Die Turkmenistan-Afghanistan-Pakistan-Pipeline (TAP- Pipeline) - - Ausarbeitung - © 2008 Deutscher Bundestag WD 1 - 037/08 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Die Turkmenistan-Afghanistan-Pakistan-Pipeline (TAP-Pipeline) Ausarbeitung WD 1 - 037/08 Abschluss der Arbeit: 14.04.2008 Fachbereich WD 1: Geschichte, Zeitgeschichte und Politik Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - 3 - Inhaltsverzeichnis Seite 1. Einleitung 4 2. Turkmenistan als Öl- und Erdgasproduzent 5 3. Die Entwicklung bei der TAP-Pipeline von 1994 bis 1998 5 4. Die Entwicklung bei der TAP-Pipeline von 1998 bis 2002 10 5. Die Entwicklung bei der TAP-Pipeline seit 2002 10 6. Zusammenfassung 12 7. Literaturverzeichnis 17 - 4 - 1. Einleitung Der Bau von Pipelines zum Transport von Erdgas oder Erdöl erfordert erfahrungsgemäß einen längeren zeitlichen Vorlauf, da von der Grundkonzeption über die vertragliche Festlegung bis hin zur Aufnahme des tatsächlichen Betriebes in der Regel mehrere Jahre vergehen. Da die Pipelines sich gewöhnlich über größere Entfernungen erstrecken, sind Investitionen in Milliardenhöhe keine Ausnahme. Aus diesem Grund schließen sich zum Bau und Vertrieb von Pipelines häufig verschiedene Firmen1 zu einem gemeinsamen Konsortium zusammen.2 Doch Pipelines spielen nicht nur eine ökonomische Rolle. „Pipelines sind unmittelbarer Ausdruck von Machtverhältnissen. Wo und unter welchen rechtlichen und technischen Bedingungen sie verlaufen, bestimmen Politik, Sicherheit und Wirtschaftsinteressen.“3 Diese Feststellung einer Autorin der „Österreichischen Militärischen Zeitung“ in Bezug auf die Rolle von Pipelines bei der weltweiten Energieversorgung verdeutlicht, dass die für den Öl- und/oder Gastransport über weite Entfernungen eingesetzten Pipelines nicht nur eine wirtschaftliche Bedeutung besitzen, sondern in der Frage ihres jeweiligen Verlaufes – auch wenn sie von privaten Firmen gebaut und betrieben werden – Bestandteil nationalstaatlicher Interessenpolitik sein können. Pipelines können zum einen die wirtschaftliche Verflechtung zwischen Staaten fördern.4 Zum anderen versuchen Staaten, mit der Förderung oder gar Beeinflussung von Pipelinerouten ihre geopolitischen und sicherheitspolitischen Ziele durchzusetzen. Pipelines können zudem neue Abhängigkeiten zwischen Staaten schaffen.5 Beispielsweise können von einem Erzeuger- oder Transitland verfügte temporäre oder längerfristige Durchleitungsstopps, aber auch Anschläge auf Pipelines, zu Energieengpässen bei den betroffenen (End-) Nutzern der Pipeline führen. Zunehmend hat sich bei vielen Ländern, beispielsweise bei den USA, Russland, China oder Indien, die Energiepolitik mit ihren verschiedenen Facetten zum integralen Bestandteil der Außen- und Sicherheitspolitik entwickelt. Dabei haben sie ein großes Interesse an energiereichen Regionen. Gerade Länder wie zum Beispiel die USA, die zu einem erheblichen Teil auf den Import von Energieressourcen zur Energieversorgung ihres Landes angewiesen sind, haben ein unmittelbares Interesse an einer gesicherten und diversifizierten Versorgung mit Öl und Gas sowohl für ihre eigene Volkswirtschaft als auch für die Weltwirtschaft insgesamt. In diesem Zusammenhang verstärkte auch die Europäische Union (EU) in den vergangenen Jahren ihre Anstrengungen zur Erhöhung der Energieversorgungssicherheit ihrer Mitgliedsländer. 1 Auch unter Beteiligung von Firmen mit staatlicher Besitzern. 2 Kneissl 2006: 296 3 Kneissl 2006: 296 4 Wagner 2007: 14 5 Ebbing 2005 - 5 - 2. Turkmenistan als Öl- und Erdgasproduzent Die Staaten Zentralasiens gewinnen für die internationale Politik aufgrund ihrer reichhaltigen Energieressourcen6 und im Zusammenhang mit interkontinentalen Transportverbindungen zunehmend an strategischer Bedeutung.7 Turkmenistan, das zweitgrößte zentralasiatische Land, verfügt im weltweiten Vergleich über wichtige Öl- und Gasvorkommen , die bisher nur in Teilen erschlossen sind und daher nur zu einem geringen Anteil auf den weltweiten Energiemarkt gelangen. Das Land, in dem die Erdgas- und Ölförderung zu den Hauptwirtschaftszweigen gehört, wird seit den 1990er Jahren wegen seiner großen Energievorräte sowohl von einzelnen Ländern als auch von Firmen international umworben. Bisher wird das für den Export bestimmte turkmenische Gas fast überwiegend über das russische Pipelinenetz eingespeist und unter anderem auch an Abnehmer in Europa weitergeleitet.8 Russland9 und zu einem kleineren Teil der Iran sind bisher die Hauptabnehmer turkmenischen Erdgases. Ab dem 2009 soll Gas auch nach China geliefert werden.10 Die turkmenische Wirtschaft ist – wie noch zu Zeiten der Sowjetunion – im Wesentlichen durch planwirtschaftliche Grundsätze geprägt. Vor diesem Hintergrund ist die Erschließung des Marktes für ausländische Investoren als schwierig zu bezeichnen.11 Allerdings gilt dies für den Erdgas- und Ölsektor nur einschränkt, da das Land in diesem für ihn zentralen Wirtschaftsbereich erhebliche Erlöse bzw. wichtige Deviseneinnahmen erzielt. Die turkmenische Politik sieht die Russische Föderation traditionell als wichtigen strategischen Partner und ist auf ein gutes bilaterales Verhältnis bedacht. Allerdings hält sie diese enge Bindung an die Russische Föderation nicht davon ab, durch neue Transportwege neue Absatzmärkte und höhere Erlöse für das eigene Erdgas und Erdöl zu generieren und sich aus der Abhängigkeit des russischen Pipeline-Systems zu lösen. 