Deutscher Bundestag Geschichte der Krieger-, Kameraden- und Reservistenvereine in Deutschland Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 1 – 3000/078/11 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000/078/11 Seite 2 Geschichte der Krieger-, Kameraden- und Reservistenvereine in Deutschland Verfasser: Aktenzeichen: WD 1 – 3000/078/11 Abschluss der Arbeit: 15. September 2011 Fachbereich: WD 1: Geschichte, Zeitgeschichte und Politik Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000/078/11 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Ursprünge und Anfänge der Kriegervereine 4 3. Kriegervereine zwischen 1850 und 1870 5 3.1. Preußen 5 3.2. Bayern 6 4. Die Kriegervereine im Deutschen Kaiserreich 7 5. Die Weimarer Republik und das Ende des Kriegervereinswesens im Nationalsozialismus 9 6. Kriegervereine nach 1945 11 7. Der Reservistenverband der Bundeswehr 12 8. Literatur 13 9. Anlage 13 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000/078/11 Seite 4 1. Einleitung Die Forschungslage zur Geschichte des Kriegervereinswesens ist überraschend dünn. Obwohl bis heute mehrere Tausend Kriegervereine in Deutschland bestehen und aktiv am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, ist ihre Geschichte wissenschaftlich kaum aufgearbeitet. Lediglich zur Blütezeit der Kriegervereine im Kaiserreich gibt es eine gute und inhaltlich belastbare Literaturgrundlage . Dies spiegelt sich auch in der vorliegenden Ausarbeitung wider. Obwohl die Kriegervereine auch in der Weimarer Republik durchaus eine Massenbewegung darstellten, fehlen in den einschlägigen Untersuchungen zur Geschichte der Weimarer Republik Hinweise darauf. Eine grundlegende Aufarbeitung des Kriegervereinswesens für die Zeit nach 1945 bis heute wäre zweifellos lohnenswert, liegt aber leider nicht vor. Statt dessen umfasst die Auseinandersetzung mit den Kriegervereinen für diesen Zeitraum politisch tendenziöse Darstellungen, die die Vereine und ihre Mitglieder als „Ewiggestrige“ darzustellen versuchen, sowie eine kaum zu überblickende Masse an Darstellungen zur Geschichte einzelner Kriegervereine und –verbände, deren wissenschaftlicher Anspruch allerdings zumeist zu wünschen übrig lässt. Hinzu kommt eine breite Literaturgrundlage zu den der Bundeswehr nahe stehenden oder angegliederten Soldaten- und Reservistenverbänden . Bei den Darstellungen zur Geschichte einzelner Kriegervereine handelt es sich in erster Linie um Darstellungen, die von den Vereinen selbst meist anlässlich runder Jubiläen herausgegeben wurden. Vor diesem Hintergrund sind die Darstellungen in dieser Ausarbeitung zur Geschichte der Krieger-, Kameraden- und Reservistenvereine in Deutschland zu bewerten . Das gesamte sog. Kriegervereinswesen ist in Deutschland in den vergangenen 200 Jahren ein gewaltiger Tummelplatz unzähliger Organisationen. Im Rahmen der vorliegenden Ausarbeitung mussten daher Schwerpunkte gesetzt werden. So wurde dem preußischen und bayerischen Kriegervereinswesen eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt, weil diese prägend waren. Darüber hinaus wurde der Fokus auf die großen Verbände gelegt. Schließlich muss beachtet werden, dass soldatische Traditionspflege gerade nach 1945 ein heikles Feld darstellt: Die Bandbreite der Organisationen , die sich unter diesen Begriff subsumieren lassen, aber zweifellos vollkommen unterschiedliche gesellschaftliche und politische Bedeutung haben, reicht von Kameradschaften der Waffen-SS über örtliche, mitunter 200-jährige militärische Traditionsvereine bis zum Reservistenverband der Bundeswehr. Der Versuch einer Definition lässt sich sinnvoll nur über die Aufgaben lösen: So widmen sich „Kriegervereine“, „Krieger- und Soldaten-Vereine“, „Veteranen- und Soldaten-Vereine“, „Kameraden- und Reservisten-Vereine“, „Krieger-, Reservisten- und Soldatenvereine “, „Kameradschaften“ und „Traditionsbünde“ der Kriegsgräberfürsorge, der Fürsorge von Kriegs-Hinterbliebenen und Kriegsopfern, der Errichtung und Pflege von Kriegerdenkmälern und Gedenkstätten sowie der Reservistenbetreuung und der Traditionspflege. 