1997; Kochanowski, Jerzy; Sach, Maike (Hg.), Die „Volksdeutschen“ in Polen, Frankreich, Ungarn und der Tschechoslowakei. Mythos und Realität, Osnabrück 2006 (Einzelveröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts Warschau 12) und Haslinger, Peter; Puttkamer, Joachim von (Hg.), Staat, Loyalität und Minderheiten in Ostmittel- und Südosteuropa. 1918-1941, München 2007 (Buchreihe der Kommission für Geschichte und Kultur der Deutschen in Südosteuropa 39). 4 Zit. Thoß, Hendrik, „Purifier – centraliser – assimiler“ – Reannexion und Vertreibung im Elsaß und in Lothringen nach 1918, in: Kroll, Frank-Lothar; Niedobtiek, Matthias (Hg.), Vertreibung und Minderheitenschutz in Europa, Berlin 2005, S. 282. Neben Hendrik Thoß hat sich nach 1945 nur Christiane Kohser-Spohn im Rahmen zweier Beiträge unter anderem auch der Lage der deutschen Minderheit im ehemaligen Reichsland gewidmet. Vgl. Kohser-Spohn, Christiane, Staatliche Gewalt und Zwang zur Eindeutigkeit: Die Politik Frankreichs in Elsass-Lothringen nach dem Ersten Weltkrieg , in: Ther, Philipp; Sundhaussen, Holm (Hg.), Nationalitätenkonflikte in 20. Jahrhundert. Ursachen von inter-ethnischer Gewalt im Vergleich, Wiesbaden 2001, S. 183-202 und Kohser-Spohn, Christiane, Die Vertreibung der Deutschen aus dem Elsass 1918-1920, in: Kochanowski, Jerzy, Die „Volksdeutschen“, S. 79-94. Sowohl Thoß als auch Kohser-Spohn rekurrieren weitgehend auf Darstellungen aus der Zwischenkriegszeit. Angesichts der Tatsache, dass eine gründliche Untersuchung des französischen Falls einen bedeutenden Beitrag zu der Diskussion liefern würde, ob das Phänomen der Massenvertreibung eher im Kontext autoritärer Regime und totalitärer Diktaturen anzusiedeln ist, oder unter bestimmten Umständen auch in Staaten mit langer demokratischer Tradition auftreten kann, wird man in diesem Fall von einem Desideratum der Forschung sprechen können. - 6 - Seinen Grund hat dies nicht zuletzt darin, dass die Erforschung der Nationalitätenpolitik der ostmitteleuropäischen Staaten lange Zeit durch den Umstand erschwert wurde, dass der Zugang zu den relevanten Quellen, die sich primär in osteuropäischen Archiven befinden, für die meisten Historiker bis zum Jahre 1989 nur unter großen Schwierigkeiten oder gar nicht möglich war, so dass viele der wichtigsten Dokumente zur Gestaltung und Entwicklung der Nationalitätenpolitik der freien Geschichtsforschung nur ausnahmsweise zur Verfügung standen5. Dass eine Forschung, die sich auf die relevanten Archivalien zu stützen vermag, erst zu einem sehr späten Zeitpunkt einsetzen konnte, ist in diesem Fall umso bedauerlicher, als schon in der Zwischenkriegszeit Untersuchungen zur Lage der deutschen Minderheiten in Polen oder der Tschechoslowakei ein Politikum waren. Der Diskurs über das Verhältnis dieser ostmitteleuropäischen Staaten zu ihren deutschen Minderheiten wurde nach 1945 noch zusätzlich durch die Erfahrung der nationalsozialistischen Barbarei und die Vertreibung der Deutschen emotionalisiert, so dass sich der Historiker oftmals mit einer tendenziösen Literatur konfrontiert sieht6. Angesichts der großen Zahl von deutschen Minderheiten auf der einen und eines ungenügenden Forschungsstandes auf der anderen Seite muss sich die Untersuchung aus rein pragmatischen Gründen auf die Darstellung ausgewählter Fallbeispiele beschränken. Im Folgenden werden deshalb ausschließlich die deutschen Minderheiten in Polen, der Tschechoslowakei und Italien behandelt. Der Verfasser lässt sich dabei von dem Gedanken leiten, dass mit dieser Auswahl nicht nur die beiden größten deutschen Minderheiten erfasst werden können, sondern zugleich auch eine Betrachtung der Nationalitätenpolitik im Kontext unterschiedlicher Staatsformen möglich ist. Blieb die Tschechoslowakei bis zu ihrer Zerstörung im Jahr 1939 ein demokratischer Rechtsstaat, wandelte sich Polen nach dem Militärputsch Józef Piłsudskis im Mai 1926 in ein autoritäres Regime , während die deutsche Minderheit in Südtirol sich schon zu einem frühen Zeitpunkt mit der Nationalitätenpolitik eines faschistischen Staates konfrontiert sah. 5 Eine gute Kenntnis der Archivalien ist in diesem Zusammenhang umso dringlicher geboten, als die Nationalitätenpolitik oftmals erst unterhalb der Schwelle legislativer Akte im konkreten Verwaltungshandeln Gestalt annahm. Vgl. zu dieser Problematik die Ausführung zur tschechoslowakischen Bodenreform im Abschnitt 3.2. der Ausarbeitung. 6 Die Frontlinien der zeitgenössischen publizistischen Auseinandersetzung treten mitunter noch heute in einschlägigen Überblicksdarstellungen zu Tage. Vgl. etwa Prinz, Friedrich, Deutsche Geschichte im Osten Europas. Böhmen und Mähren, Berlin 2002. - 7 - 2. Polen 2.1. Umfang und Siedlungsstruktur der deutschen Minderheit Welche Teile des Deutschen Reiches an den polnischen Staat fallen würden, war bei der Unterzeichnung des Versailler Vertrages am 28. Juni 1919 noch nicht endgültig abzusehen . Zwar sahen die Regelungen des Friedensschlusses vor, dass mit Ausnahme einer Reihe von westlichen Kreisen die gesamte Provinz Posen und bedeutende Teile Westpreußens , vier niederschlesische und zwei ostpreußische Kreise mit einer Gesamtfläche von rund 43.000 Quadratkilometern künftig unter polnischer Hoheit und Danzig als „Freie Stadt Danzig“ unter einem Mandat des Völkerbundes stehen würden. Doch sollte in Oberschlesien, im nordöstlichen Teil West- und im südlichen Teil Ostpreußens erst auf der Grundlage einer Volksabstimmung über die endgültige Zugehörigkeit dieser Regionen entschieden werden. In West- und Ostpreußen wurden die Plebiszite schon am 11. Juli 1920 durchgeführt und brachten eine Option für das Deutsche Reich. So sprachen sich in den Abstimmungsgebieten Marienwerder und Allenstein 92,8 respektive 97,9 Prozent der Wähler für ihren Verbleib beim Deutschen Reich aus. Auch die Volksabstimmung in Oberschlesien ging zu Ungunsten Polens aus. Am 20. März 1921 votierten dort 59,6 Prozent der Wähler für das Deutsche Reich, während sich 40,4 Prozent für die Eingliederung in den polnischen Staat aussprachen. Gleichwohl wurde die Provinz aufgrund eines Beschlusses des Völkerbundrats am 20. Oktober 1921 geteilt, nachdem es infolge des Abstimmungsergebnisses erneut zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen deutschen und polnischen Freikorpsverbänden gekommen war. An Polen fielen 3.213 Quadratkilometer mit etwa einer Million Einwohnern. In diesem Teil Oberschlesiens, der seither als Ost- oder Polnisch-Oberschlesien bezeichnet wurde und der Teil der polnischen Wojewodschaft Schlesien war, hatten 55,8 Prozent der Wähler für ihre Eingliederung in den polnischen Staat gestimmt. Eine exakte Antwort auf die Frage nach dem Umfang der deutschen Minderheit im polnischen Staat zu geben, fällt nicht ganz leicht. Schon in der Zwischenkriegszeit wurde die Zahl der Deutschen, die sich infolge der Regelungen des Versailler Vertrages unter polnischer Herrschaft wiederfanden, kontrovers diskutiert. Legt man die preußische Volkszählung des Jahres 1910 zugrunde, so hatte nach Berechnungen des polnischen Historikers Albert Kotowski zu diesem Zeitpunkt die Zahl der in Posen und Pommerellen lebenden Deutschen 1.099.321 betragen, was in dieser Region einem Anteil an der Gesamtbevölkerung von 38,6 Prozent entsprach7. Zum selben Zeitpunkt lebten rund 7 Nach der letzten preußischen Volkszählung schwankte der Anteil der deutschen Bevölkerung in den einzelnen Verwaltungsbezirken erheblich. Vgl. Kotowski, Albert S., Polens Politik gegenüber seiner deutschen Minderheit 1919-1939, Wiesbaden 1998, S. 52-57. - 8 - 263.000 Deutsche in Ostoberschlesien. Folgt man der ersten polnischen Volkszählung des Jahres 1921, so fanden sich auf dem Territorium des wieder erstandenen Staates – das heißt einschließlich der deutschen Minderheiten, die vor 1918 in den zum Zarenreich und zur Habsburgermonarchie gehörenden Teilen Polens gelebt hatten – noch 1.059.1914 Deutsche. 502.967 von ihnen lebten in Posen und Pommerellen, 292.980 in Ostoberschlesien. Volkszählungen, die in den Jahren 1926 und 1938/39 von deutschen Minderheitenorganisationen durchgeführt wurden, bezifferten die Zahl der Deutschen wesentlich höher8. 