© 2016 Deutscher Bundestag WD 1 - 3000 - 037/16 Die aktuelle politische Diskussion zur Änderung des Grundgesetzes Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 - 3000 - 037/16 Seite 2 Die aktuelle politische Diskussion zur Änderung des Grundgesetzes Aktenzeichen: WD 1 - 3000 - 037/16 Abschluss der Arbeit: 28.07.2016 Fachbereich: WD 1: Geschichte, Zeitgeschichte und Politik Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 - 3000 - 037/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Argumente für und gegen eine neue Verfassung 4 3. Politische Vorschläge zur Änderung des Grundgesetzes 5 3.1. Neuordnung der Finanzhilfen 6 3.2. Neuordnung des Asylrechts 6 3.3. Aufnahme von Nachhaltigkeit als Staatsziel 7 3.4. Privatisierung der Autobahnverwaltung 7 3.5. Angleichung politischer Rechte für Nichtdeutsche 7 3.6. Aufnahme der Nationalhymne 7 3.7. Aufnahme von Kinderrechten 8 3.8. Bundeswehreinsätze im Inland 8 3.9. Reform des Wahlrechts 8 3.10. Volksentscheide auf Bundesebene 9 Anlagenverzeichnis 10 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 - 3000 - 037/16 Seite 4 1. Einleitung Seit der Wiedervereinigung Deutschlands lautet Art. 146 GG: „Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.“ Im Folgenden wird die politisch-gesellschaftliche Debatte zur Notwendigkeit einer neuen Verfassung unter Aufführung von Pro- und Kontra-Argumenten angerissen. Abgesehen von wenigen Ausnahmen wird die Debatte zum Art. 146 GG vorwiegend unter Juristen, weniger aber unter Politikwissenschaftlern geführt. Die entsprechenden Literaturbelege werden als Anlagen zur Verfügung gestellt. Im zweiten Teil werden die bedeutsamsten aktuellen Vorschläge zur Änderung des Grundgesetzes kurz vorgestellt und anhand von Presseartikeln dokumentiert. 2. Argumente für und gegen eine neue Verfassung Das 60-jährige Jubiläum des Grundgesetzes im Jahr 2009 bot einerseits Anlass, die Leistungen des Grundgesetzes zu würdigen, ließ andererseits aber auch kritische Stimmen zu seiner Beibehaltung laut werden. Befürworter einer neuen Verfassung argumentierten, dass das Grundgesetz für den Fall einer deutschen Wiedervereinigung eine neue gesamtdeutsche Verfassung in Aussicht gestellt habe1 (Anlage 1) und das Grundgesetz den Ost-Deutschen mit der Wiedervereinigung „übergestülpt“ wurde2 (Anlage 2). Die, die sich für eine Beibehaltung des Grundgesetzes aussprachen, unterstrichen dessen Funktionsfähigkeit . Der damalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, betonte beispielsweise, dass der Beitritt der neuen Länder zum Grundgesetz „mit breitester demokratischer Mehrheit in Ost und West“ beschlossen worden sei und dass die Kernaussagen des Grundgesetzes – Rechtstaatlichkeit, Grundrechtsschutz, Demokratie und Sozialstaatlichkeit – „unverändert aktuell“ seien3 (Anlage 3). In diesem Sinne stellte auch Ursula Münch, Professorin für Politikwissenschaft an der Universität der Bundeswehr in München, fest, dass keine Notwendigkeit bestünde, das Grundgesetz durch eine neue Verfassung abzulösen, weil Deutschland eine Verfassung habe: „Das Grundgesetz erfüllt nicht nur alle Funktionen einer Verfassung, sondern wird auch den Legitimitätsanforderungen an eine Verfassung gerecht. Die Beibehaltung der ursprünglichen Bezeichnung "Grundgesetz" ist historisch bedingt und lässt sich auch als Respekt vor der Arbeit des Parlamentarischen Rates deuten“4 (Anlage 4). 