2. Ursprünge und Anfänge der Kriegervereine Die sog. Einigungskriege 1813/‘15 waren die ersten Kriege, an denen infolge der allgemeinen Wehrpflicht weite Teile der Bevölkerung direkt beteiligt waren. Kriegsveteranen schlossen sich zu ersten Kriegervereinen zusammen, in denen Soldaten jeden Ranges vertreten waren. Ab 1842 nannten sich die meisten derjenigen Vereine, die sich nach 1813/’15 als zivile Vereinsorganisation gegründet hatten, die statutengemäß militärische Ordnungsprinzipien berücksichtigten und von militärischen Denkformen geprägt waren, aufgrund einer Kabinettsordre „Krieger-Begräbnis- Vereine“, kurz Kriegervereine. (TROX, S. 41) Zu unterscheiden sind die Freiwilligenorganisationen , die erst nach 1815 als Pflegestätte konservativ-dynastischer Loyalität entstanden waren, von Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000/078/11 Seite 5 den Kriegerbegräbnisvereinen, deren Anfänge bis in die Zeit Friedrich des Großen zurückreichen. Von diesen wiederum müssen die Garnison- und Landwehrvereine unterschieden werden, die sich in den 1830er Jahren als Unterstützervereine für Soldatenfamilien gründeten und ab 1845 in Preußen gesetzlich geregelt wurden. (vgl. TROX, S. 48, S. 60) Bei einer undifferenzierten Betrachtung kann man bis zu den Befreiungskriegen von der Gründung von Militär-Begräbnisvereinen, militärischen Schützenbruderschaften, Veteranen-, Kampfgenossen- und Militärvereinen sprechen , die sich je nach Zeit und Landschaft unterschiedlich bezeichneten. (vgl. HISTORISCHES LEXIKON BAYERNS) Zweck der Vereinsgründung war ursprünglich die Sicherstellung einer würdigen Bestattung bedürftiger Kameraden und die Unterstützung der Hinterbliebenen. Die Pflege der Kameradschaft und der militärischen Tradition ergänzte diesen ursprünglichen Vereinszweck zunächst, wurde aber schon bald zum eigentlichen Vereinsinhalt. (vgl. HISTORISCHES LEXIKON BAYERNS) Spätestens nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/’71 entwickelten sich die Kriegervereine zu Massenorganisationen: „Militärvereine, also Organisationen, die militärische Wertsysteme ins Zivilleben übertrugen, durchdrangen die Gesellschaft und prägten soziale und moralische Werthaltungen in der Bevölkerung.“ (TROX, S. 61) Obwohl als unparteilich definiert, gewannen die Vereine im Deutschen Kaiserreich und der Weimarer Republik auch zunehmend an politischer Bedeutung. Zuvor hatten die Vereine in der Revolution von 1848 ihre Unparteilichkeit zugunsten einer immer stärkeren politische Position aufgegeben. Die Politisierung der Gesellschaft schlug sich bei den Kriegervereinen im Bekenntnis zur konstitutionellen Monarchie nieder, ohne das es zu einem Bündnis mit politischen Vereinen kam. (TROX, S. 156) Die Vereine stellten sich 1848 zumeist in den Dienst der politischen und militärischen Reaktion. 3. Kriegervereine zwischen 1850 und 1870 3.1. Preußen Während und nach den revolutionären Ereignissen der Jahre 1848 und 1849 entwickelten sich die Militärvereine in Preußen zum Sprachrohr der Aufrechterhaltung des konstitutionellen Königtums und wurden zunehmend als „politische Vereine“ wahrgenommen: „Neben einer auf Beeinflussung der öffentlichen Meinung gerichteten militärischen Pressepolitik [beispielsweise die ‚Deutsche Wehrzeitung‘] trat die Organisation von Offizieren und Soldaten in Vereinen. Vor allem in Rückbesinnung auf die Befreiungskriege bildeten sich im Vormärz und dann besonders 1848/’49 Organisationen, die sowohl programmatisch wie auch im Hinblick auf ihren inneren Aufbau als eine Vereinsbewegung sui generis angesehen werden müssen. […] Über 250 Militärvereine mit circa 50.000 Mitgliedern, also eine von der Forschung [bislang] vollkommen unberücksichtigte Massenbewegung, gaben durch öffentliche Demonstrationen in militärischer Ordnung und durch Kriegerfeste in den Städten und auf dem ‚platten Land‘ der preußischen Gesellschaft ein besonderes militärisches Gepräge.“ (TROX, S. 290f.) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000/078/11 Seite 6 Das Vereinsgesetz des Jahres 1850 beinhaltete mehrere Aspekte zur Einschränkung und zur besseren behördlichen Kontrolle der Vereinstätigkeit. Danach blieb den überregional organisierten Zentralverbänden der Militärvereine nur die Selbstauflösung. Auf Seite der Militärvereine erhob sich kein Protest gegen das Vereinsgesetz. Die örtlichen Landwehr- oder Kampfgenossenvereine sahen in den folgenden Jahren ihre Hauptaufgabe in der Errichtung von Kriegerdenkmälern. Eine besondere Bedeutung bekam die Militärfahne: Neue Vereinsmitglieder – man ging inzwischen dazu über, nicht nur die Veteranen der Jahre 1813/‘15, sondern all diejenigen anzusprechen, die je einen Fahneneid geleistet hatten – mussten einen Eid auf eine Militärfahne ablegen. Dazu wandten sich die Vereine an den König mit der Bitte um Überlassung einer alten Militärfahne aus Armeebeständen. Das Kriegsministerium prüfte dazu das soziale Profil und vor allem die politische Gesinnung und das politische Verhalten