"Moderner bürgerlicher Konservatismus. Warum die Union wieder mehr an ihre Wurzeln denken muss" Das Echo aus der Union zum Papier von Stefan Mappus, Dr. Markus Söder, Philipp Mißfelder und Hendrik Wüst - Ausarbeitung - © 2008 Deutscher Bundestag WD 1 - 3000 - 090/08 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser: "Moderner bürgerlicher Konservatismus. Warum die Union wieder mehr an ihre Wurzeln denken muss" Das Echo aus der Union zum Papier von Stefan Mappus, Dr. Markus Söder, Philipp Mißfelder und Hendrik Wüst Ausarbeitung WD 1 - 3000 - 090/08 Abschluss der Arbeit: 26. Juni 2008 Fachbereich WD 1: Geschichte, Zeitgeschichte und Politik Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W. - Zusammenfassung - Mit einem Anfang Juli 2007 angekündigten und Anfang September 2007 veröffentlichten Papier versuchen vier junge Unionspolitiker (Stefan Mappus, MdL, Philipp Mißfelder MdB, Hendrik Wüst MdL und Markus Söder MdL) das konservative Profil der CDU unter dem Titel „Moderner bürgerlicher Konservativismus“ zu stärken. Bereits unmittelbar nach der Ankündigung des Papiers wird den vier Politikern vorgeworfen, es ginge ihnen in erster Linie um die Besetzung eines Sommerloch-Themas und um die eigene Profilierung. Obwohl die Inhalte und der Zeitpunkt der Veröffentlichung des Papiers als direkte Kritik am Entwurf für ein neues CDU-Grundsatzprogramm verstanden werden kann, reagiert die CDU-Spitze betont gelassen. Gleichzeitig unterstreichen sowohl der Generalsekretär als auch die CDU-Bundesvorsitzende in öffentlichen Auftritten in den Tagen nach der Veröffentlichung des Papiers in ihrer Rhetorik besonders stark konservative politische Inhalte. Inhaltliche Kritik ernten die vier Nachwuchspolitker , abgesehen von Heiner Geißler, aus den eigenen Reihen verhältnismäßig wenig. Es überwiegt die Zustimmung zu den Inhalten, ohne dass dadurch ein Ventil geöffnet oder eine offensichtlich virulent vorhandene Unzufriedenheit innerhalb der CDU zu einer öffentlichen Debatte wird. Inhalt 1. Einleitung 4 2. Echo auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung 4 3. Das Echo auf die Autoren 5 4. Das Echo auf die Inhalte 7 4.1. Kritische Stimmen 7 4.2. Unterstützung 8 5. Anlagen 11 - 4 - 1. Einleitung Anfang September 2007 veröffentlichten die CDU-Politiker Stefan Mappus MdL (CDU-Fraktionsvorsitzender im Landtag von Baden-Württemberg), Hendrik Wüst MdL (Generalsekretär der CDU in Nordrhein-Westfalen), Philipp Mißfelder MdB (Bundesvorsitzender der Jungen Union) und der CSU-Generalsekretär Markus Söder ein 18- seitiges Papier mit dem Titel „Moderner bürgerlicher Konservatismus. Warum die Union wieder mehr an ihre Wurzeln denken muss“. Die inhaltlichen Aussagen lassen sich wie folgt kurz zusammenfassen: Die Rolle der Union sei in der Großen Koalition zu schwach, ebenso die Programmatik, um damit das ganze Wählerpotential der Union auszuschöpfen. Im Profil der CDU müssten konservative Leitbilder wieder einen größeren Raum einnehmen. Die Autoren spannen in diesem Sinne einen Bogen von den christlichen Wurzeln der Union, über den Umweltschutz (im Sinne der Bewahrung der Schöpfung als Kernanliegen Konservativer), bis hin zu sog. „deutschen Tugenden“ wie Ehrlichkeit, Verlässlichkeit, Disziplin, Fleiß, Treue und Anstand als Leitbilder. Das Echo auf das Papier wurde im Rahmen dieser Ausarbeitung auf Basis einer umfassenden Presseauswertung analysiert. 