Deutscher Bundestag Militärbischöfe in der Bundesrepublik Deutschland Geschichte und Organisation Infobrief Wissenschaftliche Dienste WD 1 – 3000-065/10 Wissenschaftliche Dienste Infobrief WD 1 – 3000-065/10 Seite 2 Militärbischöfe in der Bundesrepublik Deutschland Geschichte und Organisation Verfasser: Aktenzeichen: WD 1 - 3000-065/10 Abschluss der Arbeit: 26. April 2010 Fachbereich: WD 1: Geschichte, Zeitgeschichte und Politik Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Infobrief WD 1 – 3000-065/10 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung: Zur Historie der Militärbischöfe in der Bundesrepublik Deutschland 4 2. Organisation 6 3. Ernennung der Militärbischöfe 7 3.1 Ernennung des evangelischen Militärbischofs 3.2 Ernennung des katholischen Militärbischofs 4. Aufgaben der Militärbischöfe 9 5. Zur Frage von Abberufung und Rücktritt von Militärbischöfen 10 5.1 Evangelischer Militärbischof 5.2 Katholischer Militärbischof 6. Literaturverzeichnis 11 Wissenschaftliche Dienste Infobrief WD 1 – 3000-065/10 Seite 4 1. Einleitung: Zur Historie der Militärbischöfe in der Bundesrepublik Deutschland1 Nachdem die Bundeswehr im Jahr 1955 eingerichtet und die ersten Einheiten im Jahr darauf aufgestellt wurden, wurden auch die ersten Militärgeistlichen sowohl durch die katholische als auch die evangelische Kirche bestellt. Parallel gründeten sich das Katholische Militärbischofsamt und das Evangelische Kirchenamt für die Bundeswehr als zentrale Dienststellen der Militärseelsorge , die dem Bundesministerium der Verteidigung unmittelbar nachgeordnet sind. Die Ursprünge der Militärseelsorge in der Bundesrepublik Deutschland reichen aber noch einige Jahre weiter zurück. Bereits in den ersten inoffiziellen Gesprächen zwischen der evangelischen Kirche und dem Bundesinnenministerium in den Jahren 1950 und 1951, bei denen es um Fragen der Kriegsdienstverweigerung im Zusammenhang mit einem deutschen Verteidigungsbeitrag im Rahmen einer geplanten Europa-Armee ging, wurde über eine zukünftige Ausgestaltung der Militärseelsorge gesprochen. Militärseelsorge, so die Grundüberzeugung der evangelischen Kirche, dürfe nicht, wie früher, Teil des militärischen Apparates, sondern müsse davon unabhängiger Teil der kirchlichen Arbeit sein.2 Bis 1954 gelang es der evangelischen Kirche, gemeinsam mit der Dienststelle Blank die Grundzüge der Militärseelsorge auszuarbeiten. Offen blieb die Frage der Stellung der Militärbischöfe. Da es unter den evangelischen Landeskirchen hier unterschiedliche Vorstellungen gab, sollte der Rat der evangelischen Kirche eine Lösung finden: Zur Diskussion stand zum einen die Einsetzung eines Probstes als leitendem Geistlichen, zum anderen wurde staatlicherseits die „katholische Lösung“, also die Übernahme der Militärseelsorge durch einen Bischof, favorisiert. Schließlich einigte man sich auf die Formulierung: „Das Amt des Militärbischofs wird nebenamtlich wahrgenommen“3. Der evangelische Militärbischof muss kein Bischof sein. Am 22. Februar 1957 wurde der Militärseelsorgevertrag zwischen Bundesregierung und evangelischer Kirche unterzeichnet: Der evangelische Militärbischof nimmt die kirchliche Leitung der Militärseelsorge wahr, er ist dem Rat der EKD Rechenschaft schuldig; das evangelische Kirchenamt4 zur Wahrung der zentralen Verwaltungsaufgaben ist dem Bundesminister unmittelbar nachgeordnet.5 Mit dem Kirchengesetz der Evangelischen Kirche wurde das Einverständnis der Landeskirchen dokumentiert.6 1 In der Bundeswehr dienen auch Soldaten jüdischen und muslimischen Glaubens. Eine mit der evangelischen und katholischen Militärseelsorge institutionalisierte Seelsorge gibt es für Juden und Moslems in der Bundeswehr bislang nicht. 