1 Emmerich, Klaus (2010): In guter Verfassung? : Warum das Grundgesetz auf den Prüfstand gehört, Berlin: Verlag Edition Ost, S. 5–16. 2 General-Anzeiger (2009): Die Dosis macht das Gift, 23.05.2009, S. 3. 3 Berliner Zeitung (2009): Herr Papier, braucht Deutschland eine neue Verfassung?, 23.05.2009, S. M6. 4 Münch, Ursula (2008): 1990: Grundgesetz oder neue Verfassung? Online: http://www.bpb.de/geschichte/deutsche -geschichte/grundgesetz-und-parlamentarischer-rat/38984/deutsche-einheit (Stand: 25.07.2016). Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 - 3000 - 037/16 Seite 5 Im Zuge des Lissabon-Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Juni 2009 sowie der Eurorettung 2011/12 wurde eine mögliche Ablösung des Grundgesetzes erneut thematisiert5 (Anlage 5). Kritiker, wie etwa die Urheber einer Verfassungsklage vom Mai 2010 gegen EU-Subventionen für Griechenland, brachten an, dass die EU die Schwelle zum Bundesstaat überschritten habe6 (Anlage 6). Ebenso argumentierte der Staatsrechtler Horst Dreier, dass, wer mehr Europa wolle, eine andere Verfassung brauche. Dafür müsse man aber nicht das Volk fragen7 (Anlage 7). Andere rieten klar von einer Ablösung des Grundgesetzes durch eine neue Verfassung ab. Gottfried Leder, emeritierter Professor für Politikwissenschaft an der Universität Hildesheim, argumentierte , dass zu viel auf dem Spiel stünde, „wenn wir nicht alles, was verantwortbar ist, für die Bewahrung unserer Verfassung tun“8 (Anlage 8). Stephan Detjen, Chefredakteur des Deutschlandfunks , schrieb 2009 in einem Essay, dass es keinen Anlass gäbe, sich angesichts des Lissabon -Urteils vom Grundgesetz zu verabschieden, da es eine „offene Verfassung“ sei. „Nach 1945 konnten die Deutschen stets nur in dem Maße Handlungsspielräume gewinnen, in dem sie ihren Anspruch auf nationalstaatliche Souveränität preiszugeben bereit waren. Diese historische Erfahrung prägte die Offenheit des Grundgesetzes für die Integration der Bundesrepublik in die Europäische Union“ 9 (Anlage 9). Im Zuge der Eurorettung riet der ehemalige Bundesverfassungsrichter , Udo di Fabio, dazu, die „Hände weg vom Grundgesetz“ zu lassen, da die geltende Ordnung genügend Spielraum für die Rettung des Euro und weitere Integration lasse10 (Anlage 10). 3. Politische Vorschläge zur Änderung des Grundgesetzes Politische Diskussionen zur Änderung des Grundgesetzes werden von unterschiedlichen Akteuren angestoßen. Diese reichen von Ministerien, Bundestagsfraktionen, Parteien, parteiinternen Gruppen und Gremien bis hin zu einzelnen Politikern. Entsprechende Änderungsvorschläge können aufgrund einer veränderten innen- oder außenpolitischen Lage erforderlich werden. Mitunter dienen sie aber auch der innenpolitischen Profilierung eines Akteurs. Aussicht auf Umsetzung 5 Haug, Volker M. (2013): Zum Potential des Art. 146 GG im Licht der europäischen Integration, in: Archiv des öffentlichen Rechts, 138 (3), S. 435–463, online: http://www.ingentaconnect.com/content /mohr/aoer/2013/00000138/00000003/art00004?token =003c1256255c5f3b3b47467348283b627b552b5f5f3f4f58762f67436ba2 (Stand 27.07.2016). 6 FAZ (2010): Verfassungsgericht wird angerufen, 08.05.2010, S. 14. 