während des Revolutionsjahres 1848. Das Leben der Kriegervereine war ab 1850 geprägt von der Ausrichtung von „Kriegerfesten“ und nationalen Gedenktagen (vgl. TROX, S. 284f.) Bei einer behördlichen Erhebung der politischen Vereine in Preußen im Jahr 1865 galten die Kriegervereine schon nicht mehr als „politisch“. Die Kriege gegen Dänemark (1864) und Österreich (1866) und die Gründung des Norddeutschen Bundes leiteten eine neue Phase der massenhaften Gründung von Kriegervereinen ein. 3.2. Bayern Die ersten Veteranenvereine bildeten sich im bayerischen Oberland, der erste Kriegerverein in Bayern wurde vermutlich 1786 in Aying bei München gegründet. In Franken nannten sich die ersten dieser Bünde, anders als in Bayern, „Kampfgenossenbünde“. (vgl. REICHADT, S. 2) In Bayern wie auch in Preußen führten die Quasi-Einführung der Allgemeinen Wehrpflicht 1805 (die nur unzureichend durchgesetzt wurde) und vor allem die Befreiungskriege 1813/‘15 zur Gründung weiterer Vereine. Bis 1839 lassen sich Gründungen von 30 Kriegervereinen in Bayern nachweisen. (REICHARDT, S. 5) Anders als beispielsweise in Preußen hatte Bayern in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts keine großen militärischen Erfolge aufzuweisen. Egon Greipl beschreibt die bayerische Armee des 19. Jahrhunderts als eine „Armee herber militärischer Niederlagen “.1 (GREIPL) Dies hatte naturgemäß auch Auswirkungen auf die Begeisterung zur Gründung von Kriegervereinen in Bayern. Seit 1842 mussten die Vereine bei der Bayerischen Armee gemeldet sein. (vgl. HISTORISCHES LEXIKON BAYERNS) 1868 setzte die neue Wehrverfassung die Wehrpflicht in Bayern auch in der Praxis um, was gemeinsam mit dem Streben nach der Reichseinigung den zahlenmäßigen Anstieg der Gründung von Kriegervereinen in Bayern erklärt. Mit dem Sieg über Frankreich 1870/‘71 erlebte dann auch Bayern die Entwicklung der Kriegervereine zu einer Massenbewegung. 1874 gründete sich der Bayerische Veteranen- und Kriegerverein als Landesverband. 1 1864 beteiligte sich Bayern nicht am siegreichen Krieg Österreichs und Preußens gegen Dänemark; 1866 stand Bayern gemeinsam mit Österreichs im Krieg gegen Preußen auf der Verliererseite. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000/078/11 Seite 7 4. Die Kriegervereine im Deutschen Kaiserreich Nach Gründung des Deutschen Reiches kam es zu einer enormen Popularitätssteigerung der Kriegervereine, die sich in erster Linie aus dem Deutsch-Französischen Krieg erklärt. 1873 wurde in Preußen der Deutsche Kriegerbund mit dem Ziel gegründet, Dachorganisation aller Kriegervereine im Reich zu sein. Dagegen gab es Widerstand aus den mittel- und süddeutschen Ländern. Die Landesverbände verhinderten weitestgehend den Eintritt ihrer Ortsvereine in den zentralen Dachverband. Die Landesverbände selbst umfassten allerdings auch nach der Reichsgründung selbst nur einen Bruchteil der örtlichen Kriegervereine. Dies änderte sich mit der Protektion der Landesverbände durch den Kaiser – der sich durch eine zentrale Organisation auch eine bessere staatliche Kontrolle erhoffte – und dem Wunsch vieler örtlicher Kriegervereine, an den Paraden, die die Landesverbände organisierten, teilnehmen zu dürfen. Verbandszeitungen2 und andere Publikationen der Landesverbände trugen zu einer verstärkten Integration der einzelnen Kriegervereine bei. Die Absicht, alle Landesverbände einem Dachverband – eben dem deutschen Kriegerbund zu unterstellen, scheiterte aber zunächst. Auf Initiative des Deutschen Kriegerbundes wurde 1896 durch Sammlung der Kriegervereine auf dem thüringischen Kyffhäuserberg ein Mahnmal zum Andenken an die Einheit des Vaterlandes eingeweiht. Aus dem aus diesem Grunde geschaffenen ständigen Kyffhäuser-Ausschuss der Landesverbände gründete sich 1899/1900 der „Deutsche Reichskriegerbund Kyffhäuser“ (kurz: Kyffhäuserbund ) als Dachverband nahezu aller Kriegervereine im Kaiserreich. (ROHKRÄMER, S. 29f.) Nachdem sich die zentralen Kriegerverbände 1899 zum Kyffhäuserbund zusammengeschlossen hatten, avancierte der Bund zur größten Massenorganisation des Deutschen Kaiserreiches mit fast 3 Millionen Mitgliedern kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges. 30 Landesverbände schlossen sich dem Kyffhäuserbund an, die Mitglieder der etwa 3.700 bayerischen Kriegervereine machten etwa 12 Prozent aller Mitglieder aus. Das entsprach in etwa dem Bevölkerungsanteil im Reich. (vgl. REICHARDT, S. 13) Die Kriegervereine bildeten seit den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts sogar Sanitätskolonnen, die im Kriegsfall dem Roten Kreuz unterstellt werden sollten. 