2 Vgl.: Blaschke, Oberhem (1985). S. 3. 3 § 10 Kirchengesetz. 4 Das Evangelische Kirchenamt für die Bundeswehr in Berlin ist die zentrale Verwaltungsbehörde der Evangelischen Militärseelsorge. 5 Vgl.: Blaschke, Oberhem (1985), S. 17. 6 Vgl.: Barth (1987). S. 39. Wissenschaftliche Dienste Infobrief WD 1 – 3000-065/10 Seite 5 Mit dem Erlass des Bundesministers der Verteidigung vom 4. Oktober 1957 nahm das „Katholische Militärbischofsamt“ seine Arbeit auf. Auch hierzu waren die Grundlagen bereits seit Mitte 1951 gelegt worden. Das Bundesministerium der Verteidigung und die Katholische Kirche in Deutschland gingen beide vom Fortbestand des Konkordats aus dem Jahre 1933 aus. Auf dieser Basis war die Entscheidung für eine Aufnahme der Militärseelsorge ebenso gefallen, wie die Entscheidung für eine exemte Seelsorge7. Mit dem Apostolischen Breve8 „Moventibus Quidem“ traten am 6. Dezember 1989 neue päpstliche Statuten für den Jurisdiktionsbereich der Militärseelsorge der Bundeswehr in Kraft. Zusammenfassen lassen sich die grundlegenden Entscheidungen für die Militärseelsorge in folgendem Satz aus der zentralen Dienstvorschrift 66/1 des Jahres 1956: "Die Militärseelsorge ist der von den Kirchen geleistete, vom Staat gewünschte und unterstützte Beitrag zur Sicherung der freien religiösen Betätigung in den Streitkräften.“9 Im Mittelpunkt steht demnach das Grundrecht des Soldaten auf freie Religionsausübung, der Staat sichert den organisatorischen Aufbau der Militärseelsorge und trägt die Kosten, die inhaltliche und personelle Ausgestaltung ist Angelegenheit der Kirchen. Bis heute hatten jeweils fünf katholische und evangelische Würdenträger das Amt des Militärbischofs inne: Katholische Militärbischöfe für die Bundeswehr: Joseph Kardinal Wendel (Erzbischof München-Freising) 04.02.1956 - 31.12.1960 Dr. Franz Hengsbach (Bischof Essen) 10.10.1961 - 26.05.1978 Dr. Elmar Maria Kredel (Erzbischof Bamberg) 26.05.1978 - 30.11.1990 DDr. Johannes Dyba (Bischof Fulda) 30.11.1990 - 23.07.2000 Dr. Walter Mixa (Bischof Augsburg) seit 30.08.2000 Evangelische Militärbischöfe für die Bundeswehr: 7 „exemte Seelsorge“: aus der Kirchengliederung herausgelöste Militärseelsorge 8 Das „Apostolische Breve“ ist ein päpstliches Schreiben, das sich durch Kürze und eine geringe Feierlichkeit (bspw. im Vergleich zur „Bulle“) auszeichnet. Das „Breve“ wird vom Papst ohne Beirat oder Beschluss der Kardinäle erstellt. 9 Zentrale Dienstvorschrift 66/1 Militärseelsorge vom 28. 08.1956, Nr. 1. Wissenschaftliche Dienste Infobrief WD 1 – 3000-065/10 Seite 6 DDr. Hermann Kunst DD (Bevollmächtigter des Rates der EKD am Sitz der Bundesrepublik Deutschland) 1956 - 1972 Dr. Sigo Lehming (Probst des Kirchenkreises Pinneberg) 1972 - 1985 Heinz-Georg Binder (Bevollmächtigter des Rates der EKD am Sitz der Bundesrepublik Deutschland) 1985 - 1994 Dr. Hartmut Löwe (Bevollmächtigter des Rates der EKD bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europ. Gemeinschaft) 1994 - 2003 Peter Krug (Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg) 2003 - 2008 Martin Dutzmann (Landessuperintendent der Lippischen Landeskirche) seit 2008 2. Organisation Das Evangelische Kirchenamt für die Bundeswehr und das Katholische Militärbischofsamt sind beide dem Bundesministerium der Verteidigung unmittelbar nachgeordnet. Dennoch handelt es sich um kirchliche Behörden. Der Charakter des Katholischen Militärbischofsamtes bestimmt sich nach kirchlichem Recht. Deutlich wird dies in Artikel 6 der „Statuten für die Seelsorge in der deutschen