3. Die Entwicklung bei der TAP-Pipeline von 1994 bis 1998 Seit der Erlangung der Unabhängigkeit Turkmenistans versucht dessen Regierung die noch aus der Zeit der UDSSR resultierende ökonomische Abhängigkeit von Russland - insbesondere beim Transport seiner Rohstoffe Öl und Gas auf die internationalen Märkte - durch eine Intensivierung der Zusammenarbeit mit benachbarten Ländern wie auch mit internationalen Öl- und Gasfirmen zu verringern. Das turkmenische Interesse an 6 Die zentralasiatischen Länder sollen schätzungsweise zwischen 6-8% der Welterdgasreserven verfügen (Kneissl 2006: 299). 7 Auswärtiges Amt 2008b 8 Mihm 2008 9 Bzw. der staatliche Energiekonzern Gazprom, der über seine Pipelines das Gas auch an andere Kunden , wie zum Beispiel die Ukraine, weiterleitet und verkauft. 10 Auswärtiges Amt 2008a; Mihm 2008 11 Auswärtiges Amt 2008a - 6 - ausländischen Investoren gilt nicht nur der besseren Erschließung und Förderung der eigenen Rohstoffquellen, sondern auch dem Bau von Pipelines zum Export turkmenischen Öl und Erdgases abseits bisheriger Vertriebswege.12 Dazu gehört beispielsweise im Bereich des turkmenischen Erdgases die Absicht, im Rahmen einer „Turkmenistan- Afghanistan-Pakistan-Pipeline“ („TAP-Pipeline“13) über eine Länge von ca. 1.600 bis 1700 Kilometern eine jährliche Gasmenge von etwa 30 Milliarden Kubikmetern Erdgas aus dem turkmenischen Dauletabad–Gasfeld14 via Afghanistan nach Pakistan und von dort aus optional nach Indien weiter zu transportieren und den regionalen wie auch globalen Märkten zu Verfügung zu stellen.1516 Mitte der 1990er Jahre entstand um den Zuschlag für den Bau dieser Erdgas-Pipeline, die auch als mögliche „Seidenstraße des 21. Jahrhunderts“ bezeichnet wurde, ein harter Konkurrenzkampf zwischen den beiden international tätigen Erdgas- und Ölfirmen Bridas aus Argentinien und Unocal aus den USA. Beide Firmen verhandelten sowohl mit den Regierungen von Turkmenistan und Pakistan als auch mit verschiedenen Kriegsparteien in Afghanistan, wobei der turkmenischen Regierung unter Präsident Saparmurat Nijasow bei den Verhandlungen eine Schlüsselrolle zukam.17 Dabei schien die argentinische Bridas unter ihrem Firmenchef Carlos Bulgheroni zunächst die größeren Erfolgsaussichten zur Umsetzung des Projektes zu haben, zumal die Argentinier seit Anfang 1992 zu den ersten ausländischen Investoren18 überhaupt gehörten, die im Rahmen von Joint Ventures eng mit der turkmenischen Regierung im Öl- und Gasgeschäft zusammenarbeiteten. Hierzu gehört unter anderem die von der turkmenischen Regierung eingeräumte – vorläufige – Konzession zur Ausbeutung der turkmenischen Gasfelder von Keimir und Yashlar. Im Jahr 1994 unterbreitete Bridas, von der politisch instabilen Lage in Afghanistan offenbar nicht abgeschreckt, dem turkmenischen Präsidenten den Vorschlag einer „TAP-Pipeline“, um damit das im Land geförderte Erdgas über ein Pipelinesystem via Afghanistan nach Pakistan zu exportieren.19 In diesem Zusammenhang sollte die Pipeline der Bridas durch den Süden Afghanistans verlaufen. Am 16. März 1995 erzielten Turkmenistans Präsident Saparmurat Nijasow und Pakistans Premierministerin Benazir Bhutto nach Gesprächen erste Übereinkünfte zum mög- 12 Shah 2003: 2 13 Sie wird bisweilen, insbesondere in englischsprachigen Texten, auch „Trans-Afghanistan-Pipeline“, „Turkmenistan-Afghanistan-Pipeline“ oder auch „Turkmenistan-Afghanistan-Pakistan(-India)“- Pipeline genannt. 14 Mit derzeit geschätzten 1,8 Billionen Kubikmetern Erdgas gehört es zu den größeren Erdgasvorkommen der Welt. 15 Asian Development Bank 2003c 16 Die Überlegung, die Pipeline von dort aus nach Indien zu verlängern, entstand offensichtlich erst einige Jahre später (Asian Development Bank 2003a; Vatansever 2003: 3) 17 Huseyinov; Karasar 2005 18 Bzw. westlicher Investor. 19 Wilke 2001: 54 - 7 - lichen Bau der TAP und unterzeichneten eine gemeinsame Absichtserklärung zum Pipeline -Bau. Dabei wurde die argentinische Bridas von Ihnen mit der Durchführung einer Machbarkeitsstudie beauftragt.20 In diesem Zusammenhang signalisierte die damalige afghanische Regierung offenbar ihre Zustimmung für eine über ihr Territorium verlaufende Pipeline. Im gleichen Zusammenhang hatte Usbekistans politische Führung Interesse bekundet, usbekisches Gas durch die Pipeline transportieren zu wollen. Die Baukosten wurden seinerzeit mit etwa 2 Milliarden US-$ veranschlagt.21 Neben Bridas engagierte sich seit 1995 eine Gruppe von Energieunternehmen unter Führung der US–amerikanischen Firma Unocal22, welche weltweit zu den größere Erdöl - und Erdgasfirmen gehört, für eine Pipeline von Turkmenistan nach Pakistan via Afghanistan , wobei der Grundgedanke wie auch die Streckenführung der Pipeline dem Vorschlag von Bridas sehr ähnelte. Den bisherigen Vorsprung von Bridas versuchte Unocal unter anderem mit Unterstützung von US-Regierungsvertretern23 sowie mit vormaligen - jetzt als Lobbyisten tätigen - Angehörigen ehemaliger US- Administrationen24 wettzumachen und die Länder Turkmenistan, Afghanistan25 und Pakistan unter ihrer Federführung im Rahmen eines Konsortiums zum Bau einer Erdgas -Pipeline