© 2014 Deutscher Bundestag WD 1 - 3000 - 073/13 Katholische Soziallehre und Soziale Marktwirtschaft. Ursprünge, Entwicklung und Zusammenhänge Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 - 3000 - 073/13 Seite 2 Katholische Soziallehre und Soziale Marktwirtschaft. Ursprünge, Entwicklung und Zusammenhänge Verfasser: Aktenzeichen: WD 1 - 3000 - 073/13 Abschluss der Arbeit: 20. November 2013 Fachbereich: WD 1: Geschichte, Zeitgeschichte und Politik Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 - 3000 - 073/13 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Begriffsannäherung 4 3. Katholische Soziallehre 7 3.1. Oswald von Nell-Breuning (1890-1991) 8 3.2. Wesentliche Inhalte der Katholischen Soziallehre 8 3.3. Grundwerte und Prinzipien 10 4. Soziale Marktwirtschaft 17 4.1. Geistige Väter 17 4.2. Der Ordo-Liberalismus 18 4.3. Politische Väter 18 4.4. Konzept 19 4.5. Grundgesetz und Soziale Marktwirtschaft 20 5. Verbindungen von Katholischer Soziallehre und Sozialer Marktwirtschaft 21 6. Literaturverzeichnis 25 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 - 3000 - 073/13 Seite 4 1. Einleitung Für den Vordenker sozial-liberaler Gesellschaftsvorstellungen Ralf Dahrendorf gehörten Katholische Soziallehre und Soziale Marktwirtschaft aufs Engste zusammen. In einem 2008, ein knappes Jahr vor seinem Tod, gegebenen Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bezeichnete der deutsch-britische Sozialwissenschaftler jene sich im frühen 20. Jahrhundert formierende Denkrichtung der katholischen Kirche, die als Katholische Soziallehre bekannt ist, als wichtigste Wurzel des wirtschaftspolitischen Erfolgs-Konzepts der Bundesrepublik Deutschland.1 Dieses Konzept hatte sich in den 1950er Jahren herausgebildet und wird nach einer Begriffsschöpfung Alfred Müller-Armacks als Soziale Marktwirtschaft bezeichnet. Der von Dahrendorf hergestellte Zusammenhang beider Grundkonzeptionen, besonders die von ihm reklamierte geistige „Vaterrolle“ der Katholischen Soziallehre für die Soziale Marktwirtschaft , ist in der Forschung keineswegs unumstritten.2 Teilweise wird die Verbindung als durchaus „ungewollt“ charakterisiert und die Katholische Soziallehre gegenüber jenem neoliberalen Strang zurückgestuft, der ebenfalls das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft mitprägte3 und an Namen wie Friedrich August von Hayek festgemacht wird, einem österreichischen Ökonomen mit ausgeprägter (Sozial-)Staatsskepsis. Doch dominiert Dahrendorfs Sichtweise den wissenschaftlichen Diskurs4, dessen Inhalte im Folgenden dargestellt werden sollen. Dabei wird versucht , am Ende die Frage zu beantworten: Wie viel katholische Soziallehre ist in die Sozial- und Wirtschaftspolitik der Bundesrepublik Deutschland eingeflossen? 2. Begriffsannäherung Das Schrifttum zur Katholischen Soziallehre ist sehr vielfältig, ja beinahe unüberschaubar. Päpstliche Enzykliken aus Vergangenheit und Gegenwart gehören ebenso zum Korpus fachlicher Beschäftigung mit diesem Begriff wie Essays christlicher Politiker oder wissenschaftliche Abhandlungen von Theologen und Professoren der Geschichts- bzw. Gesellschaftswissenschaften. Auch in der Publizistik wird der Terminus Katholische Soziallehre häufig verwendet und problematisiert , wie der von der Pressedokumentation erstellte Anhang mit ausgewählten Artikeln zum Thema aus den letzten Jahren belegt. 1 Vgl. dazu den Hinweis von Emunds, S.1. 2 Vgl. ebd. 3 Vgl. Utz, S.207/208, der als Dominikanerpater zwar selbst ein Vertreter der Katholischen Soziallehre ist, aber selbstkritisch bekennt, allzu oft übersehe man unter seinen Mitbrüdern, dass „die Soziale Marktwirtschaft auf dem geistigen Fundament des Liberalismus aufbaut und durch die nachträglich eingebauten sozialen Sicherungssysteme eigentlich nur eine pragmatisch begründete Korrektur anbringt.“ 4 Vgl. etwa die Beiträge von Althammer, Tietmeyer, Marx, Homeyer und Wenniges. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 - 3000 - 073/13 Seite 5 Zwei Vorüberlegungen mögen geeignet sein, den Begriff operationalisierbar zu machen und einen für die weiteren Überlegungen hilfreichen ersten Eindruck seiner konkreten Bedeutung zu vermitteln . Dass der Begriff z.B. trotz des religiösen Namens-Bezugs nicht konfessionell eingeengt verstanden werden sollte, ergibt sich aus der feststellbaren Sympathie vieler prominenter Nicht-Katholiken für ihn.5 So war etwa der aus dem Elsass stammende Pastorensohn und evangelische Theologe Albert Schweitzer ein bekennender Anhänger des Konzepts der Katholischen Soziallehre.6 Nicht zuletzt deshalb wird er noch heute, 48 Jahre nach seinem Tod, von Protestanten als überkonfessioneller Mittler sozialpolitischer Überlegungen betrachtet, die vom Katholizismus ausgingen. Dabei ist es weniger Schweitzers Schrifttum, das ihm diese Rolle zuweist. Vielmehr beeindruckt er hauptsächlich durch sein bis heute außergewöhnliches Leben, das Betrachtern als praktisches Exempel geübter Verantwortung vor Gott erscheint. Es lässt den Theologen und „Armen-Doktor“ gleichsam als Inkarnation dessen erscheinen, was christliches Handeln im Sozialbereich ausmachen kann. Dies verdeutlicht beispielhaft die oft zitierte Geschichte von Schweitzers Reise nach Oslo 1954, wo ihm für sein karitatives Engagement in Lambarene/Afrika der Friedensnobelpreis verliehen wurde. Dass der Elsässer zur Verleihung dieser besonderen Auszeichnung, die ihn endgültig zum globalen Prominenten machte, nur mit der Eisenbahn fuhr und dabei wie gewöhnlich lediglich ein Billig-Ticket löste, verblüffte das mit solcher Bescheidenheit unvertraute Empfangskomitee in Norwegen. Eine junge Journalistin fragte Schweitzer verwundert, warum denn ein berühmter Mann wie er immer nur dritter Klasse reise, und erhielt die nicht belehrend gemeinte , aber lehrreiche Antwort: „Weil es keine vierte gibt.“ 7 Solches Denken in Kategorien des „heiteren“ Verzichts ist ebenso praktische Verdichtung Katholischer Soziallehre 8 wie das phänotypische Verhalten einer Figur in Victor Hugos bekanntem Roman „Die Elenden“, der als einer der bedeutendsten literarischen Beiträge zum Thema Nächstenliebe gilt, von der die Katholische Soziallehre durchdrungen ist. Hugos Werk wurde im 19. Jahrhundert verfasst, also in jener Epoche, von der Joseph Schumpeter in seiner klassischen Geschichte ökonomischen Denkens schreibt, dass sie eine erstaunliche Renaissance katholischer Kirchen-Autorität gebracht habe.9 Durch sie seien „katholische Werte“ massiv in das wirtschaftliche Denken der Zeit eingeflossen und damit gleichsam die Grundlagen dessen geschaffen worden , was im 20. Jahrhundert zur Katholischen Soziallehre ausgebaut wurde.10 Von dieser katholi- 5 Vgl. Utz, S.206. 6 Vgl. Oermann, passim, sowie persönliche Erinnerung des Verfassers an biographische Angaben zu Schweitzer, die am Albert-Schweitzer-Gymnasium Neckarsulm Gemeingut waren, das der Verfasser besucht hat und dessen Schul-Tradition auf den Namensstifter Schweitzer ausgerichtet war (und ist). 7 Vgl. Nachruf auf Schweitzer im Nachrichtenmagazin Der Spiegel vom 15.09.1965 sowie persönliche Erinnerung des Verfassers an eine Informationsveranstaltung zu Schweitzer am Albert-Schweitzer- Gymnasium Neckarsulm. 8 Vgl. Ockenfels, Kleine Katholische Soziallehre, S.46. 9 Vgl. Schumpeter, S.764ff. sowie Wallacher/Scharpenseel, S.97, die sich als Vertreter der Katholischen Soziallehre der Gegenwart umgekehrt auf Schumpeter als Vorbild berufen. 10 Vgl. Schumpeter, S.765, insbesondere Fußnote 11, die eine Würdigung Nell-Breunings enthält, des eigentlichen Schöpfers der Katholischen Soziallehre (siehe Abschnitt 3.1. dieser Ausarbeitung). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 - 3000 - 073/13 Seite 6 schen Renaissance im Angesicht wachsender Hilfsbedürftigkeit breiter Massen vermittelt Hugos Roman von 1862 einen guten Eindruck. Sein literarischer Beitrag zur sog. „Sozialen Frage“ stellt mehrfach die kirchlichen Anstrengungen heraus, tragfähige Antworten auf die Gefahren zu finden , die die Industrielle Revolution in ihrem frühen Stadium für viele Menschen mit sich brachte .11 Insbesondere der nur zu Beginn des Romans auftretende Bischof von Digne personifiziert solche Anstrengungen. Er überstrahlt mit seinem Tun den gesamten Handlungsbogen des Sozialdramas wie ein Ideal praktizierter Menschlichkeit. Hugo schildert, wie der aus adligen Verhältnissen stammende Bischof, Monsieur Myriel, als hoher Würdenträger der Amtskirche sein Leben in den Dienst der sozial Gestrauchelten stellt und Nächstenliebe nicht nur predigt, sondern vorlebt . Er baut sein Palais zum Armenspital um, wohnt selbst im ärmlichen Pfarrhaus nebenan und benutzt als Transportmittel einen Esel statt ein Pferd. Beim Erzbischof, der zur Visite eintrifft und eine komfortable Kutsche benutzt, entschuldigt er sich für sein Verhalten und räumt ein, es müsse wohl als „eitle Anmaßung“ erscheinen, dass sich ein unbedeutender Diener der Kirche wie er, der Bischof, so unbedenklich des gleichen Reittiers bediene wie „unser Herr Jesus Christus .“ Damit lässt er den Erzbischof etwas ratlos zurück, aber nicht unwillig, angesichts solcher Demut sein eigenes Verhalten zu hinterfragen. Diese Wirkung hat der Bischof von Digne auch auf die Hauptfigur des Romans, den Galeerenhäftling Jean Valjean, der ihn wegen seines bescheidenen Auftretens zunächst nur für den Ortspfarrer hält. Unter dem Einfluss von Myriels Großmut, die er so noch nirgends erfahren hatte, wird der zunächst verbittert-böse Valjean geläutert. Er richtet seine eigenen Handlungen im Laufe der Zeit immer stärker am Gebot der Nächstenliebe aus, zeigt als Manufakturbesitzer, zu dem er es mit Fleiß und dank einer „Kapitalhilfe“ des Bischofs bringt, soziales Verantwortungsbewusstsein und äußert am Ende seines Lebens als Wohltäter für viele die Hoffnung, das Vorbild des Bischofs von Digne hinreichend beherzigt zu haben. Das hinter dem literarisch verdichteten Beispiel Monsieur Myriels stehende Caritas-Prinzip wurde auch in der Realität zum zentralen Element Katholischer Soziallehre, wie sie sich schließlich programmatisch-konkret herausgebildet hat.12 Wie bei ihrer literarischen „Blaupause“ Hugo´scher Provenienz hat sie nichts mit Zwang zu tun. Sie setzt zuvörderst auf Subsidiarität, Selbstverpflichtung , Eigenverantwortung und genossenschaftliche Zusammenschlüsse. Die Praxis von noch heute aktiven katholischen Organisationen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts (Kolping- Bewegung, Bund katholischer Unternehmer etc.) ist von diesen Prinzipien geprägt. Vom Sozialismus mit seinem vordergründig ähnlichen Ziel, Antworten auf die Soziale Frage zu finden, unterscheidet sich die Katholische Soziallehre diametral. Schon wegen ihrer streng humanitären Ausrichtung, ihrer aus dem Gottesbezug heraus begründeten Betonung individueller Verantwortlichkeit und der Ablehnung kollektivistischer Ansätze, lehnt die Katholische Soziallehre in der Tradition des Aristoteles bzw. des Thomas von Aquin Gleichmacherei und allgemeine Enteignungen der Produktionsmittel ab.13 Sie ist – in der Sprache von Romantikern wie Hugo – motiviert aus Liebe zu den Armen, nicht aus Hass auf die Reichen. Marktwirtschaftliches Ge- 11 Zur Lage der arbeitenden Klassen im 19. Jahrhundert, vgl. Marx, Wirtschaftsliberalismus und Katholische Soziallehre, S.1. 12 Vgl. Wenniges, S.651. 13 Vgl. Berger, S.485 und Ockenfels, Kleine Katholische Soziallehre, S.12 und S.15, zur Berufung auf Aristoteles bzw. Thomas von Aquin ebd., S.40. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 - 3000 - 073/13 Seite 7 winnstreben wird daher auch nicht verteufelt, sondern im Gegenteil als Effizienzvoraussetzung volkswirtschaftlicher Organisation betrachtet.14 So kommentiert denn auch bereits Hugo in seinem Roman unmissverständlich mit Blick auf kirchenfeindliche Versuche zur gesellschaftlichen Umstülpung der Verhältnisse, wie sie insbesondere Marx und Engels damals anstrebten, dass diese Versuche nicht nur in letzter Konsequenz inhuman, sondern vor allem auch praktisch undurchführbar seien. Hugo schreibt: „Der Kommunismus und das Agrargesetz meinen das…Problem [der Besitzverteilung] lösen zu können. Sie irren sich. Ihre Verteilung macht der Produktion den Garaus. Die Gleichteilerei schafft den Wettbewerb und demzufolge die Arbeit ab. Das ist eine Aufteilung nach Art des Metzgers, der tötet, was er teilt. Unmöglich kann man sich also für diese angeblichen Lösungen entscheiden. Vernichteter Reichtum lässt sich nicht verteilen.“15 3. Katholische Soziallehre16 Nach dieser einleitenden Begriffsannäherung soll nun im Folgenden etwas ausführlicher beschrieben werden, was Katholische Soziallehre ausmacht. Der Begriff Katholische Soziallehre entwickelte sich, wie bereits angedeutet, aus der kirchlichsozialen Bewegung in der Mitte des 19. Jahrhunderts, einer Zeit großer Umwälzungen in Gesellschaft und Arbeitswelt (Industrialisierung). Die Wortmeldungen zu sozialen Fragen in dieser Epoche sind verbunden mit den Namen von Papst Leo XIII., Bischof Wilhelm Emanuel von Ketteler17 (den man gewissermaßen als reales Pendant zum fiktiven Monsieur Myriel aus Hugos Roman bezeichnen könnte) und Adolph Kolping. Im 20. Jahrhundert prägten eine Anzahl von päpstlichen Lehrschreiben (Enzykliken) und die Veröffentlichungen namhafter Sozialwissenschaftler und engagierter Theologen wie Kardinal Joseph Cardijn, Joseph Kardinal Höffner, Heinrich Brauns (Reichsarbeitsminister in der Weimarer Republik), Professor Franz Hitze und Oswald von Nell-Breuning das Bild der Kirche in der Gesellschaft . 14 Vgl. Lenzen, S.14 und Hengsbach, S.6, der anerkennend schreibt: „Moderne Gesellschaften sind Marktgesellschaften . Sie vermitteln die Lebenschancen ihrer Mitglieder über deren Einbindung in die Markt- und Geldwirtschaft. Der Markt ist der logische Ort des Tausches von Gütern.“ 15 Hugo, Bd. 2, S.283. 16 Eine ausgezeichnet lesbare Zusammenfassung der Geschichte der Katholischen Soziallehre bietet Ockenfels , Kleine Katholische Soziallehre. 17 Vgl. Wenniges, S.655. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 - 3000 - 073/13 Seite 8 3.1. Oswald von Nell-Breuning (1890-1991)18 Insbesondere der zuletzt genannte Pater gilt als der eigentliche Schöpfer der Katholischen Soziallehre . Der gebürtige Trierer trat 1911 in den Jesuitenorden ein und lehrte ab 1928 Moraltheologie und Sozialwissenschaften an der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Georgen in Frankfurt am Main. Zentrales Thema seines Lebenswerkes war die wirtschaftsethische Grundlegung einer katholischen Wirtschaftsreform und Sozialpolitik.19 In über 1000 Veröffentlichungen beschäftigte sich Nell-Breuning mit Fragen der Gewerkschaften und betrieblichen Mitbestimmung, der Vermögensbildung und des Verhältnisses von Kirche und Staat. Seine formative Erfahrung war dabei der durch Gier befeuerte Börsen-Boom der 1920er Jahre, dessen abruptes Ende am „Schwarzen Freitag“ 1929 zu weltweiten Verwerfungen führte, die in Deutschland mitverantwortlich für den Untergang der Weimarer Republik wurden. In seinem ein Jahr vor dem Crash erschienenen Buch über die Moral von Börsenspekulanten hatte sich Nell-Breuning als hellsichtiger Prophet wirtschaftlicher Fehl-Entwicklungen erwiesen und begonnen , Auswege aufzuzeigen. Dennoch dauerte es bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, ehe er mit seinen Appellen Gehör fand, die nach Bewertung des Ökonomen Schumpeter daran krankten , dass sie, anders als etwa die Ansichten von zeitgenössischen Reformökonomen wie John Maynard Keynes, rein normativ-ethisch ausgerichtet waren und keine analytische Erklärung ökonomischer Problemlagen boten.20 Eine solche lieferten dann erst die Vertreter des sog. Ordo- Liberalismus, der 1948 gemeinsam mit der Katholischen Soziallehre in das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft mündete, die sich seit der Währungsreform herausbildete. Darauf wird in Kapitel 4 näher eingegangen. 