1909 erwarb der Kyffhäuser-Bund 75.000 Gewehre, die den Kriegervereinen das militärische Schießen, letztendlich eine quasi-paramilitärische Ausbildung seiner Mitglieder, ermöglichte. (vgl. ROHKRÄMER, S. 105) War die Sozialstruktur der Kriegervereine lange Zeit recht heterogen (vgl. u. a. TROX), so waren es während des Kaiserreiches vor allem Arbeiter, Landarbeiter und Kleinbürger , die der Massenorganisation beitraten. Staatliche Fördermaßnahmen – in Baden übernahm beispielsweise der Großherzog 1880 das Protektorat über den Badischen Militärvereins-Verband – und der Bau des Kyffhäuserdenkmals steigerten zunehmend die Attraktivität der Vereine und die Zusammenführung in den Landesverbänden. Wie bereits erwähnt, begann in den 1880er Jahren die konsequente politische Nutzung der Kriegervereine zunächst vor allem in Preußen: Königliche Behörden wirkten auf die Vereine ein im Kampf gegen die Ausbreitung der Sozialdemokratie. Die Absicht, die Kriegervereine gegen die Sozialdemokratie zu instrumentalisieren ist keinesfalls logisch, denn die Kriegervereine pflegten zwar nationale und monarchische Gesinnung, viele ihrer Mitglieder sahen darin aber keinen Wi- 2 Der Bayerische Veteranen- und Kriegerverein gab ab 1874 ein Mitteilungsorgan „Veteran“ heraus. Ab 1876 erschien jährlich der „Veteranenkalender“. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000/078/11 Seite 8 derspruch zu einer politisch linken Überzeugung. In den Kriegervereinen scheinen jedenfalls nicht weniger Sozialdemokraten gewesen zu sein, als es sie in der restlichen Bevölkerung gab. [vgl. ROHKRÄMER, S. 37) Die lokalen Vertretungen der Kriegervereine führten allerdings selbst keinen politischen Wahlkampf , sondern waren vielmehr selbst Teil der Wählermobilisierung, die sich in den eigenen Reihen abspielte. (vgl.: GRIEßMER, S. 46) So wie in den Kirchen oftmals von der Kanzel Wähler mobilisiert wurden, mobilisierte auch der Kriegerverein. „Das parteipolitische Spektrum, das dem Kriegervereiner zur Auswahl blieb war [..] abgesteckt: Die Vereine sollten, wie der Zweite Vorsitzende des Kyffhäuserbundes, Professor Alfred Westphal schrieb, als ‚Kampfstätten gegen die Sozialdemokratie‘ dienen.“ (GRIEßMER, S. 46) Immerhin gehörten den Kriegervereinen, die im Kyffhäuserbund organisiert waren, 15 Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung an. (ROHKRÄMER, S. 52) Die Politisierung der Vereine mit dem Ziel, ein konservatives, monarchisch gesinntes Gegengewicht zur Massenbewegung und Politisierung der Arbeiterschaft zu entwickeln, ging vom Vorstand des Deutschen Kriegerbundes3 aus und wurde von den anderen Landesverbänden mit vollzogen. Das Kameradschaftsgefühl sollte die soziale Kluft und den Klassenhass überwinden und auch „einfache Mitglieder“ ebenso wie Sozialdemokraten politisch von der Sache der Konservativen überzeugen oder wenigstens gegen umstürzlerisches Denken immunisieren . (ROHKRÄMER, S. 38ff.) Eine einschneidende Satzungsänderung vertiefte die Politisierung der Kriegervereine vor allem in Preußen: 1891 verpflichteten sich die Vereine, Sozialdemokraten auszuschließen. 1903 postulierte die Verbandszeitschrift des Deutschen Kriegerbundes im Vorfeld der Reichstagswahlen, dass die Wahl eines Staatsfeindes (SPD, Polen oder Welfen) mit dem Ausschluss aus dem Verein sanktioniert werden müsse. In Hessen und Sachsen agitierten die dortigen Verbände ähnlich wie der Deutsche Kriegerbund in Preußen, lediglich in Süddeutschland verlief die Entwicklung gemäßigter . Gesinnungsschnüffelei wurde in Baden, Bayern und Württemberg zunächst abgelehnt. Konfessionelle Konflikte überwogen oftmals (besonders in Baden) die Auseinandersetzung mit der Sozialdemokratie. Allerdings kam es zu einer offensichtlichen Homogenisierung der Politisierung der Verbände: So ist mit der Zunahme der regelmäßig erscheinenden Presseveröffentlichungen des Kyffhäuserbundes auch eine zunehmende Parteinahme aller Kriegervereine für die Kolonialpolitik und den Flottenbau nachweisbar4. Zu dieser Zeit gründete sich auch der Deutsche Wehrverein (1890), der sich als außerparlamentarische Vereinigung für eine größere, leistungsfähigere Streitmacht einsetzte. Zulauf hatte der Wehrverein aus dem wohlhabenden Mittelstand . (SHEVIN-COETZEE, S. 367) Ihren Höhepunkt erreichte die Agitation der Kriegervereine bei den Reichstagswahlen 1907. Bei dieser sog. „Hottentottenwahl“ ging es in erster Linie um die Finanzierung eines Nachtragshaushalts zur Fortführung des Kolonialkrieges in Deutsch-Südwest, der vom Zentrum und SPD abgelehnt wurde. (vgl. ROHKRÄMER, S. 49) Bei der Wahl 1907 wirkte die Kriegervereinsagitation wohl vor allem deshalb, weil zwischen den bürgerlichen Parteien in der Kernfrage des Wahlkampfes kaum Gegensätze in den wesentlichen politischen Fragen bestanden (einmal abgesehen vom Zentrum). (vgl. TROX) 3 Der Deutsche Kriegerbund war satzungsgemäß zwar nicht auf Preußen beschränkt, de facto aber eine Art preußischer Landesverband. 