durch ihre Länder zu bewegen. Trotz des bereits längeren bestehenden wirtschaftlichen Engagements von Bridas in Turkmenistan und dem frühzeitigen Werben für den Pipeline-Bau bei den politisch Verantwortlichen in der Region konnte Unocal relativ schnell Erfolge in seinen Bemühungen erzielen. Am 21. Oktober 1995 unterzeichnete der turkmenische Präsident Saparmurat Nijasow mit Unocal sowie deren saudischen Partner Delta Oil in New York ein Agreement über den Bau einer Gas-Pipeline durch Afghanistan nach Pakistan.26 Im November 1995 entzog die turkmenische Regierung der argentinischen Bridas die Konzession zum Export turkmenischen Öls. Auch Pakistans Regierung ließ bei seinen Präferenzen jetzt deutliche Sympathien für Unocal erkennen. Einige Beobachter führten diesen Sinneswandel auf pakistanischer Seite auch auf US-amerikanischen Einfluss zurück. Im Mai 1996 folgte schließlich eine Übereinkunft von Unocal mit Afghanistan, Pakistan und Turkmenistan, die der turkmenischen 20 Wilke 2001: 54 21 Vatansever 2003: 4; Wilke 2001: 54 22 Das Unternehmen führte bis in die 1980er Jahre nicht die Abkürzung Unocal, sondern seinen vollständigen Namen „Union Oil Company of California“. Das Unternehmen wurde im Jahr 2005 von dem US-amerikanischen Energieunternehmen Chevron übernommen. 23 Die damals amtierende US-Regierung hatte aus Außen-, Energie- und Handelsministerium unter Beteiligung der CIA und des Nationalen Sicherheitsrates eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die sich mit energiepolitischen Projekten in Afghanistan beschäftigte. Dabei betrieben Angehörige der US-Administration auch vor Ort in den Hauptstädten der Länder Zentralasiens sowie in Russland aktives Lobbying für das von Unocal angestrebte Pipeline-Projekt (Wilke 2001: 54; Shah 2006: 39) 24 So gehörte der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger zu den Beratern der Unocal. In seinem Beisein wurden im Oktober 1995 die Verträge unterzeichnet. 25 Hier vielmehr sowohl die formale Regierung wie auch andere Parteien des Bürgerkrieges. 26 Shah 2003: 2; Worldpress.org 2000; Der Spiegel 2001 - 8 - Regierung die Möglichkeit einräumte, das Konsortium zum Bau der Pipeline zu benennen . Turkmenistan betraute darauf hin Unocal und die saudische Delta Oil mit dem Projekt .27 Der Präsident des Landes unterzeichnete mit den beiden Firmen eine Vereinbarung , die ihnen das exklusive Recht gab, ein Konsortium für den Bau der Pipeline zu gründen, welches sich schließlich im August 1996 als „Central Asia Gas Pipeline Ltd.“ („CentGas“) konstituierte.28 Am 27. Oktober 1997 wurde das von Unocal angeführte Konsortium „CentGas“ zum Bau der TAP in der turkmenischen Hauptstadt Aschgabat im Rahmen einer feierlichen Zeremonie offiziell gebildet.29 Das Firmenkonsortium, zu dem insgesamt acht Partner30 gehörten, sollte mit seinem Pipeline-Projekt ursprünglich im Dezember 1998 starten. Die Fertigstellung der Pipeline war für das Jahr 2001 geplant . Obwohl sich CentGas gegen die argentinische Bridas in der Frage des Baues dieser Pipeline in Zentralasien durchgesetzt hatte, unternahm Bridas trotz der von Unocal erzielten vertraglichen Konkretisierungen weiterhin Konsultationen mit verschiedenen Beteiligten, so auch mit Vertretern afghanischer Bürgerkriegsparteien, zum Bau einer Pipeline unter seiner Führung.31 Beispielsweise erzielte Bridas im November 1996 in Gesprächen in Afghanistan mit den Taliban sowie dem usbekischen Milizenführer General Abdul Raschid Dostam eine erste Zustimmung für einen Pipeline-Bau durch Bridas.32 Anfang 1997 besuchte eine Delegation der Taliban Argentinien. Zudem ging Bridas in Sachen TAP-Pipeline gegen Unocal auch gerichtlich vor. Doch die Anfang 1996 von Bridas in Texas33 eingereichte Klage, in der Bridas in Bezug auf den Pipelinebau Unocal unter anderem die Einmischung in bestehende Abkommen vorgeworfen und Schadensersatz in Milliardenhöhe gefordert hatte, blieb erfolglos.34 Am Rande eines Treffens der zehn Mitgliedsstaaten der „Economic Cooperation Organization “ („ECO“)35 in der turkmenischen Hauptstadt Aschgabat am 14. Mai 1997 unterzeichneten die turkmenische Regierung36 und die pakistanische Regierung37 mit dem 27 Shah 2003: 3 28 Shah 2003: 3 29 Shah 2003: 3 30 Unocal Corporation aus den USA mit 46,5%, Delta Oil Company aus Saudi-Arabien mit 15%, Gazprom aus Russland mit 10%, Hyundai Engineering and Construction aus Süd-Korea mit 5%; Crescent Group aus Pakistan mit 3,5%, Itochu Oil Exploration Co. aus Japan mit 6,5%, Indonesia P Petroleum (Impex) aus Indonesien mit 6,5% sowie Turkman RosGaz (Unternehmen unter Beteiligung Turkmenistans sowie der russ. Gazprom) mit 7%. Im Juni 1998 zog sich die russische Firma Gazprom mit ihrer zehnprozentigen Beteiligung aus dem Projekt zurück. 31 Worldpresss.org 2000 32 Worldpress.org 2000; Der Spiegel 2001 33 Firmensitz von Unocal 34 Der Spiegel 2001; Worldpress.org 2000 35 Zu den damaligen Mitgliedsstaaten gehörten die Türkei, Iran, Pakistan, Afghanistan, Aserbaidschan, Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan. 36 Vertreten durch Präsident Saparmurat Nijasow. 