Bundeswehr“ vom 5. August 1965, in dem es heißt, dass der Militärbischof eine Kurie am Sitz der Bundesregierung entsprechend den Vorschriften des kanonischen Rechts einrichtet .10 Im September 2000 verlegte das Militärbischofsamt seinen Dienstsitz entsprechend von Bonn nach Berlin. Dienststellenleiter des Katholischen Militärbischofsamtes (KMBA) ist der Militärgeneralvikar . Zusätzlich bestellt das Katholische Militärbischofsamt einen Militärdekan zum Vertreter beim Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Potsdam.11 Demgegenüber fehlen derart deutliche Hinweise auf den kirchlichen Charakter des Evangelischen Kirchenamtes für die Bundeswehr in den Rechtsgrundlagen zur Einrichtung des Amtes.12 Die Tatsache, dass der Militärbischof „in keinem Dienstverhältnis zum Staat" steht, wird als wichtiges Zeichen für die Freiheit der Militärseelsorge verstanden und trägt in besonderer Weise der Erfahrungsgeschichte mit der Militärseelsorge und einem differenzierten Verständnis von 10 Vgl.: Blaschke/Oberhem (1985). S. 81. 11 http://www.militaerseelsorge.bundeswehr.de/portal/a/ 12 Vgl.: Blaschke/Oberhem (1985). S. 82. Wissenschaftliche Dienste Infobrief WD 1 – 3000-065/10 Seite 7 Kirche und Staat Rechnung.13 Gleichwohl erhalten Militärbischöfe vom Staat eine angemessene Dienstaufwandsentschädigung sowie Ersatz für Sachaufwendungen und Reisekosten. „Für den evangelischen Militärbischof ergibt sich dies aus dem Schlussprotokoll zu Art. 10 MSV, für den katholischen Militärbischof aus Gründen der Parität, obwohl eine diesbezügliche vertragliche Vereinbarung fehlt.“14 3. Ernennung der Militärbischöfe 3.1 Ernennung des evangelischen Militärbischofs Der evangelische Militärbischof wird vom Rat der EKD unter Zustimmung der Kirchenkonferenz ernannt.15 Nach Artikel 11 Abs. 1 des Militärseelsorgevertrags muss der Rat der EKD vor der Ernennung mit der Bundesregierung Kontakt aufnehmen, um sich zu versichern, dass es von staatlicher Seite keine Einwände gegen den Vorgeschlagenen gibt. Das Amt des evangelischen Militärbischofs ist nicht an ein Hauptamt als Landesbischof geknüpft. Die bisherigen evangelischen Militärbischöfe waren im Hauptamt zumeist Bevollmächtigte des Rates der EKD.16 3.2 Ernennung des katholischen Militärbischofs Die Ernennung der katholischen Militärbischöfe basiert auf dem Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich vom 20. Juli 1933, dessen Fortgeltung 1957 durch Urteil des Bundesverfassungsgerichts bestätigt wurde. Zur Frage der Ernennung der katholischen Militärbischöfe heißt es dort in Artikel 27: „Seine Ernennung erfolgt durch den Heiligen Stuhl, nachdem letzterer sich mit der Reichsregierung in Verbindung gesetzt hat, um im Einvernehmen mit ihr eine geeignete Persönlichkeit zu bestimmen. […] Die Regelung der beamtenrechtlichen Verhältnisse erfolgt durch die Reichsregierung .“ Gemäß Artikel 2 der Päpstlichen Statuten aus dem Jahr 1965 (analog: Statuten 1989/90) wird ein in der Bundesrepublik Deutschland residierender Diözesanbischof zum Militärbischof ernannt, der damit zum Träger zweier Ämter mit entsprechend zweifacher Belastung wird. Als Vorteil wird dabei die größere Unabhängigkeit des Militärbischofs gegenüber staatlichen Institutionen, 13 Lehmann (2002). S. 3. 14 Ennuschat (1996). Militärseelsorge, S. 63. 15 Vgl.: Artikel 11 Abs. 1 Militärseelsorgevertrag (MSV). 