Deutscher Bundestag Die Aufhebung von Konkordaten in Deutschland Geschichtliche Entwicklung und juristische Möglichkeiten Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 1 – 3000 – 092/10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000 – 092/10 Seite 2 Die Aufhebung von Konkordaten in Deutschland Geschichtliche Entwicklung und juristische Möglichkeiten Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 1 – 3000 – 092/10 Abschluss der Arbeit: Datum Fachbereich: WD 1: Geschichte, Zeitgeschichte und Politik Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. verlehmannpe Textfeld 24.08.2010 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000 – 092/10 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Grundüberlegungen und Zusammenfassung 4 2. Historische Entwicklung von Konkordatsverträgen 5 2.1. Begriff 5 2.2. Historische Entwicklung des Abschlusses von Konkordaten 6 2.3. Zur Weitergeltung bestehender Konkordate 6 3. Die rechtliche Bindungskraft von Konkordaten 7 3.1. Theorien 7 3.2. Gilt die Regel pacta sunt servanda? 8 3.3. Beendigungsgründe für Konkordate 8 4. [Literatur] 10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000 – 092/10 Seite 4 1. Grundüberlegungen und Zusammenfassung Einer der führenden Juristen auf dem Gebiet des Staatskirchenrechtes, Joseph Listl1 positionierte sich in einem einschlägigen Standardwerk zur Frage des Weiterbestehens oder Festhaltens an Konkordatsverträgen sehr eindeutig: „Für die kontinuierliche Entwicklung der Kooperation zwischen Staat und Kirche kommt den Konkordaten […] auch und gerade im freiheitlich-demokratischen Staat der Gegenwart eine große Bedeutung zu. Deshalb liegt das grundsätzliche Festhalten an diesen Verträgen und deren Anpassung an die jeweiligen geänderten Verhältnisse gleichermaßen im Interesse der Kirche und des Staates.“2 Ungeachtet der Tatsache, dass die Frage der Bindungskraft der Verträge zwischen Staat und Kirche „eines der nie zu lösenden Ewigkeitsprobleme des Staatskirchenrechts“ sei, so eine wiederholt zitierte Feststellung Hermann Webers,3 wird an dem Brauch, die gemeinsamen Angelegenheiten zwischen Staat und Kirche – die res mixtae4 – im Einvernehmen der Parteien zu regeln, seit Jahrhunderten festgehalten. In jüngster Zeit war die Frage nach der Bestandskraft staatskirchlicher Verträge Gegenstand wissenschaftlicher Auseinandersetzungen. Welchen Blickwinkel das Staatskirchenrecht in Deutschland einnimmt, wo es in der Neuzeit nicht zu Vertragsauflösungen von Konkordaten kam, hat Katia Schier untersucht.5 Aufschlussreich ist hier ein vergleichender Blick nach Österreich, wo das Konkordat von 1855 durch die Wiener Regierung 1874 formell aufgekündigt wurde. Bis 1933 war man hier also „konkordatsfrei“, ein Zustand, der erst infolge des raschen Abschlusses des Konkordats zwischen der österreichischen Regierung und dem Heiligen Stuhl endete. Mit den Möglichkeiten und Folgen einer Kündigung des Vertrages zwischen der Republik Österreich und dem Heiligen Stuhl vom 5. Juni 1933 befasst sich Kora Waibel in einer Dissertation aus dem Jahr 20086 Zweck des System der Verträge zwischen Staat und Kirchen ist es, das Zusammenleben und – arbeiten zu gewährleisten. Da es im Konfliktfall zu einem Wettstreit um die Meinungshoheit eines einzelnen Vertrages oder des Vertragssystems kommen kann, sind kontroverse Gespräche 1 Vgl. Wilhelm Rees (Hrsg.) (2004), Recht in Kirche und Staat : Joseph Listl zum 75. Geburtstag, Berlin: Duncker & Humblot, insbesondere das Grußwort von Karl Kardinal Lehmann. 2 Joseph Listl/Heribert Schmitz (Hrsg.) (1999), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, zweite, grundlegend neubearbeitete Auflage, Regensburg: Verlag Friedrich Pustet, S. 1282. 