© 2016 Deutscher Bundestag WD 1 - 3000 - 024/16 SETA-Studie über „Islamophobie“ in Europa Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 024/16 Seite 2 SETA-Studie über „Islamophobie“ in Europa Aktenzeichen: WD 1 - 3000 - 024/16 Abschluss der Arbeit: 8. Juli 2016 Fachbereich: WD 1: Geschichte, Zeitgeschichte und Politik Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 024/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Begriff „Islamophobie“ 4 3. SETA 5 4. Autoren 6 5. Berichterstattung und öffentliche Wahrnehmung 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 024/16 Seite 4 1. Einleitung Im März 2016 hat die türkische „Denkfabrik“ („Think-Tank“) SETA eine Studie zur „Islamophobie “ in Europa veröffentlicht. Dieser „European Islamophobia Report 2015“ wurde erstmals vorgelegt und soll demnächst jährlich erscheinen. Darin sind Berichte von 37 Wissenschaftlern über die Situation in insgesamt 25 europäischen Ländern zusammengestellt, zu denen auch Deutschland gehört.1 Der Report kommt zum Ergebnis, dass „Islamophobie“ oder „anti-muslimischer Rassismus“ in ganz Europa erschreckend verbreitet sei und Menschen allein aufgrund ihres islamischen Glaubens diskriminiert und attackiert würden. „Islamophobie“ stelle eine wachsende Bedrohung für das Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen in Europa dar.2 In Deutschland sei im Jahr 2015 „Islamophobie“ eine unbestreitbare Kraft in der deutschen Gesellschaft geworden“.3 2. Begriff „Islamophobie“ Laut einem Artikel der Bundeszentrale für politische Bildung ist „Islamophobie“ ein „auf den Islam oder die Muslime bezogenes stark ausgeprägtes Gefühl von Furcht, das über ein als angemessen oder normal geltendes Maß hinausgeht“. Zur Beschreibung feindlicher Einstellungen gegen Muslime scheine dieser Begriff aber nicht passend, da er irreführender Weise nahe lege, es handele sich bei den Einstellungen nur um übertriebene Angstgefühle. In einer Erklärung unterschiedlicher Begriffe zu Feindschaft und Kritik gegenüber dem Islam und Muslimen führt die Bundeszentrale weiter aus, dass sowohl im politischen Diskurs als auch in der wissenschaftlichen Analyse des Phänomens eine schier unüberschaubare Begriffsvielfalt herrsche und in der Fachliteratur verschiedenste Bezeichnungen verwendet würden, die oft nicht genau definiert seien.4 In einem anderen Artikel der Bundeszentrale für politische Bildung zur Geschichte des Begriffs „Islamophobie“ wird erläutert, dass die Verwendung dieses Begriffs in politischen Debatten um den Islam „nicht selten“ dazu diene, Kritik am Islam oder dem Verhalten von Muslimen abzuwehren . Demnach habe am Anfang der Verbreitung des Begriffs Mitte der 90er Jahre die Absicht britischer muslimischer Verbände gestanden, „missliebige Positionen als islamfeindlich oder als 1 Vgl. den Artikel „European Islamophobia Report 2015“ vom 24. März 2016 auf der Internetseite von SETA unter : http://setav.org/en/european-islamophobia-report-2015/book/37055 (Stand: 8. Juli 2016). 2 Vgl. den Artikel „European Islamophobia Report 2015“ vom 24. März 2016 auf der Internetseite von SETA unter : http://setav.org/en/european-islamophobia-report-2015/book/37055 (Stand: 8. Juli 2016). 3 Vgl. Younes, Anna-Esther. Islamophobia in Germany. National Report 2015. Seite 184. In: Bayrakli, Enes; Hafez, Farid (Hrsg.). European Islamophobia Report 2015. Siehe auf der Internetseite von SETA unter: http://www.islamophobiaeurope .com/reports/2015/en/EIR_2015.pdf (Stand: 8. Juli 2016). 