3.2. Wesentliche Inhalte der Katholischen Soziallehre21 Orientierungspunkte der von Nell-Breuning formulierten Katholischen Soziallehre sind - die Sozialverpflichtung des Eigentums, - soziale und Chancen-Gerechtigkeit, 18 Eine Würdigung seiner Theorien findet sich in fast allen Abhandlungen zur Katholischen Soziallehre, etwa auch im Aufsatz von Wenniges, S.649ff. 19 Vgl. die biographischen Details unter: http://www.morgenweb.de/region/bergstrasseranzeiger /bensheim/begrunder-der-modernen-katholischen-soziallehre-1.286745 (letzter Aufruf am 15.11.2013). 20 Vgl. Schumpeter, S.765, der deswegen auch die Katholische Soziallehre nur kurz abhandelt und schreibt: „Since it is a normative program and not a piece of analysis, no more will be said about it in this book.“ Ebd. Vgl. auch Merk, S.3. Den „deutlich normativen Charakter“ der Katholischen Soziallehre bestätigt ferner Hilpert, S.12, der es allerdings gerade als deren Stärke ansieht, aufgrund der normativen Ausrichtung zu „praktischen Vorschlägen“, wie Gesellschaft funktionieren solle, in der Lage zu sein. Dies wiederum könne die positivistisch-analytische Wirtschaftswissenschaft nicht leisten. 21 Vgl. grundsätzlich Marx, Wirtschaftsliberalismus und Katholische Soziallehre, passim. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 - 3000 - 073/13 Seite 9 - Wahrung der Rechte der Frau22, - weltweite Verteilung von Wirtschaftsgütern und Ressourcen, - Mitverantwortung und Mitbestimmung im Unternehmen, - der Interessenausgleich zwischen Kapital und Arbeit, - Schutz der Familie, - Eigentumsbildung in Arbeitnehmerhand. Als Leitbegriffe der Katholischen Soziallehre, die sich in ihren ursprünglichsten Wurzeln sowohl auf die Heilige Schrift als auch auf das Naturrecht beruft, gelten:23 - Personalität (Würde der Person), - Solidarität (mitmenschlicher Zusammenhalt) und - Subsidiarität (Verantwortlichkeit und Selbsthilfe der kleineren gesellschaftlichen Einheiten, beginnend bei der Familie). Die Katholische Soziallehre fordert Gerechtigkeit im Zusammenspiel der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kräfte ein sowie den Schutz der Armen und Schwachen. Die Ziele und Ideale der Katholischen Soziallehre wurden bereits vor ihrer eigentlichen Formulierung von kirchlichen Sozialverbänden wie der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) und dem Kolpingwerk aufgegriffen, begleiteten deren Entstehung und wurden bis in die Gegenwart praxisnah weiterentwickelt. Neben den genannten Vereinigungen, deren Geschichte bis heute fortgeschrieben wurde, gibt es aktuell weitere Sozialverbände, die sich auf die Katholische Soziallehre berufen, etwa die Christliche Arbeiter-Jugend (CAJ) oder die Organisation Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung (KKV). Der Einfluss dieser Vereinigungen lässt sich schwer quantifizieren . Unbestritten ist jedoch deren geradezu entscheidender historischer Beitrag zur staatlichen Sozialpolitik in Deutschland im 19. und frühen 20. Jahrhundert. So ist z.B. die Bismarck ´sche Sozial-Gesetzgebung in den 1880er Jahren, die Einführung von Kranken-, Unfall- und Rentenversicherung, wesentlich im Zusammenspiel mit kirchlichen Verbänden und der parla- 22 Vgl. Hengsbach, S.5 und 8. 23 Vgl. Lenzen, S.6-10, die zu den unten aufgeführten drei Grundprinzipien Personalität, Solidarität und Subsidiarität noch die Begriffe Gemeinwohl und Nachhaltigkeit beifügt, die neuerdings die Prinzipien- Trias zur Fünfergruppe erweitern. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 - 3000 - 073/13 Seite 10 mentarischen Vertretung des politischen Katholizismus, dem Zentrum, entstanden und gleichsam der praktische Beweis einer „Sozialpolitik aus christlicher Überzeugung“ gewesen.24 3.3. Grundwerte und Prinzipien Für die inhaltliche Ausgestaltung der Katholischen Soziallehre haben, wie oben angedeutet, auch päpstliche Sendschreiben besondere Bedeutung gehabt. Deshalb seien im Folgenden deren Grundwerte und Prinzipien mit Zitaten aus den wesentlichen Enzykliken zum Thema untermauert , als die die Rundschreiben „Rerum novarum“ (1891), „Quadragesimo anno“ (1931), „Gaudium et spes“ (1965), „Laborem exercens“ (1981) und „Centesimus annus“ (1991) anzusehen sind.25 Die zuerst genannte Enzyklika steht dabei nicht nur chronologisch am Anfang26, sie ist auch das wichtigste Dokument der Katholischen Soziallehre von kirchlicher Seite, ja deren „Magna Charta “, wie Wenniges schreibt.27 1. Personalität28 Geschaffen nach dem Ebenbild Gottes nimmt der Mensch einen herausragenden Platz in der sozialen Ordnung ein. (Genesis 1, 26: ,,Lasset uns den Menschen machen nach unserem Ebenbild"; Genesis 5,1 ,,Am Tag, da Gott den Adam schuf, formte er ihn nach Gottes Ebenbild".) Mit Personalität ist die volle Entfaltung der menschlichen Anlagen, Fähigkeiten, Begabungen und Talente gemeint; zugleich berufen zur Gemeinschaft mit Gott (transzendentaler Bezug) und zum respektvollen Umgang mit den Mitmenschen (sozialer Bezug) sowie zur gesamten Schöpfung (ökologischer Bezug). Zur Personalität gehört die „freie Entfaltung der Persönlichkeit", wie sie Art. 2 des Grundgesetzes jedem einzelnen als Grundrecht garantiert. Aber ebenso die Hinwendung zum Absoluten, das Hinausschreiten des Menschen über sich selbst (Blaise Pascal) oder der „Humanismus im Vollsinn des Wortes", wie Jacques Maritain es nannte. (Soziales Weltrundschreiben „Populorum progressio“ 1967, Nr. 42 und 2.Vat. Konzil 1965: „Gaudium et spes“ Nr. 11ff.) 2. Freiheit29 Eine entscheidende Triebkraft der Entwicklung ist die menschliche Sehnsucht nach Freiheit. Die Freiheit ist jedoch zugleich persönlich und allgemein. Die Menschen haben ein Recht auf ihre in 24 Vgl. dazu Althammer, Soziale Marktwirtschaft, S.270-272, Wenniges, S.652 sowie Schütterle, Sozialpolitik aus christlicher Überzeugung?, passim. 25 Kurze Inhaltsangaben dieser Enzykliken bietet Lenzen, S.2-5. 26 Eine gute und konzise Übersicht der Enzyklika „Rerum novarum“ von Papst Leo XIII. bietet Thiel, S.3-4, ähnlich auch Hilpert, S.16f. 27 Wenniges, S.654. 28 Vgl. Merk, S.5. 29 Vgl. Hengsbach, S.6. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 - 3000 - 073/13 Seite 11 persönlicher Freiheit getroffenen Entscheidungen. Freiheit bedeutet jedoch nicht Beliebigkeit. Sie steht - als persönliche wie als politisch verfasste Freiheit - im Zusammenhang mit vielfältigen Ansprüchen und korrespondierenden Pflichten. Die Würde des Menschen verlangt daher, dass er in bewusster und freier Wahl handle, „das heißt personal, von innen her bewegt und geführt und nicht unter blindem innerem Drang oder unter bloß äußerem Zwang". (2.Vat. Konzil 1965: „Gaudium et spes“ Nr. 17) 3. Gerechtigkeit/soziale Gerechtigkeit30 Gerechtigkeit ist ein grundlegendes Ordnungsprinzip der Gesellschaft. Sie besagt, dass jedem das Seine, d.h. jedem sein Recht zukommt, als Person anerkannt zu werden und ein menschenwürdiges Dasein zu führen. Der Begriff soziale Gerechtigkeit besagt: „Angesichts real unterschiedlicher Voraussetzungen ist es ein Gebot der Gerechtigkeit, bestehende Diskriminierungen aufgrund von Ungleichheiten abzubauen und allen Gliedern der Gesellschaft gleiche Chancen und gleichwertige Lebensbedingungen zu ermöglichen.“ (Sozialwort der Kirchen Nr. 111, 1995) Soziale Gerechtigkeit hat somit den Charakter der Parteinahme für alle, die auf Unterstützung angewiesen sind. Sie erschöpft sich aber nicht in der persönlichen Fürsorge für Benachteiligte, sondern zielt auf den Abbau der strukturellen Ursachen für den Mangel an Teilhabe und Teilnahme am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben. Soziale Gerechtigkeit fordert aber auch jeden auf, „ungerechte Strukturen zu bekämpfen und sich für den Aufbau einer gerechten Gesellschaft einzusetzen.