7 Dreier, Horst (2011): Ein neues Deutschland: Wer mehr Europa will, braucht eine andere Verfassung. Aber das Volk muss man dafür nicht fragen. In: Zeit online, 20.10.2011, online: http://www.zeit.de/2011/43/P-Europa- Verfassung/komplettansicht (Stand: 25.07.2016). 8 Leder, Gottfried (2012): Verfassungsbewahrung: "Nicht das Ende des Grundgesetzes herbeireden", in: Stimmen der Zeit, (4), S. 229–240. 9 Detjen, Stephan (2009): Abschied vom Grundgesetz? Essay, in: 60 Jahre Grundgesetz, APuZ 59 (18/19), online: http://www.bpb.de/apuz/32017/abschied-vom-grundgesetz-essay (Stand: 25.07.2016). 10 DER SPIEGEL (2012): SPIEGEL-Gespräch: Hände weg vom Grundgesetz“, 09.07.2012, online: http://www.spiegel .de/spiegel/print/d-86752055.html (Stand: 25.07.2016). Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 - 3000 - 037/16 Seite 6 haben jedoch nur die Vorstöße, die über das Potential verfügen, eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und im Bundesrat zu erlangen. Es folgt ein kurzer Überblick über die Themen, die seit September 2015 diesbezüglich öffentlich diskutiert wurden, illustriert durch Zeitungs- und Zeitschriftenartikel . 3.1. Neuordnung der Finanzhilfen Angesichts der sich zuspitzenden Flüchtlingskrise erwog Bundesinnenminister Thomas de Maizière Anfang September 2015 eine Grundgesetzänderung, um die Finanzierungswege zwischen Bund, Ländern und Kommunen neu zu ordnen und dadurch die Hilfen für die Flüchtlinge in Deutschland zu erleichtern11 (Anlage 11). Laut Grundgesetz darf der Bund den Kommunen nicht direkt Geld zukommen lassen, sondern nur über die Länder. Befürworter erachten eine entsprechende Grundgesetzänderung notwendig, um die Handlungsfähigkeit der Kommunen in der Flüchtlingskrise zu sichern12 (Anlage 12). Skeptiker warnten, dass das ohnehin schon komplizierte föderale Finanzgeflecht dadurch noch unübersichtlicher werde13 (Anlage 13). 3.2. Neuordnung des Asylrechts Im Zuge der Flüchtlingskrise wurden verschiedene Vorschläge zur Änderung des Grundgesetzes unterbreitet. Mitte September 2015 plädierte EU-Kommissar Günther Oettinger dafür, das Grundgesetz so zu ändern, dass Asylverfahren künftig schneller als bisher zum Abschluss gebracht werden und Flüchtlinge aus sicheren Herkunftsstaaten bei einer Ablehnung schneller zurückgeführt werden könnten14 (Anlage 14). Der bayerische Finanzminister, Markus Söder, forderte Anfang Oktober 2015 eine „massive Begrenzung der Zuwanderung" durch Obergrenzen und Kontingente und brachte so eine Einschränkung von Art. 16 GG ins Gespräch15 (Anlage 15). 11 ZEIT-online (2015): De Maizière erwägt Änderung des Grundgesetzes, 02.09.2015, online: http://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-09/fluechtlingspolitik-thomas-de-maziere-verfassungsreform (Stand: 25.07.2016). 12 Sievers, Markus (2016): Soll der Bund Kommunen direkt finanzieren?: Pro: Überfälliger Schritt, in: Das Parlament , 07.03.2016, online: http://www.das-parlament.de/2016/10_11/menschen_und_meinungen/-/412936 (Stand: 25.07.2016). 13 Hildebrandt, Jan (2016): Soll der Bund Kommunen direkt finanzieren?: Contra: Der falsche Weg, in: Das Parlament , 07.03.2016, online: http://www.das-parlament.de/2016/10_11/menschen_und_meinungen/-/412932 (Stand: 25.07.2016). 14 Welt am Sonntag (2015): Oettinger fordert Grundgesetzänderung, 13.09.2015, S. 1. 