16 Vgl.: Ennuschat (1996). S. 60. Wissenschaftliche Dienste Infobrief WD 1 – 3000-065/10 Seite 8 politischen Kräften und Parteien gesehen und die Stärkung der Bedeutung der Militärseelsorge insgesamt betont.17 Der katholische Militärbischof steht in keinem Dienstverhältnis zum Staat, sondern wird vom Papst im Einvernehmen mit dem Staat ernannt.18 Der Papst hat grundsätzlich die freie Auswahl unter den Diözesanbischöfen, in der Praxis würdigt er bei seiner Wahl die Vorschläge der Diözesanbischöfe und holt die Meinung der Deutschen Bischofskonferenz ein.19 Bei der Auswahl hat die Bundesregierung aber ein „entscheidendes Mitspracherecht“20. Während der evangelische Militärbischof nur mit der Zustimmung der Kirchenkonferenz benannt werden kann, ist mit der Ernennung des katholischen Militärbischofs außer dem Papst und seiner Kurie keine weitere katholische kirchliche Stelle befasst. Damit ist formell dem Grundsatz des sogenannten kanonischen (kirchlichen) Rechts, dass der Papst bei der Ernennung von Bischöfen grundsätzlich an keinerlei Weisungen gebunden ist, Rechnung getragen. Die Vereinbarungen zwischen Kirche und Staat im Konkordat bedeuten allerdings insoweit eine Ausnahme vom kanonischen Recht, da eine „Einschränkung“ der freien Entscheidungswahl des Papstes durch ein Mitspracherecht Dritter existiert. Der Begriff „Einvernehmen“ im Text des Konkordats wird als stärkere Möglichkeit der Einflussnahme interpretiert, als dies durch den Begriff „Benehmen “ gegeben wäre. Mitunter wird deshalb das „Einvernehmen“ des Staates sogar im Sinne einer erforderlichen Zustimmung ausgelegt.21 Der ernannte katholische Militärbischof bedarf keiner Amtseinführung, um sein Amt ausüben zu können. Er übernimmt mit seiner Ernennung alle Rechte und Pflichten, das Amt wird auf unbestimmte Zeit vergeben.22 Die Mitspracherechte des Staates sowohl bei der Ernennung des katholischen als auch des evangelischen Militärbischofs sind Gegenstand einer Auseinandersetzung unter Staats- und Kirchenrechtlern , wobei es um die Frage der Vereinbarkeit mit Art. 140 GG (in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 S. 2 der Weimarer Reichsverfassung) geht. Die Kernfrage lautet: Ist mit dem Einholen des Einvernehmens des Staates bereits die Schwelle zur – nicht vorgesehenen – Mitwirkung des Staates an kirchlichen Angelegenheiten überschritten? Nach vorherrschender Auffassung handelt es sich beim Einholen des Einvernehmens des Staates um ein Mitwirkungsrecht. 17 Vgl.: Hierold (1990). S. 98. 18 Vgl.: Zentrale Dienstvorschrift 66/1 Nr. 10. 19 Vgl.: Hierold (1990). S. 99. 20 Ebd. 21 Vgl.: Tammler (1999). S. 6. 22 Vgl.: Hierold (1990). S. 99 und S. 106. Wissenschaftliche Dienste Infobrief WD 1 – 3000-065/10 Seite 9 4. Aufgaben der Militärbischöfe Die Aufgaben des katholischen Militärbischofs sind in Artikel 1 der Statuten aus dem Jahr 1965 (analog Statuten 1989/90) beschrieben und sind identisch mit denen eines Diözesanbischofs: Der Militärbischof soll die Seelsorge unter den zur Bundeswehr gehörenden katholischen Soldaten und Soldatinnen, Zivilisten und katholischen Familienmitgliedern ordnen, leiten und wirksam gestalten. Ebenso gehört zu den Aufgaben die Beratung in allen Fragen der Militärseelsorge von grundsätzlicher Bedeutung, die Einführung der Militärgeistlichen in ihr kirchliches Amt einschließlich ihrer Weiterbildung und die Förderung der seelsorgerischen Zusammenarbeit mit kirchlichen Stellen des zivilen Bereiches sowie mit der Militärseelsorge anderer Stellen.23 Dem katholischen Militärbischof kommt auch die sog. kirchenrechtliche Jurisdiktion über die ihm unterstellten Katholiken zu.24 Der evangelische Militärbischof nimmt auf gleiche Weise die Leitung der Militärseelsorge wahr. Er steht, wie auch der katholische Militärbischof, in keinem Dienstverhältnis zur Bundeswehr.25 Nach Artikel 12 Abs. 1 Militärseelsorgevertrag ist der evangelische Militärbischof