2.2. Der Exodus der deutschen Minderheit (1919–1921) Mag hinsichtlich des Umfangs der deutschen Bevölkerung im ehemals preußischen Staatsgebiet kein Konsens bestehen, so macht der leicht durchzuführende Vergleich der Zahlen von 1910 und 1921 doch deutlich, dass der deutsche Bevölkerungsanteil in diesem Zeitraum um mindestens 50 Prozent zurückging. Unumstritten ist in der historischen Forschung deshalb, dass es in den Jahren zwischen 1919 und 1921 zu einem Exodus der Deutschen aus Posen und den an Polen gefallenen Teilen Westpreußens gekommen ist. Alle Bemühungen des Deutschen Reiches diesem Exodus entgegenzutreten , um nicht die Grundlage für den hartnäckig verfochtenen Revisionsanspruch zu verlieren , waren vergeblich. Unumstritten ist ferner auch, dass die Auswanderungswelle schon in den ersten Monaten der polnischen Herrschaft kulminierte und sich in den folgenden Jahren auf einem geringeren Niveau kontinuierlich fortsetzte. Die polnische Volkszählung des Jahres 1931 bezifferte die deutsche Minderheit nur noch mit insgesamt 741.000 Personen. Von ihnen lebten rund 370.000 in Posen und Pommerellen, was – gemessen an der Volkszählung des Jahres 1921 – einem abermaligen Rückgang der deutschen Minderheit um rund 130.000 Personen oder 28 Prozent entsprach. Der Exodus verringerte jedoch nicht nur den Umfang der deutschen Minderheit dramatisch , sondern führte darüber hinaus auch zu einem grundlegenden Wandel ihrer ökonomischen und sozialen Struktur. Mit Ausnahme der Stadt Posen waren vor 1918 alle größeren Städte in Posen und Westpreußen mehrheitlich von Deutschen bewohnt, nun stellten sie in den Städten nur noch eine kleine Minderheit. Während die urbane deutsche Bevölkerung in den Jahren zwischen 1918 und 1926 um 85 Prozent zurückging, verringerte sich die ländliche deutsche Minderheit „nur“ um 55 Prozent9. Die deutsche 8 Von deutschen Minderheitenorganisationen wurden im Jahr 1926 rund 1.280.000, im Jahr 1938/39 noch rund 1.030.000 Deutsche gezählt. Vgl. Heike, Otto, Die deutsche Minderheit in Polen bis 1939. Ihr Leben und Wirken - kulturell, gesellschaftlich, politisch. Eine historisch-dokumentarische Analyse, Leverkusen 1985, S. 164. 9 Vgl. Blanke, Orphans, S. 34f. - 9 - Minderheit in Posen und den an Polen gefallenen Teilen Westpreußens war damit nach 1921 im Wesentlichen eine agrarisch geprägte Gesellschaft. Stärker als der Umfang und die Folgen sind unter Historikern die Ursachen des Exodus umstritten. Machten deutsche Untersuchungen schon früh eine „systematische Assimilationspolitik “ für die Auswanderung der Deutschen verantwortlich, sahen insbesondere polnische Historiker im Rückgang der deutschen Minderheit einen gleichsam „natürlichen “ Prozess und vertraten die These, dass die Republik gute Lebensbedingungen für alle auf ihrem Territorium lebenden Nationalitäten geschaffen habe. Sicherlich ist nun zutreffend, dass die Nationalitätenpolitik des wieder erstandenen Staates schon zu einem frühen Zeitpunkt bestrebt war, den Umfang der deutschen Minderheit zu reduzieren 10. Doch in Abwägung aller Umstände gelangt die historische Forschung heute zu dem Urteil, dass „purposeful government policies probably played only a secondary role in the exodus“11. Maßgeblich für den Exodus, der den Umfang der Minderheit bis zum Jahr 1921 um mindestens 50 Prozent zurückgehen ließ, waren insbesondere psychologische Faktoren. Gleichsam über Nacht sah sich die deutsche Minderheit in Posen und in den an Polen gefallenen Teilen Westpreußens mit dem Verlust ihres herausgehobenen Status konfrontiert . Hatten die Deutschen im Deutschen Reich bislang zur staatlich privilegierten Mehrheitsnation gehört, so fanden sie sich nach dem Ende des Ersten Weltkrieges als Angehörige einer nationalen Minderheit in einem fremden Staat wieder, dessen Landessprache sie oftmals nicht mächtig waren und der keinen Zweifel daran aufkommen ließ, dass die Deutschen nicht erwünscht waren. Dieser als enorm tiefer Sturz wahrgenommene Wandel wurde noch durch den Umstand verstärkt, dass sich seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der deutschen Bevölkerung die Idee einer kulturellen Überlegenheit verbreitet hatte, deren Befindlichkeit der Stuttgarter Historiker Joachim Rogall 10 Schon zu einem frühen Zeitpunkt schwächte Polen durch eine Reihe von Boykottmaßnahmen die urbane deutsche Bevölkerung und entfernte die deutsche Sprache aus der Verwaltung und deutsche Beamte aus dem öffentlichen Dienst. Deutsche Eingaben wurden in den westlichen Wojewodschaften offenbar nur noch bis zum Jahr 1924 akzeptiert und ausschließlich in Polnisch beantwortet. Eine gründliche Untersuchung der polnischen Sprachenpolitik – wie sie etwa Jaroslav Kučera für die Tschechoslowakei vorgelegt hat – steht bislang noch aus. Neuere Untersuchungen zur polnischen Sprachenpolitik liegen ausschließlich für Ostoberschlesien vor, sind aber aufgrund des unterschiedlichen rechtlichen Status der dortigen deutschen Minderheiten nicht auf die westlichen Wojewodschaften übertragbar. Vgl. Kneip, Matthias, Die deutsche Sprache in Oberschlesien. Untersuchungen zur politischen Rolle der deutschen Sprache als Minderheitensprache in den Jahren 1921 – 1998, Dortmund 22000 (Veröffentlichungen der Forschungsstelle Ostmitteleuropa an der Universität Dortmund – Reihe B – 62), S. 61-75 und Kučera, Jaroslav, Minderheit im Nationalstaat. Die Sprachenfrage in den tschechisch-deutschen Beziehungen 1918-1938, München 1999 (Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte 43). 11 Zit. Blanke, Richard, Orphans of Versailles. The Germans in Western Poland 1918-1939, Lexington 1993, S. 40. - 10 - mit den Worten charakterisiert: „Die Vorstellung, nun unter polnischer Herrschaft zu stehen, erschien für viele Deutsche ehrenrührig“12. Zu diesen psychologischen Faktoren trat hinzu, dass der neue polnische Staat schon kurze Zeit nach seiner Gründung seinem östlichen Nachbarn den Krieg erklärte und erst nach einer Reihe von militärischen Niederlagen, die ihn hart an den Rand des Zusammenbruchs brachten, am 18. März 1921 mit dem Frieden von Riga seine östliche Grenze auf Kosten Sowjetrusslands weit über den Kreis seines Staatsvolkes hinaus ausdehnen konnte. Mit den militärischen Auseinandersetzungen gingen umgehend gravierende ökonomische Probleme einher: 1921 setzte in Polen eine Hyperinflation ein, die die Versorgung der polnischen Bevölkerung mit lebenswichtigen Gütern gefährlich beeinträchtigte . Nur punktuell ist demgegenüber davon auszugehen, dass die deutsche Minderheit durch Gewaltausbrüche der polnischen Bevölkerung eingeschüchtert wurde und sich Deutsche aus Sorge um ihre persönliche Sicherheit zum Verlassen des Landes gezwungen sah. So kam es zwar im Februar 1921 zu einer antideutschen Demonstration in Bromberg, in deren Folge deutsche Geschäfte und die Redaktionsräume der lokalen deutschen Zeitung angegriffen wurden, und im Juni 1921 plünderte ein polnischer Mob in Ostrowo 50 deutsche Häuser und Geschäfte, ohne dass die örtliche Polizei eingriff. Doch handelte es sich bei diesen gewaltsamen Ausbrüchen antideutscher Ressentiments um Einzelfälle, die das Klima allgemeiner Unsicherheit sicherlich verstärkt, nicht jedoch den Exodus einer halben Million Deutscher aus den an Polen gefallenen Gebieten ursächlich eingeleitet haben können. 2.3. Polnische Minderheitenpolitik Kennzeichnend für den Geist, in dem die polnische Republik schon in den ersten Jahren nach der Staatsgründung ihre Nationalitätenpolitik betrieb, ist die Aussage des Nationaldemokraten und späteren Kultusministers Stanislaw Grabski aus dem Jahr 1919: „Das fremde Element wird sich umsehen müssen, ob es nicht anderswo besser aufgehoben ist.“13 Im August 1924 entstanden in der Politischen Abteilung des polnischen Außenministeriums die „Richtlinien polnischer Politik gegenüber Deutschland“, in denen zum ersten Mal auch die Leitsätze systematisch entfaltet wurden, die den Umgang des polnischen 12 Zit. Rogall, Joachim, Deutsche Geschichte im Osten Europas. Land der großen Ströme. Von Polen nach Litauen, Berlin 1996, S. 381. 