37 Vertreten durch Premierminister Mian Sharif. - 9 - Firmenkonsortium CentGas ein endgültiges Abkommen über den Bau einer Erdgas– Pipeline von Turkmenistan nach Pakistan via Afghanistan. Die damals sich in Afghanistan mit wesentlicher Unterstützung Pakistans etablierenden Taliban38, welche im Frühjahr 1994 erstmals in Erscheinung getreten waren und im Herbst 1996 Kabul erobert hatten, wurden bei diesem Abkommen nicht beteiligt. Zudem waren sie zuvor an der Teilnahme am Gipfeltreffen der ECO ausgeschlossen worden.39 Allerdings hatte es in den Jahren zuvor wie auch später sowohl von Bridas als auch von Unocal immer wieder Gespräche und Verhandlungen mit Vertretern der Taliban über eine mögliche Pipeline durch Afghanistan gegeben. Dabei kam es auch zu Konsultationen mit Vertretern der Taliban in den USA sowie in Argentinien40, bei denen offenbar den Taliban auch Transit -Gebühren in Millionenhöhe für den durch Afghanistan verlaufenden Teil der Pipeline in Aussicht gestellt wurden.41 Dabei hat es auch Signale von Seiten der Taliban gegeben, unter bestimmten Bedingungen dem Projekt möglicherweise zuzustimmen. Auch die US-Regierung unter Präsident Clinton hatte versucht, das Taliban-Regime in Kabul vom Pipeline-Vorhaben zu überzeugen.42 Zu diesem Zeitpunkt stufte die US- Administration die Taliban offenbar noch als verhandlungswürdige sunnitisch orientierte Bewegung43 ein, die in dem durch Bürgerkriegskämpfe zwischen verschiedenen Gruppen der Mudschaheddin destabilisierten Land für Stabilität und Ordnung sorgen könne.44 Der radikalislamische Charakter dieser von Pakistan und Saudi-Arabien seit den 1990er Jahren unterstützten Miliz blieb offensichtlich zunächst unberücksichtigt. Pakistans Hilfe bei der Etablierung der Taliban sollte den Einfluss Islamabads auf Afghanistan sichern. Motive Pakistans waren dabei offenbar auch die Sicherstellung funktionierender Handelswege nach Zentralasien sowie einer kontinuierlichen Gas- und Ölversorgung aus Staaten wie Turkmenistan über noch zu errichtende Pipelines wie zum Beispiel die TAP.45 Im Oktober 1998 galt das Projekt der geplanten Gaspipeline durch Afghanistan allerdings schon als faktisch gescheitert, da die federführende Unocal ihre Mitarbeit an CentGas unterbrochen und am 4. Dezember 1998 ihren endgültigen Rückzug aus dem Konsortium aus ökonomischen und sicherheitspolitischen Gründen erklärt hatte.46 Dabei wies Unocal als größter Anteilseigner von CentGas unter anderem darauf hin, dass aufgrund der Situation in Afghanistan Kreditgeber nicht bereit gewesen wären, entspre- 38 Paschtunisch: „Koranschüler“ 39 Munzinger Online 1997 40 Anfang 1997 (Der Spiegel 2001) 41 Worldpress.org 2000: 1-4; Shah 2003: 3 42 Kneissl 2006: 296 43 Die gegenüber den Schiiten kritisch eingestellt waren. 44 Der Spiegel 2001 45 Anderson 2006: 46 Shah 2003: 1; Shah 2003: 4/5 - 10 - chende Geldmittel für das Projekt zur Verfügung zu stellen.47 Offenbar hatte jedoch auch die veränderte Einstellung von Politik und Öffentlichkeit in den USA gegenüber den Taliban48, wozu auch die Thematisierung der Menschenrechtspolitik der Taliban gehörte, den plötzlichen Rückzug von Unocal beschleunigt. Kurz vor dieser Entscheidung hatte die US-Regierung unter Präsident Clinton am 20. August 1998 Trainingsund Ausbildungslager der Al-Qaida im Osten Afghanistans durch die US-Luftwaffe angreifen lassen. Vor diesem Hintergrund wollte Unocal offenbar jetzt nicht mehr mit der Talibanregierung in Afghanistan in der Frage der Pipeline kooperieren.49 Auch Bridas nahm von einem weiteren Engagement Abstand.50 4. Die Entwicklung bei der TAP-Pipeline von 1998 bis 2002 Nach dem Ausstieg von Unocal im Jahr 1998 kamen in den folgenden vier Jahren die Bemühungen um das TAP-Projekt faktisch zum Erliegen, auch wenn sich am 29. April 1999 die Energieminister von Pakistan, Afghanistan und Turkmenistan bei einem Treffen in Aschgabad gegenseitig ihre Bereitschaft zur Fortführung des Projektes versichert hatten.51 5. Die Entwicklung bei der TAP-Pipeline seit 2002 Mit Beginn des Jahres 2002 kam wieder Bewegung in das Pipeline-Projekt. Dies lag insbesondere an der veränderten innenpolitischen Situation in Afghanistan seit Ende 2001, wo als Folge des militärischen Eingreifen einer internationalen Koalition unter Führung der USA zur Bekämpfung des Terrorismus in Afghanistan die Taliban- Herrschaft ihr Ende fand, die dortigen Camps des Terrornetzwerks Al-Qaida zerstört und eine afghanische Interimsregierung kommissarisch eingesetzt worden war. Am 31. Januar 2002 erklärte die US-Regierung ihre Unterstützung für das Projekt der TAP- Pipeline. Auch die Regierungen Pakistans, Afghanistans und Turkmenistans äußerten sich nach dem Ende des Bürgerkriegs zunehmend zuversichtlich bezüglich der TAP.52 Allerdings zeigte Unocal als wichtigster Teilhaber des in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre zum Bau der TAP-Pipeline gegründeten Konsortiums CentGas keinerlei Interesse mehr an einem neuerlichen Engagement. Die Firma hatte nach ihrem plötzlichen Rückzug im Jahr 1998 alle Büros in Zentralasien geschlossen. Auch die argentinische Bridas 47 BBC News 1998 48 Die sich weigerten, die Präsenz von Al-Qaida in Afghanistan zu beenden und Bin Laden an die USA auszuliefern, zudem Al-Qaida von der US-Regierung für die Anschläge auf US-Botschaften in Kenia und Tansania Anfang August 1998 mit insgesamt über 260 Toten verantwortlich gemacht wurde. 