3 Hermann Weber (1970), Grundprobleme des Staatskirchenrechts, Bad Homburg v.d.H.:Gehlen, S. 53. 4 Vgl. zu den res mixtae weiter unten. 5 Vgl. Katia Schier (2009): Die Bestandskraft staatskirchlicher Verträge, Berlin: Duncker & Humblot. 6 Vgl. Waibel, Kora (2008): Dissertation zur Kündbarkeit des österreichischen Konkordats. Über Möglichkeiten und Folgen einer Abschaffung des Vertrages zwischen der Republik Österreich und dem Heiligen Stuhl vom 5. Juni 1933, Wien: http://othes.univie.ac.at/3238/1/2008-10-17_9715296.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000 – 092/10 Seite 5 zwischen den Vertragsparteien oftmals die Folge, die bis zum Nachdenken über eine mögliche Vertragskündigung oder sogar Vertragsbruch reichen können. Die Bestandskraft der Konkordate folgt den Regeln des Völkerrechts, woraus sich drei unterschiedliche Ansatzpunkte in Fragen der Beendigung solcher Verträge ergeben. Zum einen sind die üblichen Erlöschungsgründe des Vertragsrechts einschlägig, d. h. die einvernehmliche Aufhebung , die ordentliche Kündigung und schließlich die clausula rebus sic stantibus. Für neuere Verträge gelten hier gegebenenfalls die Grundsätze der Wiener Vertragsrechtskonvention (WVK), für ältere hingegen das Völkergewohnheitsrecht. Dies bedeutet, dass die ordentliche Kündigung mangels ausdrücklicher Vereinbarung unzulässig ist. Zum zweiten besitzen die Konkordate im deutschen Recht durch die Zustimmungsgesetze den Rang einfacher Gesetze. Das Zustimmungsgesetz kann (außer in einigen Bundesländern aufgrund landesverfassungsrechtlicher Verpflichtung ) aufgehoben werden. Dadurch endet zwar die innerstaatliche Anwendbarkeit des Konkordats , die Vertragsgeltung selbst wird aber nicht berührt. Somit würde eine Vertragsverletzung vorliegen, die dem Völkerrecht folgende Sanktionen zur Folge haben könnte. Drittens schließlich ist Rechtsschutz gegen Konkordatsverletzungen nur auf internationaler Ebene denkbar. Da der Heilige Stuhl sich der internationalen Gerichtsbarkeit nicht unterworfen hat und davon auszugehen ist, dass er auch nicht beabsichtigt, dieses in naher oder ferner Zukunft zu tun, verfügt er nicht über die Möglichkeit von Rechtsbehelfen. 2. Historische Entwicklung von Konkordatsverträgen 2.1. Begriff Unter einem Konkordat ist ein zwischen dem Heiligen Stuhl und einem Staat – in der Regel in feierlicher, diplomatischer Form – abgeschlossener völkerrechtlicher Vertrag zu verstehen. Aufgabe eines solchen Vertrages ist es, im Interesse eines geordneten Zusammenlebens von Staat und katholischer Kirche in der Regel alle Gegenstände gemeinsamen Interesses auf Dauer rechtlich zu ordnen.7 Die Gegenstände des gemeinsamen Interesses, d.h. die Regelungsmaterien der Konkordate, erstrecken sich vor allem auf drei Sachbereiche. Zum einen betrifft es die Gewährleistung der Religions - und Kirchenfreiheit im weitesten Sinne des Wortes, einschließlich der Freiheit der Lehre und Verkündigung sowie der Sakramentenverwaltung. Hierzu zählt auch die freie Ämterverteilung , die Garantie des Kirchengutes sowie der freien Vermögensverwaltung. Zum zweiten zählt zu den Gegenständen gemeinsamen Interesses von Staat und katholischer Kirche der Bereich der sogenannten gemeinsamen Angelegenheiten von Staat und Kirche, das heißt der res mixtae. Traditionell fallen hierunter der Religionsunterricht, die Theologischen Fakultäten der Universitäten und Hochschulen, die Anstalts- und Militärseelsorge, das Friedhofsrecht, das Eherecht, das kirchliche Besteuerungsrecht und – in den neueren Konkordaten und konkordatären Abmachungen – auch der Bereich der Erwachsenenbildung und die Beteiligung der Kirche an den Einrichtungen des Rundfunks und des Fernsehens. 