2. Echo auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung Der Zeitpunkt der Veröffentlichung ist wohl gewählt: Mit dem Papier zielen die Autoren auch auf den CDU-Entwurf eines neuen Grundsatzprogramms, das am 3. Dezember 2007 auf dem CDU-Bundesparteitag in Hannover verabschiedet werden sollte. Vor diesem Hintergrund muss auch das Echo aus der Union auf das Papier gesehen werden. Kritisch wurde in diesem Zusammenhang die Tatsache erwähnt, dass alle Autoren des Papiers aufgrund ihrer politischen Ämter genügend Möglichkeiten gehabt hätten, die in ihrem Papier formulierte Kritik in die Diskussion um den Programmentwurf einzubringen . Bevor das Papier Anfang September 2007 tatsächlich der Öffentlichkeit bekannt gegeben wurde, hatten die Autoren dieses bereits Anfang Juli 2007 angekündigt. Dieses Vorgehen brachte den Autoren den Vorwurf ein, dass es ihnen mehr um die Besetzung eines Sommerloch-Themas, als um die Inhalte ginge. Auf die Ankündigung, ein Papier mit Kritik am konservativen Profil der CDU vorzulegen, gab es zunächst allerdings nur verhaltene öffentliche Reaktionen aus der Union. Die Berliner Zeitung kommentierte: „Der CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla, der sich als Verantwortlicher für das neue Parteiprogramm geärgert fühlen könnte, ist im Urlaub. Andere in der CDU sagen, dass da offenbar versucht wurde, die Sommerpause zu füllen. Und das es ein seltsames Vor- - 5 - gehen sei, Überschriften zu verkünden, bevor man überhaupt wisse, was man genau wolle. ‚Diese Sprachlosigkeit sagt doch schon alles’, spottet ein Vorstandsmitglied.“ (Berliner Zeitung, 13.7.2007) Die Frankfurter Allgemeine Zeitung weiß zu berichten, dass „die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel [..] mehrfach nach dem Papier gefragt hat; bekommen hat sie es nicht. Öffentlich war darüber kein Wort zu hören, doch beschäftigt hat es sie und die Union doch, was da vor zwei Monaten an Kritik von rechts angekündigt worden war.“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 5.9.2007) 3. Das Echo auf die Autoren Nachdem die vier Autoren des Papiers bekannt waren, begannen die Spekulationen über die Motivation dieser vier Politiker. „Der Text soll das erste Lebenszeichen eines neuen Netzwerkes jüngerer, zum Teil sehr selbstbewusster CDU-Kräfte sein“, mutmaßten die Stuttgarter Nachrichten (Stuttgarter Nachrichten, 7.9.2007). Zunächst hatten Mappus, Mißfelder, Wüst und Söder angekündigt, dass auch David McAllister (CDU- Fraktionsvorsitzender im Landtag von Niedersachsen) und Christian Baldauf (Landtagsfraktions - und Landeschef der CDU in Rheinland/Pfalz) zu ihrem Kreis gehörten. Beide Genannten reagierten aber auf das „öffentliche Mit-Ins-Boot-Nehmen“ distanziert und „wollten nicht als Konservative vereinnahmt werden, sichtlich besorgt, als rechte Eckensteher zu gelten“, so die Frankfurter Allgemeine Zeitung am 13.7.2007. (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.7.2007) Die Süddeutsche Zeitung berichtete, dass in der CDU-Führung aufmerksam registriert worden sei, dass die „schwarzen Jedi-Ritter“ seit Wochen intensiv an ihrem Netzwerk knüpfen. (Süddeutsche Zeitung, 12.7.2007) Für die „Netzwerker“ sei in der CDU-Bundesgeschäftstelle schnell eine Bezeichnung gefunden worden, so die Frankfurter Allgemeine Zeitung: Das Wort „Einstein-Pakt“, wegen des „Cafes Einstein“ Unter den Linden in dem sie sich erstmals gemeinsam öffentlich zeigten, sei spöttisch angelehnt an den sog. „Anden-Pakt“ entstanden. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung behauptete zu wissen, dass in der CDU- Bundesgeschäftsstelle die Auffassung herrsche, dass der Ruf nach mehr Konservativismus nicht mehr als der Versuch sei, schnell Verbindendes zusammenzuknoten. (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 6.9.2007) Neben den drei CDU-Nachwuchspolitikern gehört auch der Generalsekretär der CSU, Markus Söder, zu den Autoren, was den Eindruck der Netzwerkidee verstärkte, denn – so kommentierte die Welt – der CSU könne man eine Untergewichtung konservativer Ideen nicht unbedingt attestieren (Die Welt, 7.9.2007). Bemerkenswert bleibe, so die Schwäbische Zeitung, dass der CSU-Generalsekretär einer der vier Autoren sei, „aber vielleicht assistiert ja Ronald Pofalla nächstens auch mal bei der CSU, wenn da mal - 6 - einer unzufrieden ist.