© 2014 Deutscher Bundestag WD 1 - 3000 - 086/14 Mitgliederentwicklung von Kirchen und Religionsgemeinschaften in Deutschland seit 1919 Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 - 3000 - 086/14 Seite 2 Mitgliederentwicklung von Kirchen und Religionsgemeinschaften in Deutschland seit 1919 Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 1 - 3000 - 086/14 Abschluss der Arbeit: Datum Fachbereich: WD 1: Geschichte, Zeitgeschichte, Politik Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 - 3000 - 086/14 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Mitgliederzahlen der Kirchen und Religionsgemeinschaften in Deutschland 4 3. Zusammenfassung der wissenschaftlichen Debatte um die Entwicklung der Mitgliedschaft bei Kirchen und Religionsgemeinschaften in Deutschland 7 4. Literatur 9 5. Anlagen 11 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 - 3000 - 086/14 Seite 4 1. Einleitung Der nachfolgende Überblick über die Mitgliederentwicklung der Kirchen und Religionsgemeinschaften in Deutschland ist der erste und zweite Teil eines insgesamt fünf Bereiche umfassenden Auftrages zu Rolle und Aufgaben der Kirchen und Religionsgemeinschaften in Deutschland. Die Teile drei bis fünf werden von anderen Fachbereichen bearbeitet. In einem ersten Teil werden die Mitgliederzahlen der Kirchen und Religionsgemeinschaften in Deutschland aufgeführt. Hierzu gehören insbesondere die Tabellen und Grafiken im Anhang. Im zweiten Teil wird die religionssoziologische Debatte um die Gründe für die Entwicklung der Mitgliederstruktur zusammengefasst. 2. Mitgliederzahlen der Kirchen und Religionsgemeinschaften in Deutschland Quantitative Angaben zu den Mitgliedern der Religionsgemeinschaften in Deutschland werden sowohl von der amtlichen Statistik als auch von den Religionsgemeinschaften selbst bereitgestellt . Üblicherweise wird amtlich erhobenen Daten höhere Objektivität und Zuverlässigkeit zugeschrieben , da deren Erhebung methodisch kontrolliert erfolgt und – sieht man einmal von kriegsbedingten Verlusten ab – eine spätere Überprüfung grundsätzlich möglich ist. Allerdings weisen die amtlichen Daten erhebliche zeitliche Lücken auf, da im Rahmen der amtlichen statistischen Berichterstattung nicht auf die im amtlichen Erhebungsverfahren generierten Daten zum Konfessionsbekenntnis (z.B. Melde-, Steuerdaten etc.) zurückgegriffen wird, sondern auf die Ergebnisse der in größeren Abständen durchgeführten Volkszählungen. Die hier dokumentierten amtlichen Daten zu den Mitgliedern der Religionsgemeinschaften sind den verschiedenen Ergebnisberichten der Volkszählungen vom 1.12.1910, 16.6.1925, 16.6.1933, 13.9.1950, 6.6.1961, 27.5.1970, 25.5.1987 sowie vom 19.5.2011 entnommen.1 Neben den zum Teil großen zeitlichen Abständen, in denen die Volkszählungen durchgeführt wurden, ist man bei den amtlichen Daten mit der weiteren Schwierigkeit konfrontiert, dass die Gebietseinheiten, in denen die Volkszählungen durchgeführt wurden, sich aufgrund der historischen Entwicklungen (Gebietsverluste nach den beiden Weltkriegen, Aus-/Eingliederung des Saarlands, Wiedervereinigung 1990 etc.) mehrfach verändert haben. Dies hat u.a. zur Folge, dass zumindest die absoluten Zahlen nicht oder nur bedingt miteinander vergleichbar sind, da sie sich auf Gebiete unterschiedlicher Größe beziehen können. Aber auch eine vergleichende Betrachtung der prozentualen Anteile kann Probleme aufwerfen, wenn z.B. die verschiedenen Konfessionen und Glaubensgemeinschaften von den Gebietsverschiebungen in unterschiedlicher Weise betroffen waren. So hat beispielsweise der Verlust der überwiegend protestantischen deutschen Ostgebiete nach dem 1 Die Daten der Volkzählung vom 8.10.1919 wurden nicht berücksichtigt, da die damalige Erhebung in der von zahlreichen Wanderungsbewegungen, Truppenbewegungen und Grenzverschiebungen gekennzeichneten unmittelbaren Nachkriegszeit derart gravierende Fehler enthielt, dass die amtliche Statistik selbst die damals erhobenen Daten nicht einmal zu Vergleichszwecken genutzt hat. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 - 3000 - 086/14 Seite 5 Zweiten Weltkrieg die evangelischen Kirchen erheblich stärker betroffen als die katholische Kirche .2 Ein weiteres Problem ergibt sich aus der Tatsache, dass in den verschiedenen Volkszählungsberichten in Bezug auf die Religionsgemeinschaften unterschiedliche Kategorien verwendet wurden. Während die beiden großen christlichen Religionsgemeinschaften (römisch-katholische Kirche, evangelische Landeskirchen und evangelische Freikirchen) in der Regel durchgehend als jeweils eigenständige Kategorie wiedergegeben wurden, wurden die kleineren Religionsgemeinschaften in unterschiedlichster Weise zusammengefasst. Dies hat zur Folge, dass die Mitglieder- Entwicklungen der kleineren Religionsgemeinschaften anhand der Volkszählungsdaten allenfalls für kleinere Zeiträume nachgezeichnet werden können. Besonders problematisch erwies sich zudem , dass die jeweils verwendeten Rest-Kategorien (sonstige, anderen, keine Angaben) in den verschiedenen Berichten nicht einheitlich verwendet wurden und somit jeweils unterschiedliche Gruppen erfassen. Ein intertemporaler Vergleich dieser Kategorien ist daher nur bedingt zulässig. Die Datenqualität der von den Religionsgemeinschaften selbst erhobenen Daten kann von außen nicht beurteilt werden, da in der Regel nicht oder nur mit unvertretbar hohem Rechercheaufwand zu eruieren ist, mit welchen Erhebungstechniken und -methoden diese Daten generiert wurden. Wie diverse Kontakte mit einzelnen Religionsgemeinschaften nahelegen, dürfte die Qualität und Zuverlässigkeit der erhobenen Daten sehr heterogen ausfallen. So lässt sich den einschlägigen Quellen meist nicht entnehmen, auf welche Gebietseinheiten genau sich die berichteten Zahlen beziehen. Generell ist bei diesen Zahlen zu berücksichtigen, dass die für die Mitgliedererfassung verfügbaren Infrastrukturen und administrativen Apparate der kleineren Religionsgemeinschaft verschieden und unterschiedlich leistungsfähig sind. So fehlt bzw. fehlte gerade stark regional ausgerichteten Gemeinschaften häufig eine Zentralinstanz, die in der Lage gewesen wäre, regionale Daten auf bundesstaatlicher oder nationaler Ebene zusammenzufassen. Allerdings ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die von den beiden großen Kirchen erhobenen Daten als zuverlässig angesehen werden können. Diese verfügen über große und effiziente Verwaltungsapparate , die in ihren Strukturen und Abläufen staatlichen Administrationen nachgebildet sind. Für die Zuverlässigkeit der von diesen erhobenen Daten spricht nicht zuletzt die Tatsache , dass die amtliche Statistik in Ermangelung eigener kontinuierlich erhobener Daten auf die Daten der beiden großen Kirchen zurückgreift, um für diese die jährlichen Mitgliederzahlen zu berechnen.3 Angesichts der mangelnden Vergleichbarkeit der verfügbaren Daten und der vielfältigen methodischen Probleme, die deren Erhebung zugrunde liegen, enthält die nachfolgende statistische Übersicht zu den Mitgliedern der Religionsgemeinschaften mehrere Gruppen von Tabellen, die sich jeweils nach den erhebenden Institutionen und den Erhebungsformen unterscheiden. Im ersten Teil werden verschiedene amtliche Daten zur Religionsstatistik, im zweiten Teil die von den Religionsgemeinschaften selbst erhobenen Daten präsentiert. Lediglich drei im Rahmen unserer Recherche kontaktierte Religionsgemeinschaften haben bis Redaktionsschluss entsprechendes Zahlenmaterial geliefert. Der weitaus größte Teil der hier wiedergegebenen Daten wurden uns vom 2 Da die amtliche Statistik gelegentlich die Ergebnisse derselben Volkszählung für unterschiedliche Gebietseinheiten ausweist, werden in der hier erstellten Dokumentation die Daten einiger Volkszählungen mehrfach, aber jeweils für unterschiedliche Gebietsstände wiedergegeben. 3 Da sich die amtlichen Daten und die von den Kirchen selbst generierten Daten mehr oder weniger gleichen, wurde hier auf eine eigenständige Wiedergabe der kirchenamtlichen Daten verzichtet. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 - 3000 - 086/14 Seite 6 Religionswissenschaftlichen Medien- und Informationsdienst (REMID e.V.) in Marburg zur Verfügung gestellt, der u.a. seit Jahren quantitative Angaben zur Religionszugehörigkeit in Datenbanken erfasst und dabei in hohem Maße auf die von den Religionsgemeinschaften selbst generierten Daten zurückgreift. Folgende Tabellen und Grafiken sind in der in der Anlage beigefügten Dokumentation enthalten: 1. Bevölkerung im Deutschen Reich nach der Religionszugehörigkeit: 1910, 1925, 1933 2. Bevölkerung in der Bundesrepublik nach der Religionszugehörigkeit (1): 1950, 1961 3. Bevölkerung in der Bundesrepublik nach der Religionszugehörigkeit (2): 1970, 1987, 2011 4. Bevölkerung im Bundesgebiet nach der Religionszugehörigkeit 1910-2012 (evangelische Kirche , katholische Kirche, Sonstige/Keine) 5. Mitgliederzahl und -bewegung der Evangelischen Kirche und der Katholischen Kirche 1953 – 2012 6. REMID: Mitgliederentwicklung deutscher Minderheitskirchen a) Neuapostolische Kirche b) Bund Freier evangelischer Gemeinden c) Siebten-Tags-Adventisten d) Pfingstgemeinden e) Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden f) Evangelisch-methodistische Kirche g) Zeugen Jehovas 7. Mitgliederzahlen der Altkatholischen Kirche 1934-2013 8. Zahl der Muslime in Deutschland 1945-2008 9. Grafiken: 9.1. Religionsgemeinschaften in Deutschland 9.2. Kirchenmitgliedschaft in der Bundesrepublik Deutschland 1950-1989 9.3. Kirchenmitgliedschaft in Deutschland 1990-2012 9.4. Kirchenmitgliedschaft in der DDR 1950-1989 9.5. Mitglieder jüdischer Gemeinden in Deutschland seit 1955 9.6. Muslime in Deutschland Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 - 3000 - 086/14 Seite 7 3. Zusammenfassung der wissenschaftlichen Debatte um die Entwicklung der Mitgliedschaft bei Kirchen und Religionsgemeinschaften in Deutschland In der Religionssoziologie werden im Wesentlichen drei Theorien über den Wandel der Rollen von Kirchen und Religionsgemeinschaften in Deutschland diskutiert:4 Die Säkularisierungstheorie Das ökonomische Marktmodell Die Individualisierungsthese Ausgehend von der allgemeinen Debatte um den Bedeutungswandel des Religiösen in modernen Industriegesellschaften geht die Säkularisierungstheorie im Wesentlichen von einem Bedeutungsrückgang des religiösen Lebens aus.5 Allgemein wird angenommen, dass Prozesse der Modernisierung einer Gesellschaft mit einer Marginalisierung des Religiösen einhergehen. Es werden eine Reihe von Faktoren genannt, warum sich Menschen in den westlichen Industrienationen von Kirchen und religiösen Gemeinschaften zurückziehen und kaum oder selten religiösen Praktiken nachgehen. Die vorherrschenden Gründe dafür seien demnach: Höherer Wohlstand, Ausweitung des Freizeit- und Unterhaltungsangebots, Ausbau der sozialstaatlichen Sicherungssysteme, Urbanisierung, Mobilisierung, höhere Bildung, kulturelle Pluralisierung.6 Die Säkularisierungstheorie ist in jüngster Zeit einiger Kritik ausgesetzt. Sie sei nicht mehr geeignet , der Komplexität moderner Gesellschaften gerecht zu werden. Die aktuellen Entwicklungen deuteten vielmehr darauf hin, dass der bisherige Antagonismus zwischen Religion und Moderne überholt sei. Sinnsuche und religiöse Praktiken seien auch mit einem modernen Lebensstil nicht obsolet geworden. Alle religiösen Formen und Inhalte in der Moderne, „auch die orthodoxesten und modernitätsfeindlichsten“ gehörten nicht einem voraufklärerischen Zeitalter an, sondern seien „durch und durch modern“ und mit der Moderne vollständig kompatibel.7 4 Vgl. Detlef Pollack: Religiöser Wandel in Deutschland: Muster und Zusammenhänge, Wiesbaden 2014. 5 Vgl. Steve Bruce: God is dead. Secularization in the West. Oxford, 2004. 6 Vgl. Pollack, Religiöser Wandel in Deutschland, S. 19. 