49 Shah 2003: 4; Munzinger Online 1998; Energy Information Administration 2006: 4 50 Spiegel 2001 51 Shah 2003: 6 52 Shah 2003: 6 - 11 - zeigte jetzt keine Vorliebe mehr für ein Pipeline-Projekt unter ihrer Beteiligung. Knapp ein halbes Jahr nach dem Ende der Taliban in Afghanistan kam es im Mai 2002 zu einer Wiederaufnahme von Gesprächen zwischen den Regierungen von Turkmenistan, Afghanistan und Pakistan zum Bau einer Erdgaspipeline via Afghanistan und zum Abschluss einer Absichtserklärung.53 Darauf aufbauend wurde nach einem Treffen der Regierungschefs in Islamabad vom 29. bis 30. Mai 2002 ein Lenkungsausschuss, bestehend unter anderem aus den jeweiligen für Öl und Gas zuständigen Ministern der drei Länder, zur Koordinierung des Projektes ins Leben gerufen. Das erste Treffen des Lenkungsausschusses fand in Aschgabat vom 9. bis 10. Juli 2002 statt.54 Am 27. Dezember 2002 unterzeichneten die Regierungschefs von Afghanistan, Turkmenistan und Pakistans - Hamid Karzai, Saparmurat Nijasow und Zafarullah Jamali - in Aschgabad ein Abkommen über die Erstellung einer Durchführbarkeitsstudie zum Bau der Gas- Pipeline. Mit der Anfertigung der Studie wurde die Asian Development Bank (ADB55) beauftragt, die zudem als Entwicklungspartner für das Projekt fungierte.56 Die 1966 auf Initiative der Vereinten Nationen gegründete ADB mit Sitz in Manila (Philippinen) fördert die wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit in Asien. Zu den größten Anteilseignern gehören die Vereinigten Staaten sowie Japan. Den Auftrag zur der Erstellung der Studie zur TAP-Pipeline gab die ADB an die für den Gas- und Ölmarkt spezialisierte britische Consulting Firma Penspen weiter und übernahm zudem die Finanzierung der Expertise. Dabei sollten insbesondere kalkulatorische, finanzielle, technische , entwicklungspolitische und wirtschaftliche Aspekte, unter anderem auch die Möglichkeiten zur Etablierung eines Konsortiums zum Bau und Betrieb der Pipeline, sowie der mögliche Verlauf der Pipeline erörtert werden. Dabei kristallisierten sich zu Beginn zwei unterschiedliche Routen für die TAP heraus: Eine südliche Route sollte von den Dauletabad–Gasfeldern Turkmenistans über das südliche Afghanistan entlang Herat und Kandahar nach Pakistan über Quetta und Multan Richtung pakistanischindischer Grenze sowie eine nördliche Route von Dauletabad über das nördliche Afghanistan entlang Mazar Sharif und Kabul nach Pakistan entlang Islamabad bis nach Lahore , unweit der pakistanischen Grenze, führen.57 Beim sechsten Treffen des Lenkungsausschusses im Juli 2003 einigten sich die Beteiligten darauf, die südliche Route einer detaillierten Überprüfung zu unterziehen.58 Als eine mögliche Fortsetzung der Pipeline in Richtung Indien wurde zudem die in der Nähe zu Pakistans Grenze liegende indische Stadt Fazilka59 genannt.60 In diesem Zusammenhang hatten die drei am Pipeline-Projekt 53 BBC News World Edition 2002a; Kneissl 2006: 296; Krüger 2003: 92 54 Asian Development Bank 2002 55 Deutsch: Asiatische Entwicklungsbank 56 Shah 2003: 2 57 Vatansever 2003: 19 58 Asian Development Bank 2004 59 Alexanders Gas & Oil Connections 2006 - 12 - interessierten Ländern bzw. deren Energie-Minister bei einem Treffen in Malina im April 2003 Indien in einer gemeinsamen Absichtserklärung dazu eingeladen, sowohl als Investor als auch größter möglicher Abnehmer des Erdgases am Projekt zu partizipieren .61 Im Dezember 2003 schließlich wurde zwischen den beteiligten drei Ländern ein weiteres Protokoll zum Bau der Pipeline unterzeichnet. Im Januar 2005 wurde die Studie der ADB vervollständigt und abgeschlossen, in der das Pipeline-Projekt sowohl wirtschaftlich als auch finanziell für durchführbar erklärt wurde.62 Die Kosten wurden von der ADB auf bis zu ca. 3,5 Milliarden Dollar (Stand: 2005) taxiert.63 Auf einer zweitägigen Regionalkonferenz in New Dehli mit Teilnehmern aus 18 Staaten und zehn internationalen Organisationen im November 2006 äußerte der afghanische Außenminister gegenüber den pakistanischen Vertretern die Hoffnung, dass Islamabad sein Territorium für die Verlängerung der Pipeline bis nach Indien öffnen würde.64 6. Zusammenfassung Die Turkmenistan-Afghanistan-Pakistan-Pipeline ist ein seit den 1990er Jahren nicht über den Planungsstand hinausgekommenes Projekt einer Erdgaspipeline. Sie soll jährlich eine Gasmenge von etwa 30 Milliarden Kubikmetern Erdgas aus dem turkmenischen Dauletabad–Gasfeld65 über eine Länge von ca. 1.600 bis 1700 Kilometern via Afghanistan nach Pakistan transportieren, mit der Option, die Pipeline von dort aus nach Indien zu verlängern.66 Mitte der 1990er Jahre hatten sich um den Zuschlag für den Bau dieser Erdgas-Pipeline die beiden internationalen Energiefirmen Bridas und Unocal einen heftigen Konkurrenzkampf geliefert. Beide Unternehmen erhofften sich vom Transport des turkmenischen Gases auf die regionalen und internationalen Märkte zukunftsweisende Geschäfte. Dabei kam Unocal, der schließlich der Auftrag erteilt wurde, offenbar auch das Engagement der US-amerikanischen Regierung zugute. Das mit wesentlicher Unterstützung der turkmenischen Regierung im Zeitraum 1996 bis 1997 ins Leben gerufene und von Unocal angeführte Pipeline-Konsortium CentGas begann jedoch nicht, wie ursprünglich vorgesehen, mit dem Bau der Pipeline im Jahr 1998. Stattdessen zog sich