“ (Schwäbische Zeitung, 7.9.2007) Der Bonner Politikwissenschaftler Gerd Langguth, u. a. früheres Mitglied des CDU-Bundesvorstandes und zweier Grundsatzprogrammkommissionen der Union, brachte die Kritik auf den Punkt: „Sicher sucht der bisherige CSU-Generalsekretär Markus Söder, der in Bayern nach der Regierungsumbildung für andere Aufgaben gehandelt wird, ein überregionales Netzwerk, um nicht in der rein bayerischen Politikperspektive versinken zu müssen.“ (Spiegel online, 28. August 2007) Ein zweiter Vorwurf an die vier Autoren war der angebliche Profilierungsgedanke, der hinter dem Papier stecke: „Das Bündnis scheint vor allem der Vermarktung ihrer Mitglieder zu dienen“, schrieb der Spiegel (Der Spiegel, 10.9.2007). Die Frankfurter Rundschau berichtete, dass Wüst und vor allem Mißfelder das Thema auch für Eigenmarketing nutzten, widerstrebe dem Landespolitiker Mappus. Mappus suche bereits nach einer „Exit-Strategie“ für sich, oder was wahrscheinlicher ist, für die übereifrigen Mitstreiter .“ (Frankfurter Rundschau, 2.8.2007). Demgegenüber schrieb die Süddeutsche Zeitung, dass Mappus versuche, sich u. a. mit diesem Papier als Nachfolger des badenwürttembergischen Ministerpräsidenten Oettinger zu positionieren. (Süddeutsche Zeitung , 9.7.2007) Georg Paul Hefty, Frankfurter Allgemeine Zeitung und früherer Mitarbeiter in der Bundestagsfraktion von CDU/CSU, bemerkte: „Mappus, Söder, Mißfelder und Wüst wollten sich als Konservative profilieren und haben es in der Eile versäumt, sich als präzise Vordenker oder gar Zukunftsdenker zu beweisen. Sie haben eine Chance für ihre Partei vertan und der Vermutung Nahrung gegeben, dass selbst innerhalb der Union das Konservative keine eigene Kraft, sondern eine Reihung von ohnehin mehr oder weniger anerkannten Floskeln ist. Den Druck auf die Gesamtpartei, sich ihrer Wurzeln stärker bewusst zu werden, haben sie nicht nachhaltig erhöht.“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung , 10.09.2007) Schließlich wurde am Rande der Frage nachgegangen, warum die vier Autoren nicht bereits als „Konservative“ in der Union profilierte Politiker mit ins Boot genommen hätten. Dazu kommentiert Hugo Müller-Vogg in der Bild Zeitung: „Hätte nicht auch Jörg Schönbohm, der brandenburgische Innenminister und Beschützer des „konservativen Tafelsilbers“ in der CDU, in diese Runde gepasst? Aus zwei Gründen nicht: Zum einen hat sich das schwarze Quartett den vorläufigen Namen „junge Konservative“ gegeben – und Schönbohm wird demnächst 70. Was aber noch wichtiger sein dürfte: Die Jung-Konservativen wollen nicht in einen Topf geworfen werden mit denen, die aus ihrer Sicht noch immer die Schlachten von gestern gegen „die Linken“ schlagen.“ (Bild Stuttgart, 12.7.2007) - 7 - 4. Das Echo auf die Inhalte 4.1. Kritische Stimmen Es ist auffallend, dass sich kaum negative Äußerungen hinsichtlich der Inhalte des Papiers aus den Reihen der Union finden lassen. Kritik beschränkte sich in erster Linie auf das Vorgehen und die Motivation der Autoren, so wie es in den Kapiteln 2 und 3 beschrieben wurde. Lediglich Heiner Geißler wies die Forderung nach einem konservativeren Kurs der CDU deutlich zurück. Appelle an die Romantik würden nicht helfen, so der ehemalige CDU-Generalsekretär. Die Klage, dass die CDU nicht konservativ genug sei, komme von Leuten, die das Konservative falsch auffassen, indem sie bestimmte Punkte überakzentuieren, zum Beispiel das Nationalbewusstsein oder die etwas älteren Vorstellungen von der Familie oder der Rolle der Frau. Konservativ bedeute, dass man sich zu den Grundwerten Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität bekenne. „Wenn man mit den Leuten redet, merkt man, dass hinter der Kritik nicht viel steckt.