© 2018 Deutscher Bundestag WD 1 - 3000 – 045/18 Zur Forschungslage bezüglich der nationalsozialistischen Vergangenheit von Bundestagsabgeordneten und Bundestagsmitarbeitern Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 – 045/18 Seite 2 Zur Forschungslage bezüglich der nationalsozialistischen Vergangenheit von Bundestagsabgeordneten und Bundestagsmitarbeitern Aktenzeichen: WD 1 - 3000 – 045/18 Abschluss der Arbeit: 10. Dezember 2018 Fachbereich: WD 1: Geschichte, Zeitgeschichte und Politik Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 – 045/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Vorbemerkung 4 2. Zur Forschungslage bezüglich der nationalsozialistischen Vergangenheit von Bundestagsabgeordneten und Bundestagsmitarbeitern 5 3. Literatur 9 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 – 045/18 Seite 4 1. Vorbemerkung Erst seit den 1980er Jahren sind personelle und strukturelle Kontinuitäten zwischen der Zeit des Nationalsozialismus und der frühen Bundesrepublik verstärkt Gegenstand der historischen Forschung geworden,1 auch wenn es bereits in den 1950er Jahren im Zuge des Kalten Krieges durch politisch motivierte Veröffentlichungen des Ostberliner Ausschusses für Deutsche Einheit politische Auseinandersetzungen über einzelne, in dieser Hinsicht besonders exponierte Protagonisten der bundesdeutschen Politik (Globke, Oberländer) und Justiz („Blutrichter“-Kampagne) in der Bundesrepublik gegeben hatte.2 Ministerien und Behörden haben erst seit den 2000er Jahren damit begonnen, sich mit der Frage der eigenen nationalsozialistischen Vergangenheit intensiver zu befassen und entsprechende wissenschaftliche Studien in Auftrag zu geben.3 Dies gilt inzwischen auch für einige Landesparlamente.4 Eine systematische Überblicksdarstellung zu der Frage, welche Rolle der Deutsche Bundestag bei der Gesetzgebung zur Verfolgung von nationalsozialistischen Tätern und zur Entschädigung von Opfern des Nationalsozialismus auch im Vergleich zur Bundesregierung gespielt hat, liegt nicht vor. Um sich einer Antwort auf diese Frage anzunähern, müsste die inzwischen umfangreiche Literatur zu den gleich nach 1949 einsetzenden legislativen Maßnahmen (Amnestiegesetzgebung, 1 Udo Wengst: Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948-1953. Zur Geschichte der Verfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland, Düsseldorf 1984; Udo Wengst: Beamtentum zwischen Reform und Tradition. Beamtengesetzgebung in der Gründungsphase der frühen Bundesrepublik 1948-1953, Düsseldorf 1988; für die 1990er Jahren seien beispielhaft erwähnt: Ulrich Brochhagen: Nach Nürnberg. Vergangenheitsbewältigung und Westintegration in der Ära Adenauer, Hamburg 1994; Norbert Frei: Vergangenheitspolitik. Die Anfänge der Bundesrepublik und die NS-Vergangenheit, München 1996 2 Vgl. hierzu u. a. Michael Lemke: Kampagnen gegen Bonn. Die Systemkrise der DDR und die West-Propaganda der SED 1960-1963, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 41 (1993), Heft 2, S. 153-174; Klaus Bästlein: „Nazi- Blutrichter als Stützen des Adenauer-Regimes“. Die DDR-Kampagne gegen NS-Richter und -Staatsanwälte, die Reaktionen der bundesdeutschen Justiz und ihre gescheiterte Selbstreinigung 1957-1968, in: Klaus Bästlein/ Annette Rosskopf/Falco Werkentin: Beiträge zur juristischen Zeitgeschichte der DDR, Berlin 2000, S. 53-94; Klaus Bästlein: Der Fall Globke: Renazifizierung, Propaganda und Justiz in Ost und West, Berlin 2018 3 Vgl. hierzu die ausführlichen Überblicksdarstellungen von Christian Mentel/Niels Weise: Die zentralen deutschen Behörden und der Nationalsozialismus. Stand und Perspektiven der Forschung, München/Potsdam 2016 (https://zzf-potsdam.de/sites/default/files/forschung/Direktion/2016_02_13_zzf_ifz_bkm-studie.pdf) sowie von Stephan Alexander Glienke: Anfügung 1: Recherchen, Referenzen, Reflexionen, in: Landespolitik mit Vergangenheit . Geschichtswissenschaftliche Aufarbeitung der personellen und strukturellen Kontinuität nach 1945 in der schleswig-holsteinischen Legislative und Exekutive. Durchgeführt im Auftrag des Schleswig-Holsteinischen Landtages von Uwe Danker und Sebastian Lehmann-Himmel, Husum 2017, S. 413-448 4 Stephan Alexander Glienke: Die NS-Vergangenheit späterer niedersächsischer Landtagsabgeordneter. Abschlussbericht zu einem Projekt der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen im Auftrag des Niedersächsischen Landtages, Hannover 2013; Karl-Ludwig Sommer: Die NS-Vergangenheit früherer Mitglieder der Bremischen Bürgerschaft. Projektstudie und wissenschaftliches Colloquium, Bremen 2014; Uwe Danker, Sebastian Lehmann-Himmel: Landespolitik mit Vergangenheit. Geschichtswissenschaftliche Aufarbeitung der personellen und strukturellen Kontinuität nach 1945 in der schleswig-holsteinischen Legislative und Exekutive. Durchgeführt im Auftrag des Schleswig-Holsteinischen Landtages, Husum 2017; der hessische Landtag hat lediglich eine Vorstudie in Auftrag gegeben: Albrecht Kirschner: Abschlussbericht der Arbeitsgruppe zur Vorstudie „NS-Vergangenheit ehemaliger hessischer Landtagsabgeordneter“ der Kommission des Hessischen Landtags für das Forschungsvorhaben „Politische und parlamentarische Geschichte des Landes Hessen“, Wiesbaden 2013 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 – 045/18 Seite 5 „131er“-Gesetz) zur Beendigung, zum Teil sogar Rückgängigmachung der von den Alliierten nach 1945 getroffenen Entnazifizierungsmaßnahmen, zur justiziellen Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit in den 1950er und 1960er Jahren und zu der sehr komplexen und differenzierten Politik der Wiedergutmachung der Bundesrepublik gegenüber den verschiedenen Gruppen der Verfolgten des Nationalsozialismus im In- und Ausland auf entsprechende Hinweise untersucht werden. Dies war im Rahmen des sehr knapp bemessenen Zeitrahmens für diesen Auftrag nicht zu leisten. 2. Zur Forschungslage bezüglich der nationalsozialistischen Vergangenheit von Bundestagsabgeordneten und Bundestagsmitarbeitern Die nationalsozialistische Vergangenheit der Mitglieder des ersten bis fünften Deutschen Bundestages ist bisher ebenso wenig systematisch erforscht wie die der Bundestagsmitarbeiter.5 Es gibt lediglich vereinzelte Vorarbeiten zu nationalsozialistischen Bezügen von Mitgliedern des Deutschen Bundestags, die mit Blick auf die Gesamtzahl der Bundestagsabgeordneten jedoch nur von eingeschränkter Aussagekraft sind. So veröffentlichte der in die USA emigrierte Jurist Otto Kirchheimer bereits 1950 in einer amerikanischen Zeitschrift einen Aufsatz über die Zusammensetzung des ersten Deutschen Bundestages, der auch einen Abschnitt über den „Status of Members under the Third Reich“ enthielt. Die statistischen Angaben beruhten jedoch lediglich auf den nichtstandardisierten und nicht geprüften Selbstauskünften der Abgeordneten im Handbuch des Deutschen Bundestages und sind daher in ihrer Aussagekraft begrenzt.6 Im Rahmen seiner Untersuchung „Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948-1953“ hat sich Udo Wengst 1984 auch mit der Frage ehemaliger NSDAP-Mitglieder im Deutschen Bundestag anhand der „Parlamentsprominenz“ befasst. Dafür hat er für die Jahre 1950 und 1953 wichtige Funktionsträger des Parlaments (Mitglieder des Bundestagspräsidiums, Fraktionsvorsitzende und stellvertretenden Fraktionsvorsitzende, Mitglieder des Ältestenrates und des Vermittlungsausschusses sowie Parlamentarische Geschäftsführer) in die Studie einbezogen, die allerdings mit 68 (1950) bzw. 65 Personen (1953) jeweils nur einen kleinen Ausschnitt der Mitglieder des Bundestages ausmachten.7 5 Als Überblick über die vorliegenden Studien zur nationalsozialistischen Belastung von Bundestagsabgeordneten vgl. Udo Wengst: Deutscher Bundestag und NS-Vergangenheit, in: NS-Vergangenheit ehemaliger hessischer Landtagsabgeordneter. Dokumentation der Fachtagung. 