Deutscher Bundestag Titel SPD: Entschädigung und Restitution nach 1945 und 1990. Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 1 – 3000 - 025/10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000 - 025/10 Seite 2 SPD: Entschädigung und Restitution nach 1945 und 1990 Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 1 – 3000 - 025/10 Abschluss der Arbeit: 15.03.2010 Fachbereich: WD 1: Geschichte, Zeitgeschichte und Politik Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000 - 025/10 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Restitution von SPD-Vermögen nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges 4 2. Restitution von SPD-Vermögen nach der Wiedervereinigung 5 3. Literatur 7 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000 - 025/10 Seite 4 1. Restitution von SPD-Vermögen nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten1 war die Sozialdemokratische Partei Deutschlands durch den NS-Staat enteignet worden. Das Vermögen, das vom Preußischen Staat okkupiert wurde, betrug zum damaligen Zeitpunkt schätzungsweise ca. 60 bis 65 Millionen RM. 2 Die Konzentration AG, zu deren Aufgaben die Unterstützung von SPD-eigenen Unternehmungen in wirtschaftlicher Hinsicht gehörte, ging, nachdem ihre Leitung bereits von Beamten des Preußischen Innenministeriums übernommen worden war, am 21. Oktober 1933 in Liquidation. Im Zuge des institutionellen Wiederaufbaus der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg wurde am 29. Oktober 1946 die „Konzentration GmbH. Interessengemeinschaft sozialistischer Wirtschaftsunternehmen“ – kurz die Konzentration GmbH - gegründet .3 Wie in den Jahren der Weimarer Republik bestand zum einen ihre Aufgabe in der Anleitung von SPD-Unternehmen in wirtschaftlicher Hinsicht. Zum anderen aber lag es in ihrer Verantwortung , Wiedergutmachungsansprüche der Partei zu verfolgen. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges bemühte sich die SPD, ihr enteignetes Vermögen wiederzuerlangen , das vorsichtigen Schätzungen zufolge 1946/47 einen Zeitwert von mindestens 100 Mio RM betrug. Ca 70 Millionen RM an Vermögen befanden sich in den drei von den Westalliierten besetzen Zonen, ca. 30 Millionen RM befanden sich in der Sowjetischen Besatzungszone (Brunner 1996, S. 47ff, Wewer 1987, S. 41ff.). In diese Summen waren jedoch nicht die Vermögen der gleichfalls von den Nationalsozialisten enteigneten sozialdemokratischen Arbeitersport- und Kulturverbände einbezogen. Die Bemühungen der SPD um ihr Vermögen begannen in den westlichen Besatzungszonen 1947, doch entgegen aller Erwartungen gestaltete sich der Rückerstattungs- bzw. Rückübertragungsprozess langwierig. Ursächlich hierfür war, dass vom Alliierten Kontrollrat keine einheitliche Regelung getroffen worden war und stattdessen die drei Militärregierungen das Prozedere in den jeweiligen Besatzungszonen unterschiedlich handhabten. Ab 1948/49 führten die Bemühungen der Konzentration GmbH zu ersten Erfolgen, indem Grundstücke in verschiedenen Städten – Trier, Karlsruhe, Stuttgart, Hof, Frankfurt/Main, Mannheim, Nürnberg, Singen – an die SPD restituiert wurden, wobei die Immobilien oftmals infolge von Kriegseinwirkungen stark beschädigt waren. Auch gelang es der Konzentration GmbH in den Jahren 1948 und 1949, einen Großteil der sozialdemokratischen Verlage zurückzuerlangen (Wewer 1987, S. 43). Bis zur Verabschiedung des 1 Vgl. zum Begriff und den Vorgängen Ludolf Herbst (1996): Das nationalsozialistische Deutschland 1933-1945, Frankfurt am Main: suhrkamp, S. 62ff. 2 Vgl. Christoph Lehmann/Angelika Petruschat/Klaus Wettig unter Mitarbeit von Beate Häupel (2009): Die Zinnen der Partei, Berlin: vorwärts buch GmbH, S. 11f; von 65 Millionen sprechen Detlev Brunner (1996): 50 Jahre Konzentration GmbH. Die Geschichte eines sozialdemokratischen Unternehmens 1946-1996. Mit einem Vorwort von Inge Wettig-Danielmeier, Berlin: Metropol, S. 47; Göttrik Wewer (1987): Sozialdemokratische Wirtschaftsbetriebe . Eine politikwissenschaftliche Untersuchung von partei-eigenen Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland, Opladen: Westdeutscher Verlag, S. 41. 3 Vgl. zum Beispiel: Tobias Schneider (2008): Vermögen und erwerbswirtschaftliche Betätigung politischer Parteien . Schutz und Grenzen durch die Verfassung, Hamburg: Verlag Dr. Kovač, hier S. 45. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000 - 025/10 Seite 5 Bundesentschädigungsgesetzes war es der SPD in der Bundesrepublik gelungen, ihre Restitutionsansprüche zu weiten Teilen durchzusetzen (Wewer 19987, S. 45). Alfred Nau meinte 1964, der SPD seien insgesamt „durch Rückerstattung und Wiedergutmachung Werte von 20 Millionen Reichsmark“ zurückgegeben worden, allerdings ist diese Aussage nicht weiter überprüfbar (Wewer 1987, S. 45). Während es in den von den westlichen Alliierten besetzten Besatzungszonen der SPD immerhin gelang, ihr Eigentum zurückzuerhalten, wurden in der SBZ die Rückgabeverhandlungen verschleppt . Nachdem SPD und KPD zur SED zwangsvereinigt worden waren,4 erhielt die SED das ehemals der sozialdemokratischen Partei gehörende Vermögen (Zinnen der Partei, 2009, S. 12). 2. Restitution von SPD-Vermögen nach der Wiedervereinigung Nach der Wiedervereinigung war es wiederum Aufgabe der Konzentration GmbH, die Restitutions - und Entschädigungsforderungen der SPD in den neuen Ländern zu betreiben (Schneider, 2008, S. 76). Dabei erhob die SPD Ansprüche auf das 1933 von den Nationalsozialisten enteignete und nach 1945 in die Hände der SED gelangte oder in der DDR als „volkseigenes Vermögen“ deklarierte Vermögen. Insgesamt wurden von Seiten der SPD mehr als 330 Anträge auf Restitution gestellt (Brunner, 1996, S. 122). Die Treuhandanstalt bezweifelte allerdings die Eigenschaft der SPD als Rechtsnachfolgerin der vor 1933 existierenden Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Stattdessen vertrat man auf Seiten der Treuhand5 die Auffassung, dass die Vereinigung von SPD und KPD zur SED auf freiwilliger Basis geschehens sei. Demzufolge sei auch die Vermögensabtretung freiwillig geschehen .6 Nachdem der Zwangscharakter der Vereinigung von SPD und KPD durch eine Gruppe von Historikern (Grebing u.a. 1992), die von der SPD beauftragt worden war, geklärt war, wurden die Restitutionsansprüche der SPD positiv beschieden. a) Immobilien Bis 1999 wurden 54 Rückübertragungsverfahren durch Naturalrestitution oder Kaufpreiszahlung zugunsten der SPD positiv beschieden. Bis zum Jahr 2000 konnten so 36 Immobilien restituiert werden, und zwar in: 4 Vgl. zum Charakter der Vereinigung von KPD und SPD zur SED: Grebing, Helga/Christoph Kleßmann/Klaus Schönhoven/Hermann Weber (1992): Zur Situation der Sozialdemokratie in der SBZ/DDR im Zeitraum zwischen 1945 und dem Beginn der 50er Jahre. Gutachten für die Sozialdemokratische Partei Deutschlands, Marburg : Schüren Presseverlag. 5 Vgl. zur Treuhandanstalt Wolfgang Seibel (2005): Verwaltete Illusionen : die Privatisierung der DDR-Wirtschaft durch die Treuhandanstalt und ihre Nachfolger 1990 – 2000, Frankfurt am Main: Campus. 