© 2016 Deutscher Bundestag Einstellungen zu Homosexualität und gleichgeschlechtlichen Partnerschaften in der Bundesrepublik Deutschland 1949-2016 Zusammenstellung von ausgewählten Ergebnissen der Meinungsforschung Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. 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Anlagen 14 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 029/16 Seite 4 1. Einleitung Dem folgenden Sachstand liegt die Frage zugrunde, welche Einstellung es in der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland zu Homosexualität, zu Lesben und Schwulen, zu gleichgeschlechtlichen Partnerschaften und zur Öffnung der Ehe gebe. Dafür sollen die Ergebnisse der Meinungsforschung von 1949 bis 2016 zu Rate gezogen werden. Für die Recherche wurden die dem Bundestag zugänglichen Datenbanken, die Bibliothek und im Internet zugängliche Informationen genutzt. Zudem wurden die sechs großen Meinungsforschungsinstitute IfD (Institut für Demoskopie) Allensbach, Forsa, Infratest Dimap, Emnid und die Forschungsgruppe Wahlen angeschrieben und gebeten, entsprechende Umfragen bereit zu stellen .1 Einen guten Überblick, insbesondere auch über historische sozialwissenschaftliche Erhebungen und Forschung, liefert die im Internet zugängliche GESIS-Datenbank des Leibniz-Instituts für Sozialwissenschaften . Hier werden Ergebnisse der empirischen Sozialforschung gesammelt, aufbereitet und der Forschung zur Verfügung gestellt. Auch die kommerziell ausgerichteten Meinungsforschungsinstitute stellen hier teilweise ihre Ergebnisse ein, wo man sie ggfls. kostenpflichtig abrufen kann. Neuere Erhebungen waren über das STATISTA-Portal2 zugänglich, für das der Deutsche Bundestag eine Lizenz hat. Hier sind laut Angaben des Anbieters über 1 Million Statistiken aus 18.000 verschiedenen Quellen recherchierbar. Trotz aller Sorgfalt kann dieser Sachstand nicht den Anspruch erheben, eine abschließende Zusammenstellung aller Erhebungen zum Thema liefern zu können. Teilweise waren kostenpflichtige Daten für uns nicht zugänglich. Dazu gehören beispielsweise einige ALLBUS-Studien (Allgemeine Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften) und andere kostenpflichtige Ergebnisse von kommerziellen Anbietern. 2. Methodische Vorbemerkung Bei der empirischen Erfassung von Einstellungen in der Bevölkerung gegenüber Minderheiten ist eine mögliche Verzerrung der Ergebnisse zu berücksichtigen, die in der Forschung auf „eine Tendenz zur sozialen Erwünschtheit“3 zurückgeführt wird. Um implizite und explizite Einstellungen gegenüber Homosexuellen unterscheiden zu können, haben Forscher unter anderem einen „Impliziten Assoziationstest” (IAT) zur Erfassung der affektiven und kognitiven Einstellungen entwickelt . 1 Während das IfD Allensbach ausführliche Materialien zur Verfügung stellte, verwies die Forschungsgruppe Wahlen auf die Datenbank GESIS. Alle anderen Institute antworteten negativ oder gar nicht. 2 http://de.statista.com/ 3 Vgl. Jan Seise et al.: Individuelle Unterschiede in impliziten und expliziten Einstellungen zu Homosexualität. Eine empirische Studie. In: Zeitschrift für Sexualforschung 2002 -15, S.21. S. Vgl. Melanie Caroline Steffens: Diskriminierung von Homo- und Bisexuellen. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 15-16, 2010, S.14f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 029/16 Seite 5 In einem 2010 erschienen wissenschaftlichen Artikel heißt es hierzu: „Zwei Probleme, welche die hier angeführten mit allen Befragungen teilen, sind: Erstens können Personen nicht immer zutreffend über alles Auskunft geben, was in ihnen vorgeht. Beispielsweise könnte jemand eine positive Einstellung äußern, aber angesichts sich küssender Männer am Berliner Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen unangenehm berührt sein. Zweitens ist Toleranz gegenüber Minderheiten heute zunehmend normativ, so dass sich Personen, die Vorurteile und negative Einstellungen haben, möglicherweise an diese Normen anpassen und sich lediglich tolerant geben. Um diese Probleme zu umgehen, wurden in der Psychologie sogenannte implizite Verfahren entwickelt, die auf zugrunde liegende Einstellungen schließen lassen, beispielsweise aus Reaktionszeiten in bestimmten Aufgaben. Unter Anwendung solcher Verfahren haben wir herausgefunden: Selbst Stichproben unter Studierenden, die in Befragungen sehr tolerant antworten , weisen mit impliziten Maßen relativ negative Einstellungen gegenüber Homosexuellen im Vergleich zu Heterosexuellen auf. Männliche Studenten zeigten negative Einstellungen gegenüber Schwulen und Lesben, Studentinnen zeigten negative Einstellungen gegenüber Schwulen. Bei Studentinnen war in dieser und in weiteren Studien keine negative Einstellung gegenüber Lesben nachweisbar. (…) Aus diesen Ergebnissen ist zu schlussfolgern: Die Toleranz, die progressive Bevölkerungsgruppen bei Befragungen zeigen, muss kritisch beleuchtet werden. Sie kann teilweise vorgeschoben sein; teilweise zeigen sich aber auch Toleranz bei reflektierten Urteilen, negative Einstellungen jedoch in spontanem Verhalten.“ 4 3. Ergebnisse 3.1. 1949 bis 1976 Zwar gab es seit Anfang des 20. Jahrhunderts in der sich entwickelnden Sexualwissenschaft eine zunehmende wissenschaftliche Beschäftigung mit Homosexualität, doch brach diese Forschungstätigkeit in Deutschland mit dem Nationalsozialismus ab.5 Aus der unmittelbaren Nachkriegszeit sind nur wenige Erhebungen zur Einstellung der Bevölkerung zu Homosexualität bekannt ,6 darunter eine auf 1949 datierte Befragung des Instituts für Demoskopie Allensbach, bei 4 Vgl. Melanie Caroline Steffens: Diskriminierung von Homo- und Bisexuellen. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 15-16, 2010, S.17. 5 Vgl. Florian Mildenberger (Hrsg.): Was ist Homosexualität? Forschungsgeschichte, gesellschaftliche Entwicklungen und Perspektiven. Hamburg 2014, S.48f. 6 Vgl. Überblick der verfügbaren historischen sozialwissenschaftlichen Studien in der GESIS-Datenbank: https://dbk.gesis.org/dbksearch/sdesc.asp?search=Homosexualit%E4t&field=AB&bool=AND&search 2=&field2=all&bool2=AND&operator=EQ&jahr=&bool3=AND&operator 2=EQ&jahr2=&db=d&sort=dbk_ext.SN+ASC&maxRec=100&from=index2.asp&button=Suchen &groups=on&product=on&ll=10&tab=0 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 029/16 Seite 6 der nach Zustimmung zu verschiedenen Aussagen über Homosexualität befragt wurde.7 Die Studie wurde 1963 und 1976 wiederholt. 1949 wurden lediglich verheiratete Männer befragt, ab 1963 auch verheiratete Frauen: „Frage: Wie stehen Sie überhaupt zur Frage der Homosexualität: Halten Sie sie für eine Krankheit , für ein Laster, für eine Angewohnheit oder für eine ganz natürliche Sache?“8 Verheiratete Frauen Männer 1949 1963 1976 1949 1963 1976 Laster - 48% 20% 53% 47% 25% Krankheit - 41% 46% 39% 38% 49% Angewohnheit - 11% 14% 13% 14% 12% Natürliche Sache - 3% 20% 4% 5% 13% Keine Angabe - 3% 1% 2% 1% 1% Während 1949 noch eine Mehrheit der befragten verheirateten Männer Homosexualität als moralisches Vergehen sahen, beurteilten 1976 nur noch ein Viertel der befragten Männer und ein Fünftel der befragten Frauen Homosexualität als moralisch verwerflich. Vielmehr vertrat nunmehr fast die Hälfte der Befragten die Ansicht, Homosexualität sei eine Krankheit. Ein Fünftel der Frauen und 13 Prozent der Männer hielten 1973 Homosexualität für natürlich. 