zuständig für alle kirchlichen Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Militärseelsorge. Dazu gehört vor allem die Einführung der Militärgeistlichen in ihr Amt, die oberste kirchliche Dienstaufsicht, die Zuständigkeit für das religiöse Schrifttum, der Erlass von Richtlinien für die Ausbildung der Militärgeistlichen und die Zusammenarbeit mit der zivilen Seelsorge sowie der katholischen und ausländischen Militärseelsorge.26 Beide Militärbischöfe sollen die staatlichen Stellen in allen Fragen der Militärseelsorge beraten, die von grundsätzlicher Bedeutung sind. Konkret bedeutet das die Teilnahme der Militärbischöfe an der jährlichen Kommandeurtagung der Bundeswehr – dort werden die Militärbischöfe gebeten , einen Gottesdienst zu halten – und mindestens einmal in der Wahlperiode ein Gespräch beim Bundesminister der Verteidigung und dem Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages.27 In der Praxis gehören offizielle Besuchs- und Visitationsreisen des Militärbischofs zu Truppenteilen und Dienststellen der Bundeswehr sowie zu den Militärgeistlichen zu seinen wesentlichen Aufgaben. Dabei werden durch den Militärbischof Gottesdienste abgehalten und gelegentlich auch der Lebenskundliche Unterricht erteilt. Der Militärbischof führt Gespräche mit den Soldaten , den Militärgeistlichen und den Pfarrhelfern. Katholischer und Evangelischer Militärbischof treffen sich zudem mindestens einmal im Jahr zu einem Gedankenaustausch.28 23 http://www.militaerseelsorge.bundeswehr.de/portal/a/milseels/ 24 Vgl.: Blaschke/Oberhem (1985). S. 75. 25 Vgl. Zentrale Dienstvorschrift ZDv 66/1 Nr. 10. 26 Vgl.: Militärseelsorgevertrag, Art 12. 27 Vgl.: Ennuschat (1996). S. 62f. 28 Vgl.: Blaschke/Oberhem (1985). S. 70. Wissenschaftliche Dienste Infobrief WD 1 – 3000-065/10 Seite 10 5. Zur Frage von Abberufung und Rücktritt von Militärbischöfen 5.1 Evangelischer Militärbischof Eine Abberufung des evangelischen Militärbischofs ist in Art 11 Abs. 2 Militärseelsorgevertrag bzw. im Kirchengesetz geregelt. Danach kann der evangelische Militärbischof jederzeit aus wichtigen kirchlichen Gründen abberufen werden, wenn der Rat der EKD nach Anhörung der Kirchenkonferenz dies verlangt. Gegenüber der Bundesregierung ist der Rat der EKD gehalten, eine Abberufung in angemessener Zeit zuvor anzuzeigen und die Person des in Aussicht genommenen Nachfolgers zu benennen.29 „Im Falle einer Abberufung kommen dem Staat, anders als bei der Ernennung, keine Mitwirkungsbefugnisse zu.“30 5.2 Katholischer Militärbischof Im Gegensatz zu den oben beschriebenen Festlegungen für eine Abberufung des evangelischen Militärbischofs finden sich derartige Regelungen weder im Reichskonkordat noch in den ergänzenden Spezialnormen für den katholischen Militärbischof. Grundlage für die Abberufung sind somit die allgemeinen Vorschriften des kanonischen Rechts Corpus Iuris Canonici (cann.) für das Ausscheiden aus dem kirchlichen Amt. Nach cann. 184- 196 kann der Papst den Militärbischof seines Amtes entheben, so wie es dort für den Verlust eines Kirchenamtes allgemein geregelt ist.31 Ebenso können die Regelungen bei Amtsverzicht eines Diözesanbischofs (cann. 401, 402) oder bei Erledigung des bischöflichen Stuhles (cann. 416) Anwendung finden. In der Praxis heißt das, dass das Amt des Militärbischofs vakant wird durch 1. Verzicht des Amtsinhabers unter der Voraussetzung, dass der Papst diesen Verzicht annimmt : sog. Entpflichtung (nach Vollendung des 75. Lebensjahr wird ein Verzicht generell angeboten), 2. Versetzung, 3. Amtsenthebung, 4. Absetzung und 5. Tod. 29 Vgl.: Art 11 Abs. 2 S. 2 MSV. 30 Ennuschat (1996). S. 61. 