im Dezember 1998 die federführende US-Ölgesellschaft Unocal aus dem Konsortium, offiziell aus 60 Aus diesem Grund wird vereinzelt in der medialen Berichterstattung als Kurzform für den Namen der Pipeline neben „TAP“ auch die Abkürzung „TAPI“ verwendet, wobei der letzte Buchstabe für „India“ bzw. „Indien“ stehen soll. 61 Asian Development Bank 2003b 62 Energy Information Administration 2006: 4/5 63 Munzinger Online 2002; BBC News World Edition 2002b; Munzinger Online 2002; Böhm 2005 64 Alexanders Gas & Oil Connections 2006 65 Mit derzeit geschätzten 1,8 Billionen Kubikmetern Erdgas ist es eines der größten Erdgasvorkommen der Welt. 66 Asian Development Bank 2003a; Vatansever 2003: 3 - 13 - ökonomischen und sicherheitspolitischen Gründen, zurück.67 Möglicherweise hatte die veränderte Einstellung der amerikanischen Öffentlichkeit sowie der US-Regierung gegenüber den Taliban, die als „Gastgeber“ der Al-Qaida in den Focus der Aufmerksamkeit gerieten, den Rückzug von Unocal ausgelöst. In den folgenden vier Jahren stockte das Pipeline-Projekt. Erst mit der Beendigung der Taliban-Herrschaft in Afghanistan Ende 2001 änderte sich die Situation. Im Verlauf des Jahres 2002 kam es zur Wiederaufnahme von Gespräche zwischen den Regierungen von Turkmenistan, Afghanistan und Pakistan zum Bau einer Erdgas– Pipeline von Turkmenistan nach Pakistan, in deren Folge eine Lenkungsgruppe eingesetzt wurde und die Asian Development Bank (ADB) als Entwicklungspartner mit einer Machbarkeitsstudie über die TAP beauftragte, deren aktualisierte Version im Jahr 2005 vorgestellt wurde. Dabei bezogen die Beteiligten in ihre Überlegungen über den Endverlauf der Pipeline auch eine Verlängerung bis nach Indien mit ein. In diesem Zusammenhang wurden Indien auch positive Signale als Mitinvestor gegeben.68 Allerdings wird eine derartige enge Zusammenarbeit zwischen Pakistan und Indien, trotz der in jüngster Vergangenheit erfolgten Entspannungsbemühungen, insbesondere auf indischer Seite als sehr schwierig eingeschätzt. Bisher galt eine Pipeline, die über Pakistan nach Indien verliefe, als mit den Sicherheitsinteressen des Landes unvereinbar. Allerdings scheinen die wirtschaftlichen Notwendigkeiten, wie die Herstellung der Energiesicherheit für die rasant wachsende indische Wirtschaft, bisherige Sicherheitsinteressen in den Hintergrund treten zu lassen.69 Trotz des neuen Anlaufs für eine Pipeline ab dem Jahr 2002 ist in den vergangen Jahren bisher nicht mit dem Bau der TAP, für die eine Bauzeit von ungefähr drei bis fünf Jahren anvisiert wurde, begonnen worden. Bis heute hat sich, im Gegensatz zu den 1990er Jahren, kein Unternehmen oder Konsortium aus dem internationalen Energiesektor bereit erklärt, mit seinem technologischen Know-how in das Projekt einzusteigen und die Investitionen in Milliardenhöhe zu leisten bzw. von Kreditgebern absichern zu lassen. Die Gründe dürften insbesondere in den nach wir vor politisch instabilen Verhältnissen in Afghanistan zu suchen sein, über dessen Gebiet der größere Teil der Pipeline verlaufen soll. Trotz der Präsenz der internationalen Schutzgruppe ISAF („International Security Assistance Force“70) gibt es landesweit weiterhin Widerstandsräume und Rückzugsgebiete von Taliban- und Al-Qaida-Kämpfern, wobei die Sicherheitskräfte der afghanischen Regierung bisher nicht in der Lage sind, im gesamten Land Ruhe und Ordnung zu gewährleisten.71 Vor diesem Hintergrund müssen potentielle Investoren befürchten, dass der dauerhafte Schutz ihrer Pipeline nicht ge- 67 Shah 2003: 1; Shah 2003: 4/5 68 Asian Development Bank 2003b 69 Wagner 2007: 13/14 70 Internationale Sicherheitsunterstützungstruppe. 71 Auswärtiges Amt 2008a, Bundesministerium für Landesverteidigung 2008 - 14 - währleistet werden könnte. Zudem könnten vor dem Hintergrund der derzeitigen Sicherheitslage mögliche Sabotageakte oder Anschläge nicht ausgeschlossen werden. Zudem dürfte internationalen Investoren nicht entgangen sein, dass die Zentralregierung in Kabul gerade in jenen Regionen Afghanistans, durch welche die Pipeline verlaufen könnte, in der Regel nach wie vor nur über begrenzten Einfluss verfügt.72 Die tatsächliche dauerhafte Befriedung Afghanistans ist daher die Grundvoraussetzung für die Realisierung der TAP-Pipeline.73 Dabei bestand und besteht von verschiedenen Seiten nach wie vor ein großes Interesse an einer Verwirklichung der TAP-Pipeline. Seit der Erlangung der Unabhängigkeit des Landes versucht die turkmenische Regierung die noch aus der Zeit der UdSSR resultierende ökonomische Abhängigkeit von Russland – gerade beim Transport seiner Rohstoffe Öl und Gas auf die Märkte im Rahmen von Pipelines – insbesondere durch eine Intensivierung der Zusammenarbeit mit internationalen Öl- und Gasfirmen zu reduzieren . Turkmenistan, ohne direkten Zugang zum Meer, möchte offenbar – trotz seiner bisherigen engen Anbindung an Russland – zukünftig seine großen Erdgasvorkommen statt wie bisher über vorwiegend russische Pipelines alternativ auch über neue Röhrentransportsysteme wie zum Beispiel die TAP an Kunden in der Region sowie auf dem Weltmarkt ausliefern. Mit der angestrebten Diversifizierung der Abnehmerländer könnte sich Turkmenistan aus der starken ökonomischen Abhängigkeit Russlands lösen und auf dem Weltmarkt zudem