1963 befragte der Sozialpsychologe Hermann Vetter 376 ausgewählte westdeutsche Studenten zu ihren ethischen Einstellungen. Unter anderem stellte er die Frage nach den damals herrschenden Strafbestimmungen des § 175, die sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe stellten9: 7 Vgl. Elisabeth Noelle-Neumann (Hrsg.): Allensbacher Jahrbuch der Demoskopie 1976-1977, München 1977, S. 144. Vgl. auch Karl-Heinz Reuband: Über gesellschaftlichen Wandel, AIDS und die Beurteilung der Homosexualität als moralisches Vergehen. Eine Trendanalyse von Bevölkerungsumfragen der Jahre 1970 bis 1987. In: Zeitschrift für Soziologie. Jg 18, Heft 1, 1989, S. 68. 8 Vgl. Noelle-Neumann, S.144. 9 Der § 175 galt in der Bundesrepublik von 1872 bis 1994. 1969 und 1973 wurde er reformiert. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 029/16 Seite 7 Die Antworten lauteten: „Die Strafbestimmungen gegen männliche Homosexualität sollten.…. Antwort Zustimmung verschärft werden 26 % bleiben, wie sie sind 34 % eingeschränkt werden, z.B. auf Verführung Minderjähriger 30 % ganz wegfallen 4 % Keine Entscheidung 6 % 1963 traten nur 4 Prozent der befragten Studenten für die Straflosigkeit von Homosexualität ein. Mehr als die Hälfte votierten für die Beibehaltung oder Verschärfung der Bestimmungen. Dabei wurden in der Befragung ausschließlich männliche Homosexualität thematisiert und männliche Personen befragt. Die Ergebnisse spiegeln die allgemeinen gesellschaftlichen Veränderungen der sechziger und siebziger Jahre wider, die mit einer Veränderung in den Einstellungen gegenüber Homosexuellen einhergingen. 3.2. 1976-1989 Der Trend zur positiveren Bewertung von Homosexualität hielt in den achtziger Jahren an. Die Verbreitung von AIDS führte jedoch zeitweise zu einer negativeren Einschätzung. Eine Befragung von 1970, die 1982 und 1987 wiederholt wurde, kam zu folgendem Ergebnis: Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 029/16 Seite 8 Beurteilung der Homosexualität10 Beurteilung 1970 1982 1987 Sehr schlimm 29 % 12 % 14 % Ziemlich schlimm 24 % 16 % 21 % Nicht so schlimm 40 % 64 % 56 % Weiß nicht, keine Angabe 7 % 8 % 9 % Während in dieser Befragung 1970 noch eine Mehrheit (53 Prozent) Homosexualität negativ beurteilte , waren dies 1982 noch 28 Prozent und 1987 – auf dem Höhepunkt der AIDS-Diskussion – 35 Prozent. Die Forscher konstatieren: „Der Liberalisierungstrend in der Haltung zur Homosexualität scheint gegen Mitte der 80er Jahre zu einem gewissen Stillstand gekommen zu sein und einen – bislang noch leichten – gegenläufigen Trend ersetzt werden.“11 Bei der Betrachtung von Alter und Bildungsstand der Befragten kommen die Wissenschaftler zu dem Ergebnis: „Trotz differentiellen Wandels in den einzelnen Kategorien bleibt (…) der grundlegende Zusammenhang zwischen Bildung und Schwereeinschätzung der Homosexualität im Kern unberührt: in allen herangezogenen Umfragen erweisen sich die besser Gebildeten als die Personen mit der größeren Toleranz.