13 Zit. nach Jansen, Christian; Weckbecker, Arno, Der „Volksdeutsche Selbstschutz“ in Polen 1939/40, München 1992, S. 18. - 11 - Staates mit der deutschen Minderheit in den westlichen Verwaltungsbezirken nach der Staatsgründung bestimmt hatten. Angestrebt wurden eine möglichst weitgehende Reduktion des Umfangs der deutschen Minderheit und ihres Besitzes. Auch Historiker, die sich durch ihr nüchternes und differenziertes Urteil von der oftmals emotional oder gar polemisch geführten Kontroverse über die polnische Nationalitätenpolitik abheben, gelangen unter Berücksichtigung aller Umstände zu dem Urteil, „that Poland’s basic policy , at least during the period of national Democratic influence to 1926, was simply to encourage as many Germans as possible to leave the country […]. In many respects, Poland’s treatment of its German minority resembled Prussian Polish policy before 1918: harassment of political organizations and the minority press, undermining of minority schools, attacks on the minority’s land property, and economic discrimination by the state“14. Die Lage der deutschen Minderheit verbesserte sich auch nicht, als im Mai 1926 der ehemalige polnische Staatschef Marshall Józef Piłsudski putschte und Polen in der Folge von einer parlamentarischen Demokratie in ein autoritäres Regime überführte. Entgegen der ursprünglich von der deutschen Minderheit gehegten Hoffnung, verschärfte sich in der Ära Piłsudski die Nationalitätenpolitik, und man ging nunmehr von einer „planlosen“ zu einer „planmäßigen Entdeutschung“ über15. Drei der wesentlichen Instrumente , derer sich der polnische Staat in dieser Absicht bediente respektiv seit 1919 bedient hatte, waren die Praxis der Staatsbürgerschaftsvergabe, die Schulpolitik und – insbesondere in den Jahren Piłsudskis – die Handhabung des Agrarreformgesetzes vom 28. Dezember 1925. 14 Zit. Blanke, Orphans of Versailles, S. 64f. Mit dieser Feststellung des amerikanischen Historikers klingt schon an, dass die polnische Nationalitätenpolitik der Zwischenkriegszeit nur vor dem Hintergrund der preußischen Polenpolitik angemessen beurteilt werden kann, in der der ehemalige Direktor des Instituts für Zeitgeschichte Martin Broszat nichts anderes als eine „Germanisierungs- und Kampfpolitik“ erblickt hat. Auch wenn man das pointierte Urteil Broszats nicht vollständig teilen mag, ist doch unverkennbar, dass die Politik, die Preußen nach der Reichsgründung gegenüber seiner polnischen Minderheit ins Werk setzte, eine scharfe antiliberale Wende nahm. Den Auftakt markierte am 27. Oktober 1873 eine Oberpräsidialverfügung über den Sprachunterricht in den Volksschulen in Posen und Westpreußen, die „in allen Lehrgegenständen mit Ausnahme der Religion und des Kirchengesanges“ das Deutsche als Unterrichtssprache festsetzte. Drei Jahre später, am 28. August 1876, folgte der Verfügung das „Geschäftssprachengesetz“, mit dem die bis zu diesem Zeitpunkt zumindest als Prinzip aufrechterhaltene Zweisprachigkeit der preußischen Verwaltung in den polnischen Landesteilen aufgegeben wurde. Die polnische Sprache war seither weder vor Gericht, noch bei den Provinzial- und Landratsämtern, noch in den Kommunalverwaltungen, Kreistagen und Bürgerschaftsversammlungen oder bei allen amtlichen Bekanntmachungen zugelassen. Am 19. April 1908 wurde schließlich im Reichstag das Reichsvereinsgesetz mit knapper Mehrheit verabschiedet , das Deutsch zur Sprache für alle genehmigungspflichtigen Versammlungen erklärte und ausschließlich in den Kreisen, in denen mehr als 60 Prozent der Bevölkerung polnischer Muttersprache waren, die Zulassung des Polnischen erlaubte. Mit der Verdrängung der polnischen Sprache aus dem öffentlichen Leben ging seit den 1880er Jahren auch der Versuch einher, verstärkt Deutsche in den polnischen Landesteilen anzusiedeln. 15 Zit. Kotowski, Polens Politik, S. 130. - 12 - 2.4. Staatsbürgerschaftsfrage Eines der Instrumente, die der wieder erstandene Staat in seiner Gründungsphase nutzte, um den Umfang der in seinen Grenzen lebenden deutschen Minderheit möglichst gering zu halten, war die Versagung der polnischen Staatsbürgerschaft und die Ausweisung der Reichsangehörigen. Nach Artikel 91 des Versailler Vertrages erwarben zwar grundsätzlich alle deutschen Reichsangehörigen, die vor dem 1. Januar 1908 im ehemals preußischen Gebiet ihren Wohnsitz hatten, die polnische Staatsbürgerschaft. Zugleich räumte ihnen der Vertrag jedoch das Recht ein, innerhalb von zwei Jahren für die deutsche Staatsbürgerschaft zu optieren. Von dieser Möglichkeit machten 150.000 bis 175.000 Personen Gebrauch. Sie galten dem polnischen Staat in der Folge als Ausländer und mussten zum größten Teil das Land verlassen, da ihnen keine Aufenthaltsgenehmigungen erteilt wurden16. Deutsche, die erst nach dem 1. Januar 1908 ihren Wohnsitz in das an Polen gefallene Gebiet verlegt hatten, konnten nach den Bestimmungen des Versailler Vertrages ausschließlich einen Antrag auf die polnische Staatsbürgerschaft stellen. Ihre Anträge wurden in aller Regel ablehnend beschieden17. Bemüht den Kreis der Personen möglichst gering zu halten, denen die polnische Staatsbürgerschaft ohne Einzelfallprüfung offenstand , interpretierte Polen den Versailler Vertrag zudem dahingehend, dass nur die deutschen Reichsangehörigen, die seit 1908 ihren Wohnsitz ununterbrochen in den an Polen gefallenen Teilen Preußens gehabt hatten, automatisch in den Besitz der polnischen Staatsangehörigkeit gelangen könnten. Kurze Wohnsitzwechsel – sei es auch nur zu Ausbildungs- und Studienzwecken oder zum Militärdienst – wurden als ausreichend erachtet, um Reichsangehörigen die polnische Staatsangehörigkeit zu verweigern. Ebenso restriktiv legte Polen die Bestimmungen des Minderheitenschutzvertrages, des so genannten „Kleinen Versailler Vertrag“ aus, den man als Junktim mit der Inbesitznahme des ehemals deutschen Territoriums zu unterzeichnen gezwungen worden war18. 16 So befanden sich im Jahr 1924 nur noch rund 30.000 deutsche Reichsangehörige auf polnischem Territorium. Vgl. Blanke, Orphans, S. 66. 17 In der Literatur wird die Zahl der Staatsbürgerschaftsanträge, die von den polnischen Behörden abgelehnt wurden, leider nicht beziffert. 18 Der internationale Rechtsschutz der deutschen Minderheiten in Polen war sehr unterschiedlich. Nur der Status der Deutschen, die in Posen und den an Polen gefallenen Teilen Westpreußens lebten, wurde durch den „Kleinen Versailler Vertrag“ geregelt. Da die Minderheitengruppen nicht selbst gegenüber dem Völkerbund als Rechtsperson auftreten durften, sondern eines Mitgliedes des Völkerbundes als Interessenvertreter bedurften, verringerte sich der Wert des Vertrages beträchtlich, als das nationalsozialistische Deutschland am 19. Oktober 1933 aus dem Völkerbund austrat. Seine letzte Bedeutung verlor er, als Polen den Vertrag im September 1934 kündigte. Die internationale Garantie des Völkerbundes erstreckte sich nicht auf die polnischen Staatsbürger deutscher Herkunft, die in den vormals zum Zarenreich und der Habsburgermonarchie gehörenden Teilen Polens gelebt hatten. Was zuletzt die Deutschen betraf, die infolge der Teilung Oberschlesiens unter polnische Hoheit geraten waren, so wurden ihre Rechte durch ein bilaterales Abkommen fixiert, das das Deutsche Reich und Polen am 15. Mai 1922 schlossen. Die nach ihrem Unterzeichnungssort benannte - 13 - Nach Artikel 4 des am 29. Juni 1919 unterzeichneten Minderheitenschutzvertrages hatte Polen Personen deutscher Nationalität als polnische Staatsangehörige anzuerkennen, die in dem an Polen gefallenen preußischen Territorium geboren worden waren und deren Eltern zum Zeitpunkt der Geburt dort ihren Wohnsitz hatten. Gleichwohl vertrat Polen die Auffassung, dass Artikel 4 nur die Personen erfasse, deren Eltern ihren Wohnsitz sowohl zum Zeitpunkt der Geburt als auch bei Inkrafttreten des Minderheitenschutzvertrages am 10. Januar 1920 im fraglichen Gebiet gehabt hatten19. Detaillierte Untersuchungen zum Umfang der Personengruppe, die von dieser Auslegungspraxis betroffen war, liegen leider nicht vor. Die polnische Seite bezifferte ihre Zahl gegenüber dem Völkerbund auf 100.000 Personen20. 2.5. Agrarreform In fast allen auf der Pariser Friedenskonferenz neu geschaffenen Staaten Ostmittel- und Osteuropas kam es in den 1920er Jahren zu einem umfassenden Wandel der Bodenbesitzverhältnisse 21. In der zeitgenössischen Diskussion um diese Reformen waren die Frontstellungen stets eindeutig: Betonte die Titularnation den sozialen Charakter und die agrarpolitische Notwendigkeit der Reformmaßnahme, erachteten die deutschen Minderheiten sie als einen Angriff auf den „nationalen Besitzstand“ und „Instrument im Volkstumskampf“. Im polnischen Fall verband sich die Durchführung des am 28. Dezember 1925 verabschiedeten Bodenreformgesetzes in den ehemals preußischen Teilgebieten eindeutig mit nationalpolitischen Zielen. „Precisely during the Piłsudski years“, so konstatiert der amerikanische Historiker Richard Blanke, „the more conventional forms of official harassment , aimed at the minority’s political and cultural institutions, were supplemented by a concerted effort to weaken the German population economically. This included, „Genfer Konvention“ ging in ihrem Schutz deutlich über die Regelungen des Minderheitenschutzvertrages von 1919 hinaus. 