4 Zu dieser Zeit scheiterte der Deutsche Kriegerbund mit der Absicht, durch das Angebot eines Sozialversicherungspakets für ihre Mitglieder, eine echte Konkurrenz zu den freien Gewerkschaften zu werden. An diesem (gescheiterten) Plan zeigt sich, wie tief die konservative Politisierung zu dieser Zeit fortgeschritten war. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000/078/11 Seite 9 Neben der Politisierung der Kriegervereine im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts war das Bemühen um Attraktivität der Vereine das zentrale Anliegen. Der euphorische gemeinsame Erfahrungshorizont des Krieges 1870/’71 verblasste zunehmend, gleichzeitig sollten die Vereine für Reservisten attraktiv sein, die keine Kriegserfahrung hatten. Vor diesem Hintergrund waren Kriegerfeste , wie das Sedanfest, das sich allerdings erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts als reichsweites Gedenkfest durchsetzte, und militaristische Indoktrination wesentliche Elemente des Vereinslebens unmittelbar vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Thomas Rohkrämer hat den Kriegervereinen hinsichtlich der Begeisterung für den Krieg wesentliche Bedeutung für die wilhelminische Gesellschaft zugeschrieben: „Indem die Kriegervereine ihre neue Aufgabe darin erkannten , die Bereitschaft zum Kriege zu pflegen, wurde ihr Militarismus zukunftsorientiert.“ (ROHKRÄMER, S. 82) 5. Die Weimarer Republik und das Ende des Kriegervereinswesens im Nationalsozialismus Während des Weltkrieges verlegten die Kriegervereine ihren Schwerpunkt auf die Kriegsbeschädigten -Fürsorge. (REICHARDT, S. 16) Nachdem das Vereinsleben im Krieg nahezu völlig zum Erliegen gekommen war, bestanden die Kriegervereine nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg fort und das Vereinsleben wurde wieder aufgenommen. Die Kriegervereine wurden fruchtbarer Boden für die Verbreitung der Dolchstoßlegende und der Kriegsschuldlüge. In nahezu jeder deutschen Gemeinde entstanden nach 1918 meist auf Initiative der Kriegervereine Kriegerdenkmäler. Der Bayerische Kriegerverein belebte das Vereinsleben neu, indem er den zurückkehrenden ehemaligen Mitgliedern versicherte, dass der einst dem König und Kaiser geleistete Treueeid seine Bindung gegenüber Volk und Vaterland nicht verloren habe. (REICHARDT, S. 18) Dieser Aufruf belegt bereits, wie sehr die Kriegervereine um ihr Überleben kämpfen mussten: Die unmittelbare Nachkriegszeit war geprägt durch bürgerkriegsähnliche Zustände, in denen sich deutsche Soldaten in Freikorps, „Roten Armeen“ oder regulären Truppen feindlich gegenüberstanden. Gleichzeitig gerieten die Kriegervereine auch moralisch und politisch unter Druck. Hinsichtlich der Kriegsbeschädigten- und Hinterbliebenenfürsorge standen die Vereine in zunehmender Konkurrenz zu anderen Organisationen. Nachdem die revolutionäre Zeit vorüber war, standen die Kriegervereine vor einer neuen, bis dahin fast unbekannten Herausforderung: Durch die Inflation war beispielsweise der Königlich Bayerische Krieger- und Veteranenbund 1923 dem Ruin nahe. (vgl. REICHARDT) 1924 zählte der Bayerische Landesverband wieder über 3.000 Vereine und mehr als 300.000 Mitglieder. Insgesamt hatten sich bis 1924 wieder 25 Landesverbände im Kyffhäuserbund zusammengeschlossen. Die Errichtung eines Ehrenmals für die Bayerische Armee im Jahre 1924 in München, für dessen Bau der Bayerische Krieger- und Veteranenbund geworben und Spenden gesammelt hatte, zeigt, wie engagiert und selbstbewusst die Verbände auch nach der Niederlage im Weltkrieg auftraten und wie stark diese auch in der Bevölkerung verankert waren. (vgl. SIEGEL, http://www.bsb-1874.de) Darüber hinaus waren Denkmalbau und Einweihungsfeier auch eine Art Werbung für die Kriegervereine. Diese Entwicklung des Kyffhäuserbundes ist bemerkenswert vor dem Hintergrund beispielsweise des Schicksals des Deutschen Wehrvereins: Von den 350.000 Mitgliedern unmittelbar vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges blieben bis 1922 ganze 251 Unentwegte übrig, die den völkischen Zielen des Vereins die Treue hielten. (vgl. SHE- VIN-COETZEE, S. 374) Neue Mitglieder konnten die Kriegervereine naturgemäß kaum rekrutieren , denn mit dem Verbot der Wehrpflicht existierten keine (neuen) Reservisten mehr. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000/078/11 Seite 10 Der Kyffhäuserbund gab sich bereits 1921 eine neue Satzung und wurde viel stärker als im Kaiserreich zur Zentrale des deutschen Kriegervereinswesens. Den Hintergrund für diese Entwicklung bot die neue staatliche Ordnung, in der sich vor allem das Fehlen fürstlicher Landesautoritäten auf die regionale Verankerung der Kriegervereine auswirkte. Die 25 Landesverbände des Kyffhäuserbundes zählten insgesamt fast 26.000 Vereine und knapp 2, 3 Millionen Mitglieder. Wie bereits „zu Kaisers Zeiten“ traten die Kriegervereine an militärischen Gedenktagen, bei der Einweihung von Kriegerdenkmälern und entsprechenden Gelegenheiten in der Öffentlichkeit auf. So kamen beispielsweise 1925 90.000 Teilnehmer zum Völkerschlachtdenkmal nach Leipzig um dem 110. Jahrestag zu gedenken. Alle zwei Jahre fanden seit 1925 die sog. Reichskriegertage statt. Daran beteiligten sich auch der Stahlhelm und andere Wehrverbände. Die politische Ausrichtung der Kriegervereine, so wie sie spätestens mit dem Kampf gegen die Sozialdemokratie im Kaiserreich bereits eingesetzt hatte, änderte sich demnach in der Republik nicht. Das Kriegervereinswesen unter diesen politischen Aspekten kann daher ohne Zweifel zu den der Republik und dem Parlamentarismus kritisch bis ablehnend eingestellten gesellschaftlichen Gruppen gezählt werden. 1932 rief der Kyffhäuserbund seine Mitglieder auf, ihre Stimme bei der Reichspräsidentenwahl Paul von Hindenburg5 zu geben. Hindenburg war seit 1919 Ehrenpräsident des Kyffhäuserbundes , entsprechend ist der Aufruf politisch einzuordnen. Vier Jahre nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde der traditionsbewusste Kyffhäuserbund in „NS-Reichskriegerbund“ umbenannt, der im NS-Staat der alleinige große Soldatenbund mit weit über 3 Mio. Mitgliedern war. Bereits 1934 setzten die Nationalsozialisten den Präsidenten des Bundes ab und machten den ehemaligen Oberst und Freikorpsführer sowie SA- Gebietsführer in Preußen, Reinhardt, zum Bundesführer. Die Mitglieder der Soldatenverbände sollten fortan bei öffentlichen Auftritten eine schwarze Schirmmütze und eine Kyffhäuser- und Hakenkreuzarmbinde tragen; unterbunden wurde das Führen der alten Traditionsfahnen. (vgl. REICHARDT) Gleichgeschaltet, in seiner Organisationsstruktur zunächst der SA-Gebietsstruktur, später der SS-Gebietsstruktur angeglichen, war der Reichskriegerbund seit 1934 der SA-Reserve eingegliedert. Entgegen landläufiger Meinung muss dem Kyffhäuserbund eine gewisse Distanz nicht nur zur Republik, sondern auch zum Nationalsozialismus unterstellt werden. Reichardt zitiert aus einem Schreiben der Reichsleitung des Reichskriegerbundes an die Reichskanzlei im Jahre 1936: „Unsere Erhebungen haben ergeben, dass die Führer des Kyffhäuserbundes zum größten Teil langjährige und sehr gehässige Gegner der Bewegung waren.“ (REICHARDT, S. 25) 1943 wurde der NS-Reichskriegerbund auf Reichsebene aufgelöst, sein Vermögen auf die NSDAP übertragen . In einer „Stiftung Kyffhäuserbund“ wurde versucht, weitere vermögensrechtliche Ansprüche zu sichern. Nur die lokalen Vereine blieben bestehen, waren allerdings den lokalen Parteigliederungen unterstellt. Sie bildeten gegen Ende des Zweiten Weltkriegs den Grundstock für Volkssturmeinheiten. (vgl. HISTORISCHES LEXIKON BAYERNS) Der letzte Reichskriegertag – bereits vollkommen unter nationalsozialistischer Kontrolle – fand 1939 in Kassel statt. 5 Gegenkandidat des amtierenden Reichspräsidenten Hindenburg war Adolf Hitler. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000/078/11 Seite 11 6. Kriegervereine nach 1945 Mit der totalen Niederlage des Dritten Reiches war jegliche deutsche militärische und soldatische Tradition moralisch desavouiert. Die Mitgliedschaft im Kyffhäuserbund beziehungsweise dem NS-Reichskriegerbund wurde zum belastenden Merkmal in der Entnazifizierung: In Frage 68 des US-amerikanischen Entnazifizierungsfragebogens wurde nach der Mitgliedschaft im NS- Reichskriegerbund gefragt. Mit dem vom Alliierten Kontrollrat am 10. Oktober 1945 erlassenen Kontrollratsgesetz Nr. 2 wurde die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei einschließlich ihrer angeschlossenen Organisationen verboten und deren Neubildung für ungesetzlich erklärt. Gleichzeitig wurde das gesamte Eigentum