31 Vgl. ebd. S. 61f. Wissenschaftliche Dienste Infobrief WD 1 – 3000-065/10 Seite 11 Ein Abberufungsrecht oder eine auf rechtlichen Grundlagen geregelte Beteiligung durch den Bundesminister der Verteidigung oder die Bundesregierung existieren nicht. Hypothetisch in der Frage eines „Mitspracherechts“ des Staates bei der Absetzung, Abberufung oder Entlassung eines Militärbischofs bleibt die Auslegung der sog. „Freundschaftsklausel“ im Konkordat beziehungsweise die „Rechtspflicht zu friedlicher Verständigung im Hinblick auf die Kraft vertraglicher Vereinbarungen“: Die „Freundschaftsklausel“ im Konkordat besagt, dass Meinungsverschiedenheiten wegen Auslegung oder Anwendung des Konkordats zwischen den Parteien im Einvernehmen und freundschaftlich gelöst werden sollen. Schließlich könnte die „Rechtspflicht zu friedlicher Verständigung“ unter Umständen auch als Grundlage einer Verständigung in der Frage der Absetzung oder Abberufung eines katholischen Militärbischofs herangezogen werden, wenn die Initiative von staatlicher Seite ausgeht. In der Praxis ist ein solches Vorgehen allerdings tatsächlich mehr als hypothetisch.32 Im Jahr 2000 verzichtete wenige Tage vor seinem Tod der katholische Militärbischof Dyba auf das Amt des Militärbischofs und erklärte, er werde dieses Amt niederlegen, sobald ein Nachfolger ernannt worden sei. Der damalige Diözesanbischof des Bistums Fulda, Dyba, war 1990 zum katholischen Militärbischof von Deutschland ernannt worden. Sein Nachfolger, Bischof Walter Mixa, hat am 21. April 2010 in einem Brief an den Papst seinen Rücktritt als Bischof von Augsburg und als Militärbischof angeboten. Die vorübergehende Leitung der Katholischen Militärseelsorge wird nunmehr nach den kirchenrechtlichen Vorgaben durch den Generalvikar des Katholischen Militärbischofs wahrgenommen. Im Falle der Annahme des Rücktrittsgesuches wird der neue Katholische Militärbischof wie oben gesehen nach den Vorgaben des Reichskonkordates durch den Heiligen Stuhl ernannt. 6. Literaturverzeichnis Barth, Irmin (1987). Militärseelsorge in der Bundesrepublik Deutschland, Heidelberg: R. v. Decker & C. F. Müller. Blaschke, Peter/Oberhem, Harald (1985). Bundeswehr und Kirchen, in: Hubert Reinfried, Hubert F. Walitschek (Hrsg.): Die Bundeswehr. Eine Gesamtdarstellung, Band 11, Regensburg 1985. Ennuschat, Jörg (1996). Militärseelsorge. Verfassungs- und beamtenrechtliche Fragen der Kooperation von Staat und Kirche, Berlin: Duncker & Humblot. Evangelisches Kirchenamt für die Bundeswehr, Katholisches Militärbischofsamt (Hrsg.) (2005). Dokumentation zur Katholischen und Evangelischen Militärseelsorge, Bonn: in puncto druck + medien gmbh. Hierold, Alfred E. (1990). Die Statuten für den Jurisdiktionsbereich des katholischen Militärbischofs , Archiv für Katholisches Kirchenrecht, Band 159, S. 94-116. 32 Vgl.: Tammer (1999). S. 14. Wissenschaftliche Dienste Infobrief WD 1 – 3000-065/10 Seite 12 Hierold, Alfred E. (2006). Militärseelsorge im Spannungsfeld zwischen Kirche und Staat. Was beabsichtigen Kirche und Staat mit der Militärseelsorge? Archiv für Katholisches Kirchenrecht, Band 175, S. 100-112. Katholisches Militärbischofsamt Berlin (Hrsg.) (2006). Kirche unter Soldaten. 50 Jahre Katholische Militärseelsorge in der Deutschen Bundeswehr, Heiligenstadt: Verlag F. W. Cordier. Lehmann, Kardinal (2002). Militärseelsorge als Teil der Gesamtseelsorge. Mainzer Bistumsnachrichten Nr. 7. Tammler, Dr. Dr. Ulrich (1999). Berufung und Amtszeit des katholischen Militärbischofs. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages (WF III – 215/99). Berlin: Deutscher Bundestag .