14. und 15. März 2013 im Hessischen Landtag, hrsg. von Norbert Kartmann, Präsident des Hessischen Landtags, Wiesbaden und Marburg 2014, S. 19-25 6 Otto Kirchheimer: The Composition of the German Bundestag, in: The Western Political Quarterly, Jg. 3 (1950), S. 590-601; eine wörtliche Übersetzung eines Teils des Aufsatzes findet sich im Kapitel 3.7 „Tätigkeit und Verfolgung im ‚Dritten Reich‘“ von Peter Schindler: Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages 1949 bis 1999. Eine Veröffentlichung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, Baden-Baden 1999, Band 1, S. 606 7 Udo Wengst (1984), a. a. O., S. 205-208 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 – 045/18 Seite 6 Hinweise zu den individuellen Biografien der Abgeordneten finden sich zudem in den offiziellen Bundestagshandbüchern, die jedoch als empirische Datengrundlage zur Eruierung von nationalsozialistischen Belastungen nur bedingt geeignet sind, da sie auf den Selbstangaben der Parlamentarier basieren.8 Auch das im Saur Verlag erschienene dreibändige Nachschlagewerk „Biographisches Handbuch der Mitglieder des Deutschen Bundestages 1949-2002“9 geht über knappe allgemeinbiografische Angaben meist nur wenig hinaus. Zwar werden hier erstmals sämtliche Biographien der Bundestagsabgeordneten der ersten 53 Jahre der Bundesrepublik dokumentiert, aber Umfang und Systematik der zusammengestellten Informationen sind höchst unterschiedlich und ungleichgewichtig , zudem teilweise lückenhaft und unvollständig.10 Die genannten Lücken bei der Dokumentation der Lebensphasen in der Zeit des Nationalsozialismus lassen sich auch nicht mit Hilfe anderer Werke kompensieren. Weder die von der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien herausgegebene Online- Publikation „M.d.B. Die Volksvertretung 1946–1972“11, die die Lebensläufe der Abgeordneten in ähnlicher Weise dokumentiert wie das Biographische Handbuch, noch die Zusammenstellung „Liste ehemaliger NSDAP-Mitglieder, die nach Mai 1945 politisch tätig waren“ in Wikipedia12 können Anspruch auf vollständige und von einer durchgängigen Systematik geprägte Erfassung der entsprechenden biographischen Merkmale bzw. der NSDAP-Mitgliedschaft von Bundestagsabgeordneten erheben. Allgemeine Aussagen über das Leben der späteren Bundestagsabgeordne- 8 Fritz Sänger (Hrsg.): Die Volksvertretung. Handbuch des Deutschen Bundestages, 1. Wahlperiode, Stuttgart 1949, ab der 2. Wahlperiode: Deutscher Bundestag (Hrsg.): Amtliches Handbuch des Deutschen Bundestages, Darmstadt und Rheinbreitenbach 1953ff. 9 Rudolf Vierhaus/Ludolf Herbst (Hrsg.): Biographisches Handbuch der Mitglieder des Deutschen Bundestages 1949-2002, 3 Bände, München 2002/2003 10 Zu diesem Urteil kommt ein 2009 erstellte Dokumentation von WD 1. Weiter heißt es dort: „Besonders gravierend wirken sich die Mängel des Biographischen Handbuchs bei der Bearbeitung der hier im Zentrum stehenden Frage nach dem Lebensschicksal der Bundestagsabgeordneten während der Herrschaft der Nationalsozialisten 1933-1945 aus. In den biographischen Artikeln der rund 1500 Abgeordneten, die 1929 und früher geboren wurden und somit die nationalsozialistische Zeit zumindest als Jugendliche oder junge Erwachsene noch bewusst miterlebt haben, wird über das