6 Miroslav Angelov (2006): Vermögensbildung und unternehmerische Tätigkeit politischer Parteien, Berlin: Duncker & Humblot, hier S. 80ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000 - 025/10 Seite 6 Allstedt, Altenburg, Blankenburg, Chemnitz, Cottbus, Dresden, Görlitz, Greiz, Halberstadt, Halle, Hamberge, Klettwitz, Königsbrück, Köthen, Leipzig, Löbau, Magdeburg, Meißen, Mühlhausen, Roßlau, Rostock, Saalfeld, Schwerin, Stralsund, Stausberg, Üdersee, Unseburg, Zeitz und Zeulenroda 7 Im Einzelnen handelt es sich um folgende Immoblien: In Chemnitz war das spätere Georg-Landgraf-Haus Restitutionsgegenstand. Das 1933 enteignete Gebäude des Verlagshauses der Chemnitzer Volksstimme erhielt die SED im Jahr 1946. Nach der Wiedervereinigung erhielt die SPD das Gebäude zurück. (Zinnen der Partei 2009, S. 42). In Dessau vermittelte die Treuhand im Jahr 1991 den Verkauf von Grundstück und Gebäude der Arbeiterdruckerei an die Firma Anhalt Druck Dessau GmbH zugunsten der SPD, die im Gegenzug auf Restitutionsansprüche an dem Objekt verzichtete (Zinnen der Partei 2009, S. 50). In Halle war der berühmte Volkspark 1933 von den Nationalsozialisten enteignet worden. 1946 erhob die SED Rückübertragungsansprüche. Daraufhin ging das Gebäude in Volkseigentum über. 1990 erhob die SPD die Forderung auf Rückübertragung, denen im Jahr 1998 nach mehrjährigem Verfahren stattgegeben wurde (Zinnen der Partei, S. 60). Ebenfalls in Halle wurde im Jahr 1933 das Haus der SPD-eigenen Halleschen Druckereigesellschaft enteignet. Auf das im März 1945 teilweise zerstörte Gebäude erhob die SPD im Jahr 1990 Rückübertragungsansprüche, denen im Jahr 1997 stattgegeben wurde. Heute ist das Haus als Adolf-Reichwein-Haus bekannt (Zinnen der Partei, S. 64). 1933 wurde in Köthen wurde das heute als Heinrich-Peus-Haus benannte Druckereigebäude der Zeitung Volkswille durch die Nationalsozialisten enteignet. Auf Befehl der SMAD wurde im Januar 1946 das Haus an die SPD rückübertragen. 1994 erhielt die SPD das Haus nochmals zurück (Zinnen der Partei 2009, S. 78). 1933 wurde die Leipziger Volkszeitung verboten, ein Jahr später erfolgte die Übertragung des Druckhauses an das Land Sachsen. 1990 stellte die SPD den Antrag auf Rückübertragung, dem 1994 stattgegeben wurde. Das seinerzeit stark sanierungsbedürftige Gebäude trägt heute den Namen Richard-Lipinski-Haus (Zinnen der Partei 2009, S. 82). Das 1933 in Meißen enteignete Verlagshaus der SPD ging 1946 in das Eigentum der SED über. Noch durch die SPD der DDR wurde 1990 ein Antrag auf Rückübertragung gestellt, dem 1995 stattgegeben wurde (Zinnen der Partei 2009, S. 90) 1931 hatte die SPD-eigene Mecklenburgische Volks-Zeitung GmbH in Schwerin ein Haus erworben . Das heute als Willy-Brandt-Haus bekannte Gebäude wurde 1933 enteignet. 1946 erhob die SED Rückübertragungsansprüche, 1990 erfolgte der Antrag auf Rückübertragung durch die SPD. Nach einem langwierigen Verfahren wurde die Immobilie der Partei im Jahre 1998 zurückgegeben (Zinnen der Partei 2009, S. 104). 7 Vgl. Jahrbuch der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands 01/02, hrsg. vom Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), Braunschweig: Braunschweig Druck GmbH, S. 39. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000 - 025/10 Seite 7 b) Verlage Wie im Falle der Immobilien auch bemühte sich die SPD darum, ihre im Jahre 1933 enteigneten und in Folge der Zwangsvereinigung von KPD und SPD 1946 oftmals in SED-Besitz übergegangenen Verlage zurück zu erlagen.8 Im Jahr der Wiedervereinigung galten die ehemaligen SED- Bezirkszeitungen, die im Gegensatz zu überregionalen Tageszeitungen bis Mitte 1990 lediglich 10 Prozent ihrer Auflagen verloren hatten, als Filetstück der vom Treuhand-Vorstand beschlossenen Privatisierung von über 50 Verlagsobjekten. Die beiden auflagenstärksten ehemaligen SED- Regionalzeitungen wurden noch vor der offiziellen Ausschreibung verkauft. Die Ludwigshafener Medion Union GmbH erwarb am 2. Oktober 1990 die in Chemnitz erscheinende Freu Presse. Der Kölner Verlag M.DuMont Schauberg erwarb die in Halle erscheinende Mitteldeutsche Zeitung Kapitza 1998, S. 245ff). Die SPD kündigte wegen dieser Verkäufe Strafanzeige an. Nachdem im März 1991 von der Treuhand der Verkauf weiterer ehemaliger SED-Regionalzeitungen angekündigt wurde, bemühte sich die SPD vor dem Bundesverfassungsgericht um eine einstweilige Verfügung. Zwar scheiterte sie damit, das Bremer Landgericht, bei dem ein paralleles Verfahren anhängig war, erkannte die Restitutionsansprüche jedoch an. Im August 1991 erklärte sich die SPD bereit, auf eine Rückgabe zu verzichten. Sie erhielt im Gegenzug von der Treuhandanstalt eine Entschädigung in Höhe von 75 Millionen DM zugesprochen . Das entsprach ca. sechs Prozent der Erlöse aus dem Verkauf von 13 Regionalzeitungen. Die Entschädigungssumme wurde schließlich dadurch abgegolten, dass Gruner + Jahr (G+J) der SPD eine vierzigprozentige Beteiligung an der Sächsischen Zeitung einräumte. 3. Literatur Angelov, Miroslav (2006): Vermögensbildung und unternehmerische Tätigkeit politischer Parteien , Berlin: Duncker & Humblot. Brunner, Detlev (1996): 50 Jahre Konzentration GmbH. Die Geschichte eines sozialdemokratischen Unternehmens 1946-1996, Berlin: Metropol. Czada, Roland/Gerhard Lehmbruch (Hrsg.) (1998): Transformationspfade in Ostdeutschland. Beiträge zur sektoralen Vereinigungspolitik, Frankfurt/New York: Campus. Feser, Andrea (2003): Vermögensmacht und Medieneinfluss. Parteieigene Unternehmen und die Chancengleichheit der Parteien, Berlin: Books on Demand GmbH, Norderstedt. Grebing, Helga/Christoph Kleßmann/Klaus Schönhoven/Hermann Weber (1992): Zur Situation der Sozialdemokratie in der SBZ/DDR im Zeitraum zwischen 1945 und dem Beginn der 50er Jahre . Gutachten für die Sozialdemokratische Partei Deutschlands, Marburg: Schüren Presseverlag. 8 Arne Kapitza: Verlegerische Konzentration und redaktionelle „Ostalgie“: Die Printmedien, in, Roland Czada/Gerhard Lehmbruch (Hrsg.) (1998): Transformationspfade in Ostdeutschland. Beiträge zur sektoralen Vereinigungspolitik, Frankfurt/New York: Campus, S. 241-266 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000 - 025/10 Seite 8 Herbst, Ludolf (1996): Das nationalsozialistische Deutschland 1933-1945, Frankfurt am Main: suhrkamp. Jahrbücher der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands 99/00 und 01/02, hrsg. vom Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), Braunschweig: Braunschweig Druck GmbH. Lehmann, Christoph/Angelika Petruschat/Klaus Wettig unter Mitarbeit von Beate Häupel (2009): Die Zinnen der Partei, Berlin: vorwärts buch GmbH. Schneider, Tobias (2008): Vermögen und erwerbswirtschaftliche Betätigung politischer Parteien. Schutz und Grenzen durch die Verfassung, Hamburg: Verlag Dr. Kovač. Wewer, Göttrik (1987): Sozialdemokratische Wirtschaftsbetriebe. Eine politikwissenschaftliche Untersuchung von partei-eigenen Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland, Opladen: Westdeutscher Verlag (= Studien zur Sozialwissenschaft, Bd. 67).