höhere Erlöse für seine Rohstoffe erzielen.74 Allerdings hat Turkmenistan im April 2003 mit dem russischen Konzern Gazprom einen auf 25 Jahre ausgelegten Vertrag für Erdgaslieferungen abgeschlossen.75 Auf Seiten der unmittelbaren regionalen Nachbarn Turkmenistans besteht ebenfalls großes Interesse daran, über neue Pipelinesysteme unmittelbaren Zugang zum turkmenischen Gas zu erhalten. Pakistan möchte offensichtlich seinen insbesondere durch das hohe Bevölkerungswachstum stark angestiegenen Energiebedarf zukünftig auch verstärkt mit turkmenischem Gas decken. Zudem könnte das Land eine stärkere Diversifikation seiner verwendeten Energieträger erreichen, kontinuierliche Transitgebühren generieren und das aus Turkmenistan stammende Erdgas auf die Weltmärkte, zum Beispiel über Flüssiggasterminals in seinen Häfen oder über den Weg klassischer Pipelines, weiter verteilen. Dabei könnte über Pakistan auch Gas an Indien, dem durch seine erstarkende Volkswirtschaft potentiell größten Abnehmer des Erdgases aus Turkmenistan, gewinnbringend weitergeleitet werden.76 72 BBC News World Edition 2002 73 Wagner 2007: 14 74 Shah 2003: 10 75 Krüger 2003: 91/92; Vatansever 2003: 8 76 Mihm 2008; Huseyinow; Karasar 2005 - 15 - Indien wiederum sieht durchaus, dass die Verwirklichung der TAP einen Beitrag für die Energieversorgung des Landes – insbesondere für die seit Jahren stark prosperierende Wirtschaft – leisten könnte. Bereits jetzt muss Indien ca. die Hälfte seines Erdgases und zwei Drittel seines Erdöls importieren.77 Andererseits besteht auf indischer Seite – trotz verschiedener bilateralen Annäherungen zwischen den beiden Ländern seit dem Jahr 2003 – nach wie vor eine gewisse Skepsis gegenüber Pakistan. Das betrifft auch eine mögliche TAP-Pipeline, die über Pakistan nach Indien führen würde.78 Auf der anderen Seite wiederum führt Indien derzeit - zur Sicherung der Rohstoffversorgung seiner Wirtschaft - unter anderem auch Gespräche mit dem Iran sowie Pakistan über eine mögliche Gaspipeline (Iran-Pakistan-Indien-Pipeline: „IPI-Pipeline“), die über eine Länge von rund ca. 2700 Kilometern iranisches Erdgas über Pakistan nach Indien transportieren könnte. Dazu wurde im Jahr 2005 eine Arbeitsgruppe für die Planung, Finanzierung und Durchführung der Pipeline eingerichtet.79 Die afghanische Regierung erwartet offenbar von der TAP-Pipeline insbesondere kontinuierliche Transitgebühren, mehrere Tausende Arbeitsplätze durch den Bau der Pipeline auf afghanischem Gebiet, eine bessere Versorgung des Landes mit Erdgas sowie eine Initialzündung für die Entwicklung der eigenen Volkswirtschaft.80 Von Seiten der US-amerikanischen Regierung wird das Projekt der TAP seit Mitte der 1990er Jahre ebenfalls entschieden befürwort. Das gilt auch nach dem Rückzug des von ihr über viele Jahre protegierten Energieunternehmens Unocal. Offensichtlich verspricht sich die US-Regierung von einer TAP-Pipeline diverse geopolitische Vorteile. So könnte diese aus den Rohstofflagern Zentralasiens herausführende Pipeline, die dabei weder russisches noch iranisches Staatsgebiet tangieren würde, für die Vereinigten Staaten und deren Handelspartner unter anderem zu mehr Energiesicherheit führen, die Diversifikation bei den globalen Energie-Ressourcen fördern, die energie- und machtpolitische Umklammerung der zentralasiatischen Region durch die Russische Förderation lockern und den energie- und machtpolitischen Einfluss Irans in der Region schmälern.81 Die EU scheint kein direktes Interesse an der Verwirklichung der TAP-Pipeline zu besitzen . Sie setzt aber perspektivisch wie andere staatliche Akteure auch auf die Erschließung neuer Erdgasquellen zur Erhöhung der Energieversorgungssicherheit sowie auf die Diversifizierung bei den Versorgungswegen. Dazu gehören auch Überlegungen für den Abschluss langfristiger Energieabkommen mit verschiedenen zentralasiatischen 77 Böhm 2005; 78 Vatansever 2003: 17 79 Ebbing 2005; Wagner 2007: 13 80 Shah 2003: 11 81 Shah 2003: 12; Huseyinow; Karasar 2005 - 16 - Ländern zur Vertiefung der Zusammenarbeit im Energiebereich. Dabei könnte auch der Import (zentral-) asiatischen Erdgases unter möglicher Umgehung russischer und/oder iranischer Pipelines zukünftig eine größere Rolle spielen. Eine Option wäre dabei das jedoch noch im Planungsstand befindliche Pipeline-Projekt „Nabucco“82. Dabei soll möglicherweise in den nächsten Jahren eine Erdgaspipeline vom Osten der Türkei über die Balkanstaaten nach Österreich gebaut werden. Optional könnte durch den (Weiter-) Bau einer Erdgaspipeline durch das Kaspische Meer sowie einer Pipeline zwischen Aserbaidschan und der Türkei zukünftig über die „Nabucco-Pipeline“ turkmenisches Gas zukünftig nach Europa fließen. Allerdings erscheint derzeit der Bau dieser transkaspischen Röhre eher unwahrscheinlich.83 82 Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit 2006 83 Mihm 2008; Brüggmann 2007; Krüger 2003: 91 - 17 - 7. Literaturverzeichnis - Alexanders Gas & Oil Connections (2006). News & Trends: Central Asia. Gas pipeline project Turkmenistan-Afghanistan-Pakistan-India approved (08.12.2006) http://www.gasandoil.com/goc/news/ntc64919.htm [Stand: 14.04.2008]. - Anderson, Martin (2006). Musharraf wandert auf schmalem Grat, in: Rheinischer Merkur vom 27.07.2006. - Asian