“ Die Ergebnisse dieser Studie sind „im Rahmen einer repräsentativen Bevölkerungsstudie zu abweichendem Verhalten und Rechtsbewusstsein (Kaupen et al. 1970)“ erhoben und bei „bundesweiten Erhebungen der erwachsenen Bevölkerung der Bundesrepublik ab 18 Jahren von Mai/Juni 1982 und Dezember 1987 mit rund 1000 Befragten bzw. 2000 Befragten“ wiederholt worden.12 10 Vgl. Karl-Heinz Reuband: Über gesellschaftlichen Wandel, AIDS und die Beurteilung der Homosexualität als moralisches Vergehen. Eine Trendanalyse von Bevölkerungsumfragen der Jahre 1970 bis 1987. In: Zeitschrift für Soziologie. Jg 18, Heft 1, 1989, S. 66. Die Frageformulierung lautete: „Ich hätte gerne von Ihnen eine Beurteilung verschiedener Verhaltensweisen. Ich lese Ihnen nun verschiedene Fälle vor und würde gerne Ihre Meinung dazu wissen. Sagen Sie mir bitte für jeden Fall, ob Sie persönlich das beschriebene Verhalten sehr schlimm – ziemlich schlimm – oder nicht so schlimm finden… Ein Mann hat homosexuelle Beziehungen zu einem anderen Mann.“ Neben der Beurteilung der Homosexualität wurde auch die Beurteilung von Diebstahl am Arbeitsplatz , Haschisch- und Heroingebrauch und Steuerhinterziehung abgefragt. 11 Ebd., S.69. 12 Ebd. S. 65f Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 029/16 Seite 9 3.3. 1989 bis 2016 Die Einstellung der Bevölkerung hinsichtlich Homosexualität wurde vom Institut für Demoskopie Allensbach 1991, 2000 und 2008 mit der Frage erforscht: „Auf dieser Liste hier stehen eine Reihe ganz verschiedener Personengruppen. Könnten Sie einmal alle heraussuchen, die Sie nicht gerne als Nachbarn hätten?“13 Es folgen eine Liste mit 14 Gruppen (Auszug14): März 2008 West Ost Es zeigt sich, dass die Vorbehalte gegenüber Homosexuellen in West- wie in Ostdeutschland erheblich abgenommen haben. 13 Renate Köcher (Hrsg.): Allensbacher Jahrbuch der Demoskopie. 2003 – 2009, Berlin 2009, S. 695. 14 Im Anhang befindet sich die komplette Liste. Bevölk. allg. 1991 2000 2008 1991 2000 2008 Moslems 27 % 25 % 27 % 26 % 29 % 31 % 33 % Drogenabhängige 77 % 66 % 70 % 76 % 75 % 73 % 81 % Rechtsextreme 81 % 66 % 70 % 81 % 72 % 73 % 82 % Linksextreme 56 % 56 % 51 % 57 % 54 % 47 % 50 % Homosexuelle 14 % 36 % 19 % 13 % 39 % 23 % 18 % Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 029/16 Seite 10 Bei einer ALLBUS-Erhebung15 von 2013 reagierten 16,1 Prozent der Befragten negativ auf die Frage: „Für wie schlimm halten Sie es, wenn ein Mann eine homosexuelle Beziehung zu einem anderen Mann hat?“ Gar nicht schlimm 58,3 % Weniger schlimm 24,3 % Ziemlich schlimm 7 % Sehr schlimm 9,1 % Weiß nicht 0,9 % Die unter der Leitung des Pädagogikprofessors Wilhelm Heitmeyer von 2002 bis 2012 durchgeführte Langzeitstudie „Deutsche Zustände“ hat jährlich die Einstellung der Befragten bezüglich gesellschaftlicher Minderheiten untersucht. Die Befragten äußerten sich zu der Aussage: „Es ist ekelhaft, wenn Homosexuelle sich in der Öffentlichkeit küssen.“ 2002 2010 2012 34,8 % Zustimmung 26,1 % 25,3 % „Homosexualität ist unmoralisch.“ 2002 2010 2012 16,6 % Zustimmung 16,3 % 15,8 % 15 Allgemeine Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften ALLBUS April 2013, veröffentlicht durch GESIS. Abrufbar unter http://de.statista.com/statistik/daten/studie/274633/umfrage/verhaltensbeurteilung--homosexuelle -beziehungen/ Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 029/16 Seite 11 „Ehen zwischen zwei Frauen bzw. zwischen zwei Männern sollten erlaubt sein. (hier: Prozentsatz der Ablehnung)“ 2002 2010 2012 40,5 % 25,3 % 21,1 % Die Einstellung gegenüber Homosexualität hat sich signifikant lediglich bei der Einschätzung bezüglich der Ehe zwischen zwei Frauen bzw. zwei Männern verändert. Hier hat sich die Ablehnungsrate in zehn Jahren halbiert. In der im Juni 2016 veröffentlichten Leipziger Studie „Enthemmte Mitte“16, die die Erhebungen von Heitmeyer in einigen Punkten aufgreift, wird auch nochmals die Frage gestellt, ob