“ (Soziales Weltrundschreiben „Mater et magistra“ 1961 Nr. 73) 4. Solidarität31 Der Grundwert der Solidarität bezieht seine Kraft aus der Überzeugung, dass die Menschen zusammengehören . Die Menschen leben nicht als isolierte Individuen. Nur wenn sie ihre Fähigkeiten und Kräfte bündeln, können sie die gemeinsamen Ziele und Zwecke verwirklichen. Das gilt für die kleinen Lebenskreise wie Ehe und Familie ebenso wie für die gesellschaftlichen Lebensbereiche . Solidarität verpflichtet die Menschen, füreinander einzustehen. „Die schwerwiegenden sozialwirtschaftlichen Probleme, die sich heute stellen, können nur gelöst werden, wenn man neue Allianzen der Solidarität bildet: Solidarität der Armen untereinander; Solidarität mit den Armen, zu der die Reichen aufgefordert sind, Solidarität der Arbeiter und mit den Arbeitern.“ Hier muss allerdings auch vor einem Missbrauch des Begriffs gewarnt werden: Solidarität wird in der Alltagssprache wie im politischen Sprachgebrauch so vielfältig verwendet, dass es nicht einfach ist, ihn vor Missbrauch zu schützen. Steuern werden unter dem Mantel der Solidarität durchgesetzt (Solidarzuschlag). So hat es Solidarität im o.g. Sinne auch „nicht leicht, aus dem 30 Vgl. Ockenfels, Kleine Katholische Soziallehre, S.36ff. 31 Vgl. Merk, S.8. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 - 3000 - 073/13 Seite 12 Schatten von Parteiprogrammen, Sonntagsreden und Maifeiern“ hervorzutreten. (Soziales Weltrundschreiben „Libertatis conscientia“ 1986 Nr. 89)32 5. Subsidiarität33 Unter Subsidiarität wird die Kompetenz und Zuständigkeit des einzelnen und der kleineren Einheiten (Familie, kleinere Gemeinschaften, nichtstaatliche Träger, Kommune) verstanden. Seine und ihre Freiheit und Selbstständigkeit müssen gegenüber der übergeordneten Einheit geschützt werden. Die übergeordnete Einheit wiederum hat im Sinne von Hilfe zur Selbsthilfe die Eigenverantwortung und Eigeninitiative zu fördern, nicht zu ersetzen. Die Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips heißt demzufolge, die vorhandenen menschlichen Fähigkeiten, Ideen und Initiativen zu fördern. Es heißt aber nicht, die einzelnen, die kleinen Gemeinschaften, die Kommunen allein zu lassen und ihnen ungebührliche Lasten aufzubürden. Es entspricht nicht dem Subsidiaritätsprinzip , den Menschen notwendige Hilfen, auch finanzieller Art, mit der Schutzbehauptung vorzuenthalten , sie seien selbstverantwortlich und an ihrer Notlage selber schuld. Solidarität und Subsidiarität gehören zusammen und bilden gemeinsam ein Kriterienpaar zur Gestaltung der Gesellschaft im Sinne der sozialen Gerechtigkeit. (Soziales Weltrundschreiben „Quadragesimo anno“, 1931, Nr. 79)34 6. Gemeinwohl35 Das Gemeinwohl ist die Summe aller politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Bedingungen des sozialen Lebens, die es Frauen und Männern ermöglichen, ganz ihr Menschsein verwirklichen zu können. Das „Gemeinwohl, d.h. die Gesamtheit jener Bedingungen des gesellschaftlichen Lebens, die sowohl den Gruppen als auch deren einzelnen Gliedern ein volleres und leichteres Erreichen der eigenen Vollendung ermöglichen“, nimmt „heute mehr und mehr einen weltweiten Umfang“ an und umfasst „deshalb auch Rechte und Pflichten, die die ganze Menschheit betreffen.“ (2.Vat. Konzil 1965: „Gaudium et spes“ Nr. 26) 7. Vorrang der Arbeit36 Arbeit umfasst das gesamte menschliche Tun, das geistige wie das körperliche, das selbständige wie das unselbständige, sofern es dem Erhalt des Lebens dient. In unserer Gesellschaft spielt die Arbeit in Form der Erwerbsarbeit eine besondere Rolle, da Einkommen für die Mehrheit der Bevölkerung nur durch die Zur-Verfügung-Stellung ihrer Arbeitskraft erzielt werden kann. 32 Vgl. Hilpert, S.25. 33 Vgl. Hilpert, S.23. 34 Ebd. 35 Vgl. Lenzen, S.7-8. 36 Vgl. ebd., S.11-12. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 - 3000 - 073/13 Seite 13 Angesichts der gegenwärtigen Wirklichkeit gilt es nach den Maßgaben der Katholischen Soziallehre vor allem ein Prinzip in Erinnerung zu rufen, das die Kirche immer gelehrt hat: Das Prinzip des Vorranges der Arbeit vor dem Kapital. Dieser Vorrang ist vor allem darin begründet, dass Kapital als „die Gesamtheit der Produktionsmittel nach und nach vom Menschen erarbeitet worden, (also) Frucht der menschlichen Arbeit“ ist; „der Mensch, der sich dieser Produktionsmittel bedienen will, (muss) zuerst einmal sich die Frucht der Arbeit jener Menschen geistig aneignen, die diese Instrumente erfunden, geplant, konstruiert und vervollkommnet haben und dies noch weiterhin tun.“ Kapital „ist nur eine Summe von Dingen. Der Mensch als Subjekt der Arbeit... er allein ist Person .“(Soziales Weltrundschreiben „Laborem exercens“, 1981, Nr.12) 8. Option für die Armen37 Die „Option und vorrangige Liebe für die Armen“ ist eine „bevorzugte Art und Weise, wie die christliche Liebe ausgeübt wird; eine solche Option wird von der ganzen Tradition der Kirche bezeugt. Sie bezieht sich auf das Leben eines jeden Christen, sie gilt aber gleichermaßen für die sozialen Verpflichtungen und daher auch für unseren Lebensstil sowie für die entsprechenden Entscheidungen hinsichtlich des Eigentums und des Gebrauchs der Güter." Das Phänomen weltweit wachsender Armut muss „unser tägliches Leben wie auch unsere Entscheidungen in Politik und Wirtschaft“ prägen und Vorrang erhalten in den Programmen „der Nationen und internationalen Einrichtungen.“ (Soziales Weltrundschreiben „Sollicitudo rei socialis" 1987 Nr. 36 u. 37) 9. Strukturen der Sünde38 Kirchliche Schriften über die Katholische Soziallehre betonen auch diesen ureigenen Bereich moralischer Betrachtung, die Fehlbarkeit des Menschen, seinen Hang zur „Sünde.“ Nach Auffassung klerikaler Vertreter der Katholischen Soziallehre ist es angesichts der Schwierigkeiten, vor denen wir heute stehen, nicht verfehlt, von gesellschaftlichen „Strukturen der Sünde" zu sprechen , die „in persönlicher Sünde ihre Wurzeln haben und daher immer mit konkreten Taten von Personen zusammenhängen, die solche Strukturen herbeiführen, sie verfestigen und es erschweren , sie abzubauen.“ Die zwei „bezeichnendsten“ Verhaltensweisen bzw. „Strukturen der Sünde“ sind ,,die ausschließliche Gier nach Profit“ und „das Verlangen nach Macht". (Soziales Weltrundschreiben „Sollicitudo rei socialis“ 1987 Nr.42). Die hier bewusst theologische Begrifflichkeit , die Wortwahl Sünde, wird von Außenstehenden kritisiert und als grundsätzliches Manko der Katholischen Soziallehre betrachtet.39 10. Mitbeteiligung / Partizipation Echten Fortschritt kann es nach Katholischer Soziallehre nur in einem sozialen und politischen System geben, das die Freiheiten achtet und sie durch die Mitbeteiligung aller fördert. Von dieser 37 Vgl. Hilpert, S.21. 38 Vgl. Ockenfels, Kleine Katholische Soziallehre, S.32. 39 Vgl. Merk, S.14. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 - 3000 - 073/13 Seite 14 Mitbeteiligung am sozialen und politischen Leben „darf niemand wegen Geschlecht, Rasse, Hautfarbe , wegen seiner sozialen Stellung, wegen Sprache oder Religion ausgeschlossen werden." (Soziales Weltrundschreiben „Libertatis conscientia“ 1986, Nr.95) 11. Universelle Bestimmung der Güter Dieses Prinzip, verbunden mit dem der menschlichen und übernatürlichen Brüderlichkeit schreibt den reichsten Ländern ihre Verpflichtungen gegenüber den armen Ländern vor. „Es sind Pflichten der Solidarität in der Hilfe für die Entwicklungsländer, der sozialen Gerechtigkeit durch eine korrekte Überprüfung der Handelsbeziehungen zwischen Nord und Süd und durch die Förderung einer menschlichen Welt für alle.“ „Das private Eigentumsrecht ist dem Recht auf die gemeine Nutzung, der Bestimmung der Güter für alle, untergeordnet". (Soziales Weltrundschreiben „Laborem exercens“, 1981, Nr.14,2) 12. Entwicklung40 Papst Paul VI. stellte 1967 in der Sozialenzyklika „Populorum progressio“ Nr. 76 fest, dass der Begriff der Entwicklung der neue Name für Frieden sei. „Das Elend bekämpfen und der Ungerechtigkeit entgegentreten heißt nicht nur die äußeren Lebensverhältnisse bessern, sondern auch am geistigen und sittlichen Fortschritt aller arbeiten und damit zum Nutzen der Menschheit beitragen .