7 Vgl. Listl/Schmitz), Handbuch, S. 1281. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000 – 092/10 Seite 6 Drittens zählen zu den Gegenständen gemeinsamen Interesses die auf historischen Rechtstiteln beruhenden und im wesentlichen auf die Säkularisation während napoleonischer Zeit zurückgehenden Staatsleistungen, Baulasten und Staatszuschüssen sowie die Frage der Ablösung dieser staatlichen Leistungen.8 2.2. Historische Entwicklung des Abschlusses von Konkordaten Die während des Hochmittelalters zwischen Papst Calixtus II. und Kaiser Heinrich V. im Jahr 1122 in Worms getroffene rechtliche Vereinbarung, in der Heinrich auf die Belehnung der Bischöfe mit Ring und Stab verzichtete, dafür im Gegenzug jedoch das Recht erhielt, die Bischöfe mit dem Zepter zu belehnen, wurde erstmals von Gottfried Wilhelm Leibnitz im Jahr 1693 als Konkordat bezeichnet. In diesem Vertrag wird die Unterscheidung zwischen geistlicher und weltlicher Macht deutlich. So wird das kirchliche Amt von der Kirche verliehen, die weltlichen Besitztümer des Bischofs hingegen – die temporalia – unterliegen der Verfügungsgewalt des Königs . Diese Trennung zwischen kirchlichen und weltlichen Gegenständen der Verträge setzt sich in der weiteren Entwicklung des Konkordate der fort. An diesem frühen Beispiel zeigen sich aber auch schon die möglichen Konfliktpunkte eines solchen Vertrages, den zu lösen sich bereits Heinrichs Nachfolger bemühten.9 Während des Konzils von Konstanz wurde 1418 erstmalig ein Übereinkommen abgeschlossen, das als concordata bezeichnet wurden. Der Beginn der eigentlichen Zeit der Staatskirchenverträge wird in Deutschland jedoch erst Anfang des 19. Jahrhunderts gesehen. Auslöser für diese Entwicklung war das französische Konkordat von 1801. Kaiser Napoleon Bonaparte und Papst Pius VII. verständigten sich darin über die Anerkennung der Französischen Republik und über den Zivilstand der katholischen Kirche in Frankreich. Seit 1804 gab es auch in Deutschland Bestrebungen , mit dem Heiligen Stuhl ein Konkordat abzuschließen. Dieses Vorhaben konnte auf Reichsebene jedoch nicht umgesetzt werden, statt dessen wurde das 19.Jahrhundert zu einer „Epoche der Landeskonkordate“.10 Als erstes „modernes“ Konkordat in Deutschland gilt das zwischen dem Königreich Bayern und dem Heiligen Stuhl im Jahr 1817 abgeschlossene. Dieses wurde durch das Konkordat von 1924 aufgehoben.11 2.3. Zur Weitergeltung bestehender Konkordate Aus der Zeit der Weimarer Republik bestehen in der Bundesrepublik Deutschland Konkordate zwischen dem Heiligen Stuhl und Bayern (29. März 1924), Preußen (14. Juni 1929) sowie Baden (12. Oktober 1932). Der Abschluss des Konkordats zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deut- 8 Vgl. Listl/Schmitz, Handbuch, S. 1282. 9 Vgl. Schier, Bestandskraft, S. 17f. 10 Ernst Rudolf Huber (1957), Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. I: Reform und Restauration 1789 bis 1830, 2. Auflg. Stuttgart u.a., hier S. 418. 11 Vgl. Gesetzblatt für das Königreich Baiern 1818, S. 397, Regierungsblatt 1821 S. 803; Hermann Rehm, Quellensammlung zum Staats- und Verwaltungsrecht des Kgr. Bayern, Verlag Hirschfeld, Leipzig 1903. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000 – 092/10 Seite 7 schen Reich erfolgte am 20. Juli 1933 (Reichskonkordat). Dessen Rechtsbestand und Weitergeltung bestätigte das Bundesverfassungsgericht nach zuvor lange geführter Diskussion und Auseinandersetzung durch Urteil vom 26. März 1957.12 Am 26. Februar 1965 wurde zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Land Niedersachsen ein Konkordat abgeschlossen. Darüber hinaus wurden zwischen dem Heiligen Stuhl und einzelnen Bundesländern eine Reihe von Abkommen abgeschlossen, die einzelne Rechtsmaterien, insbesondere auf den Gebieten des Vermögensrechts und des Bildungswesens zum Gegenstand haben. Nach der deutschen Wiedervereinigung erhielt die Entwicklung des Vertragsrechts zwischen Staat und Kirchen bzw. Religionsgemeinschaften neue Impulse, wobei man zwei Phasen unterscheiden kann. In einer ersten wurden Verträge zwischen dem Heiligen Stuhl und den jeweiligen Ländern abgeschlossen, die die Schaffung von Bistümern zum Gegenstand haben, so über das Bistum Magdeburg am 13. April 1994, das Bistum Görlitz am 4. Mai 1994, das Bistum Erfurt am 14. Juni 1994 sowie Erzbistum und Kirchenprovinz Hamburg am 22. September 1994. In einer zweiten Phase wurden mit dem Freistaat Sachsen (2. Juli 1996), dem Freistaat Thüringen (11. Juni 1997) und den Ländern Mecklenburg-Vorpommern (15. September 1997) und Sachsen-Anhalt (15. Januar 1998) Verträge abgeschlossen, die wegen ihres kodifikatorischen Charakters der Sache nach (Landes-)Konkordate sind.13 3. Die rechtliche Bindungskraft von Konkordaten 3.1. Theorien Wie oben bereits erwähnt, wird als das erste „moderne“ Konkordat dasjenige zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Königreich Bayern von 1817 betrachtet. Mit ihm begann eine Phase, in der der Staat Superiorität gegenüber dem kirchlichen Vertragspartner beanspruchte. Bei der einem solchen Verständnis zugrunde liegenden Theorie handelt es sich um die Legaltheorie, die davon ausgeht, dass eine verbindliche staatskirchenrechtliche Ordnung nur durch Staatsgesetz begründet werden könne. In der katholischen Kirche fußten Vertragsüberlegungen immer auf der Privilegientheorie, der zufolge Konkordate bloße Gnadenbeweise des Papstes an die weltlichen Herrscher waren. Eine dritte Theorie bildet die bereits im 16. Jahrhundert sich entwickelnde Denkweise pacta sunt servanda. Konkordate sind demnach echte Verträge, die beide Seiten an die Vertragsverpflichtung binden. Im Verlaufe des 20. Jahrhunderts setzte sich diese Auffassung durch. 12 BVerfGE 6, S. 309; vgl. zur Diskussion um die Weitergeltung des Reichskonkordats Friedrich Giese/Friedrich August von der Heydte (Hrsg.) (1957-1961), Der Konkordatsprozeß, 4 Bde, München: Isar-Verlag. 13 Vgl. Listl/Schmitz, Handbuch, S. 1282; inzwischen wird in Analogie zum „Evangelischen Kirchenvertrag“ vom „katholischen Kirchenvertrag“ gesprochen, vgl. 15f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000 – 092/10 Seite 8 3.2. Gilt die Regel pacta sunt servanda? Der Grundsatz pacta sunt servanda wurde bereits im Römischen Recht erstmalig formuliert.14 Ungeachtet der Tatsache, dass Verträge, dessen Vertragsparteien nicht angehalten sind, diesen einzuhalten, sinnlos sind, wird immer wieder für Staatskirchenverträge gefordert, dass der Staat sich jederzeit einseitig von ihnen lösen können müsse. Die Fragen, die sich in diesem Zusammenhang stellen, sind zum einen, inwieweit Staatskirchenverträge die Vertragsparteien binden und zum anderen, wo gegebenenfalls die Grenzen dieser Bindungen zu sehen sind.15 Unter der Voraussetzung, Konkordate als Völkerverträge zu betrachten, ist festzuhalten, dass auch im Völkervertragsrecht der Grundsatz pacta sunt servanda gilt. Das Festhalten am Vertrag oder aber das Aufheben der Vertragsbindung sind nicht dem Belieben der Vertragsparteien anheimgestellt , sondern folgen verbindlich festgelegten völkerrechtlichen Regeln, die im Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge kodifiziert worden sind.16 Sowohl der Heilige Stuhl als auch die Bundesrepublik Deutschland sind Vertragspartner der WVK. Artikel 1 WVK zufolge soll die WVK nur auf „Verträge zwischen Staaten“ Anwendung