die Befragten es ekelhaft fänden, wenn Homosexuelle sich in der Öffentlichkeit küssten. Jetzt ist die Zustimmungsrate von 25 auf 41 Prozent gestiegen. Auch die anderen Werte haben sich signifikant verändert. Die Forscher schreiben dazu als Erklärung: “Im Vergleich zu den Werten von Heitmeyer sind die Werte von 2016 deutlich höher. Hingewiesen sei hier allerdings auf eine Einschränkung in der Vergleichbarkeit dieser Studien: Die Bielefelder Studiengruppe um Wilhelm Heitmeyer hatte Telefoninterviews durchgeführt, während die „Mitte“-Studien auf Face-to-Face- Befragungen beruht.“17 Dies wirft ein Schlaglicht auf die Methodik und Art der Fragestellung, die das Ergebnis aller Befragungen erheblich beeinflusst. 3.4. Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften Die Frage nach der rechtlichen Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften wird in den Umfragen erst in jüngerer Zeit gestellt. Auch die weibliche Homosexualität rückt mit dieser Frage mehr in den Bick. 16 Oliver Decker et al. (Hrsg.): Enthemmte Mitte. Autoritäre und rechtsextreme Einstellung in Deutschland. Gießen 2016, S.49f. Auch abrufbar unter: https://www.tagesschau.de/inland/mitte-101.pdf 17 Ebd. S.50. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 029/16 Seite 12 Eine mit mehreren Antwortvarianten geführte Erhebung der „Allgemeinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften ALLBUS“ kommt 2008 zu folgendem Ergebnis18: „Inwieweit stimmen Sie der Aussage zu, dass gleichgeschlechtliche Ehen gesetzlich anerkannt werden sollten?“ Stimme überhaupt nicht zu 20,8 % Stimme eher nicht zu 10 % Weder noch 12 % Stimme eher zu 19,3 % Stimme voll zu 34,4 % Weiß nicht, keine Angabe 3,4 & Zur Frage der rechtlichen Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften zeichnet eine Allensbach -Umfrage von 2015 folgendes Bild19: Frage: Wie sehr sind Sie für oder gegen die rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften , ich meine, dass zwei Männer oder zwei Frauen zusammenleben? Gleichgeschlechtliche Paare – Sollen Verheirateten rechtlich völlig gleichgestellt werden 49 % Sollen zwar mehr Rechte bekommen, werden aber verheirateten Paaren rechtlich nicht gleichgestellt 32 % Sollen rechtlich nicht anerkannt werden 11 % Sind grundsätzlich abzulehnen 6 % Nichts davon, keine Angabe 2 % 18 http://de.statista.com/statistik/daten/studie/176857/umfrage/meinung-zur-gesetzlichen-anerkennung-gleichgeschlechtlicher -ehen/ 19 Renate Köcher (Hrsg.): Allensbacher Jahrbuch der Demoskopie. 2003 – 2009, Berlin 2009, S. 651. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 029/16 Seite 13 Allensbach spricht von einem „Meinungsumschwung in 15 Jahren“, da sich die Zustimmung für die Gleichstellung der Ehe von 24 Prozent (2000) auf 49 Prozent (2015) verdoppelt habe.20 Eine im Auftrag der Zeitschrift Focus von TNS Emnid durchgeführte und im Mai 2015 veröffentlichte Erhebung21 kommt zu dem Ergebnis: „Soll man homosexuelle Partnerschaften rechtlich in allen Punkten mit der Ehe gleichstellen? Ja 64 % Nein 31 % Weiß nicht/keine Angabe 5 % Eine Mehrheit äußert sich positiv zur gesetzlichen Anerkennung gleichgeschlechtlicher Ehen. Auch wenn das Thema im Vergleich zu anderen als nicht besonders relevant angesehen wird22, ist die Zustimmung zur Gleichstellung stark gestiegen. Dies stehe teils im Widerspruch zur Wahrnehmung der Befürworter einer Gleichstellung: „Vielleicht ist es der Geschwindigkeit des Meinungswechsels geschuldet, dass die Vertreter der Homo-Ehe noch gar nicht gemerkt haben, dass sie inzwischen in der Mehrheit sind, so dass sie immer noch gegen eine vermeintliche Mauer des Widerstands anrennen, die tatsächlich gar nicht mehr vorhanden ist.