“ 13. Beteiligung an der Umgestaltung der Welt41 Der Einsatz für die Gerechtigkeit und die Beteiligung an der Umgestaltung der Welt werden gesehen als „wesentlicher Bestandteil der Verkündigung der Frohen Botschaft, d.h. der Sendung der Kirche zur Erlösung des Menschengeschlechts und zu seiner Befreiung aus jeglichem Zustand der Bedrückung.“ Soziales Weltrundschreiben „De justitia in mundo" 1971, Nr.6) 14. Akzeptanz des Menschlich-Allzumenschlichen42 Bemühung um persönliche Vervollkommnung ist in der Katholischen Soziallehre zentral.43 Sie ist unabdingbare Voraussetzung nachhaltig wirkender Gerechtigkeit. Dennoch wird nicht von jedem erwartet, denselben Vollkommenheitsgrad zu erreichen wie die beispielhaften Gestalten Schweitzer oder Myriel bzw. die gleiche Entsagung zu üben wie Mutter Theresa oder Papst Franziskus . Die Katholische Soziallehre orientiert sich vielmehr an einem realistischen Menschenbild , das den Einzelnen nicht überfordert. Sie verzichtet auf die Verteufelung menschlicher 40 Vgl. Hengsbach, S.9. 41 Vgl. ebd., S.4. Hengsbach fordert in den Nord-Süd-Beziehungen von den reichen Ländern mehr Unterstützung für die Armen und plädiert für eine „Grammatik sozialer Grundrechte im Horizont katholischer Soziallehre.“ 42 Vgl. Ockenfels, Kleine Katholische Soziallehre, S.32. 43 Vgl. Merk, S.16. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 - 3000 - 073/13 Seite 15 Schwächen und grenzt sich damit erneut von Unduldsamkeitsfacetten extremer Sozialideologien wie dem Kommunismus ab, der die Tendenz hat, Menschen der Ideologie anzupassen, statt umgekehrt die Ideologie am Menschen auszurichten.44 Die in der Personalitätsforderung der Katholischen Soziallehre enthaltene Rücksichtnahme auf die „Natur des Menschen“ erschließt sich bereits aus dem Neuen Testament, der originärsten Quelle christlichen Denkens.45 So verweisen Befürworter der Katholischen Soziallehre auf die große Menschenkenntnis von Jesus und seine bei aller moralischen Stringenz im Denken und Handeln offenbare Duldsamkeit gegenüber menschlich-allzumenschlichem Verhalten. Demnach sind das auf Egoismus beruhende wirtschaftliche Gewinnstreben, beruflicher Ehrgeiz, die Bemühung um Anerkennung und materielle Annehmlichkeiten durchaus christlich46, zumal auch Nächstenliebe als zentrale christliche Forderung ihrerseits auf Eigenliebe beruht bzw. diese voraussetzt (weswegen auch Jesus sagt: „Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst.“).47 Marktwirtschaft als effizienzorientierte Wirtschaftsform zur Durchsetzung individueller Interessen ist somit keine Antithese zu sozialer Verantwortung , sondern im Gegenteil Voraussetzung für deren Finanzierbarkeit. Der Theologe Klaus Berger, dessen Denken stark von der Katholischen Soziallehre Nell-Breunings geprägt ist48, schreibt dazu lapidar: „Christentum ist auch unter Wohlhabenden möglich.“49 Auch der Wirtschaftsethiker Hübner bestätigt dies. Er sagt, Jesus sei durchaus nicht antiökonomisch eingestellt, sondern im Gegenteil Befürworter eines innerhalb klarer Ordnungsvorgaben ablaufenden Einsatzes von Eigennutzerwägungen. Als einprägsames Exempel führt er in diesem Zusammenhang die theologenintern als „Skandalgleichnis“ 50 bezeichnete Parabel vom „Ungetreuen Verwalter“ (Lukas 16,9) an. In ihr wird sogar eine Extremform des Eigennutzes geschildert und, wenn nicht in ihrer konkreten Form des Vollzugs, so doch in ihrer Motivation gerechtfertigt . Es geht um den Fall eines Domestiken, der auf Griechisch „oikonomos“, also Hausverwalter , genannt wird und von Hübner als Musterbeispiel moderner Ökonomen und Banker beschrieben wird.51 Dieser „Ökonom“ hat „in Tateinheit folgende Delikte begangen: Urkundenfälschung , Betrug, Veruntreuung und Bestechung.“52 Der Verwalter hat seinen Patron bestohlen 44 Vgl. Berger, S.485. 45 Vgl. Wenniges, S.650. 46 Vgl. Lenzen, S.14. 47 Vgl. Berger, S.118, zum Charakter der Caritas in der Katholischen Soziallehre, die mitunter auch als „soziale Liebe“ bezeichnet wird, vgl. Hilpert, S.19 und Wenniges, S.655. 48 Berger nennt Nell-Breuning „großer alter Freund“ und rühmt seinen lebenslangen Einsatz für die arbeitenden Menschen und die christliche Soziallehre. Berger, S.492. 49 Ebd., S.489, vgl. ausführlich Ockenfels, Kleine Katholische Soziallehre, S.39ff., der hier das Lob von Papst Johannes Paul II. für die Erfolge der Sozialen Marktwirtschaft erwähnt, die dem Papst aus Polen als wohltuender Kontrast zur selbst erlebten „Tyrannei“ des Ostblock-Sozialismus erschienen. 50 Berger, S.116. 51 Vgl. Hübner, S. S.202/203. 52 Berger, S.116. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 - 3000 - 073/13 Seite 16 und halbiert nun zusätzlich die monetären Verpflichtungen von dessen Schuldnern, um sich deren Sympathien zu erkaufen, „auf dass sie ihn bei sich aufnehmen“, wenn er wegen Betrugs entlassen wird. Für dieses Verhalten nun wird der Verwalter von Jesus nicht gegeißelt. Er sieht sich stattdessen für die Klugheit gelobt, „in einer Situation, in der ihm das Wasser bis zum Halse stand, das Menschenmögliche getan [zu haben], um seine eigene Zukunft zu sichern.“53 Solche Vorsorge findet Jesus anerkennenswert und fordert im Lukas-Evangelium allgemein: „Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon!“ Hübner hat dieser „anstößigen“ Bibel-Stelle54, die es angesichts „struktureller Sünde“ in der Welt lebensklug erscheinen lässt, ein gewisses Maß an eigener Sündhaftigkeit aus Notwehr zuzulassen , ein ganzes Buch gewidmet.55 Auf ihrer Basis beurteilt er auch die ebenfalls auf „struktureller Sünde“ allgemeiner Gier beruhende Finanzmarktkrise von 2007/08 „realistisch“ und erklärt das Jesus-Gleichnis vom „Ungerechten Verwalter“ zu einer auch in dieser Situation empfehlenswerten Handlungsmaxime. Er schreibt: „Auch unter den gegenwärtigen Bedingungen des globalen Finanzmarktes werden ´Verwalter´ gebraucht, die dem bestehenden Unrechtssystem entschieden zu Leibe rücken und durch ihre Handlungen neues Recht und handlungsweisende Grundlagen für eine Globalisierung der Menschenrechte schaffen.“56 Dieser „realistische“ Ansatz nimmt die Menschen so, wie sie sind, und baut ein funktionierendes Regelsystem um ihre naturellbedingten „Unzulänglichkeiten“ herum, statt Sozialutopien gesellschaftlicher Umstülpung zu entwickeln, die als weltfremd, ja gefährlich erscheinen. Solcher Realismus kommt dem nahe, was Karl Popper in anderem Kontext als „soziale Stückwerkstechnologie “ bezeichnet, die gesellschaftlichen Fortschritt durch reformerische Verbesserungen erreichen möchte und auf Evolution statt Revolution setzt. Kritiker attestieren der Katholischen Soziallehre infolge ihres Rückbezugs auf die Heilige Schrift und das jesuanische Beispiel „sozialethischen Biblizismus“57 und bestreiten damit die wissenschaftliche Qualität ihrer Schlussfolgerungen, halten „christliche Sozialtheologie“58 aber dennoch für „bedeutungsvoll“ und anerkennen den Erfolg des Konzepts bei der praktischen Umsetzung in der Bundesrepublik.59 Auf deren wirtschaftliche Rahmenordnung ist nun einzugehen. 53 Berger, S.117. 54 Vgl. zum Charakter der „Anstößigkeit“ dieses Gleichnisses ebd., S.488. 55 Vgl. Hübner, passim. 56 Ebd., S.204. 57 Merk, S.11. 58 Ebd. 59 Ebd. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 - 3000 - 073/13 Seite 17 4. Soziale Marktwirtschaft60 Bereits vor der wirtschaftspolitischen Ausgestaltung der Sozialen Marktwirtschaft in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg existierten theoretische und wissenschaftliche Modelle, die ihren Inhalt bzw. ihre Zielsetzung beschrieben. Die Urheber und Gedankenträger dieser wirtschaftspolitischen Philosophien können als die geistigen Väter der Sozialen Marktwirtschaft betrachtet werden. 