finden. Zwar ist der Heilige Stuhl – im Gegensatz zum Vatikanstaat – kein Staat, aber er ist einer der Vertragspartner der „ersten Stunde“. Es könnte dahingehend argumentiert werden, dass die besondere Stellung des Heiligen Stuhles nicht auch gesondert erwähnt werden müsste und dass es zudem keinen Sinn macht, an einem Regelwerk teilzunehmen, das auf die entsprechende Vertragspartei anzuwenden, nicht machbar ist. Zudem wird der Heilige Stuhl in der Schlussakte der WVK kommentarlos als teilnehmender „state“ aufgeführt. Die WVK kodifiziert in der Hauptsache bereits vorher bestehendes Gewohnheitsrecht, worunter insbesondere das Preußische, das Badische, das Bayerische und das Reichskonkordat fallen. Zu dem durch die WVK kodifizierten bereits bestehenden Gewohnheitsrecht gehören auch die Vorschriften über die Vertragsbeendigung, die Kündigung und die clausula rebus sic stantibus. 3.3. Beendigungsgründe für Konkordate Als Beendigungsgründe können im Falle der Konkordate hauptsächlich die einvernehmliche Vertragsaufhebung, die Kündigung oder eine Vertragsanpassung/-beendigung nach den Grundsätzen der clausula rebus sic stantibus betrachtet werden. Als Idealfall im Vertragsrecht kann die einvernehmlichen Aufhebung des Vertrages angesehen werden. Beide Vertragsparteien verständigen sich einvernehmlich über die Beendigung. Hierbei handelt es sich um die Urform der Vertragsaufhebung, die mit einem neuen Vertragsabschluss – eben über die Beendigung – abschließt. Im Falle eines Konkordats bestehen beim Einvernehmen beider Parteien über die Aufhebung des Konkordats keine Einwände. Eine derartige Problemlösung ist auch diejenige, die dem Wesen der Konkordate am ehesten entspricht, denn schließlich 14 Vgl. Manfred Lachs, „Pacta sunt servanda“, in: Rudolf Bernhardt (Hrsg.) (1997), Encyclopedia of Public International Law, Bd. III, Amsterdam u.a., S. 847-854, hier S. 847. 15 Vgl. zum folgenden Schier, Bestandskraft, S. 71ff. 16 Vgl. zur WVK BGBl. 1985 II, S. 926. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000 – 092/10 Seite 9 favorisieren Konkordate die einvernehmliche Lösung streitiger Punkte. Dieser allgemeine Grundsatz bleibt nicht nur auf die Fragen der Vertragsbeendigung beschränkt. Jedes Konkordat umfasst auch eine „Freundschaftsklausel“, nach der sich die Vertragspartner verpflichten, Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung des Vertrages „auf freundschaftliche Weise“ zu beseitigen, d.h. jedes Konkordat enthält die Verpflichtung zur amicabilis compositio. Als Kritik wird deutschen Konkordaten wiederholt entgegengehalten, dass diese keine Kündigungsklauseln enthalten. Nach Artikel 56 WVK lässt ein Vertrag, der keine Bestimmungen über Beendigung, Kündigung oder Rücktritt enthält, auch keine Kündigung und keinen Rücktritt zu. Schon vor Abschluss der WVK wurde davon ausgegangen, dass die einseitige Lossagung von völkerrechtlichen Verträgen nicht zulässig ist, es sei denn, es läge ein Fall der clausula rebus sic stantibus vor. Eine Kündigung von Konkordaten käme mithin nur dann in Betracht, wenn die Vertragspartner – Staat und Kirche – dies so bestimmten. Zudem wurden völkerrechtliche Verträge, die keine Kündigungsklauseln enthalten und die auf unbestimmte Zeit abgeschlossen wurden, bereits vor Abschluss der WVK für unkündbar gehalten. Daraus kann geschlussfolgert werden, das auch Konkordate , die in der Form völkerrechtlicher Verträge abgeschlossen wurden, prima facie nicht gekündigt werden können. Die Beendigung ist also nur im Falle der erheblichen Vertragsverletzung durch einen der beiden Vertragspartner möglich. Die andere Beeendigungsmöglichkeit besteht unter den Voraussetzungen der clausula rebus sic