19 Vgl. Scheuermann, Minderheitenschutz, S. 105. Vgl. ferner Weinberg, Matthias, Schutz der deutschen Minderheiten in Polen nach den Weltkriegen. Ein Vergleich unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtslage, Frankfurt am Main 1997, S. 108. 20 Die Entscheidung über die Vergabe der polnischen Staatsbürgerschaft war nicht zuletzt deshalb von besonderer Bedeutung, weil der Versailler Vertrag Polen das Recht einräumte, den Besitz der Reichsangehörigen gegen eine „angemessene Entschädigung“ zu enteignen. Allein auf diesem Wege erwarb Polen Anfang der 1920er Jahr rund 200.000 Hektar deutschen Grundbesitz. Vgl. Blanke, Orphans , S. 69. Weinberg zitiert in diesem Zusammenhang eine Einlassung des polnischen Staatsanwalts Kasimir Kierski mit den Worten: „Nach der von der deutschen Regierung vorgenommen Auslegung des Art. 4. Abs. 1 würde wenigsten die Hälfte der Personen, die der Liquidation unterliegen, wegfallen.“ Zit. Weinberg, Schutz, S. 108. 21 Einen umfassenden, freilich nicht unparteilichen Überblick gibt Sering, M. (Hg.), Die agrarischen Umwälzungen im außerrussischen Osteuropa, Berlin, Leipzig 1930. - 14 - most prominently an attack on its main economic foundation, its landed property“22. So entstanden Anfang 1927 im Innenministerium die „Richtlinien polnischer Nationalitätenpolitik “, die zur Abwehr der revisionistischen Bestrebungen des Deutschen Reiches23 insbesondere zwei Maßnahmen festsetzten: Angestrebt wurde die direkte oder indirekte Übernahme sämtlicher deutscher Industrieunternehmen in Ostoberschlesien sowie die rasche Durchführung der Agrarreform, insbesondere im Bereich der ehemals westpreußischen Gebiete24. In einem Memorandum aus dem Dezember 1929 formulierte der Wojewode des Verwaltungsgebietes Pomorze, Wiktor Lamot, die Maßgabe, unter der sich die Agrarreform in seinem Gebiet zu vollziehen hatte, unzweideutig: „The part of Pomorze through which the so-called Corridor runs must be cleansed of larger German holdings“25. Die Bodenreform von 1925 war jedoch nur die letzte in einer Reihe von Maßnahmen, mit denen der polnische Staat sich seit seiner Gründung um einen Wandel der Besitzverhältnisse in den westlichen Landesteilen bemühte hatte. Infolge des Exodus der deutschen Minderheit und erster amtlicher Maßnahmen war der deutsche Grundbesitz in Polen bis zum Jahr 1926 bereits um rund 35 Prozent zurückgegangen . Insgesamt wechselten im Zeitraum der Jahre 1919 bis 1926 rund 500.000 Hektar den Besitzer. Eines der ersten Ziele des neuen Staates war es in diesem Zusammenhang , das Werk der verhassten Königlich Preußischen Ansiedlungskommission rückgängig zu machen, die vom Preußischen Abgeordnetenhaus durch das am 7. April 1886 verabschiedete Gesetz „betreffend die Beförderung deutscher Ansiedlungen in den Provinzen Westpreußen und Polen“ eingerichtet worden war. Mit diesem Gesetz hatte die preußische Regierung für den Ankauf von Grundbesitz einen Fonds von 100 Millionen Mark eingerichtet, der bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges auf 500 Millionen Mark aufgestockt wurde, und die Ansiedlungskommission mit dem Grunderwerb in den 22 Zit. Blanke, Orphans, S. 111. 23 Seit sich die „polnische Frage“ nach dem Ersten Weltkrieg für das Deutsche Reich von einem primär innen- zu einem primär außenpolitischen Problem gewandelt hatte, bestand in ihr ein überparteilicher Konsens: Die Revision der östlichen Grenzen des Deutschen Reiches war während des gesamten Zeitraums von 1919/20 – 1933 ein Axiom deutscher Außenpolitik und schon ein partielles Abrücken von diesem Konsens hätte für einen Reichskanzler oder Außenminister das politische Ende bedeutet. Betont werden muss in diesem Zusammenhang allerdings auch, dass der zwischen 1923 und 1929 amtierende Außenminister Gustav Stresemann nicht daran dachte, die Korrektur der deutschen Ostgrenze mit militärischen Mitteln zu erzwingen. Da eine einvernehmliche Regelungen mit Polen allerdings nicht zu erreichen war, sollte das Land außenpolitisch isoliert und im Falle einer innenpolitischen Schwächung zur Anerkennung deutscher Revisionswünsche gezwungen werden. Dem „Handelskrieg“, der im Juni 1925 zwischen Deutschland und Polen einsetzte, unterlagen zwar durchaus handfeste ökonomische Interessen. Doch war auch hier die politische Absicht unverkennbar : „Die ökonomische Konsolidierung Polens zu behindern, stellte ohne Zweifel ein Instrument bereit , den deutschen Vorstellungen Nachdruck zu verleihen, ‚bis das Land’, wie Stresemann im April 1926 darlegte, ‚für eine unseren Wünschen entsprechende Regelung der Grenzfrage reif und bis unsere politische Machtstellung genügend gekräftigt ist’“. Zit. nach Hildebrand, Klaus, Das vergangene Reich. Deutsche Außenpolitik von Bismarck bis Hitler. 1871-1945, Stuttgart 1995, S. 464. 24 Vgl. Kotowski, Polens Politik gegenüber seiner deutschen Minderheit, S. 139f. 25 Zit nach Blanke, Orphans, S. 113. - 15 - und der Kolonisation der polnischen Landesteile beauftragt. Primäres Ziel der preußischen Regierung war es, mit Hilfe des eingerichteten Fonds polnische Güter anzukaufen , diese zu parzellieren und auf den neu geschaffenen Parzellen Deutsche anzusiedeln 26. Letztlich vermochte auch die Arbeit der Ansiedlungskommission die Balance der deutschen und polnischen Bevölkerung nicht grundlegend zu verändern. Doch führte ihre Arbeit zu einer nachhaltigen Verbitterung der polnischen Bevölkerung, so dass es für jede polnische Regierung eine Frage des Prestiges war, das Werk der Ansiedlungskommission rückgängig zu machen. Die Handhabe dazu bot nach 1919 der Umstand, dass das von den polnischen Grundbesitzern angekaufte Land den deutschen Siedlern von der Königlich Preußischen Ansiedlungskommission im Rahmen eines Systems überlassen worden war, mit dem die Siedler das Eigentum an diesem Land über einen längeren Zeitraum erwarben. Der letzte Schritt auf dem Weg zum Erwerb des Grundeigentums war die so genannte Auflassung, die Übertragung des Landes im Grundbuchamt. Der Versailler Vertrag übereignete nun aber das Grundeigentum des Deutschen Reichs und Preußens in den abgetrennten Gebieten dem polnischen Staat. Polen bestritt daraufhin das Besitzrecht von 26.000 deutschen Siedlern. 12.000 Besitzverhältnisse wurden schließlich anerkannt, 10.000 Siedler wählten die deutsche Staatsbürgerschaft und verließen das Land. Bei etwa einem Fünftel kündigte der polnische Staat den Ansiedlern zum 1. Dezember 1920 und setzte einen Zwangsverwalter ein27. Der Polonisierung eines großen Teils des Landes in den Ansiedlergemeinden folgte dann eine der öffentlichen Einrichtungen, so dass sich die Deutschen plötzlich in einer polnischen Gemeinde wiederfanden. Unter diesen Umständen verkauften auch viele alteingesessene Ansiedler ihr Land und wanderten aus. Nicht allein gegen die Ansiedler, sondern gegen die deutsche Minderheit insgesamt richtete sich dann in der Ära Piłsudski die Handhabung des am 28. Dezember 1925 vom Parlament verabschiedeten Agrarreformgesetzes, das es dem polnischen Staat ermöglichte , alle Liegenschaften zu konfiszieren, die mehr als 180 Hektar landwirtschaftlich 26 Seit 1908 sah das Gesetz in bestimmten Fällen statt des Ankaufs auch die Enteignung polnischen Grundbesitzes vor. Gleichwohl ist auch in diesem Fall die Demarkationslinie der verfassungsrechtlich garantierten Gleichberechtigung aller Staatsbürger in der Polenpolitik Wilhelms II. nicht überschritten worden - „sie ließ sich aber“, wie Martin Broszat konstatiert hat, „seit der Jahrhundertwende bedenklich nahe in diese Richtung drängen. Zit. Broszat, Zweihundert Jahre, S. 161. Der Novellierung des Gesetzes „betreffend die Beförderung deutscher Ansiedlungen in den Provinzen Westpreußen und Polen“ gingen langwierige interministerielle Beratungen voraus, in deren Verlauf sowohl das preußische Justizministerium als auch das Reichsjustizamt massive Einwände gegen den Enteignungsgedanken vortrugen, die schließlich zu einer weitgehenden Einschränkung der Enteignungsmöglichkeiten führte. De facto wurde der Enteignungsparagraph des Gesetzes bis zum Ende des Ersten Weltkrieges nur in vier Fällen angewandt. 