Leben der Abgeordneten in dieser Zeit höchst Unterschiedliches berichtet. Während einige Artikel relativ ausführlich auf die entsprechende Lebensphase eingehen und beispielsweise Mitgliedschaften und Funktionen im NS-Staat, Kriegserfahrungen oder Verfolgungsschicksale dokumentieren, beschränken sich andere Artikel auf äußerst spärliche oder wenig aussagekräftige Kurzhinweise bzw. gehen auf diesen Lebensabschnitt überhaupt nicht ein. Es ist angesichts dieser unterschiedlichen Handhabung bei der Präsentation entsprechender biographischer Informationen keinesfalls gewährleistet, dass selbst ‚positionale Merkmale ‘ wie die Mitgliedschaft in Organisationen oder die Ausübung formaler Funktionen (z. B. öffentliche Ämter ) auch nur annähernd vollständig dokumentiert sind. Dies dürfte im Übrigen auch für biographische Merkmale zutreffen, die sich auf Lebensphasen vor oder nach der NS-Zeit beziehen.“ (WD 1 - 463/09: Zur NS-Vergangenheit von Mitgliedern des Deutschen Bundestages und Angehörigen der Bundesregierung) 11 M.d.B. – Die Volksvertretung 1946–1972. http://www.kgparl.de/online-volksvertretung/online-az.html 12 Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_ehemaliger_NSDAP-Mitglieder,_die_nach_Mai_1945_politisch _t%C3%A4tig_waren#cite_note-0 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 – 045/18 Seite 7 ten während des Nationalsozialismus, ihre Distanz oder Nähe zum nationalsozialistischen System oder zu deren (politischen) Sozialisationserfahrungen in dieser Zeit lassen sich anhand der in diesen Werken präsentierten Angaben nicht formulieren.13 Umfangreiche biografische Darstellungen, die auch die Zeit des Nationalsozialismus beinhalten, existieren lediglich für einen kleineren Kreis bekannter Bundestagsabgeordneter wie z. B. Franz Josef Strauß14, Kurt Georg Kiesinger15, Gerhard Schröder16, Helmut Schmidt17, Karl Schiller18 und Carlo Schmid19. Besser dokumentiert und erforscht sind dagegen jene Bundestagsabgeordneten, die in der Zeit des Nationalsozialismus Repressionen und Verfolgung ausgesetzt waren. So enthält der 1989 erschienene Aufsatz von Adalbert Hess zur Zusammensetzung und Sozialstruktur des Bundestages auch einen Abschnitt über die Verfolgung der Abgeordneten des ersten Deutschen Bundestages, in dem zwischen „lebensbedrohlichen Verfolgungsmaßnahmen“ und „Verfolgungen und Beeinträchtigungen sonstiger Art“ unterschieden wird.20 Den Verfolgungsaspekt beleuchtet auch die von Martin Schumacher herausgegebene Untersuchung der Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass 36 der 38 Abgeordneten, die sowohl dem Weimarer Reichstag als auch dem Bonner Bundestag angehörten, in der Zeit des Nationalsozialismus Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt waren.21 Keine systematischen Untersuchungen gibt es bisher auch zu der Frage, ob und inwiefern sich eine etwaige nationalsozialistische Belastung auf die parlamentari- 13 Zu diesem Urteil gelangt die bereits genannte Dokumentation von WD 1 aus dem Jahr 2009 (WD 1 - 463/09: Zur NS-Vergangenheit von Mitgliedern des Deutschen Bundestages und Angehörigen der Bundesregierung, S. 5). 14 Horst Möller: Franz Josef Strauß. Herrscher und Rebell. München 2015; Peter Siebenmorgen: Franz Josef Strauß. Ein Leben im Übermaß, München 2015 15 Philipp Gassert: Kurt Georg Kiesinger 1904-1988. Kanzler zwischen den Zeiten, München 2006 16 Torsten Oppelland: Gerhard Schröder (1910-1989). Politik zwischen Staat, Partei und Konfession, Düsseldorf 2002 17 Hartmut Soell: Helmut Schmidt. 