4.1. Geistige Väter Franz Böhm (1895-1977) Walter Eucken (1891-1950) Wilhelm Röpke (1899-1966) Alexander Rüstow (1885-1963) Friedrich August von Hayek (1899-1992) Da Böhm, Eucken und Röpke nahezu zeitgleich in Freiburg lehrten, spricht man im Zusammenhang mit ihrer Denkrichtung auch von der „Freiburger Schule“ in der Volkswirtschaftslehre. Ihr verbindendes Element ist die Vorstellung, dass auch eine auf Freiheit beruhende Wirtschafsordnung Regeln braucht, einen Ordnungsrahmen, der die Spielregeln festlegt, nach denen sich das wirtschaftliche Handeln vollzieht. Rüstow und von Hayek mit etwas anderer fachlicher „Sozialisation“ haben sich vor allem um die gesellschaftsphilosophische Begründung von Herrschaftsordnungen verdient gemacht. Das Verdienst dieser Männer im Gesamten liegt nach Ansicht von Ökonomen darin, an einer neuen gesellschaftlichen und wirtschaftspolitischen Verfassung mitgewirkt zu haben, die ihre Lehren aus Fehlentwicklungen der Vergangenheit zog. Diese Fehlentwicklungen bestanden in einem „orientierungslosen Interventionismus in den westlichen Industrieländern zwischen den Weltkriegen“, in der nationalsozialistischen Zwangswirtschaft und in der ineffizienten wirtschaftsbürokratischen „Mangelverwaltung“ nach dem Zweiten Weltkrieg.61 60 Ausführliche Würdigungen von Herkunft und Gestalt der Sozialen Marktwirtschaft finden sich in vielen Ökonomielehrbüchern. Eines davon ist das Werk von Lothar Wildmann, dessen Inhalt in diesem Abschnitt schwerpunktmäßig referiert wird. 61 Wildmann, S. 94. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 - 3000 - 073/13 Seite 18 Basierend auf dem Freiheitsgedanken suchten die Wissenschaftler für die Zukunft einen dritten Weg zwischen Kapitalismus und Kollektivismus.62 Diesen fanden sie in Gestalt des sog. Ordo- Liberalismus.63 4.2. Der Ordo-Liberalismus Diese Spielart neoklassischer Wirtschaftstheorie in der Tradition Adam Smiths und Alfred Marshalls sollte eine geordnete und gelenkte, vom Grundsatz her aber freie Marktwirtschaft sein. Der Wettbewerb erscheint als notwendiges Element und wird als konstitutiv betrachtet. Der Wettbewerb soll sogar eigens durch den Staat geschützt und bewahrt werden (Kartellgesetze, Verhinderung von Monopolbildung etc.). Darüber hinaus hat der Staat für soziale Gerechtigkeit zu sorgen, wobei er sich zu deren Herstellung jedoch soweit möglich marktkonformer Methoden bedienen soll. Dies sind Methoden, die das zentrale Instrument der Wettbewerbsordnung, die freie Preisbildung, nicht außer Kraft setzen und dadurch Fehlallokationen vermeiden (ineffiziente Verteilung der Produktionsfaktoren im Herstellungsprozess auf die einzelnen ökonomischen Einheiten), zu denen es ohne freies Preissystem regelmäßig kommt (vor allem in Zentralverwaltungswirtschaften wie im früheren Kommunismus ). Eine marktkonforme Maßnahme zur Herstellung sozialer Gerechtigkeit wäre etwa die Zahlung einer Mietbeihilfe für sozial Schwache. Sie unterstützt die Bedürftigen, überlässt jedoch die Höhe der Mieten dem freien Spiel von Angebot und Nachfrage. Eine marktwidrige Methode wäre demgegenüber die Festlegung einer bestimmten Miethöhe (Mietpreisbindung), die nach aller Erfahrung mit Wohnraumverknappung oder nicht-monetären Mieterschikanen einhergeht und längerfristig das Gegenteil des Erstrebten erzeugt. 4.3. Politische Väter Die praktische Umsetzung der oben genannten Konzepte oblag insbesondere zwei Personen aus der Frühzeit der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Ludwig Erhard und Alfred Müller- Armack. 1. Ludwig Erhard (1897-1977) Der in Fürth geborene Erhard war 1948 Direktor der Wirtschaftsverwaltung der amerikanischen und britischen Besatzungszone (Bi-Zone), bevor er 1949 der erste Bundeswirtschaftsminister des freien Nachkriegsdeutschland wurde. Dieses Amt übte er bis 1963 aus. Anschließend folgte er Konrad Adenauer im Amt des Bundeskanzlers nach, das er bis 1966 innehatte. Seine wirtschaftspolitischen Entscheidungen der Zeit bis 1963 setzten größtenteils das in praktische Gesetze um, was die Ordo-Liberalen angedacht hatten. 62 Vgl. dazu Ockenfels, Kleine Katholische Soziallehre, S.38ff., auch Thiel, S.2. 63 Vgl. grundsätzlich Marx, Wirtschaftsliberalismus und Katholische Soziallehre, S.5ff.. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 - 3000 - 073/13 Seite 19 2. Alfred Müller-Armack (1901-1978) Als Staatssekretär Ludwig Erhards eine Art „rechte Hand“ des Wirtschaftsministers, war Müller- Armack für die politische Umsetzung der Sozialen Marktwirtschaft in den Augen heutiger Analysten eher noch wichtiger als sein Chef. Viele Ideen Erhards wurden von Müller-Armack präzisiert , in praktische Form gegossen und mit eingängigen Begriffen versehen. So geht etwa der Ausdruck Soziale Marktwirtschaft auf einen Vorschlag Müller-Armacks zurück. Auch inhaltlich setzte Erhards Berater eigene Akzente. So reichte für ihn die Bandbreite der wirtschaftlichen Aktivitäten des Staates weiter als für Ludwig Erhard selbst, nämlich von der ordnungspolitischen Wettbewerbspolitik über die Sozial- und Verteilungspolitik bis hin zur ablauforientierten Konjunktur - und Wachstumspolitik. Nach seiner Überzeugung war wirtschaftliches Wachstum nicht nur ein Ziel neben vielen anderen Zielen, sondern Grundlage für die Erreichung der anderen Ziele. Müller-Armack propagierte „eine bewusste Politik des wirtschaftlichen Wachstums“ (1956), denn kräftiges Wirtschaftswachstum und eine florierende Wirtschaft waren für ihn die Voraussetzung für Umverteilung und soziale Sicherung (im Bild des eingangs erwähnten Victor Hugo plädierte Müller-Armack für Sozialpolitik nicht nach Art des Metzgers, sondern des Rinderzüchters. Schlachtung nicht aus dem Bestand, sondern aus erwirtschaftetem Überschuss. Nur das generiert nach ihm „Wohlstand für alle“). Freiheit und Gerechtigkeit sind für Müller-Armack abhängig von wirtschaftlichem Wohlstand. Entsprechend durfte nach ihm staatliche Sozialpolitik nie soweit führen, dass das marktwirtschaftliche Prinzip gefährdet würde. Er nannte dies „regulatives Prinzip sozialer Interventionen “ und meinte damit, dass man „den sozialen Zweck sichern [müsse], ohne störend in die Marktapparatur einzugreifen. Dennoch war ihm auch die soziale Verantwortung des Staates so wichtig, dass er noch in seinem Testament darum bat, das Adjektiv sozial in Verbindung mit Marktwirtschaft stets groß zu schreiben, um dessen mehr als bloß schmückende Bedeutung für die programmatisch aufgeladene Wortkombination zu betonen. 4.4. Konzept Ziele und Inhalte der von Erhard und Müller-Armack geprägten bundesdeutschen Wirtschaftsordnung wurden erstmals konzise 1949 in Gestalt der Düsseldorfer Leitsätze der CDU64 vorgelegt und in den Folgejahren umgesetzt. Im Zentrum stand das Zielepaar Freiheit und Gerechtigkeit. Freiheit bezieht sich dabei auf das Individuum und meint sowohl Freiheit und Eigenständigkeit in den Entscheidungen als auch das damit verbundene Risiko und Verantwortungsbewusstsein der einzelnen Menschen. Die Individuen als Akteure des Marktes entscheiden, was sie beruflich machen möchten, was sie anbieten wollen und was sie kaufen und konsumieren möchten. Wesentliche Voraussetzung für diese Freiheit des Marktes ist das grundgesetzlich zugesicherte Privateigentum an Produktionsmitteln. Dass die Freiheit aber nicht grenzenlos ist und nicht missbraucht werden darf, zeigen die bewusst verfügten Einschränkungen der Freiheit. So soll etwa das erwähnte Wettbewerbsrecht den Missbrauch des freien Wettbewerbs zu wettbewerbswidrigen Zwecken (Unternehmensabsprachen, Preiskartelle etc.) verhindern und schränkt diese 64 Vgl. Thiel, S.3. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 - 3000 - 073/13 Seite 20 „Missbrauchsfreiheit“ explizit ein. Als weitere Einschränkung des Privateigentumscharakters kann die Sozialpflichtigkeit gelten, die in Art. 14 Abs. 2 Grundgesetz festgeschrieben ist. Während der Aspekt der Freiheit die individuelle Sichtweise betont, lenkt der Aspekt der Gerechtigkeit auf den Sinn und die Bedeutung der Gemeinschaft für die Soziale Marktwirtschaft. Auch wenn die Menschen individuell handeln können und müssen, sollen sie sich doch als Solidargemeinschaft erfahren. Diesem Ziel dienen Umverteilungen durch die progressive Besteuerung der Einkommen und Sozialleistungen durch die gesetzlichen Sozialversicherungen. Damit soll allen Menschen eine Teilhabe am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben ermöglicht werden, vor allem aber ein menschenwürdiges Leben. Im Zusammenspiel ergeben Freiheit und Gerechtigkeit das „Fundament der Sozialen Marktwirtschaft .