27 Der „Ansiedlerfall“ war eines der ersten Verfahren, das die deutsche Minderheit vor dem Völkerbund gegen Polen anstrengte, und zu ihren Gunsten entscheiden wurde. Doch führte auch die Intervention des Völkerbundes lediglich dazu, dass ca. 500 Personen aus dieser Gruppe eine Entschädigung erhielten, die die Betroffenen zudem oftmals als unzureichend kritisierten. - 16 - nutzbaren Bodens umfassten. Seine zentrale Bestimmung – die Konfiskation und Parzellierung von Großgrundbesitz über 180 Hektar – traf den deutschen Großgrundbesitz empfindlich, denn zum einen war er bei den infrage kommenden Gütern besonders stark vertreten war, zum anderen wurden die Parzellen in aller Regel an polnische Nutznießer vergeben. Im Einzelnen sah das Konfiskationsverfahren zunächst das Angebot an den Gutsbesitzer vor, einen Teil seines Besitzes freiwillig an den polnischen Staat zu verkaufen . Erst wenn danach nicht genügend Land zur Verteilung zur Verfügung stand, gingen die polnischen Behörden zu selektiven Enteignungen über und dies unter Piłsudski vorwiegend im ehemals preußischen Teilgebiet. So befanden sich in Posen und in den an Polen gefallenen Teilen Westpreußens zwar 39 Prozent der Fläche, die nach den Regelungen der Bodenreform konfisziert werden konnte, in deutschem Besitz (262.000 Hektar), doch schon die erste Liste der zu konfiszierenden Besitzungen schloss im Jahr 1926 10.800 Hektar von 32 deutschen Landbesitzern und nur 950 Hektar von sieben polnischen Besitzern ein28. 2.6. Schulpolitik Der am 28. Juni 1919 geschlossene Minderheitenschutzvertrag verpflichtete Polen, im ehemals preußischen Territorium überall dort deutschsprachige Volksschulen zu unterhalten , wo „in beträchtlichem Verhältnis“ eine deutsche Minderheit lebte. Hinsichtlich der weiterführenden Schulen sah der Minderheitenschutzvertrag keine Regelung vor und als öffentlich finanzierte Institution verschwanden sie rasch, so dass das höhere deutsche Schulwesen in Posen ganz auf private Lehranstalten beschränkt wurde. Bis 1939 konnten sich nur drei deutsche Gymnasien in der ehemals preußischen Provinz halten. Der Architekt der Minderheitenschulpolitk war Stanislaw Grabski, der im Zeitraum der Jahre 1923 bis 1925 dem polnischen Kabinett als Kultusminister angehörte. Seiner Schulgesetzgebung unterlag das Ziel, das polnische Schulwesen in ein Instrument zur allmählichen Assimilation der Minderheiten zu wandeln. So tat die polnische Regierung alles, um polnische Lehrer an den Minderheitenschulen anzustellen und die Zahl der deutschen Schulen zu verringern. 28 Vgl. Blanke, Orphans, S. 112. Die Berechnungen des amerikanischen Historikers machen deutlich, dass der Handhabung des Gesetzes eine deutliche nationalpolitische Absicht unterlag und der deutsche Großgrundbesitz nicht allein deshalb von der Agrarreform besonders stark betroffen wurde, weil er überproportional vertreten war. Vgl. im Gegensatz dazu: Wolf, Gerhard, Die deutschen Minderheiten in Polen als Instrument der expansiven Außenpolitik Berlins, in: Kochanowski, Jerzy; Sach, Maike (Hg.), Die „Volksdeutschen“, S. 51f. - 17 - Im Bereich des Schulwesens legte ein polnisches Gesetz vom 10. März 1920 für das ehemals preußische Teilgebiet fest, dass bei mindestens vierzig schulpflichtigen deutschen Kindern in einer Gemeinde eine deutsche Schule oder eine deutschsprachige Klasse an einer polnischen Schule eingerichtet werden konnte. Nur wenn zwei Jahre hindurch diese Mindestschülerzahl nicht erreicht wurde, konnte die deutsche Schule beziehungsweise Klasse geschlossen werden. Die starke Abwanderung der deutschen Bevölkerung und die restriktive polnische Auslegungspraxis, die die Schulbezirke oftmals so zuschnitt, dass die Mindestschülerzahlen nicht erreicht wurden, führten zu einem drastischen Rückgang des deutschsprachigen Schulwesens. So stieg der Anteil der deutschen Schulkinder in den ehemals preußischen Provinzen, die gezwungen waren, polnischsprachige Schulen zu besuchen, von 37 Prozent in den Jahren 1926/27 auf 57 Prozent in den Jahren 1937/38 und betrug schon 1933/34 mehr als die Hälfte. Die Zahl der öffentlichen deutschen Schulen in Polen ging zwischen 1926/27 und 1933/34 von 544 auf 200 zurück29. Besonders drastisch fiel der Rückgang in Posen und den ehemals westpreußischen Gebieten aus. Hatten im Schuljahr 1926/27 im preußischen Teilungsgebiet noch 254 öffentliche deutsche Schulen und 160 deutsche Klassen an polnischen Schulen Bestand, so ging in der Ära Piłsudski die Zahl der öffentlichen deutschen Schulen und deutschen Klassen an polnischen Schulen bis zum Schuljahr 1933/34 in Posen und Pommerellen auf 84 respektive 118 zurück. Bis 1938 sank die Zahl der öffentlichen deutschen Schulen dann auf sechzig und die der deutschen Klassen an polnischen Schulen auf 92. In den letzteren wurden zudem zahlreiche Fächer nur in polnischer Sprache unterrichtet30. 3. Tschechoslowakei 3.1. Umfang und Siedlungsstruktur der deutschen Minderheit Nach der Volkszählung des Jahres 1921 umfasste die deutsche Minderheit in der Tschechoslowakei rund 3,123 Millionen Personen, was einem Anteil von etwa 23 Prozent an der Gesamtbevölkerung entsprach. Ihre regionale Verteilung reichte zwar von der geschlossenen Besiedlung Nord- und Nordwestböhmens, über Streu- und Inselsiedlungen 29 Der Status der deutschen Schulen in Ostoberschlesien war durch die Genfer Konvention fixiert worden und genoss einen wesentlich besseren Schutz als der der deutschen Schulen in Posen und in den an Polen gefallenen Teilen Westpreußens. Doch versuchte der seit 1926 in der Wojewodschaft Schlesien amtierende Wojewode Michal Grazynski auch hier dezidiert gegen die deutschen Schulen vorzugehen und zumindest die Einschreibung polnisch sprechender Schüler an den deutschen Minderheitenschulen zu verhindern. Besuchten 1922/23 noch 23 Prozent aller schulpflichtigen polnischen Kinder in Ostoberschlesien deutsche Minderheitenschulen, so lag ihr Anteil im Jahr 1938/39 nur noch bei fünf Prozent. 30 Vgl. Blanke, Orphans, S. 76-79. - 18 - inmitten des Staatsgebietes bis hin zu den Deutschen, die durch die Abtrennung des Hultschiner Ländchens vom Deutschen Reich dem neu entstandenen Staat eingegliedert worden waren. Doch im Gegensatz zur deutschen Minderheit in Polen lebte das Gros der Bevölkerung in einem geschlossenen Sprachraum. Nach der Volkszählung des Jahres 1921 wohnten in Bezirken mit einer mehr als zwanzigprozentigen deutschen Minderheit in den böhmischen Ländern 2.803.077 Personen, was einem Anteil von 94,28 Prozent an der deutschen Gesamtbevölkerung entsprach. In den so genannten rein tschechischen Gebieten lebten hingegen nur 170.047 Personen oder 5,72 Prozent aller Deutschen. Diese Bilanz verschob sich in den nachfolgenden Jahren nur leicht. Die Volkszählung des Jahres 1931 ergab, dass die Zahl der im rein tschechischen Sprachgebiet lebenden Deutschen auf 231.754 Personen oder rund 7,55 Prozent gestiegen, in den qualifizierten Minderheitsbezirken mit 92,45 Prozent Deutschen hingegen leicht zurückgegangen war. Anders als in Polen lebte die deutsche Minderheit jedoch nicht nur in einem relativ geschlossenen Sprachraum, sondern befand sich seit 1925/1926 zudem in der vorteilhaften Lage, dass ohne die Beteiligung ihrer Parteien keine handlungsfähige parlamentarische Mehrheit mehr gebildet werden konnte. Im Mai 1925 wurden erstmals deutsche Minister in das Kabinett berufen, und von 1926 bis zur Zerstörung des tschechoslowakischen Staates im Jahr 1939 waren die deutschen Parteien fast kontinuierlich im Kabinett vertreten . Die Kritik der deutschen Minderheit richtete sich deshalb insbesondere darauf, dass man in der Gründungsphase der Republik weder an der Ausarbeitung der Verfassung noch am Zustandekommen der Gesetze beteiligt worden war, mit denen die revolutionäre Nationalversammlung grundsätzliche soziale, ökonomische und politische Entscheidungen getroffen hatte31. Im Zentrum der Kritik standen und stehen dabei insbesondere das Gesetz über die Bodenreform vom 16. April 1919 und das Sprachengesetz vom 29. Februar 1920, die – so die deutsche Kritik – ohne Rücksicht auf die Interessen der nationalen Minderheiten von der revolutionären Nationalversammlung „durchgepeitscht“ worden seien32. 