2 Bände. München 2003/2008; Sabine Pamperrien: Helmut Schmidt und der Scheißkrieg. Die Biografie 1918 bis 1945, München 2014 18 Torben Lütjen: Karl Schiller (1911-1994). „Superminister“ Willy Brandts, Bonn 2007 19 Petra Weber: Carlo Schmid 1896-1979. Eine Biographie, München 1996 20 Adalbert Hess: Zusammensetzung und Sozialstruktur des Bundestages, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland. Ein Handbuch, hrsg. von Hans-Peter Schneider und Wolfgang Zeh, Berlin , New York, 1989, S. 727-756; eine Zusammenfassung der Ergebnisse bietet auch Peter Schindler: Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages 1949 bis 1999. Eine Veröffentlichung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, Baden-Baden 1999, Band 1, S. 608 21 Martin Schumacher (Hrsg.): M. d. R. Die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus . Politische Verfolgung, Emigration und Ausbürgerung 1933-1945, Eine biographische Dokumentation , 3. erweiterte und überarbeitete Auflage, Düsseldorf 1994 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 – 045/18 Seite 8 sche Tätigkeit von Bundestagsabgeordneten nach 1949 ausgewirkt hat. Nationalsozialistische Belastungen , aber auch Erfahrungen des Widerstands und der Verfolgung blieben in den parlamentarischen Debatten nach 1949 weitgehend ein Tabu.22 Bezüglich der nationalsozialistischen Vergangenheit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung beim Deutschen Bundestag finden sich in der Literatur nur vereinzelte Hinweise.23 Obwohl der Reichstag nach 1933 von den Nationalsozialisten zu einem reinen Akklamationsorgan degradiert wurde und nur noch selten zusammentrat,24 hielt sich der Personalabbau in der Reichstagsverwaltung trotz des erheblichen Rückgangs bei den anfallenden Verwaltungsarbeiten in Grenzen. Versuche des Rechnungshofes und des Reichsfinanzministers, Planstellen beim Reichstag abzubauen, wurden von Hermann Göring in seiner Eigenschaft als Reichstagspräsident bis 1945 mit der Begründung weitgehend abgewehrt, dass die Reichstagsverwaltung ein „sogenannter Spitzenbetrieb“ bleiben müsse.25 Wegen ihrer beruflichen Fähigkeiten besonders gefragte Mitarbeiter der Reichstagsverwaltung wie die Parlamentsstenografen übernahmen neben den stenographischen Berichten für die wenigen Parlamentssitzungen nach 1933 auch stenographische Tätigkeiten für Gerichte sowie für Reichs- und Parteistellen.26 Einige von ihnen wurden zudem ab 1942 zur Protokollierung von Lagebesprechungen in das Führerhauptquartier abkommandiert. Nach 1949 arbeiteten sie zum Teil in leitender Stellung beim Stenografischen Dienst des Bundestages .27 22 Vgl. hierzu Dominik Rigoll: Grenzen des Sagbaren. NS-Belastung und NS-Verfolgungserfahrung bei Bundestagsabgeordneten , in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, Heft 1/2014, S. 128-140, hier: S. 128f. 23 Vgl. hierzu vor allem die Untersuchung von Gerhard Hahn: Die Reichstagsbibliothek zu Berlin – ein Spiegel deutscher Geschichte, Düsseldorf 1997; Hahn beschränkt sich darin nicht nur auf die Mitarbeiter der Reichstagsbibliothek , sondern gibt auch Hinweise zur Tätigkeit der Reichstagsbeschäftigten der allgemeinen Verwaltung sowie der Parlamentsstenografen; eine knappe Skizze zu den personellen und organisatorischen Anfängen der Bundestagsverwaltung gibt Udo Wengst (1984), a. a. O., S. 208-212 24 Peter Hubert: Uniformierter Reichstag : die Geschichte der Pseudo-Volksvertretung 1933 - 1945, Düsseldorf 1992 25 Gerhard Hahn (1997), a. a. O., S. 414-419, Zitat: Ebenda S. 418, vgl. auch Ralf Forsbach (Hrsg.): Eugen Fischer- Baling 1881-1964. Manuskripte, Artikel, Briefe und Tagebücher, München 2001 26 Gerhard Hahn (1997), a. a. O., S. 437f. 27 Vgl. hierzu Detlef Peitz: Gerhard Hergesell: SS-Richter und Parlamentsstenograf. Zugleich ein Beitrag zu den Anfängen der Verwaltung des Deutschen Bundestages, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, Heft 