4 Vgl. den Artikel „Islamfeindlichkeit, Islamophobie, Islamkritik – ein Wegweiser durch den Begriffsdschungel“ von Armin Pfahl-Traughber vom 17. März 2014 auf der Internetseite der Bundeszentrale für politische Bildung unter: http://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/180774/islamfeindlichkeit-islamophobieislamkritik -ein-wegweiser-durch-den-begriffsdschungel (Stand: 8. Juli 2016). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 024/16 Seite 5 Verletzung religiöser Gefühle der Muslime abzuwehren“.5 Die beiden Herausgeber des „European Islamophobia Report 2015“ erläutern in ihrer Einleitung, dass es trotz einer weit verbreiteten Verwendung im englischen Sprachraum und in der Wissenschaft in vielen europäischen Ländern große Vorbehalte gegen die Verwendung des Begriffs „Islamophobie“ gebe. Weiterhin betonen sie, dass nicht jede Kritik an Muslimen oder am Islam automatisch islamophob sei und sie mit „Islamophobie“ anti-muslimischen Rassismus meinten.6 3. SETA SETA wurde 2005 gegründet und unterhält Büros in Ankara, Istanbul, Washington, D.C. und Kairo. SETA bezeichnet sich selbst als Stiftung für politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Forschung (englisch: Foundation for Political, Economic and Social Research, türkisch: Siyaset , Ekonomi ve Toplum Araştirmalari Vakfi) sowie als führenden „Think-Tank“ der Türkei.7 Zu den Zielen von Think-Tanks – so auch ausdrücklich von SETA – gehört, mit der Präsentation von Forschungsergebnissen Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung zu nehmen, Politikberatung zu geben und politische Debatten zu beeinflussen. Einige Denkfabriken vertreten dabei eine bestimmte politische oder ideologische Linie.8 SETA wird in deutschsprachigen Medien als regierungsnah bzw. als nahe stehend zur gegenwärtigen türkischen Regierungspartei AKP bezeichnet.9 Auch eine umfassende Analyse türkischer Think-Tanks in einer Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik aus dem Jahr 2012 bezeichnet SETA als der türkischen Regierung besonders nahe stehend und zeigt viele enge personelle Verflechtungen auf. So war beispielsweise einer der früheren Vorsitzenden von SETA, Ahmet 5 Vgl. den Artikel „Die Islamophobie und was sie vom Antisemitismus unterscheidet“ von Jochen Müller vom 8. März 2010 auf der Internetseite der Bundeszentrale für politische Bildung unter: http://www.bpb.de/politik /extremismus/antisemitismus/37969/antisemitismus-und-islamophobie (Stand: 8. Juli 2016). 6 Vgl. Bayrakli, Enes; Hafez, Farid (Hrsg.). European Islamophobia Report 2015. Seite 6/7. Siehe auf der Internetseite von SETA unter: http://www.islamophobiaeurope.com/reports/2015/en/EIR_2015.pdf (Stand: 8. Juli 2016). 7 Vgl. die Aussagen auf der Internetseite von SETA unter: http://setav.org/About (Stand: 8. Juli 2016) sowie den Artikel „European Islamophobia Report 2015“ vom 24. März 2016 auf der Internetseite von SETA unter: http://setav.org/en/european-islamophobia-report-2015/book/37055 (Stand: 8. Juli 2016). 8 Vgl. die Aussagen auf der Internetseite von SETA unter: http://setav.org/About sowie den Artikel „Denkfabrik“ auf der Internetseite der Online-Enzyklopädie Wikipedia unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Denkfabrik (Stand: 8. Juli 2016). 9 Vgl. beispielsweise den als Anlage beigefügten Artikel „Litanei der Ausgrenzung“ in der Süddeutschen Zeitung vom 4. Mai 2016; den Artikel „Träume von der osmanischen Vergangenheit“ vom 28. Februar 2015 auf der Internetseite des Deutschlandfunks unter: http://www.deutschlandfunk.de/tuerkei-traeume-von-der-osmanischenvergangenheit .724.de.html?dram:article_id=312910 (Stand: 8. Juli 2016) sowie den Artikel „Turbulente Zeiten in der Türkei - Erdogan dreht das Rad zurück“ vom 18. Februar 2014 auf der Internetseite der Neuen Züricher Zeitung unter: http://www.nzz.ch/erdogan-dreht-das-rad-zurueck-1.18245487 (Stand: 8. Juli 2016). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 024/16 Seite 6 Davutoğlu, später türkischer Außenminister und Ministerpräsident. Außerdem ist der Gründungsdirektor von SETA, Ibrahim Kalin, seit 2009 außenpolitischer Chefberater des damaligen türkischen Ministerpräsidenten und heutigen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan.10 4. Autoren Der „European Islamophobia Report 2015“ wurde von den beiden Politikwissenschaftlern Enes Bayrakli (Deutsch-Türkische Universität Istanbul) und Farid Hafez (Universität Salzburg) zusammengestellt . Den Bericht zur Lage in Deutschland hat die in Deutschland lebende Anna-Esther Younes verfasst, die ihre Dissertation zum Thema „Rasse, Kolonialismus und die Figur des Juden im Neuen Deutschland“ am Hochschulinstitut für Internationale Studien und Entwicklung in Genf erworben hat. Nach Angaben zu einem von ihr verfassten Artikel ist sie eine „deutsch-palästinensische Akademikerin“, deren wissenschaftliche Arbeit sich auf Rassismus, Nationalismus sowie israelisch-palästinensische Beziehungen konzentriert. 5. Berichterstattung und öffentliche Wahrnehmung Der „European Islamophobia Report 2015“ ist auf eine sehr begrenzte Berichterstattung in den deutschen Medien gestoßen und wurde in der deutschen Öffentlichkeit nur in geringem Ausmaß wahrgenommen. Der Report liegt nur in englischer Sprache vor, wobei es allerdings in den Kapiteln zur Situation in den einzelnen Ländern jeweils auch eine kurze Zusammenfassung der länderspezifischen Aussagen in der jeweiligen Landessprache, also über Deutschland auch auf Deutsch, gibt. Für diesen Sachstand wurde bei der Bibliothek des Deutschen Bundestages eine Literaturrecherche in Auftrag gegeben, die im Ergebnis nur einen einzigen Artikel auflisten konnte, der dazu in einer deutschen Zeitung erschienen ist: den als Anlage beigefügten Artikel „Litanei der Ausgrenzung “ in der Süddeutschen Zeitung vom 4. Mai 2016. Außerdem wurde am 19. März 2016 in der österreichischen Tageszeitung „Der Standard“ in dem Artikel „Feindbild Muslime als europaweites Phänomen“ über den Report berichtet.11 Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Berichterstattungen auf Internetseiten verschiedener Organisationen. Bei der österreichischen „Austria Presse Agentur-OTS“ ist auch die Ankündigung einer Veranstaltung mit dem Titel „Islamophobie in Europa ? Präsentation des Europäischen Islamophobie-Berichts“ der Europäischen Föderalistischen Bewegung Österreichs (EFB/JEF) am 20. Juni 2016 in Wien zu finden. Zu den Gesprächspartnern dieser Veranstaltung gehörten demnach die beiden Herausgeber der Studie.12 10 Vgl. Günter Seufert. Außenpolitik und Selbstverständnis - Die gesellschaftliche Fundierung von Strategiewechseln in der Türkei. Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit. Berlin. 2012. Seite 21-26. Siehe unter: https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien /2012_S11_srt.pdf (Stand: 8. Juli 2016). 11 Siehe auf der Internetseite der Tageszeitung „Der Standard“ unter: http://derstandard.at/2000033203570/Feindbild -Muslime-als-europaweites-Phaenomen (Stand: 8. Juli 2016). 12 Siehe auf der Internetseite der Austria Presse Agentur-OTS unter: http://www.ots.at/presseaussendung /OTS_20160617_OTS0158/veranstaltung-islamophobie-in-europa-praesentation-des-europaeischen-islamophobie -berichtshttp://www.islamophobiaeurope.com/reports/2015/en/EIR_2015.pdf (Stand: 8. Juli 2016). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 024/16 Seite 7 Ende der Bearbeitung