31 Am 28. Oktober 1918 proklamierte der „Nationalausschuss“, der sich im Juli 1918 durch Neukonstituierung und teilweise Umbildung eines Koordinierungskomitees der tschechischen Parteien gebildet hatte, die Unabhängigkeit des tschechoslowakischen Staates und nahm für sich die oberste gesetzgebende und ausführende Gewalt in Anspruch. Zusammengesetzt wurde der Nationalausschuss unter Berücksichtigung der Ergebnisse, die die einzelnen Parteien bei den letzten Wahlen zum Abgeordnetenhaus des österreichischen Reichsrates im Juni 1911 erzielt hatten. Deutsche Parteien waren im Nationalausschuss nicht vertreten, doch wurde im März 1919 die Zahl der Parlamentsmitglieder erhöht, um eine angemessene Vertretung der Slowaken sicherzustellen. Der Nationalausschuss verabschiedet am 29. Februar 1920 die Verfassung des neuen Staates, die am 6. März 1920 in Kraft trat. 32 Zit. Prinz, Böhmen und Mähren, S. 389. - 19 - 3.2. Agrarreform Als wesentliches Motiv der Bodenreform und als Beweis für deren rein nationalpolitische Zielsetzung werteten und werten ihre Kritiker übereinstimmend die historischen Argumente, die in der Öffentlichkeit von den tschechoslowakischen Parteien für die Bodenreform ins Feld geführt wurden. Gemeint war und ist damit vor allem das Argument , dass es mit der Bodenreform zu einer historischen „Wiedergutmachung“ der Vermögenskonfiskationen komme sollte, die nach der Schlacht am Weißen Berg von 1620 große Teile des böhmischen Adels betroffen und zu einer umfangreichen Neuverteilung des Bodenbesitzes geführt hatten33. Die neuere Forschung zur Bodenreform in der Tschechoslowakei erblickt in diesem historischen Argument jedoch nur ein den Parteien aus unterschiedlichen Gründen willkommenes Instrument taktischer Natur, mit dessen Hilfe der politische Gegner entweder unter Druck gesetzt oder aber der sozialpolitische Charakter der Reform gegenüber der eigenen Klientel verschleiert werden konnte . Unter Auswertung der Parlamentsakten gelangt sie zu der Erkenntnis, dass das maßgebliche Motiv, das eine Bodenreform in den Augen aller mit der Erarbeitung des entsprechenden Gesetzes betrauten Mitglieder der Nationalversammlung unumgänglich machte, darin bestand, sozialrevolutionären Strömungen Einhalt zu gebieten. Nicht ein nationalpolitisches Ziel, sondern die Angst, dass „die erfolgreiche nationale Revolution […] in eine soziale bzw. kommunistische umschlagen“34 könnte, stand demnach hinter dem Beschlagnahmegesetz, mit dem am 16. April 1919 die Nationalversammlung festsetzte , dass alle Liegenschaften im Staatsgebiet der Tschechoslowakei, die sich im Besitz einer Person oder einer Eigentümergemeinschaft befanden und mehr als 150 Hektar landwirtschaftlichen Bodens oder 250 Hektar in der Gesamtfläche umfassten, konfisziert werden konnten35. Mit der Durchführung der Bodenreform wurde das neu eingerichtete staatliche Bodenamt betraut, das den Staat in allen mit der Reform verbundenen Angelegenheiten vertrat . Ihm oblag die Erfassung, Verwaltung und Vergabe des konfiszierten Besitzes, der 33 Vgl. Alexander, Manfred, Die Deutschen in der Ersten Tschechoslowakischen Republik: Rechtsstellung und Identitätssuche, in: Corsini, Umberto; Zaffi, Davide (Hg.), Die Minderheiten zwischen den beiden Weltkriegen, Berlin 1997, S. 124. 34 Zit. Balcar, Jaromír, Instrument im Volkstumskampf? Die Anfänge der Bodenreform in der Tschechoslowakei 1919/20, in: VfZ 46 (1998), S. 403. 35 Dem von der Konfiskation betroffenen Personenkreis war im Regenfall eine Entschädigung zu zahlen , deren Höhe im „Entschädigungsgesetz“ vom 8. April 1920 geregelt wurde. Kritiker der Bodenreform klagten übereinstimmend, dass sowohl die Berechung der Entschädigungshöhe als auch die Art der Entschädigungsleistung für die betroffenen Großgrundbesitzer ungenügend gewesen seien. Doch auch in diesem Fall sind die Modalitäten der Entschädigung von der Nationalversammlung nicht mit Blick auf die deutsche Minderheit zugeschnitten worden. Vgl. Balcar, Instrument im Volkstumskampf?, S. 418f. - 20 - entweder an einem bestimmten, gesetzlich näher definierten Personenkreis verteilt oder zu gemeinnützigen Zwecken im Eigentum der Republik verbleiben konnte. Das Gesetz räumte dem Bodenamt einen relativ großen Handlungsspielraum ein. Allein das Bodenamt traf die Entscheidung, welche Liegenschaften unter die Beschlagnahme fallen und welche freigestellt werden sollten. Ferner lag es im Ermessen des Bodenamtes, die für die Konfiskation festgesetzten Grenzen sowohl zu unterschreiten als auch den Eigentümern mehr als die ihnen zustehenden 150 bis 250 Hektar zu belassen. Insbesondere in diesem großzügigen Ermessensspielraum erblickte die deutsche Seite schon in der Zwischenkriegszeit nichts anderes als die Absicht, „den Boden der Minderheitsvölker weitgehend in tschechische Hände [zu] bringen und ihre geschlossenen Siedlungsgebiete mit tschechischen Kolonisten [… zu] durchsetzen“36. Doch – soweit es sich aus den Parlamentsakten rekonstruieren lässt – entsprang auch der große Handlungsspielraum , dem man dem Bodenamt einräumte, nicht einem nationalpolitischen Kalkül, sondern hatte seinen Grund allein in den konträren sozialpolitischen Interessenlagen der Parteien, die sich nicht auf eine bestimmte Obergrenze zu verständigen vermochten und schließlich dem Bodenamt nur deshalb einen großzügig bemessenen Handlungsspielraum einräumten, um das Gesetz mit einer möglichst breiten Mehrheit in der Nationalversammlung verabschieden zu können. Eine Benachteiligung der nationalen Minderheiten im Zuge der Bodenreform kann freilich nicht ausgeschlossen werden, zumal die wichtigsten Schaltstellen im Bodenamt mit Vertretern der Agrarpartei besetzt wurden, die an Parteimitglieder, die sich insbesondere unter den Angehörigen der Titularnationen fanden, umfangreiche Güter vergaben. Doch deutet nichts darauf hin, dass das staatliche Bodenamt mit seiner Konfiskations- und Vergabepraxis das Ziel verfolgte, die Grenzen des deutschen Sprachraums systematisch zurückzudrängen. Aller Kritik an der Durchführung der Bodenreform ist insbesondere entgegenzuhalten, dass bis heute keine gründliche Untersuchung zur Tätigkeit des staatlichen Bodenamtes oder detailliertes Zahlenmaterial vorgelegt worden ist, das eine genaue Aufschlüsselung der Konfiskationen und Zuteilungen nach Nationalitäten möglich machen würde37. Das vorhandene Zahlenmaterial deutet eher daraufhin, dass es im 36 Zit. Flöter, Wilhelm, Die Bodenreform in der Tschechoslowakischen Republik, in: Sering, M. (Hg.), Die agrarischen Umwälzungen im außerrussischen Osteuropa, Berlin, Leipzig 1930, S. 237. 37 Die in der Literatur kontinuierlich auftauchende und auch in neueren Überblicksdarstellungen wiederholte Behauptung, dass die deutschen Minderheiten „ausdrücklich von der Zuteilung des verstaatlichten Großgrundbesitzes ausgeschlossen“ worden seien, ist falsch. Vgl. Prinz, Böhmen und Mähren, S. 389. Detaillierte Zahlen über die Nationalität der Begünstigten und Enteigneten scheinen selbst dem Staatlichen Bodenamt nicht vorgelegen zu haben. Zu Recht macht Jaromír Balcar in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam, dass, sollte das Bodenamt tatsächlich das Ziel verfolgt haben , den Bodenbesitz der deutschen Minderheit zu „tschechisieren“, dies ein erstaunlicher Befund wäre. Vgl. Balcar, Instrument im Volkstumskampf?, S. 428f. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Seibt, Ferdinand, Deutschland und die Tschechen. Geschichte einer Nachbarschaft in der Mitte Europa , München, Zürich 21995, S. 281f. - 21 - deutschen Siedlungsgebiet zu keiner grundlegenden Transformation der nationalen Bodenverhältnisse gekommen ist. So scheinen im Zuge der Bodenreform innerhalb des deutschen Sprachgebiets nur 123.000 Hektar landwirtschaftlich nutzbaren Bodens den Besitzer gewechselten zu haben, was rund fünf Prozent des deutschen Siedlungsgebietes entsprach, und offenbar dienten zur tschechischen Neusiedlung im deutschen Sprachgebiet nicht mehr als 7200 Hektar38. 