Deutscher Bundestag Sinti und Roma in Österreich Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 1 – 3000 - 022/13 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000 - 022/13 Seite 2 Sinti und Roma in Österreich Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 1 – 3000 - 022/13 Abschluss der Arbeit: 8. April 2013 Fachbereich: WD 1: Geschichte, Zeitgeschichte und Politik Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000 - 022/13 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Die Lage von Sinti und Roma in Österreich 5 2.1. Das Bettelei-Verbot von 2010/11 als umstrittene erste Antwort auf die sog. „Roma-Frage“ 5 2.2. Allgemeine Situation und Selbsteinschätzung 7 2.3. Hilfsorganisationen und Fördermittel 10 3. Fazit 14 4. Kontaktadressen 15 5. Literaturverzeichnis und weiterführende Links 16 6. Anlagen 17 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000 - 022/13 Seite 4 1. Einleitung Seit einigen Monaten kommen vermehrt Roma vom Balkan als Asylbewerber nach Deutschland, Österreich und Großbritannien sowie in die Niederlande. Bundesinnenminister Friedrich und seine europäischen Amtskollegen sehen darin ein Indiz verstärkter Zuwanderung in die Sozialsysteme. Dies wird von der Politik als Problem empfunden, das dringender Lösung bedarf. Als Grund wird angeführt, dass der Migrantenstrom im aktuellen Fall nicht durch Krieg oder Verfolgung verursacht werde. Er hänge vielmehr ausschließlich mit der Armutssituation in den Herkunftsländern zusammen und sei damit kein mit dem Asylrecht zu behebendes Problem.1 Im März wurde deshalb vereinbart, das Thema auf der nächsten EU-Ratssitzung der Innenminister im Juni 2013 ausführlich zu erörtern.2 Laut den „Kieler Nachrichten“ dürfte am Ende dieser Erörterung eine Verschärfung der Regeln für Asylbewerber insbesondere aus Serbien und Mazedonien (90 Prozent davon Roma) stehen, da die meisten Innenminister der EU-Staaten Friedrichs Position teilen und von einem systematischen Missbrauch des Asylrechts im konkreten Fall ausgehen.3 Dies gilt besonders für Belgien, England, Finnland und Schweden. Dort reagiert die Politik schon seit Jahren auf den Anstieg der Zuwanderung von Sinti und Roma mit der Haltung „Sofort abschieben“, wie die Zeitschrift „Das Parlament“ schreibt.4 Nicht ganz so vehement, aber in eine ähnliche Richtung weisend, positioniert sich derzeit Österreich, dessen Haltung in der Asylfrage die „Süddeutsche Zeitung“ Ende 2010 als weit weniger „rücksichtsvoll“ als die deutsche bezeichnet hat.5 Die Alpen-Republik ist aufgrund ihrer geographischen Nähe zum Balkan gleichsam erste Anlaufstelle der Zuwanderung von Sinti und Roma. Sie hat sich also in besonderer Weise mit der Frage auseinanderzusetzen, wie mit den Neu-Migranten dieser Ethnien umzugehen ist, die, wie Balduin Winter 2005 schrieb, traditionell in allen Ländern der EU als die „fremdesten Europäer“ erscheinen und deshalb mit größeren Akzeptanzproblemen zu kämpfen haben als andere Volksgruppen.6 Dies lässt es angebracht erscheinen, die Lage von Sinti und Roma in Österreich etwas genauer zu betrachten. Wie wird dort mit ihnen umgegangen? Welche Transferleistungen erhalten sie? Gibt es spezielle Förderprogramme, bekommen sie Kindergeld etc.? 1 Darauf verwies bereits vor drei Jahren in ähnlichem Zusammenhang die Frankfurter Allgemeine vom 30.12.2010, Artikel „Zurück in eine Heimat, die keine mehr ist“ (im Anhang beigefügt). 2 Aussage Friedrich im: Bayern-Kurier vom 16.03.2013. 3 Kieler Nachrichten vom 26.10.2012, ebenso Tagesspiegel vom 26.10.2012. 