“ (Berliner Zeitung , 6.9.2007) Betont wohlwollend reagierte die CDU-Bundesgeschäftsstelle. Generalsekretär Ronald Pofalla stellte fest, das Papier lese sich gut und er sehe viele Übereinstimmungen mit dem Grundsatzprogramm. (Financial Times Deutschland, 7.9.2007) „Ich finde es richtig , dass wir die Zeit der Großen Koalition nutzen, um unser Profil zu schärfen. Dazu liefert das Papier einen guten Impuls. […] Die CDU war nie lediglich eine konservative Partei. Aber sie ist und bleibt Heimat für konservatives Denken“, zitierte die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung den Generalsekretär (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung , 9.9.2007). Der inhaltlich sowieso zurückhaltenden Kritik versuchte Philipp Mißfelder dann auch noch bereits vor der Veröffentlichung des Papiers die Spitze zu nehmen indem er feststellte , dass es gar nicht um einen konservativen Kontrapunkt, sondern um einen Beitrag zur Profilbildung gehe. „Der Kurs der Öffnung zur Mitte ist richtig“, fügte Mißfelder noch versöhnlich hinzu. (Financial Times Deutschland, 7.9.2007) Die Erwartungen an das Papier und die Streitlust seiner Autoren war damit entsprechend heruntergeschraubt worden. Im Gegenzug schien das Papier eine verstärkte konservative Rhetorik der CDU-Spitze, namentlich des Generalsekretärs Ronald Pofalla und der CDU-Vorsitzenden und Bundeskanzlerin Angela Merkel, ausgelöst zu haben: Ronald Pofalla forderte nicht zufällig kurz nach Veröffentlichung des Papiers, Kruzifixe in allen deutschen Klassenzimmern (Welt online, 9.9.2007). Angela Merkel warb am 4. September 2007 in Hanau für das neue Grundsatzprogramm und bemerkte dort: „Tugenden wie Fleiß und Ehrlichkeit sind nicht altmodisch. […] - 8 - Wir besinnen uns auf unsere Kultur, wir bekennen uns zu unserem Vaterland.“ „Ihren konservativen Kritikern muss das gefallen haben“, kommentierte die Frankfurter Allgemeine Zeitung (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 6.9.2007). Merkel sei bemüht gewesen , den Konflikt nicht anzuheizen. Im Gegenzug habe Roland Koch in Hanau jegliche Provokation vermieden, meldeten die Stuttgarter Nachrichten (Stuttgarter Nachrichten, 5.9.2007) Roland Koch kommentierte das Papier in einer recht eigenwilligen Weise: „Wenn die jungen Kollegen deutlich machen wollten, dass wir nicht die Partei des Manchester-Kapitalismus sind, dann haben sie damit schlicht recht. Mein Eindruck ist, sie wollen dafür streiten, dass wir uns im täglichen Tun von Werten wie Verlässlichkeit, Fairness, Respekt und Disziplin leiten lassen. Es käme mir nicht in den Sinn, das zu kritisieren.“ (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 9.9.2007) Offiziell habe das Papier die CDU-Bundesgeschäftsstelle nicht in Unruhe versetzt, bemerkte die Süddeutsche Zeitung. Die CDU-Spitze versuche die Gruppe zu vereinnahmen (Süddeutsche Zeitung, 7.9.2007). Die Welt zitiert Ronald Pofalla, „er freue sich über jeden, der dabei mitdenke, wie die Wurzeln der Partei zur Geltung gebracht werden könnten.“ (Die Welt, 7.9.2007) Einen ganz anderen Eindruck hat der Spiegel: „In Wahrheit sind Pofalla und Merkel schwer verärgert über den Vorstoß der Jungkonservativen. […] Es könnte, so war die Befürchtung, eine echte Schwachstelle der Union unter Merkel offenlegen. […] Eine Diskussion über die Lieblingsthemen der Konservativen käme der Kanzlerin ungelegen. Sie hat Angst, es könnte der Eindruck entstehen, die Union habe sich nicht wirklich gewandelt.