“ 65 Ihr genaues Mischverhältnis ist allerdings nicht für alle Zeiten festgelegt, sondern schwingt je nach Zeit und Umständen einmal mehr zur einen, dann zur anderen Seite aus, ohne je in einem der Extreme zu verharren. 4.5. Grundgesetz und Soziale Marktwirtschaft In der bundesdeutschen Verfassung fehlt der Begriff der Sozialen Marktwirtschaft. Dies erstaunt angesichts des Erfolgs seiner Wirkung, aber auch angesichts der entschiedenen Festlegung auf eine konkrete Wirtschaftsordnung, wie sie in der DDR üblich war. Dort hieß es in Art. 9, Abs. 1 und 2 der DDR-Verfassung explizit: „Die Volkswirtschaft der Deutschen Demokratischen Republik beruht auf dem sozialistischen Eigentum an den Produktionsmitteln (…). Die Volkswirtschaft der Deutschen Demokratischen Republik ist eine sozialistische Planwirtschaft (…).“66 Trotz der „Zurückhaltung“ des Grundgesetzes hinsichtlich einer begrifflichen Präzisierung der präferierten Wirtschaftsordnung gibt es viele Vorschriften, die eine Konkretisierung nahelegen, wie sie die Soziale Marktwirtschaft vorgenommen hat. Als entscheidende Abschnitte gelten die Regelungen der Grundrechte (Freiheiten) in den Artikeln 2-19 sowie die Beschreibung Deutschlands als „demokratischer und sozialer Bundesstaat“ im „Grundlagenartikel“ 20 GG. 1. Privateigentum Unter der Annahme, dass das Recht auf Privateigentum eine unabdingbare Voraussetzung für die Marktwirtschaft darstellt, ist Artikel 14 Absatz 1 ein elementarer Fingerzeig für marktwirtschaftliche Orientierungen der Verfassungsväter von 1948/49. Hierin heißt es: „Eigentum und Erbrecht werden gewährleistet.“ Auch der in Absatz 2 ergänzte Hinweis auf die bereits erwähnte Sozialpflichtigkeit des Eigentums negiert nach Meinung vieler Experten nicht die marktwirtschaftliche Perspektive, schränkt diese aber ein und betont die Verantwortung gegenüber der Allgemeinheit . Gerade hierin steckt das „Soziale“ der Marktwirtschaft. 65 Wildmann, S.98. 66 Zit. nach: Ebd., S.102. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 - 3000 - 073/13 Seite 21 2. Freizügigkeit und Berufsfreiheit Diese in den Artikeln 11 und 12 verankerten Grundrechte untermauern wieder den marktwirtschaftlichen Boden der Wirtschaftsordnung und regeln das Recht, zu wohnen und leben, wo man will (Mobilitätsvoraussetzung marktwirtschaftlicher Ordnungen), sowie das Recht, die Ausbildung bzw. das Studienfach und den Beruf frei zu wählen, was ebenfalls zwingend für die Optimierung des Allokationsproblems moderner Volkswirtschaften ist. 3. Demokratischer und sozialer Bundesstaat In der Auslegung dieser Verfassungsvorgabe mit Grundlagencharakter weichen die Interpretationen von Exegeten staatlicher Verfasstheit stark voneinander ab. So ist durchaus umstritten, ob die Bezeichnung der Bundesrepublik Deutschland als demokratischer und sozialer Bundesstaat in Art. 20 (1) des Grundgesetzes mit Blick auf die bundesdeutsche Gesamtordnung zwingend eine Soziale Marktwirtschaft begründet. Manche meinen, dass eine Planwirtschaft mit Demokratie unvereinbar sei und sich insofern bereits aus dem „demokratischen“ Aspekt nur das „Marktwirtschaftliche “ ableiten lässt. Andere halten diese Argumentation für nicht zwingend und sehen eine prinzipielle Offenheit der wirtschaftspolitischen Rahmensetzung in Gegenwart und Zukunft .67 Vereinfacht lassen sich drei Positionen unterscheiden, die miteinander konkurrieren: Die erste betont die Neutralität des Grundgesetzes gegenüber einer Ordnung der Wirtschaft. Über jegliche Konkretion der Wirtschaftsordnung sei eine Stellungnahme vermieden. Die zweite Position besagt , dass die Marktwirtschaft aus dem Grundgesetz abgeleitet werden könne, aber nicht zwingend müsse. Und die dritte Position sieht die Marktwirtschaft als einzig zulässiges Fundament nach den Vorgaben des Grundgesetzes.68 5. Verbindungen von Katholischer Soziallehre und Sozialer Marktwirtschaft Nach der separaten Darstellung von Katholischer Soziallehre und Sozialer Marktwirtschaft, deren Ähnlichkeiten bislang lediglich ad hoc verdeutlicht wurden, bleibt nun noch, das Gemeinsame gezielt herauszuarbeiten. Es geht um die eingangs erwähnte Frage, wie viel Katholische Soziallehre in der Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland steckt. In seinem 1957 veröffentlichten Buch „Wohlstand für alle“ fasste Ludwig Erhard die Grundprinzipien der zu diesem Zeitpunkt bereits etablierten Sozialen Marktwirtschaft zusammen. An zentraler Stelle schreibt er: 67 Vgl. Wildmann, S.104. 68 Ebd. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 - 3000 - 073/13 Seite 22 „Ich will mich aus eigener Kraft bewähren, ich will das Risiko des Lebens selbst tragen, will für mein Schicksal selbst verantwortlich sein. Sorge Du, Staat, dafür, dass ich dazu in der Lage bin.“69 Damit brachte er sein ordo-liberales Credo auf den Punkt, das auf den ersten Blick keine direkte Verbindung zur Katholischen Soziallehre aufzuweisen scheint und diese jedenfalls nicht explizit als Ideenquelle erwähnt. So wurde denn auch damals intensiv diskutiert, ob die Katholische Soziallehre überhaupt vereinbar sei mit den Grundsätzen, die von Erhard und Müller-Armack vertreten wurden, ob von diesen nicht Individualismus, Wettbewerb und wirtschaftliche Freiheit zu sehr in den Vordergrund gestellt würden. Ausgehend jedoch vom Theoriegerüst der Freiburger Schule um Böhm, Röpke und Eucken änderte sich die Beurteilung der Zusammenhänge. Ihr auch als „ökonomischer Humanismus“ (Röpke) bezeichneter Ordo-Liberalismus wies große Nähe zur Personalitätsbezogenheit der Katholischen Soziallehre auf. Diese äußerte sich auch darin, dass Walter Eucken VWL-Lehrer des späteren Kardinals Joseph Höffner, eines führenden Vertreters der Katholischen Soziallehre, war.70 Diese bis ins Personelle reichenden Querverbindungen sorgten dafür, dass sich seit Ende der fünfziger Jahre zunehmend die in der Einleitung unter Berufung auf Dahrendorf zitierte Auffassung durchsetzte, dass Soziale Marktwirtschaft und Katholische Soziallehre sehr viel miteinander zu tun haben, ja aufs Engste wesensverwandt sind71 und die Soziale Marktwirtschaft gleichsam als „angewandte katholische Soziallehre“ erscheint.72 Dazu schreibt Althammer: „Legt man zur Charakterisierung sozialstaatlicher Arrangements die einschlägige Typologie von G sta Esping-Andersen zu Grunde, so wird deutlich, dass sich alle charakteristischen Merkmale des deutschen Sozialstaates auf Gestaltungsprinzipien der katholischen Soziallehre zurückführen lassen. Nach Esping-Andersen zeichnet sich der deutsche Sozialstaat durch ein hohes Maß an Erwerbszentriertheit, hoher Stratifikation (soziale Schichtung, V.S.) und einem hohen Grad an Familiarismus aus. Erwerbszentriertheit bzw. ein geringer Grad an Dekommodifizierung (Abkoppelung sozialer Sicherheit vom Arbeitsmarkt, V.S.) ist für das deutsche Sozialstaatsmodell charakteristisch, da ein Leistungsanspruch in der Regel ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis voraussetzt. Darüber hinaus wirken sich aufgrund des Äquivalenzprinzips in der Sozialversicherung die Höhe des Arbeitseinkommens und die Dauer der Einzahlungen auf die Höhe der Sozialversicherungsleistungen aus. Auch die Leistungen der sozialen Grundsicherung zielen auf eine Reintegration des Leistungsbeziehers in das Erwerbsleben ab.“ 73 69 Zit. nach: Wildmann, S.89. 70 Vgl. Marx, Wirtschaftsliberalismus und Katholische Soziallehre, S.7. 71 Vgl. Althammer, Soziale Marktwirtschaft, S.272-275. 72 Zit. nach: Ebd., S.275. 73 Ebd., S.277/278. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 - 3000 - 073/13 Seite 23 Weitere Elemente des deutschen Sozialstaats mit „klarer“ Herkunft aus dem Forderungskatalog der Katholischen Soziallehre sind nach Althammer die Familienorientierung vieler Sozialleistungen , das Splittingverfahren bei der Besteuerung und das Schutzgebot von Ehe und Familie nach Art. 6 GG. 74 Wenniges pflichtet dieser Ansicht bei und schreibt: „Von einer Rezeption der sozialen Marktwirtschaft im üblichen Sinne kann man bei der Katholischen Soziallehre nicht sprechen. Vielmehr hat sie sie mitdefiniert.“75 Auch der frühere Bundesbankpräsident Hans Tietmeyer bestätigt diesen engen Zusammenhang und schreibt in einem Essay für die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft: „Einen wichtigen Einfluss auf diese Entwicklung [der Annäherung von Katholischer Soziallehre und Sozialer Marktwirtschaft, V.S.] hatten Sozialethiker wie Josef Kardinal Höffner, Wilhelm Weber, Oswald von Nell-Breuning, Anton Rauscher, Lothar Roos und Wolfgang Ockenfels, die immer wieder die Gemeinsamkeiten herausstellten. Josef Kardinal Höffner formulierte es so: ´Die Katholische Soziallehre hält die Marktwirtschaft für die richtige Grundform der Wirtschaftsordnung . Sie ist jedoch davon überzeugt, dass ihr ein humanes Leitbild gegeben werden muss.´ Als ´Höhepunkt der Versöhnung zwischen Sozialer Marktwirtschaft und den Grundsätzen der Katholischen Soziallehre´ (Weihbischof Reinhard Marx) kann die Enzyklika ´Centesimus Annus´ aus dem Jahr 1991 gesehen werden. Diese macht die weitgehenden Übereinstimmungen zwischen den Leitlinien der Katholischen Soziallehre für die Wirtschaftsordnung und den Grundprinzipien der Sozialen Marktwirtschaft besonders deutlich.“76 Und weiter: „In Centesimus Annus unterscheidet Johannes Paul II. zwei Arten des ´Kapitalismus´. Während er einen ungezügelten ´Kapitalismus´, ´in dem die wirtschaftliche Freiheit nicht in eine feste Rechtsordnung eingebunden ist´, ablehnt, befürwortet er den ´Kapitalismus´ eindeutig dann, wenn er ´ein Wirtschaftssystem bezeichnet, das die grundlegende und positive Rolle des Unternehmens, des Marktes, des Privateigentums und der daraus folgenden Verantwortung für die Produktionsmittel, der freien Kreativität des Menschen im Bereich der Wirtschaft anerkennt.´ Der freie Markt ist ´das wirksamste Instrument für die Anlage der Ressourcen und für die beste Befriedigung der Bedürfnisse.´ Ausdrücklich wird die Bedeutung der Eigeninitiative hervorgehoben, die sich aus dem Subsidiaritätsprinzip ergibt. Der Text würdigt auch die Rolle des Unternehmers: ´Gerade die Fähigkeit, die Bedürfnisse der anderen Menschen und die Kombinationen der geeignetsten Produktionsfaktoren für ihre Befriedigung rechtzeitig zu erkennen, ist eine bedeutende Quelle des Reichtums in der modernen Gesellschaft.´“77 Tietmeyer schließt: „Dass die katholische Kirche die Ergebnisse des Marktes nicht von vornherein als gerecht ansieht, dass sie der sozialen Verpflichtung des Eigentums und der Gemeinwid- 74 Vgl. ebd., S.278. 75 Wenniges, S.656. 76 Tietmeyer, o.S. 77 Ebd. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 - 3000 - 073/13 Seite 24 mung aller Güter einen hohen Stellenwert einräumt, bedarf hier keiner besonderen Erwähnung. Die katholische Soziallehre warnt aber vor der Gefahr, dass der Sozialstaat zum aufgeblähten Wohlfahrtsstaat entartet. In Centesimus Annus (48) betont Johannes Paul II., dass das Subsidiaritätsprinzip einerseits die Tätigkeit des Sozialstaates begrenzt, andererseits dem einzelnen Bürger eine hohe soziale Verantwortung zuweist: ´Der Wohlfahrtsstaat, der direkt eingreift und die Gesellschaft ihrer Verantwortung beraubt, löst den Verlust an menschlicher Energie und das Aufblähen der Staatsapparate aus, die mehr von bürokratischer Logik als von dem Bemühen beherrscht werden, den Empfängern zu dienen; Hand in Hand damit geht eine ungeheure Ausgabensteigerung . Wie es scheint, kennt tatsächlich derjenige die Not besser und vermag die anstehenden Bedürfnisse besser zu befriedigen, der ihr am nächsten ist und sich zum Nächsten des Notleidenden macht.´“78 Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass die Verbindung von Katholischer Soziallehre und Sozialer Marktwirtschaft nicht so homogen ist, wie es sich aus Tietmeyers Schilderung zu ergeben scheint. Im Gegenteil zeigen sich enorme Unterschiede in der Beurteilung konkreter Problemlagen innerhalb der Katholischen Soziallehre selbst, die bei manchem distanzierten Betrachter zur „Verwirrung Anlaß bieten.“79 So kommt etwa der frühere Bundesarbeitsminister Norbert Blüm als einer der prominentesten Praktiker Katholischer Soziallehre mit Blick auf aktuell notwendige Regulierungen des Finanzkapitalismus zu durchaus anderen, weiter reichenden Reformüberlegungen als der Geldexperte Tietmeyer oder der erwähnte Wirtschaftsethiker Hübner.80 Doch gerade darin scheint die Stärke des Konzepts Katholischer Soziallehre zu liegen, dass sie zwar nicht beliebig ist, aber auf der Basis gemeinsamer Grundauffassungen ein breites Band interpretatorischer Auslegungsmöglichkeiten bietet. Althammer spricht von einem „stetigen aggiornamento“81, das unter diesen Umständen möglich sei. Damit kann der Komplexität realer Problemlagen angemessener begegnet werden, als es mit einem allzu verengten Blick auf die Dinge möglich wäre. Diese Flexibilität hat wohl zum Erfolg der Konzeption beigetragen, die auch nach Auffassung von Beobachtern, die der Katholischen Soziallehre nicht nahestehen, eine der Ursachen für die bislang bemerkenswert harmonische Wirtschaftsentwicklung der Bundesrepublik Deutschland ist („Wirtschaftswunder“). Sie gilt als eine der Erklärungen dafür, dass das „Erfolgsmodell“ Soziale Marktwirtschaft82 heute begehrtes Objekt gelehriger Nachahmung im Ausland ist. Johannes Paul 78 Ebd. 79 Merk, S.17, ähnlich auch Hengsbach, S.1, der jedoch darauf verweist, dass die Katholische Soziallehre gar nicht die „Geschlossenheit eines Systems“ behaupte, sondern ihre Verfechter, darunter auch Papst Benedikt XVI., lediglich dessen Grundgedanken festhalten (und damit die „dynamische Treue zu einem empfangenen Licht“ beweisen) wollen. Dies geht in die Richtung der Kant´schen Vorstellung einer „regulativen Idee“, der man sich nur annähern, die man aber nie endgültig und dauerhaft erreichen kann. 80 Vgl. Hübner, S.202ff., Wenniges, S.661, Tietmeyer, o.S. und Blüm, Ehrliche Arbeit, S.32, der hier explizit Tietmeyer kritisiert. 81 Althammer, Soziale Marktwirtschaft, S.283, vgl. zum Begriff und seiner bevorzugten Verwendung durch Papst Johannes XXIII. Hengsbach, S.1-2. 82 Bezeichnung von Wenniges, S.649. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 - 3000 - 073/13 Seite 25 II. empfahl sie 1991 sogar explizit den Entwicklungsländern als probates Mittel zur Wohlstandsmehrung unter christlichen Vorgaben. Nicht zuletzt durch diese „marktwirtschaftliche“ Positionierung des Papstes erfreute sich die Katholische Soziallehre als eine der hauptsächlichsten intellektuellen Quellen Sozialer Marktwirtschaft beträchtlicher Popularität. Ob dies auch in Zukunft so bleiben wird, erscheint jedoch offen.83 Althammer verweist auf säkulare Tendenzen und Globalisierungsprobleme, die es möglich machen könnten, dass eine im spezifisch christlichen Kontext angesiedelte Theorie wie die Katholische Soziallehre unter wachsenden Legitimationsdruck zunehmend pluralistisch-laizistischer Gesellschaften geraten könnte. Hierauf angemessen zu reagieren, sei daher gegenwärtig die Hauptherausforderung der Verfechter dieser Theorie. Trotz aller bisherigen Erfolge der Katholischen Soziallehre drohe ihr bei einem Verpassen der nun notwendigen Weiterentwicklungen auf säkularer Grundlage das Schicksal, „zur Episode der Sozialgeschichte zu verkommen.“84 6. Literaturverzeichnis Althammer, Jörg (Hrsg.) (2013), Caritas in veritate. Katholische Soziallehre im Zeitalter der Globalisierung , Berlin: Duncker & Humblot. 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