3.3. Sprachenpolitik Die Sprachenpolitik der Tschechoslowakei durchlief in der Zwischenkriegszeit mehrere Phasen39. Ein großer Teil der bedeutendsten Regelungen wurde noch von der revolutionären Nationalversammlung in Kraft gesetzt. Zu ihnen gehörte auch das Sprachengesetz vom 29. Februar 1920. Die zweite Phase der Sprachgesetzgebung setzte im Jahr 1926 mit der Durchführungsverordnung zum Sprachengesetz ein und endete in den Jahren 1936/1937, als sich die Bestrebungen verdichteten, die grundlegenden Sprachnormen zu überarbeiten und die von den Minderheiten kritisierten Regelungen abzuschaffen. Bis zur Zerstörung der Tschechoslowakei im Jahr 1939 konnten die entsprechenden Entwürfe jedoch nicht mehr vom Parlament verabschiedet werden, so dass das Sprachenrecht von 1926 bis zum Untergang des Staates im Wesentlichen unverändert blieb. Im Einklang mit dem Minderheitenschutzvertrag, den die Tschechoslowakei am 10. September 1919 in Saint-Germain-en-Laye unterzeichnet hatte, garantierte die Verfassung des neu entstandenen Staates den freien Gebrauch der deutschen Sprache „im Privat- und Handelsverkehr, in Religionsangelegenheiten, in der Presse und in allen Publikationen oder in öffentlichen Volksversammlungen“. Dementsprechend regelte das Sprachengesetz vom 29. Februar 1920 den Sprachengebrauch „aller Gerichte, Behörden , Anstalten, Unternehmungen und Organe der Republik“, der „autonomen Behörden , Vertretungskörper und alle(r) öffentlichen Körperschaften im Staate“ sowie den Sprachengebrauch in Schulen und kulturellen Institutionen. 38 So die Angaben bei Seibt, Deutschland und die Tschechen, S. 281f. Insgesamt wurden im Zuge der Bodenreform vier Millionen Hektar Boden beschlagnahmt, von denen das Bodenamt bis zum Jahr 1937 1,8 Millionen Hektar verteilte und 1,8 Millionen Hektar an seine ursprünglichen Besitzer zurückgab . Rund 400.000 Hektar standen zu diesem Zeitpunkt noch zur Disposition. 39 Die maßgebliche Arbeit zum tschechoslowakischen Sprachenrecht hat der tschechische Historiker Jaroslav Kučera vorgelegt. Seine Arbeit ist Teil eines größeren Forschungsprojektes mit dem das Institut für Zeitgeschichte in den 1990er Jahren die Geschichte der deutschen Minderheit in der Tschechoslowakei im Zeitraum der Jahre 1919-1938 erforscht hat. Vgl. zur Anlage des Projektes Wengst, Udo, Deutsche und Tschechen in der Zwischenkriegszeit: Bilanz eines Forschungsprojektes , in: Möller, Horst; Wengst, Udo (Hg.), 50 Jahre Institut für Zeitgeschichte. Eine Bilanz, München 1999, S. 355-364. - 22 - Das grundlegende Merkmal des Sprachenrechtes der Tschechoslowakei war die Präponderanz einer respektive zweier von auf dem Territorium des Staates gebrauchten Sprachen, nämlich des Tschechischen und des Slowakischen. Dies bedeutete, dass das Sprachengesetz das „Tschechoslowakische“ als die ausschließliche innere Amtsprache aller Staatsorgane und -betriebe festsetzte. Die Anwendung von Minderheitensprachen blieb grundsätzlich auf den externen Parteienverkehr beschränkt. Während Tschechen und Slowaken im gesamten Staatsgebiet das Recht hatten, ihre Muttersprache zu gebrauchen , mussten für die Anwendung von Minderheitensprachen bestimmte Bedingungen erfüllt sein. In Gemeinden und Gerichtsbezirken, in denen eine Minderheit mindestens 20 Prozent der Bevölkerung stellte, gestattete es das Sprachengesetz, Eingaben in der Muttersprache einzureichen. Bedenkt man, dass 94 Prozent aller Deutschen in den qualifizierten Minderheitsbezirken lebten, so war für die deutsche Minderheit der Gebrauch ihrer Muttersprache im Umgang mit den staatlichen Institutionen der Tschechoslowakei gut gesichert. Die große Mehrheit der Deutschen sah sich darüber hinaus nicht einmal mit einer zweisprachigen Erledigung ihrer Eingaben konfrontiert40. So lebten im Jahr 1921 in den böhmischen Ländern nur 18,84 Prozent der gesamten deutschen Bevölkerung in Bezirken, in denen eine doppelsprachige Erledigung vorgeschrieben war, während 75,44 Prozent oder 2.242.821 Personen in der Regel eine einsprachige, rein deutsche Erledigung erhielten. Der allergrößte Teil der sudetendeutschen Bevölkerung konnte sich folglich im Verkehr mit den staatlichen Institutionen auf Orts- und Bezirksebene seiner Muttersprache bedienen. Vor diesem Hintergrund wird man dem Urteil des tschechischen Historikers Jaroslav Kučera zustimmen müssen, der in seiner Untersuchung des Sprachenrechts der Tschechoslowakei konstatiert hat: „Zieht man den ,Aktionsradius’ eines Durchschnittsbürgers in Betracht, scheint es sehr wahrscheinlich, dass für die Mehrheit der Sudetendeutschen die Kenntnis des Tschechischen entbehrlich war“41. Der problematische Punkt des tschechoslowakischen Sprachenrechts lag nicht so sehr in den qualifizierten Minderheitsbezirken, sondern in der ungenügenden Berücksichtigung des Deutschen außerhalb dieser Verwaltungseinheiten, das heißt in den Bezirken, in denen der tschechische Bevölkerungsanteil mindestens 80 Prozent betrug. Die Verwendung der Minderheitensprachen war in diesen Bezirken nicht gänzlich ausgeschlossen, wurde aber auf ein Minimum beschränkt. Darüber hinaus war der Gebrauch des Deutschen auch in den politischen Repräsentationsorganen, insbesondere im Parlament der 40 Die prozentuale Grenze, ab der eine einsprachig deutsche Erledigung einer Eingabe gestattet war, schwankte zwischen 1920 und 1926 erheblich. Betrug sie 1920 noch 80 Prozent, so lag sie 1922 bei 50, 1924 bei 60 und 1926 schließlich bei 66 Prozent. 41 Zit. Kučera, Minderheit im Nationalstaat, S. 210. - 23 - Tschechoslowakei, nur eingeschränkt möglich. Zwar durften dort alle Abgeordneten in ihrer Muttersprache das Wort ergreifen, doch fand keine Übersetzung statt. Regierungsmitgliedern war ausschließlich gestattet, das Wort in der Staatssprache zu ergreifen 42. Insbesondere der eingeschränkte Gebrauch des Deutschen an einem so prestigeträchtigen Ort wie dem tschechoslowakischen Parlament unterstrich, dass das Deutsche keine gleichberechtigte Sprache war. Doch war das Deutsche in dem neu entstandenen Staat eben auch keine Sprache, die es aus dem öffentlichen Leben zu verdrängen galt. Ihren Niederschlag fand die liberale Sprachenpolitik auch in der Schulgesetzgebung. So war nach der Schulverfassung der Tschechoslowakei für die Wahl der Unterrichtssprache die Entscheidung des Ortsschulrates und damit eines kommunalen Gremiums maßgeblich, das sich zu zwei Dritteln aus Vertretern der Gemeinde und zu einem Drittel aus Vertretern der lokalen Lehrerschaft zusammensetzte43. Im Falle der Volks- und Mittelschulen trugen die Gemeinden und der Staat die Kosten gemeinsam. Die Tschechoslowakei bestand zudem nicht auf der Einführung des Tschechischen oder Slowakischen als Pflichtfach. Pflichtgegenstand war die Staatsprache erst seit dem Jahr 1923 an Gymnasien mit deutscher Unterrichtssprache. In den Volks- und Mittelschulen hingegen war das Tschechische nicht zwingend vorgeschrieben. Darüber hinaus sah die Schulverfassung vor, dass, wenn es an einem Ort mindestens vierzig, im Umkreis von vier Kilometern mindestens vierhundert schulpflichtige Kinder einer Minderheit gab, eine Schule in der Minderheitensprache eröffnet werden musste. Von sudetendeutscher Seite ist in diesem Zusammenhang mehrfach argumentiert worden , dass die Tschechoslowakei diese Regelung missbräuchlich genutzt habe, um durch die Eröffnung zahlreicher tschechischer Schulen im deutschen Sprachgebiet Einfluss auf die Schulkinder der Minderheit zu nehmen. Die Statistik spricht in diesem Zusammenhang eine andere Sprache: So stieg zwar die Zahl deutscher Schüler in tschechischen Schulen von 900 im Jahre 1921 auf über 5500 im Jahr 1935, doch lag die Gesamtzahl deutscher Schüler im letztgenannten Jahr bei etwa 400.000, so dass der Anteil 42 Im Falle der Landesvertretungen war relevant, ob in dem betreffenden Land zumindest 20 Prozent Angehörige eines Minderheitenvolkes lebten. Da sowohl „Böhmen“ als auch „Mähren-Schlesien“ diese Bedingungen erfüllten, konnten die deutschen Vertreter in beiden Landesvertretungen sowie in deren Ausschüssen und Kommission in ihrer Muttersprache Erklärungen abgeben sowie Anträge, Anfragen und Beschwerden vorlegen. Im Unterschied zum Parlament und zu den Landes- und Bezirksvertretungen wurde der Sprachgebrauch in Gemeinde- und Stadtvertretungen sowie in anderen Organen der Kommunalverwaltung durch keine eigene Rechtsnorm geregelt; er unterlag speziellen Bestimmungen des Sprachengesetzes und besonders der Durchführungsverordnung von 1926. Das Recht der Gemeinde, ihre Geschäftssprache selbst zu bestimmen, wurde in den 1920er und 1930er Jahren grundsätzlich beibehalten – wenn auch mit gewissen, im Laufe der Zeit immer stärker zunehmenden Einschränkungen zugunsten der Staatsprache. 