15 Der Tagesspiegel (2015): Söder stellt Grundrecht auf Asyl infrage, 04.10.2015, S. 2. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 - 3000 - 037/16 Seite 7 3.3. Aufnahme von Nachhaltigkeit als Staatsziel Am 25. September 2015 verabschiedete die VN-Generalversammlung die 17 Globalen Nachhaltigkeitsziele von Hunger und Armut und dem Schutz der Umwelt. Darauf warf der Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) die Frage auf, ob die Globalen Nachhaltigkeitsziele im Rahmen der nationalen Umsetzung ins Grundgesetz aufgenommen werden sollten. Am 8. Juni 2016 hielt der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung dazu eine öffentliche Anhörung16 (Anlage 16). 3.4. Privatisierung der Autobahnverwaltung Im Dezember 2015 verständigten sich das Verkehrs-, das Finanz- und das Wirtschaftsministerium auf die Eckpunkte zur Gründung einer Infrastrukturgesellschaft des Bundes mit Fokus auf den Bundesautobahnen. Das Vorhaben setzt eine Änderung von Art. 90 GG voraus, da es die bestehende Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern berührt17 (Anlage 17). Momentan gehören die Bundesfernstraßen dem Bund, der für Bau, Erhaltung, Unterhaltung und Betrieb zahlt, während die Länder für deren Verwaltung, Planung sowie die Übernahme dafür anfallenden Kosten zuständig sind. Mit der Grundgesetzänderung soll die Möglichkeit eröffnet werden, die Aufgaben der Planung, des Baus, des Betriebs, der Erhaltung, der vermögensmäßigen Verwaltung und der Finanzierung der Bundesautobahnen durch Bundesgesetz einer Gesellschaft in privatrechtlicher Form zu übertragen18 (Anlage 18). 3.5. Angleichung politischer Rechte für Nichtdeutsche Im Dezember 2015 reichte DIE LINKE. einen Gesetzesentwurf ein, der vorsah, politische Grundrechte , die bisher als Deutschen-Grundrechte ausgestaltet sind - wie etwa die Versammlungsund Vereinigungsfreiheit aus Art. 8 GG und Art. 9 GG sowie das Grundrecht auf Freizügigkeit aus Ar. 11 GG und die Berufsfreiheit aus Art. 12 GG -, für alle Einwohnerinnen und Einwohner der Bundesrepublik Deutschland einzuführen19 (Anlage 19). 3.6. Aufnahme der Nationalhymne Im Dezember 2015 schlug die Junge Union in ihrem Antragsbuch für den CDU-Parteitag vor, die Nationalhymne ins Grundgesetz aufzunehmen20 (Anlage 20). In Art. 22 Abs. 2 GG ist bisher nur festgeschrieben, dass die Bundesflagge schwarz-rot-gold ist. 16 Handelsblatt (2016): Nachhaltigkeit ins Grundgesetz, 14.06.2016, S. 10. 17 Handelsblatt (2015): Kampf um die Straße, 16.12.2015, S. 8. 18 TAZ (2016): Projekt Superbehörde, 07.07.2016, S. 5. 19 Das Parlament (2016): Der Reiz der Wahlurne, 13.06.2016, S. 6, online: http://www.das-parlament .de/2016/24_25/innenpolitik/-/427230 (Stand: 25.07.2016). 20 Süddeutsche Zeitung (2015): Heidewitzka, Frau Kanzlerin, 07.12.2015, S. 1. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 - 3000 - 037/16 Seite 8 3.7. Aufnahme von Kinderrechten Seit 2007 hat sich das Aktionsbündnis Kinderrechte für die Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz eigesetzt. Die Initiative wurde von den Bundestagsfraktionen von DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aufgegriffen. Ende Januar 2016 fand eine öffentliche Anhörung des Familienausschusses zu den Anträgen der Fraktionen statt21 (Anlage 21). 