der betreffenden Einrichtungen beschlagnahmt. Dazu zählte auch der NS-Reichskriegerbund. Erst Anfang der fünfziger Jahre waren Soldatenverbände wieder erlaubt. In Bayern bildete sich eine „Notgemeinschaft Bayern ehemaliger berufsmäßiger Wehrmachtsangehöriger und ihrer Hinterbliebenen “, aus der der Verband Deutscher Soldaten hervorging. Dieser wurde rasch zu einem bedeutenden Verband, der sich in erster Linie um die Versorgung ehemaliger Wehrmachtssoldaten und ihrer Angehörigen kümmerte. Der 1952 wiedergegründete Kyffhäuserbund wurde vom Bundesinnenministerium als legitimer Nachfolger des Reichskriegerbunds anerkannt, womit vermögensrechtliche Fragen zugunsten des Verbands geklärt wurden. Dennoch konnte der Kyffhäuserbund an seine frühere Führungsrolle nicht mehr anknüpfen. So kam es 1957, nach dem Beitritt der Bundesrepublik zur NATO und nach Aufstellung der Bundeswehr, zur Gründung eines Dachverbandes, dem Ring Deutscher Soldatenverbände (RDS), mit mehr als vierzig Verbänden , darunter die Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger, die Veteranen des Afrikakorps, der Verband des ehem. Panzerkorps Großdeutschland, der Marinebund, ebenso der VDS (Verband Deutscher Soldaten), der Kyffhäuserbund, der Verband der Kriegsopfer und Kriegsversehrten (VdKK), und der Sudetendeutsche Frontkämpferbund. (vgl. REICHARDT, SOLDATENVER- BÄNDE) Eine aus heutiger Sicht sehr bunte Mischung recht verschiedener militärischer Traditionsgruppen . Der RDS spielte lange Zeit eine Rolle als Bindeglied zur Politik. Seine Vorstände wurden von den Bundesverteidigungsministern empfangen, letztmalig durch Manfred Wörner. Bundeskanzler Helmut Kohl band den RDS in die Gedenkfeiern zum 70. Jahrestag der Schlacht von Verdun ein. 2005 löste sich der Verband auf. Auf der anderen Seite zogen sich die Kriegervereine in den Städten und Gemeinden immer mehr auf ein internes Vereinsleben zurück. Öffentliche und vor allem überörtliche Aktivitäten traten immer mehr in den Hintergrund. Neben gesellschaftlichen Veränderungen hinsichtlich der Einstellung zu Krieg und Militärtraditionen haben daran auch sinkende Mitgliederzahlen und die dadurch sinkenden Beitragszahlungen einen wesentlichen Anteil. Am Beispiel des Bayerische Soldatenbund (BSB) wird die heutige Verankerung des traditionsreichen Bundes deutlich: Der BSB hat heute etwa 80.000 Mitglieder, Reservisten der Bundeswehr und ehemalige Wehrmachtssoldaten. Nach eigenen Angaben sind diese Mitglieder in 1300 Ortskameradschaften (in Bayern existieren etwa 2050 Gemeinden) organisiert. Der Bayerische Soldatenbund , ein eingetragener gemeinnütziger Verein, ist die Fortführung des 1874 gegründeten Königlich Bayerischen Kriegerbundes und des Deutschen Soldaten- und Kameradschaftsbundes. Wie schon zu Gründungszeiten sieht der Verein eine seiner Hauptaufgaben darin, bedürftige und in Not geratene Kameraden und ihre Angehörigen zu unterstützen. Darüber hinaus widmet sich der BSB der Erhaltung und Pflege von Kriegerdenkmälern und Grabstätten. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000/078/11 Seite 12 Der Kyffhäuserbund präsentiert sich heute als moderner Reservisten- und Schießsportverband. In seiner Selbstbeschreibung heißt es: „Der Kyffhäuserbund ist ein demokratischer Volksbund mit über 200jähriger Tradition. Jeder unbescholtene Bürger, der die Ziele des Bundes anerkennt und sich zum Grundgesetz bekennt, kann Mitglied werden. Der Kyffhäuserbund betreibt aktive Reservistenarbeit , fördert den Sport und insbesondere das Sportschießen. Er ist auf Bundesebene als schießsporttreibender Verband anerkannt. Zudem widmet er sich der Unterstützung von Angehörigen gefallener oder in Not geratener Kameraden. Er greift mit Kameradenhilfe in Notlagen ein, pflegt die Kameradschaft seiner Mitglieder sowie die Zusammenarbeit von aktiven und ehemaligen Soldaten als der älteste Deutsche Soldatenbund. Durch Mitgliedschaft und Kooperation mit Soldatenverbänden in Deutschland und in Europa ist ihm die Versöhnung mit den Soldaten der ehemaligen Gegner ein besonderes Anliegen, jedoch auch die Linderung der Not in der Dritten Welt. Er ist überparteilich, seine Mitglieder sind an keine Konfession gebunden und bekennen sich zum demokratischen Rechtsstaat .“ (http://www.kyffhaeuserbundev.de/ueber_uns.html; Stand: 14. September 2011) Die Zeit der überregionalen Repräsentation von Vereinen und Verbänden im Bereich des Kriegervereinswesens ist vorbei. Es existieren zahlreiche überregionale Verbände nebeneinander mit ganz ähnlicher Zielsetzung und wenigen Mitgliedern. Andere Vereinigungen als die ehemaligen Kriegervereine prägen heute das Bild der überregionalen Traditionspflege der deutschen Soldaten : Dazu zählen beispielsweise der Bundeswehrverband und der Verband der Reservisten der Bundeswehr. 