stantibus. Die clausula fungiert als Korrektiv des Grundsatzes pacta sunt servanda. Unbillige Härten, die durch die unbedingte Bindung an den Vertrag für einen der beiden Vertragspartner entstünden, sollen so vermieden werden. Sie wird einschlägig, wenn das unveränderte Fortbestehen der Vertragspflichten für eine Partei aufgrund einer unvorhersehbaren Veränderung der Umstände unzumutbar wird. Die clausula, die ihren Ursprung im kanonischen Recht hat und im Vertragsrecht seit langen anerkannt ist, gibt das Recht zur Auflösung und im Extremfall sogar zur Kündigung des Vertrages. Sie ist im Art. 62 WVK kodifiziert.17 Ob die Voraussetzungen für eine Anwendung der clausula rebus sic stantibus vorliegen, ist auch im Falle der Konkordate wie auch bei sonstigen völkerrechtlichen Verträgen nach objektiven Kriterien festzustellen. Entscheidend hierfür ist, ob sich die Umstände seit dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses grundlegend geändert haben und ob ein Festhalten am Vertrag für eine Partei unzumutbar geworden ist. Rechtsfolge der clausula ist aber nicht die automatische Ungültigkeit des Konkordats, sondern zunächst nur das Recht zur Vertragsrevision. Nur, wenn auch auf diesem Wege keine für die Parteien zumutbaren Zustände hergestellt werden können, können diese den Vertrag kündigen.18 Zuständig für eine Kündigung ist aber nach Auffassung von Schier die Landesregierung. Nach der in einschlägigen Fachkreisen überwiegenden Auffassung ist sie nicht einmal verpflichtet, 17 Hierzu insbesondere Schier, Bestandskraft, S. 79ff. 18 BVerfGE 34, 216 (232f.). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000 – 092/10 Seite 10 hierfür die parlamentarische Zustimmung einzuholen, da der Zustimmungsvorbehalt nach Art. 59 GG nur für den Abschluss von Verträgen, nicht aber für deren Kündigung gilt. Durch die im Zuge der Wiedervereinigung getroffenen Vereinbarungen zwischen Staat und Kirchen wurde die Frage, inwieweit territoriale Veränderungen Grund für Vertragsauflösungen von Staatskirchenverträgen sein können, bereits beschieden. Einerseits wurden Verträge mit allen neuen Bundesländern abgeschlossen. Zum anderen ordnete Art. 11 des Einigungsvertrages die Erstreckung der völkerrechtlichen Verträge der Bundesrepublik auf die Gebiete der ehemaligen DDR an. 4. Literatur Bernhardt, Rudolf (Hrsg.) (1997), Encyclopedia of Public International Law, Bd. III, Amsterdam u.a. Campenhausen, Axel Freiherr von/Heinrich de Wall (2006): Staatskirchenrecht. Eine systematische Darstellung des Religionsverfassungsrechts in Deutschland und Europa. Ein Studienbuch, 4. überarbeitete und ergänzte Auflage, München: Verlag C.H.Beck. Giese, Friedrich/Friedrich August von der Heydte (Hrsg.) (1957-1961), Der Konkordatsprozeß, 4 Bde, München: Isar-Verlag. Huber, Ernst Rudolf (1957), Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. I: Reform und Restauration 1789 bis 1830, 2. Auflg. Stuttgart u.a Listl, Joseph/Heribert Schmitz (Hrsg.) (1999), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, zweite, grundlegend neubearbeitete Auflage, Regensburg: Verlag Friedrich Pustet. Rees, Wilhelm (Hrsg.) (2004), Recht in Kirche und Staat : Joseph Listl zum 75. Geburtstag, Berlin: Duncker & Humblot. Schier, Katia (2009): Die Bestandskraft staatskirchlicher Verträge, Berlin: Duncker & Humblot Waibel, Kora (2008): Dissertation zur Kündbarkeit des österreichischen Konkordats. Über Möglichkeiten und Folgen einer Abschaffung des Vertrages zwischen der Republik Österreich und dem Heiligen Stuhl vom 5. Juni 1933, Wien: http://othes.univie.ac.at/3238/1/2008-10- 17_9715296.pdf. Weber, Hermann (1970), Grundprobleme des Staatskirchenrechts, Bad Homburg v.d.H.:Gehlen.