7 Staf Hellemans, Das Zeitalter der Weltreligionen. Religion in agrarischen Zivilisationen und in modernen Gesellschaften , Würzburg 2010, S. 15 u. S. 35. Zur Debatte um die „De-Säkularisierung“ vgl.: Ulrich Beck, Der eigene Gott. Von der Friedensfähigkeit und dem Gewaltpotential der Religionen, München 2008; Peter L. Berger, The Desecularization of the World. Resurgent Religion and World Politics, Washington, DC 1999; Jos Casanova, Public Religions in the Modern World, Chicago 1994; Friedrich Wilhelm Graf, Die Wiederkehr der Götter. Religion in der modernen Kultur, München 2004; Martin Riesebrodt, Die Rückkehr der Religionen. Fundamentalismus und der Kampf der Kulturen, München 2000. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 - 3000 - 086/14 Seite 8 Der Religionssoziologe Detlef Pollack kommt in einem Aufsatz über das Für und Wider der Säkularisierungstheorie zu dem Schluss: „Die Säkularisierungstheorie muss in gewissen Hinsichten – zum Beispiel was die Behandlung der Religion als ausschließlich abhängige Variable angeht – korrigiert werden. Es ist erforderlich, sie in bestimmten Aspekten zu ergänzen und mit Zusatzannahmen zu versehen wie etwa der von der Koinzidenz religiöser und nichtreligiöser Konfliktlinien zur Erklärung abweichender Fälle. Vor allem aber ist es notwendig, sie in mancherlei Hinsicht , zum Beispiel im Hinblick auf die Verankerung ihrer makrosoziologischen Aussagen in der handlungstheoretischen Mikroebene, weiterzuentwickeln. Nur wenn es gelingt, in der Analyse makro- und mikrosoziologische Ebene miteinander zu verzahnen, kann die Säkularisierungsthese von der Deskription in einen explanatorischen Ansatz überführt werden. Insgesamt aber vermag die Säkularisierungstheorie offenbar nach wie vor ein beachtliches Erklärungspotential zu mobilisieren .“8 Weit weniger Aufmerksamkeit in der aktuellen wissenschaftlichen Debatte findet hingegen das ökonomische Marktmodell als Erklärung für den Wandel des Religiösen in der Gesellschaft.9 Dieses Modell geht davon aus, dass die Trennung von Staat und Kirche einen Wettbewerb zwischen religiösen Gemeinschaften initiieren müsste, der letztlich zu einer Verbesserung des religiösen Angebots führe. Den Rückgang der Mitgliederzahlen insbesondere bei den großen Kirchen führen die Anhänger des ökonomischen Marktmodells darauf zurück, dass das Angebot nicht ausreichend verbessert und auf die Bedürfnisse der Zielgruppe zugeschnitten worden sei. Diese Annahme wird nach Ansicht zahlreicher Wissenschaftler insbesondere durch den Blick auf die Entwicklungen in Ostdeutschland widerlegt: Nach dem Untergang des kirchenfeindlichen Regimes in der DDR und der damit einhergehenden Liberalisierung der kirchlichen Aktivitäten seien sowohl das Angebot als auch die personelle Ausstattung der Evangelischen und der Katholischen Kirche verbessert worden. Nach der Markttheorie, die einen Zusammenhang zwischen dem Ressourceneinsatz kirchlicher Organisationen und dem Missionserfolg herstellt, hätte es nun zu einer deutlichen Erhöhung der Mitgliedszahlen kommen müssen. Dies sei nicht geschehen : „Die Rückgänge im Mitgliederbestand sind nicht auf einen Mangel kirchlichen Engagements zurückzuführen, sondern haben vor allem kirchenexterne Ursachen.“10 Die Individualisierungsthese stellt das derzeit dominanteste, wenngleich nicht unumstrittene Erklärungsmuster für den Wandel des religiösen Lebens in Deutschland bereit.11 Dieses Modell geht davon aus, dass man weder von einem Bedeutungsschwund noch von einem Bedeutungszuwachs des Religiösen in der Gesellschaft sprechen könne, sondern dass Begriff und Praxis von Religiosität sich derzeit in einem Wandlungsprozess befänden.12 Nicht die Religiosität der Menschen habe abgenommen, sondern lediglich die Verbreitung herkömmlicher religiöser Praktiken. 8 Pollack, Historische Analyse, S. 522. 9 Vgl. Rodney Stark/Roger Finke: Acts of Faith. Explaining the Human Side of Religion. Berkeley, 2000. 10 Pollack, Religiöser Wandel in Deutschland, S. 24. 11 Ebd., S. 19. 12 Vgl. Thomas Luckmann: Die unsichtbare Religion. Frankfurt/Main 1991. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 - 3000 - 086/14 Seite 9 Als Beleg wird das zunehmende Interesse an nicht-christlichen Praktiken und Theorien wie New Age, Theosophie, Zen-Meditation, Edelsteinmedizin oder Spiritismus angeführt. Gegen die Individualisierungsthese wird angeführt, dass sich institutionalisierte und individuelle Religiosität nicht notwendig in einem Alternativverhältnis befänden.13 Zudem hätte nur eine geringe Zahl von Menschen selbst Erfahrungen mit außerkirchlicher Religiosität gemacht. Es habe sich gezeigt, dass Menschen, die häufig in die Kirche gingen, sich im höheren Maße als religiös einschätzten als Menschen, die dies nicht tun. „Der Individualisierungsthese mag ein begrenztes Recht zukommen, insofern als in den letzten Jahren das Interesse an außerchristlichen Religionsformen zugenommen hat und die Menschen mehr und mehr unterschiedliche religiöse Traditionen in ihren Glaubensvorstellungen und -praktiken mischen. Der Säkularisierungstrend kann durch diese Zunahme außerkirchlicher Religiosität jedoch nicht aufgehalten werden. Es tritt nicht eine unsichtbare Religion an die Stelle der sichtbaren. Vielmehr sind die Kirchen nach wie vor die wichtigsten Repräsentanten auf dem religiösen Feld.“14 4. Literatur Bruce, Steve: God is dead. Secularization in the West. Oxford, 2004. Beck, Ulrich: Der eigene Gott. Von der Friedensfähigkeit und dem Gewaltpotential der Religionen , München 2008. Berger, Peter L.: The Desecularization of theWorld. Resurgent Religion and World Politics, Washington , DC 1999. Casanova, Jos: Public Religions in the Modern World, Chicago 1994. Graf, Friedrich Wilhelm: Die Wiederkehr der Götter. Religion in der modernen Kultur, München 2004. Luckmann, Thomas: Die unsichtbare Religion. Frankfurt/Main 1991. Pollack, Detlef: Religiöser Wandel in Deutschland: Muster und Zusammenhänge. In: Hainz, Michael (Hrsg.): Zwischen Säkularisierung und religiöser Vitalisierung: Religiosität in Deutschland und Polen im Vergleich / Sektion Religionssoziologie der Deutschen Gesellschaft für Soziologie.. - Wiesbaden 2014. http://dx.doi.org/10.1007/978-3-658-04663-7 (abgerufen am 18.9.2014) Pollack, Detlef: Historische Analyse statt Ideologiekritik. Eine historisch-kritische Diskussion über die Gültigkeit der Säkularisierungstheorie. In: Geschichte und Gesellschaft 37. 2011, S. 482 – 522. 13 Vgl. Pollack, Religiöser Wandel in Deutschland, S.27. 14 Ebd., S.29. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 - 3000 - 086/14 Seite 10 Martin Riesebrodt, Die Rückkehr der Religionen. Fundamentalismus und der Kampf der Kulturen, München 2000. Stark, Rodney / Finke, Roger: Acts of Faith. Explaining the Human Side of Religion. Berkeley, 2000. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 - 3000 - 086/14 Seite 11 5. Anlagen 1. Bevölkerung im Deutschen Reich nach der Religionszugehörigkeit: 1910, 1925, 1933 2. Bevölkerung in der Bundesrepublik nach der Religionszugehörigkeit (1): 1950, 1961 3. Bevölkerung in der Bundesrepublik nach der Religionszugehörigkeit (2): 1970, 1987, 2011 4. Bevölkerung im Bundesgebiet nach der Religionszugehörigkeit 1910-2012 (evangelische Kirche , katholische Kirche, Sonstige/Keine) 5. Mitgliederzahl und -bewegung der Evangelischen Kirche und der Katholischen Kirche 1953 – 2012 6. REMID: Mitgliederentwicklung deutscher Minderheitskirchen a) Neuapostolische Kirche b) Bund Freier evangelischer Gemeinden c) Siebten-Tags-Adventisten d) Pfingstgemeinden e) Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden f) Evangelisch-methodistische Kirche g) Zeugen Jehovas 7. Mitgliederzahlen der Altkatholischen Kirche 1934-2013 8. Zahl der Muslime in Deutschland 1945-2008 9. Grafiken: a) Religionsgemeinschaften in Deutschland b) Kirchenmitgliedschaft in der Bundesrepublik Deutschland 1950-1989 c) Kirchenmitgliedschaft in Deutschland 1990-2012 d) Kirchenmitgliedschaft in der DDR 1950-1989 e) Mitglieder jüdischer Gemeinden in Deutschland seit 1955 f) Muslime in Deutschland Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 - 3000 - 086/14 Seite 12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 - 3000 - 086/14 Seite 13 9. Grafiken Quelle: REMID 2014. Religionswissenschaftlicher Medien- und Informationsdienst e. V. (Version vom 28. September 2014)