“23 Bei der Frage nach dem Kindeswohl in homosexuellen Partnerschaften zeigt sich die Bevölkerung gleichwohl gespalten. Eine relative Mehrheit von 48 Prozent stimmte 2015 der Aussage zu: „Sicherlich kann ein Kind, das bei homosexuellen Eltern aufwächst, eine gute Kindheit haben, aber ich muss sagen, ich habe kein gutes Gefühl dabei, ich finde das nicht richtig.“24 Auch bei der Einstellung zur Ehe äußert sich die Bevölkerung eher konservativ. Dreiviertel der Befragten in Deutschland hielten 1981 die Ehe für keine überholte Einrichtung. 2015 sind es noch ebenso viele.25 20 Vgl. Thomas Petersen: Wenn sich die Mehrheit für die Minderheit hält. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 16. Juli 2015 (Siehe Anhang) 21 http://de.statista.com/statistik/daten/studie/436389/umfrage/umfrage-zur-gleichstellung-homosexueller-partnerschaften -mit-der-ehe/ 22 Bei einem Ranking landete es in der Allensbach-Studie auf den letzten Platz. Vgl. Petersen, FAZ vom 16. Juli 2015. 23 Ebd. 24 Allensbacher Archiv, IfD-Umfragen 11041/15, Juli 2015 (siehe Anhang) 25 Allensbacher Archiv, IfD-Umfragen 1295, 11041/V (siehe Anlage) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 029/16 Seite 14 4. Fazit Insgesamt hat die Akzeptanz der Homosexualität in der deutschen Gesellschaft sehr zugenommen . Während bis in die 1970er Jahre hinein homosexuelle Lebensweisen mehrheitlich als moralisch verwerflich oder krank beurteilt wurden, äußert sich heute eine Mehrheit positiv über Homosexualität . Im internationalen Vergleich steht Deutschland damit laut einer Studie von 2013 an erster Stelle:26Auf die Frage: „Sollte die Gesellschaft Homosexualität akzeptieren?“ antworten 87 Prozent der Deutschen mit Ja, in Frankreich sind es 77 Prozent, während lediglich 16 Prozent der Russen und neun Prozent der Türken die Aussage befürworten. Auch die Akzeptanz der gleichgeschlechtlichen Partnerschaften in Deutschland hat sich signifikant erhöht, dabei liegt die Zustimmungsrate bei den Jüngeren allgemein höher als bei den Älteren . Bei der Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften mit der Ehe hat insbesondere in den letzten 15 Jahren ein erheblicher Meinungswechsel stattgefunden. Skeptisch bleibt eine relative Mehrheit bei der Frage nach dem Kindeswohl in homosexuellen Partnerschaften. Für alle Befragungen gilt, dass die Antworten teilweise im Kontext „sozialer Erwünschtheit“ zu betrachten sind.27 Der gesellschaftliche Erwartungshorizont, der die Haltungen in der Bevölkerung mit beeinflusst, hat sich seit 1949 auch in der Bewertung der Homosexualität stark gewandelt . 5. Anlagen 1. Schaubild Allensbach, Dezember 1968 2. Schaubild Allensbach, Februar 1987 3. Auszug „Unliebsame Nachbarn“, Allensbach, 2008 4. Schaubild GESIS (ALLBUS), 2013 5. Schaubild PEW, 2013 6. Auszug Leipziger „Mitte“-Studie, 2016 7. Schaubild, Allensbach, 2015 8. Tabelle Allensbach, 2015 9. Tabelle Allensbach 2015 10. Schaubild Allensbach, 2015 11. Schaubild Allensbach, 2015 12. Schaubild Allensbach, 2015 13. FAZ vom 16. Juli 2015 14. EU-Schaubild 2015 15. Tabelle Allensbach 2015 16. Auszug IfD-Jahrbuch 2007 17. Schaubild Focus 2015 18. Schaubild Focus 2015 19. Schaubild TNS Emnid 2015 26 https://de.statista.com/infografik/1828/akzeptanz-von-homosexualitaet/ 27 Vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 2 „Methodische Vorbemerkung“. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 029/16 Seite 15 Ende der Bearbeitung