43 Vgl. zum Folgenden Rexheuser, Rex, Das Schulwesen nationaler Minderheiten in Estland, Lettland, Polen und der Tschechoslowakei zwischen den Weltkriegen, in: Lemberg, Hans (Hg.), Ostmitteleuropa zwischen den beiden Weltkriegen (1918-1939). Stärke und Schwäche der neuen Staaten, nationale Minderheiten, Marburg 1997 (Tagungen zur Ostmitteleuropa-Forschung 3), S. 297f. - 24 - deutscher Schüler an tschechischen Schulen nicht einmal ein Prozent betrug. Weder mit Blick auf die Schul- noch mit Blick auf die Sprachenpolitik wird man deshalb davon sprechen, dass die Tschechoslowakei einen Versuch zur Assimilation oder Verdrängung der deutschen Minderheit unternahm. Im internationalen Vergleich, insbesondere im Vergleich zur Nationalitätenpolitik, die das faschistische Italien nach 1922 gegenüber seiner deutschen Minderheit ins Werk setzte, nahm sich ihre Situation in der Zwischenkriegszeit äußerst günstig aus. 4. Italien 4.1. Umfang und Siedlungsstruktur der deutschen Minderheit Die Bevölkerung Südtirols war ethnisch weitgehend homogen. In der Region, die mit dem Zusammenbruch der Habsburgermonarchie und dem am 10. September 1919 unterzeichneten Friedensvertrag von Saint-Germain-en-Laye an Italien fiel, lebten nach der österreichischen Volkszählung des Jahres 1910 insgesamt 237.800 Personen, davon 221.200 (93 Prozent) Deutsche, 6.950 (drei Prozent) Italiener und 9.345 (vier Prozent) Ladiner. Die wirtschaftliche und soziale Struktur der Bevölkerung war agrarisch geprägt , ihre ethnische Komposition hatte sich – ausweislich der italienischen Volkszählung des Jahres 1921 – auch durch den Ersten Weltkrieg nicht gewandelt44. 4.2. Italienische Minderheitenpolitik Der Übergang von der Habsburgermonarchie zum Königreich Italien markierte für die Regierungs- und Verwaltungsstrukturen Südtirols eine deutliche Zäsur. Hatte es sich bei der Donaumonarchie um ein föderal organisiertes Vielvölkerreich gehandelt, trafen die Deutschen in Südtirol nun auf das zentralistische Modell des italienischen Nationalstaates , dessen Staatsidee auf der sprachlichen und kulturellen Einheit seiner Bevölkerung beruhte. Gleichwohl verhielten sich die militärischen und zivilen Behörden Italiens in den ersten vier Jahren nach dem Ende des Ersten Weltkrieges in Südtirol ausgesprochen zurückhaltend. Die bestehende Verwaltungsordnung blieb weitgehend unangetastet, es kam zu keinen personellen „Säuberungen“ unter den lokalen Verwaltungsbediensteten, die deutschen Schulen durften ungehindert fortbestehen und die Regierung in Rom nahm Gespräche mit den politischen Repräsentanten Südtirols auf, um das Terrain für ein künftiges Autonomiestatut zu sondieren. Trotz dieser insgesamt positiven Bilanz ist nicht zu übersehen, dass sich bereits in den vier Jahren vor der Machtergreifung des 44 Vgl. Freiberg, Walter, Südtirol und der italienische Nationalismus. Entstehung und Entwicklung einer europäischen Minderheitenfrage, Innsbruck 1989 (Schlern-Schriften 282/1), S. 156. - 25 - Faschismus gegenläufige Tendenzen und Entwicklungen anbahnten. Zum einen gelang es in dieser Zeit nicht, das mehrfach erneuerte Versprechen einer Autonomie einzulösen . Zum anderen konnte sich die politische Führungsschicht Italiens auf keine gemeinsame Linie in der Minderheitenpolitik verständigen, da sich auch in ihr schon vor 1922 Stimmen erhoben, die für eine sprachliche und kulturelle Assimilation der Deutschen in Südtirol eintraten. Doch auch in Anbetracht aller Grenzen in der Minderheitenpolitik des liberalen Staates stellte die faschistische Machtergreifung eine ganz erhebliche Zäsur in der Geschichte Südtirols dar. Das Italien Mussolinis setzte eine Politik gegen die deutsche Minderheit nördlich der Salurner Klause ins Werk, die alle Repressalien kultur- und wirtschaftspolitischer Art in den Schatten stellte, denen sich die Deutschen in Ostmitteleuropa in der Zwischenkriegszeit ausgesetzt sahen. Das neue Regime begann umgehend damit, Sprache und Kultur der deutschen Minderheit gewaltsam zu unterdrücken. In der öffentlichen Verwaltung kam es nach 1922 zu massiven personellen „Säuberungen “. Wenige Jahre nach der Machtergreifung markierte dann die Einführung des Podestà -Systems zwischen Februar und September 1926 das Ende der Gemeindeautonomie 45. Durch die Einsetzung der Podestà wurden in Südtirol die alten Gemeindevorstände abgesetzt. Das früher in der Kommunalverwaltung beschäftigte Personal wurde durch faschistische Parteigänger ausgetauscht, die zumeist aus Altitalien zuwanderten. Mit der personellen „Säuberung“ wurde zugleich auch das Prinzip der Zweisprachigkeit der italienischen Verwaltung in Südtirol aufgegeben. Mit einer Reihe von Sprachenverordnungen , die im Zeitraum der Jahre 1923 – 1927 erlassen wurden, wurde der Gebrauch des Deutschen im Kontakt mit staatlichen Behörden und in allen öffentlichen Ankündigungen verboten46. Darüber hinaus wurden die deutschen Schulen Schritt für Schritt aufgelöst. Durch ein Dekret vom 1. Oktober 1923 wurde festgesetzt, dass der Unterricht in allen Schulen grundsätzlich nur noch in der Staatssprache zu erteilen war. Beginnend mit dem Schuljahr 1923/1924 und der ersten Klasse sollte Jahr für Jahr fortschreitend die italienische Unterrichtssprache in den „fremdsprachigen“ Volksschulen eingeführt werden. Eine Unterrichtung in der deutschen Sprache war seither nur noch als „Anhangunterricht“ 45 Den Podestà wurden die Befugnisse übertragen, die zuvor die Bürgermeister, Gemeindeassessoren und Gemeinderäte besessen hatten. Die Einwohner der Gemeinde hatte zudem keine Möglichkeit, durch Wahlen auf die Besetzung des Amtes Einfluss zu nehmen. Die Amtszeit eines Podesta betrug fünf Jahre und konnte um weitere fünf Jahre verlängert werden. In seiner Amtsführung unterstand er allein dem Präfekten der Region. Vgl. Michele, Andrea Di, Die unvollkommene Italianisierung. Politik und Verwaltung in Südtirol 1918-1943, Innsbruck 2008 (Veröffentlichungen des Südtiroler Landesarchivs 28), S. 255f. 46 Der Präfekt der Provinz Bozen ging sogar soweit, per Dekret am 16. November 1927 deutschsprachige Grabinschriften zu verbieten. Vgl. Freiberg, Südtirol, S. 210. - 26 - zugelassen. Schon im Jahr 1926/27 wurden die Bestimmungen über die sukzessive Einführung des Italienischen außer Kraft gesetzt, Italienisch in allen Jahrgangsstufen zur Unterrichtssprache erhoben und der „Anhangunterricht“ gestrichen. Hinsichtlich des Religionsunterrichts galten zwar noch für kurze Zeit gewisse Erleichterungen. Doch mit dem Schuljahr 1928/29 wurde in Südtirol auch er nur noch von italienischen Lehrkräften und in italienischer Sprache erteilt. Obwohl sich das Dekret vom 1. Oktober 1923 nur auf den Schulunterricht bezog, wurde 1924 mit einer Verfügung des Trienter Schulamtes zudem der ausschließliche Gebrauch des Italienischen in den Kindergärten angeordnet . 1922 gab es in Südtirol drei italienische Kindergärten, im Jahr 1930 66, 1937 82 und im Jahr 1939 hatte man schließlich eine flächendeckende Versorgung erreicht. Doch alle Anstrengungen, die deutsche Minderheit zu assimilieren und den Zuzug von Italienern nach Südtirol zu fördern, führten zu keinem nachhaltigen Erfolg. Unter dem Druck des Faschismus solidarisierte sich die deutsche Minderheit in einem bislang unbekannten Ausmaß. Als das faschistische Italien nach dem Anschluss Österreichs an das nationalsozialistische Deutsche Reich am 13. März 1938 eine gemeinsame Grenze mit seinem weltanschaulichen Zwilling besaß, radikalisierte sich seine Minderheitenpolitik deshalb noch einmal beträchtlich und erreichte eine letzte Stufe. In Südtirol setzte der Faschismus nun auf eine ethnische „Flurbereinigung“. Besprechungen, die seit Juni 1939 zwischen dem Deutschen Reich und Italien zur Umsiedlung der deutschen und der ladinischen Minderheit in Südtirol geführt wurden, mündeten nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges in das Hitler-Mussolini-Abkommen vom 21. Oktober 1939. Das Abkommen ermöglichte den „Volksdeutschen“, das heißt den italienischen Staatsbürger deutscher Muttersprache, innerhalb einer zehnwöchigen Frist für die deutsche Staatsbürgerschaft zu optieren, und verpflichtete die Optanten innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren auszuwandern. Wer innerhalb des genannten Zeitraums nicht optierte, galt weiterhin als italienischer Staatsbürger. Das unbewegliche Eigentum der Umsiedler sollte von paritätisch besetzten deutsch-italienischen Kommissionen bewertet, sein Gegenwert nach Deutschland transferiert werden. Bewegliches Eigentum konnte mitgenommen werden, die Transportkosten trug das Deutsche Reich. 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