7. Der Reservistenverband der Bundeswehr Der Verband der Reservisten der Bundeswehr e. V. (VdRBw) wurde 1960 gegründet und hat derzeit rund 124.000 Mitglieder. Er ist historisch von den oben beschriebenen Kriegerverbänden zu unterscheiden. Zum einen, weil seine Gründerväter nach kontroverser Diskussion den Verband gegen eine auch denkbare Kontinuität der Reservistenbetreuung in den soldatischen Traditionsverbänden (Kyffhäuserbund, Bayerischer Soldatenbund usw.) gründeten, zum anderen, weil seine Mitglieder – Staatsbürger in Uniform – eine andere Erlebniswelt hatten und haben als die Kriegsteilnehmer in den genannten Bünden. Hinzu kommt die Überlegung anderer Verbände, die sich möglicherweise auch als Reservistenverbände geeignet hätten (so zum Beispiel des Deutschen Bundeswehrverbands), von öffentlichen Mitteln unabhängig zu bleiben. (vgl. STEIN- KAMM/VON LOTZOW, S. 288f.) Den Streitkräften wurde mit dem Reservistenverband ein eingetragener Verein zur Seite gestellt, der neben der Betreuung der Bundeswehr-Reservisten auch die Attraktivität und Verankerung der Bundeswehr in der Gesellschaft erhöhen sollte. (vgl. u. a. MÖHRING) Der Reservistenverband führt im Auftrag des Parlaments die beorderungsunabhängige , freiwillige Reservistenarbeit für alle Reservistinnen und Reservisten durch. Bereits zwei Monate nach Gründung des Verbandes erschien das erste Verbandsheft („Die Reserve“, seit 1969 „loyal“). Inzwischen sind fast 600 Hefte erschienen. (vgl. HEMICKER, S. 10) Nach eigenen Angaben sind im Reservistenverband der Bundeswehr zwischen Usedom und Freiburg im Breisgau über 4.000 Kameradschaften, Arbeitskreise und Gemeinschaften organisiert. Viele Mitglieder des Reservistenverbands sind gleichzeitig auch in anderen soldatischen Traditionsverbänden organisiert . So vertritt beispielsweise der Bayerische Soldatenbund 1874 e.V. (BSB) bayerische Krieger- Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000/078/11 Seite 13 kameradenschaften aber auch Reservisten der Bundeswehr. (zur Vertiefung der Geschichte des Reservistenverbands vgl. Anlage) 8. Literatur Bramke, Werner (1971). Die Funktion des Kyffhäuserbundes im System der militaristischen Organisationen in der Weimarer Republik, in: Zeitschrift für Militärgeschichte 10 (1971), 64-78. Greipl, Egon (2005). Die bayerische Armee im 19. Jahrhundert. Grießmer, Axel (2000). Massenverbände und Massenparteien im wilhelminischen Kaiserreich. Zum Wandel der Wahlkultur 1903 – 1912. Düsseldorf: Droste Verlag. Hemicker, Lorenz (2010). Historische Tage im Winter 1960. In: loyal, Heft 1 2010, S. 10 – 15. Höfer, Gerd (2010). Eine feste Stütze unserer Streitkräfte. In: loyal Heft 1 2010, S. 8 – 9. Möhring, Helmut (1982). Reservistenverband im Umbruch. In: loyal, Heft 9 1982. S. 2 – 25. Reichardt, Jürgen (2005). Deutsche Soldatenverbände. In: „Treue Kameraden“ - Verbandszeitschrift des Bayerischen Soldatenbundes 1874 e.V.. Heft Nov./Dez. 2005. Reichardt, Jürgen (2010). Aus der Geschichte des Bayerischen Soldatenbunds. In: Handbuch für die Verbandsarbeit des Bayerischen Soldatenbundes 1874 e.V. 3. Auflage. S. 1 – 42. Rohkrämer, Thomas (1990). Der Militarismus der ‚kleinen Leute‘. Die Kriegervereine im Deutschen Kaiserreich 1871 – 1914. München: R. Oldenbourg. Shevin-Coetzee, Marilyn (1996). Der Deutsche Wehrverein. In: Puschner, Uwe/Schmitz, Walter/Ulbricht, Justus H. (Hrsg.) (1996). Handbuch zur Völkischen Bewegung 1871 – 1918. München, New Providence, London, Paris: K G Saur. S. 366 – 375. Steinkamm, Armin-Arne/Lotzow, Jürgen von (1998). Reservistenarbeit außerhalb der Bundeswehr. In: Brugmann, Gerhard (Hrsg.) (1998). Die Reservisten der Bundeswehr. Hamburg, Berlin, Bonn: Verlag E. S. Mittler & Sohn. S. 287 – 335). Trox, Eckhard (1990). Militärischer Konservativismus: Kriegervereine und "Militärpartei" in Preußen zwischen 1815 und 1848,49 / Stuttgart: Steiner. http://www.bsb-1874.de (Stand: 14. September 2011) http://www.historisches-lexikon-bayerns.de (Stand: 14. September 2011) http://www.kyffhaeuserbundev.de (Stand: 14. September 2011) 9. Anlage Steinkamm, Armin-Arne/Lotzow, Jürgen von (1998). Reservistenarbeit außerhalb der Bundeswehr . In: Brugmann, Gerhard (Hrsg.) (1998). Die Reservisten der Bundeswehr. Hamburg, Berlin, Bonn: Verlag E. S. Mittler & Sohn. S. 287 – 335).