3.8. Bundeswehreinsätze im Inland Mitte April 2016 befand das Bundesverteidigungsministerium in seinem Entwurf zum Weißbuch zur deutschen Sicherheitspolitik, dass „Charakter und Dynamik gegenwärtiger und zukünftiger sicherheitspolitischer Bedrohungen“ Weiterentwicklungen erforderlich machten, um einen „wirkungsvollen Beitrag der Bundeswehr zur Gefahrenabwehr an der Grenze von innerer und äußerer Sicherheit auf einer klaren Grundlage zu ermöglichen"22 (Anlage 22). Nach Art. 87a GG ist ein Einsatz der Bundeswehr im Inneren bisher nur für den Katastrophenfall oder den inneren Notstand vorgesehen. SPD-Verteidigungsexperten, Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Justizminister Heiko Maas lehnten einen verstärkten Einsatz der Bundeswehr im Inneren bzw. eine entsprechende Grundgesetzänderung entschieden ab23 (Anlage 23). Im Mai 2016 einigten sich das Verteidigungs- und das Außenministerium auf einen Kompromiss. Danach wird es keine Grundgesetzänderung geben. Die Bundeswehr soll sich zwar stärker als bisher auf Notfälle wie einen Terror-Anschlag vorbereiten. Allerdings soll sie die Polizeikräfte nur unterstützen statt aktive Einsätze wie Grenzkontrollen oder Fahndungsmaßnahmen durchzuführen24 (Anlage 24). 3.9. Reform des Wahlrechts Am 13. April 2016 schlug Bundestagspräsident Norbert Lammert vor, eine Obergrenze für die Anzahl der Bundestagsmandate im Grundgesetz festzuschreiben25 (Anlagen 25 und 26). Infolge des Bundesverfassungsgerichtsurteils vom 25. Juli 2012 hatten sich Regierung und Opposition im Dezember 2012 auf ein neues Wahlrecht geeinigt, das die bisherige Verzerrung abschaffte. Zugleich waren nun aber Überhangmandate, die bei der Wahl zum Deutschen Bundestag entstehen 21 Das Parlament (2016): Mehr Rechte für Kinder: Experten uneins über Grundgesetzänderung, 01.02.2016, S. 6, online: http://www.das-parlament.de/2016/5_7/innenpolitik/-/404502 (Stand: 25.07.2016). 22 Süddeutsche Zeitung (2016): Einsatz der Bundeswehr im Inneren soll erleichtert werden, 12.04.2016, online: http://www.sueddeutsche.de/politik/sicherheit-einsatz-der-bundeswehr-im-inneren-soll-erleichtert-werden- 1.2945279 (Stand: 26.07.2016). 23 DIE WELT (2016): Von der Leyens Pläne sind bewusste Provokation, 12.04.2016, online: http://www.welt.de/politik/deutschland/article154286806/Von-der-Leyens-Plaene-sind-bewusste-Provokation .html (Stand: 26.07.2016). 24 SPIEGEL-online (2016): Weißbuch für Sicherheitspolitik: Keine Grundgesetzänderung für Bundeswehr im Innern , 24.05.2016, online: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/keine-grundgesetzaenderung-fuer-bundeswehr -im-innern-a-1093983.html (Stand: 26.07.2016). 25 Der Tagesspiegel (2016): Lammert will Sitzezahl im Bundestag begrenzen, 14.04.2016, S. 4; FAZ (2016): Widerstand gegen Lammerts Wahlrechtsreform, 14.04.2016, S. 1. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 - 3000 - 037/16 Seite 9 können, auszugleichen, wodurch der Bundestag weit über die Normalgröße von 598 Sitzen hinaus anwachsen könnte. 