“ (Der Spiegel, 10.9.2007) 4.2. Unterstützung Der oben zitierte Eindruck der Spiegel-Redakteure ist angesichts der breiten Zustimmung aus den Reihen der Union zum Kernanliegen der Autoren, einen Beitrag zur konservativen Profilbildung zu leisten, nicht ganz unberechtigt. Die Unterstützung für eine stärkere konservative Profilbildung ist allerdings nur bedingt dem Papier von Mappus, Söder, Wüst und Mißfelder geschuldet. Vielmehr ist der Entwurf des Grundsatzprogramms der CDU Anlass für kritische Einlassungen zum konservativen Profil der Partei. Wulf Schönbohm, langjähriger Leiter der Planungs- und Grundsatzabteilung des Konrad -Adenauer-Hauses unter Heiner Geißler, warf Angela Merkel vor, sie ruiniere das konservative Profil der CDU. Das politische Profil der CDU verschwimme zunehmend in einer gefühligen, scheinliberalen Politische-Mitte-Soße (Stuttgarter Zeitung, 24.8.2007) Die Kritik des früheren Geißler-Vertrauten fand in einigen Teilen der Partei - 9 - durchaus Beachtung: Schönbohm gebe mit seiner Analyse eine Stimmung wieder, hieß es aus den Parteispitzen von CDU und CSU. „Es gibt eine gewisse Unzufriedenheit“, beschrieb Philipp Mißfelder die Stimmung. (Bremer Nachrichten, 17.8.2007) Der Spiegel zitierte „ein Mitglied der Fraktionsspitze“: „Die Leute halten gegenwärtig nur ruhig, weil die Umfragen gut sind. Auf Dauer wird Merkel die Kritik der Konservativen nicht einfach beiseite schieben können.“ (Der Spiegel, 10.9.2007) Schönbohm sei kein Mann aus der vorderen Reihe, so die gelassene Reaktion aus der Berliner CDU-Zentrale. Gewichtiger war die kritische Bemerkung Edmund Stoibers, die Union dürfe nicht zu einer gesichtslosen, beliebigen Partei der Mitte werden. Ronald Pofalla konterte die Kritik mit der Bemerkung, er könne nicht erkennen, wo die programmatische Ausrichtung dazu beitrage, an dieser Stelle ein Defizit zu haben (Stuttgarter Zeitung, 5.9.2007). Auch die CDU-Bundesvorsitzende meldete sich in diesem Zusammenhang zu Wort: „Ich finde es gut, dass die Union viele Gesichter hat. Ich bin eines, Edmund Stoiber ist ein zweites. Ich möchte als Kanzlerin ein Angebot machen für jeden, der sich demokratischen Grundsätzen verschreibt. […] Volksparteien sind von verschiedenen Strömungen geprägt. Das ist für ihre Bandbreite und Integrationskraft unabdingbar. Die drei Wurzeln der Union machen uns stark und mein Interesse als Parteivorsitzende ist, dass möglichst viele das Programm der CDU vertreten und dies in der Partei auch sichtbar ist. Was nicht aus-, sondern einschließt, dass wir immer wieder miteinander die Frage diskutieren, wer wir sind und was wir wollen.“ (Frankfurter Rundschau, 5.9.2007) Aus der Jungen Union, dessen Bundesvorsitzender Mitautor des Papiers war, kamen weitere kritische Töne zur Lage der CDU und zur Ausrichtung des CDU- Grundsatzprogramms: Die JU-Vorsitzenden aus Hessen, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen hatten ein Thesenpapier veröffentlicht, in dem sie den Programmentwurf der CDU als „nichtssagend und wachsweich“ bezeichneten. (Der Tagesspiegel , 26.8.2007). Das vom CDU-Vorstand schon abgesegnete Programm sei zu schwach, zu unscharf, zu schwammig. (Stuttgarter Zeitung, 5.9.2007) In der Neuausrichtung der Familienpolitik von der Leyens wurde der Konflikt im politischen Alltag sichtbar: Kritik wurde an einer ungerechte Abwertung der klassischen Familie und des Alleinverdiener-Modells laut. Wulf Schönbohm stellte fest, dass die familienpolitische Wende der Familienministerin einem original sozialdemokratischen Konzept entspreche. Die Kluft zwischen modernen Konservativen um Mappus und konservativen Modernisierern um Oettinger zeige sich bei diesem Thema, kommentierte die Stuttgarter Zeitung. (Stuttgarter Zeitung, 13.7.2007) Die Junge Union mahnte, sich den Forderungen der Autoren des Papiers hinsichtlich der Familienpolitik anzuschließen: Frauen, die für ihre Kinder auf den Beruf verzichten, dürften nicht als altmodisch hinge- - 10 - stellt werden. Deshalb sei ihnen das Betreuungsgeld als finanzielle Anerkennung so wichtig. (General Anzeiger, 24. 