1/2014, S. 141- 157; Detlef Peitz: Parlamentsstenografen und NS-Diktatur. Teil 1: Biografische Brüche am Ende der ersten deutschen Demokratie, in: Neue Stenografische Praxis, 62. Jg. (2014), Heft 1, S. 5-13; Detlef Peitz: Parlamentsstenografen und NS-Diktatur. Teil 2: Der Reichstag und sein Stenografenbüro 1933 bis 1945, in: Neue Stenografische Praxis, 62. Jg. (2014), Heft 2, S. 48-59; Detlef Peitz: Parlamentsstenografen und NS-Diktatur. Teil 3: Protokollierung von Recht und Unrecht, in: Neue Stenografische Praxis, 63. Jg. (2015), Heft 1, S. 1-16 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 – 045/18 Seite 9 3. Literatur Bästlein, Klaus (2000): „Nazi-Blutrichter als Stützen des Adenauer-Regimes“. Die DDR-Kampagne gegen NS-Richter und -Staatsanwälte, die Reaktionen der bundesdeutschen Justiz und ihre gescheiterte Selbstreinigung 1957-1968, in: Klaus Bästlein/Annette Rosskopf/Falco Werkentin: Beiträge zur juristischen Zeitgeschichte der DDR, Berlin 2000, S. 53-94 Bästlein, Klaus (2018): Der Fall Globke: Renazifizierung, Propaganda und Justiz in Ost und West, Berlin 2018 Brochhagen, Ulrich (1994): Nach Nürnberg. Vergangenheitsbewältigung und Westintegration in der Ära Adenauer, Hamburg 1994 Danker, Uwe, Lehmann-Himmel, Sebastian (2017): Landespolitik mit Vergangenheit. Geschichtswissenschaftliche Aufarbeitung der personellen und strukturellen Kontinuität nach 1945 in der schleswig-holsteinischen Legislative und Exekutive. Durchgeführt im Auftrag des Schleswig-Holsteinischen Landtages, Husum 2017 Deutscher Bundestag (Hrsg.) (1953ff.): Amtliches Handbuch des Deutschen Bundestages, Darmstadt und Rheinbreitenbach 1953ff. Forsbach, Ralf (Hrsg.) (2001): Eugen Fischer-Baling 1881-1964. Manuskripte, Artikel, Briefe und Tagebücher, München 2001 Frei, Norbert (1996): Vergangenheitspolitik. Die Anfänge der Bundesrepublik und die NS-Vergangenheit , München 1996 Gassert, Philipp (2006): Kurt Georg Kiesinger 1904-1988. Kanzler zwischen den Zeiten, München 2006 Glienke, Stephan Alexander (2013): Die NS-Vergangenheit späterer niedersächsischer Landtagsabgeordneter . Abschlussbericht zu einem Projekt der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen im Auftrag des Niedersächsischen Landtages, Hannover 2013 Glienke, Stephan Alexander (2017): Anfügung 1: Recherchen, Referenzen, Reflexionen, in: Landespolitik mit Vergangenheit. Geschichtswissenschaftliche Aufarbeitung der personellen und strukturellen Kontinuität nach 1945 in der schleswig-holsteinischen Legislative und Exekutive. Durchgeführt im Auftrag des Schleswig-Holsteinischen Landtages von Uwe Danker und Sebastian Lehmann-Himmel, Husum 2017, S. 413-448 Hahn, Gerhard (1997): Die Reichstagsbibliothek zu Berlin – ein Spiegel deutscher Geschichte, Düsseldorf 1997 Hess, Adalbert (1989): Zusammensetzung und Sozialstruktur des Bundestages, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland. Ein Handbuch, hrsg. von Hans- Peter Schneider und Wolfgang Zeh, Berlin/New York 1989, S. 727-756 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 – 045/18 Seite 10 Hubert, Peter (1992): Uniformierter Reichstag : die Geschichte der Pseudo-Volksvertretung 1933 - 1945, Düsseldorf 1992 Kirchheimer, Otto (1950): The Composition of the German Bundestag, in: The Western Political Quarterly, Jg. 3 (1950), S. 590-601 Kirschner, Albrecht (2013): Abschlussbericht der Arbeitsgruppe zur Vorstudie „NS-Vergangenheit ehemaliger hessischer Landtagsabgeordneter“ der Kommission des Hessischen Landtags für das Forschungsvorhaben „Politische und parlamentarische Geschichte des Landes Hessen, Wiesbaden 2013 Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien: M.d.B. – Die Volksvertretung 1946–1972 (http://www.kgparl.de/online-volksvertretung/online-az.html) Lütjen, Torben (2007): Karl Schiller (1911-1994). „Superminister“ Willy Brandts, Bonn 2007 Mentel, Christian/Weise, Niels (2016): Die zentralen deutschen Behörden und der Nationalsozialismus . Stand und Perspektiven der Forschung, München/Potsdam 2016 (https://zzf-potsdam .de/sites/default/files/forschung/Direktion/2016_02_13_zzf_ifz_bkm-studie.pdf) Möller, Horst (2015): Franz Josef Strauß. Herrscher und Rebell, München 2015 Oppelland, Torsten (2002): Gerhard Schröder (1910-1989). Politik zwischen Staat, Partei und Konfession, Düsseldorf 2002 Pamperrien, Sabine (2014): Helmut Schmidt und der Scheißkrieg. Die Biografie 1918 bis 1945, München 2014 Peitz, Detlef (2014a): Gerhard Hergesell: SS-Richter und Parlamentsstenograf. Zugleich ein Beitrag zu den Anfängen der Verwaltung des Deutschen Bundestages, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen , Heft 1/2014, S. 141-157 Peitz, Detlef (2014b): Parlamentsstenografen und NS-Diktatur. Teil 1: Biografische Brüche am Ende der ersten deutschen Demokratie, in: Neue Stenografische Praxis, 62. Jg. (2014), Heft 1, S. 5-13 Peitz, Detlef (2014c): Parlamentsstenografen und NS-Diktatur. Teil 2: Der Reichstag und sein Stenografenbüro 1933 bis 1945, in: Neue Stenografische Praxis, 62. Jg. (2014), Heft 2, S. 48-59 Peitz, Detlef (2015): Parlamentsstenografen und NS-Diktatur. Teil 3: Protokollierung von Recht und Unrecht, in: Neue Stenografische Praxis, 63. Jg. (2015), Heft 1, S. 1-16 Rigoll, Dominik (2014): Grenzen des Sagbaren. NS-Belastung und NS-Verfolgungserfahrung bei Bundestagsabgeordneten, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, Heft 1/2014, S. 128-140 Sänger, Fritz (Hrsg.) (1949): Die Volksvertretung. Handbuch des Deutschen Bundestages, 1. Wahlperiode , Stuttgart 1949 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 – 045/18 Seite 11 Schindler, Peter (1999): Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages 1949 bis 1999. Eine Veröffentlichung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, Baden- Baden 1999, Band 1, Kapitel 3.7 Tätigkeit und Verfolgung im „Dritten Reich“, S. 605-609 Schumacher, Martin (Hrsg.) (1994): M.d.R. Die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus. Politische Verfolgung, Emigration und Ausbürgerung 1933- 1945, Eine biographische Dokumentation, 3. erweiterte und überarbeitete Auflage, Düsseldorf 1994 Siebenmorgen, Peter (2015): Franz Josef Strauß. Ein Leben im Übermaß, München 2015 Soell, Hartmut (2003/2008): Helmut Schmidt. 2 Bände, München 2003/2008 Sommer, Karl-Ludwig (2014): Die NS-Vergangenheit früherer Mitglieder der Bremischen Bürgerschaft . Projektstudie und wissenschaftliches Colloquium, Bremen 2014 Vierhaus, Rudolf/Herbst, Ludolf (Hrsg.) (2002/2003): Biographisches Handbuch der Mitglieder des Deutschen Bundestages 1949-2002, 3 Bände, München 2002/2003 WD 1 - 463/09: Zur NS-Vergangenheit von Mitgliedern des Deutschen Bundestages und Angehörigen der Bundesregierung Weber, Petra (1996): Carlo Schmid 1896-1979. Eine Biographie, München 1996 Wengst, Udo (1984): Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948-1953. Zur Geschichte der Verfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland, Düsseldorf 1984 Wengst, Udo (1988): Beamtentum zwischen Reform und Tradition. Beamtengesetzgebung in der Gründungsphase der frühen Bundesrepublik 1948-1953, Düsseldorf 1988 Wengst, Udo (2014): Deutscher Bundestag und NS-Vergangenheit, in: NS-Vergangenheit ehemaliger hessischer Landtagsabgeordneter. Dokumentation der Fachtagung. 14. und 15. März 2013 im Hessischen Landtag, hrsg. von Norbert Kartmann, Präsident des Hessischen Landtags, Wiesbaden und Marburg 2014, S. 19-25 ***