Development Bank (2002). Technical Assistance for the Feasibility Studies of the Turkmenistan – Afghanistan – Pakistan Natural Gas Pipeline Project, Online- Ausgabe: http://www.adb.org/Documents/TARs/REG/tar_stu_36488.pdf [Stand: 14.04.2008]. - Asian Development Bank (2003a). Background on Turkmenistan-Afghanistan- Pakistan Natural Gas Pipeline Project http://www.adb.org/Media/Articles/2003/1962_Background_Turkmenistan_Afghan istan_Pakistan_Natural_Gas_Pipeline_Project/default.asp [Stand: 14.04.2008]. - Asian Development Bank (2003b). India Formally Invited to Join Central Asia Gas Pipeline Project http://www.adb.org/media/Articles/2003/1984_Central_ Asia_India_Formally_Invited_to_Join_Central_Asia_Gas_Pipeline_Project_/ [Stand: 14.04.2008]. - Asian Development Bank (2003c). Turkmenistan-Afghanistan-Pakistan Natural Gas Pipeline Project www.adb.org/Documents/Articles/AFG/afg_2003001.asp [Stand: 14.04.2008]. - Asian Development Bank (2004). Pakistan Oil and Gas Conference 2004. Are Regional Gas Pipelines Possible? http://www.adb.org/Documents/ Speeches/2004/ms2004017.asp [Stand: 14.04.2008]. - Auswärtiges Amt (2008a). Länder- und Reiseinformationen. Turkmenistan http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/01- Laender/Turkmenistan.html [Stand: 14.04.2008]. - Auswärtiges Amt (2008b). Zentralasienstrategie http://www.auswaertigesamt .de/diplo/de/Europa/Aussenpolitik/Regionalabkommen/Zentralasien.html [Stand: 14.04.2008]. - BBC News (1998). World: South Asia Gas pipeline could be a pipe dream (30.08.1998) http://news.bbc.co.uk/1/hi/world/south_asia/161099.stm [Stand: 14.04.2008]. - BBC News World Edition (2002a) Central Asia gas deal signed (30.05.2002) http://news.bbc.co.uk/2/hi/south_asia/2016340.stm [Stand: 14.04.2008]. - BBC News World Edition (2002b). Central Asia pipeline deal signed (27.12.2002) http://news.bbc.co.uk/2/hi/south_asia/2608713.stm [Stand: 14.04.2008]. - Böhm, Peter (2005). Länder Zentralasiens wetteifern um Pipeline, in: Die Tageszeitung vom 15.04.2005. - Brüggmann, Mathias (2007). Konkurrenz für die Nabucco-Pipeline, in: Handelsblatt vom 26.06.2007. - 18 - - Bundesministerium für Landesverteidigung (2008). Österreichs Bundesheer. Auslandseinsätze . ISAF. Der Einsatz http://www.bundesheer.at/ausle/isaf/einsatz.shtml [Stand: 14.04.2008]. - Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (2006). Bartenstein: Nabucco- Pipeline ist das wichtigste Energieprojekt Europas, Pressemitteilung vom 27.06.2006, Online-Ausgabe: http://www.europa-web.de/europa/03euinf/10counc/ nabuccopipe.htm [Stand: 14.04.2008]. - Ebbing, Martin (2005). Eine Pipeline zur Stärkung des Friedens auf dem Subkontinent in: Neue Zürcher Zeitung vom 2.05.2005. - Energy Information Administration (2006). Country Analysis Briefs. Afghanistan http://www.eia.doe.gov/cabs/Afghanistan/pdf.pdf [Stand: 14.04.2008]. - Huseyinov, Teymur; Karasar, Hasanali (2005). Saving Afghanistan: From Poppy to Pipeline (Central Asia-Caucasus Institute) http://209.85.129.104/search?q=cache:YsjtwObU5tcJ:www.cacianalyst.org/view_a rticle.php%3Farticleid%3D3237+bridas+tap&hl=de&ct=clnk&cd=3&gl=de [Stand: 14.04.2008]. - Kneissl, Karin (2006). Die Politik der Pipelines. Energieversorgung und Allianzen, in: Österreichische Militärische Zeitschrift, Heft 3, S.295-306. - Krüger, Uwe (2003). Der Poker um das Öl im Kaspischen Meer, in: Internationale Politik und Gesellschaft, Nr. 4/2003, S.74-94, Online-Ausgabe: http://www.fes.de/ipg/ONLINE4_2003/ARTKRUEGER.PDF [Stand: 14.04.2008]. - Mihm, Andreas (2008). Alle wollen an die Gas- und Ölreserven, in Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 17.03.2008. - Munzinger Online (1997). Chronik 1997 www.munzinger.de [Stand: 14.04.2008]. - Munzinger Online (1998). Chronik 1998 www.munzinger.de [Stand: 14.04.2008]. - Munzinger Online (2002). Chronik 2002 www.munzinger.de [Stand: 14.04.2008]. - o.V. (2001). Pipeline zur Hölle. Westliche Firmen paktierten mit den Taliban - jetzt setzen sie auf die Neuen in Kabul, in: Der Spiegel, Nr. 1/2001. - Shah, Babar (2003). Revival of Trans Afghanistan Gas Pipeline Project, herausgegeben vom „Institute of Strategic Studies, Islamabad“ http://www.issi.org.pk/journal/2003_files/no_1/article/7a.htm [Stand: 14.04.2008]. - Vatansever, Adnan (2003). Prospects for Building the Trans-Afghan Pipeline and its Implications, herausgegeben vom Pacific Northwest National Laboratory, Richland , Online-Ausgabe: http://www.pnl.gov/aisu/pubs/tapvatan.pdf [Stand: 14.04.2008]. - Wagner, Christian (2007). Energie, Sicherheit und Außenpolitik in Indien, Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik, Berlin, Online-Ausgabe: http://www.swpberlin .org/common/get_document.php?asset_id=4014 [Stand: 14.04.2008]. - Wilke, Boris (2001). Der „Anti-Terror-Krieg“ und die Taliban. Anmerkungen zur Genese eines regionalen Akteurs und zu den möglichen Folgen eines globalen Krieges, in: Universität Hamburg, IPW, Forschungsstelle Kriege, Rüstung und Entwicklung, Terrorismus und Krieg, Bedeutung und Konsequenzen des 11. September 2001, Arbeitspapier Nr. 4/2001, Hamburg. - 19 - - Worldpress.org (2000). Timeline of Competition between Unocal and Bridas for the Afghanistan Pipeline http://www.worldpress.org/specials/ pp/pipeline_timeline.htm [Stand: 14.04.2008].