3.10. Volksentscheide auf Bundesebene Die Grundsatzkommission der CSU informierte Anfang Juni 2016, dass sie einen Passus in das neue Grundsatzprogramm der Partei aufnehmen wolle, nachdem die CSU anstrebe, dass das Grundgesetz durch das deutsche Volk auch auf dem Weg von Volksbegehren und Volksentscheid mit Zweidrittelmehrheit geändert werden kann26 (Anlage 27). Laut Grundgesetz ist Deutschland eine rein repräsentative Demokratie. Ausnahmen von diesem Prinzip sind auf nationaler Ebene nur für zwei Spezialfälle vorgesehen: Zum einen sind bei einer "Neugliederung des Bundesgebiets " - sprich einer Zusammenlegung von Bundesländern - die Betroffenen in einem Volksentscheid zu befragen (Artikel 29). Zum anderen haben die Deutschen das Recht, "in freier Entscheidung " über eine neue Verfassung als Ersatz für das Grundgesetz zu entscheiden (Artikel 146)27 (Anlage 28). Innerhalb der CSU wurde der Vorstoß kontrovers diskutiert28 (Anlage 29). Zahlreiche CSU-Bundestagsabgeordnete argumentierten dagegen29 (Anlage 30). Bundestagspräsident Norbert Lammert sprach sich gegen Referenden auf Bundesebene aus, weil es dabei „um das legitime , häufig aber handfeste Bestreben einzelner Gruppen [gehe], ihre Interessen bei meist niedrigen Wahlbeteiligungen zu verbindlichen politischen Vorgaben zu machen“30 (Anlage 31). 26 Handelsblatt (2016): CSU will Grundgesetzänderungen per Volksentscheid, 05.06.2016, online: http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/buerger-beteiligung-csu-will-grundgesetzaenderungen-pervolksentscheid -/13690896.html (Stand: 26.07.2016). 27 DIE WELT (2016): Erhebliche Vorbehalte, 28.06.2016, S. 5. 28 DIE WELT (2016: CSU zerstreitet sich über Volksentscheid nach AfD-Vorbild, 07.06.2016, online: http://www.welt.de/politik/deutschland/article156042613/CSU-zerstreitet-sich-ueber-Volksentscheid-nach- AfD-Vorbild.html (Stand: 26.07.2016). 29 DER SPIEGEL (2016): CSU: Koalition mit dem Volk, 16.07.2016, S. 12. 30 WELT am SONNTAG (2016): "REFERENDEN " sind meist unnötig", 10.07.2016, S. 4. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 - 3000 - 037/16 Seite 10 Anlagenverzeichnis Anlage 1: In guter Verfassung? Anlage 2: Die Dosis macht das Gift Anlage 3: Herr Papier, braucht Deutschland eine neue Verfassung? Anlage 4: 1990: Grundgesetz oder neue Verfassung? Anlage 5: Zum Potential des Art. 146 GG im Licht der europäischen Integration Anlage 6: Verfassungsgericht wird angerufen Anlage 7: Ein neues Deutschland Anlage 8: Verfassungsbewahrung: "Nicht das Ende des Grundgesetzes herbeireden" Anlage 9: Abschied vom Grundgesetz? Anlage 10: Hände weg vom Grundgesetz Anlage 11: De Maizière erwägt Änderung des Grundgesetzes Anlage 12: Überfälliger Schritt Anlage 13: Der falsche Weg Anlage 14: Oettinger fordert Grundgesetzänderung Anlage 15: Söder stellt Grundrecht auf Asyl infrage Anlage 16: Nachhaltigkeit ins Grundgesetz Anlage 17: Kampf um die Straße Anlage 18: Projekt Superbehörde Anlage 19: Der Reiz der Wahlurne Anlage 20: Heidewitzka, Frau Kanzlerin Anlage 21: Mehr Rechte für Kinder Anlage 22: Einsatz der Bundeswehr im Inneren soll erleichtert werden Anlage 23: Von der Leyens Pläne sind bewusste Provokation Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 - 3000 - 037/16 Seite 11 Anlage 24: Keine Grundgesetzänderung für Bundeswehr im Innern Anlage 25: Lammert will Sitzezahl im Bundestag begrenzen Anlage 26: Widerstand gegen Lammerts Wahlrechtsreform Anlage 27: CSU will Grundgesetzänderungen per Volksentscheid Anlage 28: Erhebliche Vorbehalte Anlage 29: CSU zerstreitet sich über Volksentscheid nach AfD-Vorbild Anlage 30: Koalition mit dem Volk Anlage 31: Referenden sind meist unnötig