8. 2007) Deutliche Unterstützung erfuhren Mappus, Wüst, Söder und Mißfelder durch Jörg Schönbohm, CDU-Innenminister in Brandenburg, der in einem Interview mit der Berliner Zeitung keinen Zweifel an seiner Unterstützung aufkommen ließ: „Auf jeden Fall haben die vier Kollegen eine sehr wichtige Diskussion angestoßen. Ich finde es auch gut, dass es jüngere sind. Wenn Ältere wie ich das gleiche sagen, heißt es immer: Das sind die Ewiggestrigen.“ Wichtig sei, dass die Konservativen wieder personell repräsentiert würden; Merkel sei sicher keine Konservative, müsse aber wissen, dass konservative Überzeugungen wichtig seien für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft; die CDU habe sich in der öffentlichen Wahrnehmung von dem Kurs entfernt, den die Konservativen jetzt anmahnten: Zum Beispiel in der Familienpolitik; es gäbe demoskopische Erkenntnisse die man dahingehend interpretieren könne, dass eine konservativ-nationale Partei mit ein zwei Leuten mit genügend Charisma über fünf Prozent kommen könnte; kein Kurswechsel aber eine Korrektur, für die die jüngeren Kollegen jetzt sorgen würden . (Berliner Zeitung, 7.9.2007) Der Bonner Politikwissenschaftler Gerd Langguth analysierte die Kritik am fehlenden konservativen Profil der CDU hinsichtlich ihrer Bedeutung für Angela Merkel wie folgt: „Die Sorge vieler Konservativer in der Union ist in Wirklichkeit nicht in erster Linie das Fehlen konservativer Vorleute, sondern es ist die Kanzlerin selbst. Manche CDU- Konservative sehen in Merkel alles andere als eine wirkliche Konservative. Sie hadern mit ihrer Biografie: Sie ist geschieden (dies spielt trotz der Ehe-Eskapaden eines Bundesministers als Argument immer noch eine Rolle), aufgrund ihrer Ausbildung ist sie eher eine rationale Naturwissenschaftlerin mit einem pragmatischen Politikansatz. Sie ist eher das Gegenbild einer Konservativen, die in Sachen Stammzellenforschung genauso liberal denken dürfte wie in der Homo-Ehe, auch wenn sie in ihrer öffentlichen Rhetorik zu diesen Themen eher unscharf bleibt. Gerade weil sie genauso fugenlos wie die Große Koalition auch eine Jamaika-Koalition aus den Farben Schwarz, Gelb und Grün führen könnte, finden das manche Konservative in der Union eher unheimlich. Sie sehen in Merkel mit ihrem christdemokratischen Spätankommer-Image eher eine gelernte als eine mit einem tiefen Wurzelwerk versehene Christdemokratin. Merkel ist eine pragmatische Problemlöserin, die sich an den jeweils aktuellen Herausforderungen orientiert. Ideologie ist ihr fremd. Das ist es, was klassischen Konservativen an ihr fehlt. Als Virtuosin der Macht hat Merkel derzeit ihre Partei fest im Griff. Sie ist heute dort so einflussreich wie Kohl in seinen besten Tagen. Merkel ist in der Ge- - 11 - fahr, dass sie bei ihrer neutralisierenden Wirkung als oberste Moderatorin der Regierung nicht genügend Wert auf die Konservativen in der Union und in der Bevölkerung und damit die Kampagnenfähigkeit ihrer eigenen Partei legt. Stark rückläufige Mitgliederzahlen sind ein Alarmsignal.“ (Spiegel online, 28. August 2007) 5. Anlagen Interview mit Heiner Geißler, Berliner Zeitung, 6. September 2007. Interview mit Jörg Schönbohm, Berliner Zeting, 7. September 2007.