4 Das Parlament vom 17.10.2005. Vgl. auch Jocham, Antiziganismus, S.1. 5 Vgl. Süddeutsche Zeitung vom 24.11.2010, Artikel „Erfolgreicher Kampf um Visa“ (im Anhang beigefügt). 6 Das Parlament vom 17.10.2005. Vgl. dazu auch Jocham, Antiziganismus, S.1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000 - 022/13 Seite 5 2. Die Lage von Sinti und Roma in Österreich 2.1. Das Bettelei-Verbot von 2010/11 als umstrittene erste Antwort auf die sog. „Roma-Frage“ Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete im Juni 2010 über einen Vorstoß sozialdemokratischer Landtagsabgeordneter in Österreich, „´Belästigungen´ durch ´Personen, die sich vorwiegend in Gruppen aufhalten […]´ und die ´allein durch ihr verwahrlostes Auftreten eine erhebliche Verunsicherung auslösen“, zu unterbinden.7 Ausgelöst wurde dieser Vorstoß durch die rapide Zunahme von Betteleien in österreichischen Großstädten, besonders in Wien und Graz. Diese Betteleien galten als äußerlich auffallendster Teil der sog. „Roma-Frage“, die durch eine sprunghafte Zunahme ziganistischer Westwanderung aus Rumänien und Bulgarien nach deren Aufnahme in die EU 2004/07 ausgelöst wurde. Laut der „Neuen Zürcher Zeitung“ kam es in allen von dieser Migration betroffenen Ländern zu einer „aufgeregten Diskussion“ über den verstärkten Zuzug von Roma.8 In Österreich regte sich sogar erheblicher Unmut in der Bevölkerung. Es entstand eine diffuse, aber dennoch reale Bedrohungsempfindung seitens der autochthonen Einwohnerschaft, auf die die Politik zu reagieren hatte. Dies taten staatliche Entscheidungsträger, indem sie einen kausalen Zusammenhang zwischen Zuwanderung und Bettelei herstellten und damit ihren oben zitierten Vorstoß legitimierten. Dies sorgte im Ausland für Kritik. Betrachter in Deutschland etwa bestritten vehement die Kausalität zischen Bedrohungsgefühlen und Bettelei9 und führten die entsprechende Gesetzgebung in der Donau-Republik stattdessen auf tiefsitzende Vorurteile der Einheimischen gegen die Gruppen der „Zigeuner“ zurück.10 Linke Medien wie die „taz“ zeigten sich besonders kritisch und machten bereits 2008 „alltäglichen Rassismus“ in Österreich aus, der sich gegen Roma richte.11 Dabei beriefen sie sich auf einen „Bericht des UN-Komitees zur Beseitigung von Rassismus (Cerd)“, der damals erschien und Österreichs Bevölkerung, aber auch Behörden und Politik in der Alpenrepublik, xenophoben Umgang mit Flüchtlingen und Migranten attestierte.12 7 Zit. nach Süddeutsche Zeitung vom 14.06.2010, Artikel „Bitte seien Sie kaltherzig!“ (im Anhang in voller Länge beigefügt). 8 Neue Zürcher Zeitung vom 29.09.2010. 9 Vgl. demgegenüber die Studie von Jocham, Antiziganismus (2010), passim, die einen Zusammenhang zwischen Antiziganismus und der sozialen Lage von Sinti und Roma belegt. 10 Belegt sind von Seiten der Forschung antiziganistische Einstellungen in Österreich, die bis ins frühe 20. Jahrhundert zurückreichen. Vgl. Thurner, S.53ff. (Abschnitt 4.2. „Zigeunerfeindliche Einstellung im Burgenland vor 1938“). Jocham betont allerdings, dass dies eine europaweite Einstellung gewesen sei und nicht als etwas spezifisch Österreichisches betrachtet werden könne. Für die Gegenwart belegt Anna Jocham sogar eine im nichtdeutschen Sprachraum weitaus heftigere Abneigung gegen „Zigeuner“ als in Deutschland oder Österreich. So erwähnt die Autorin etwa pogromartige Übergriffe auf Roma in Italien und Tschechien 2008, die an die Verfolgung im Faschismus erinnerten und hierzulande nicht vorkämen (Stand 2010). Jocham, S.1. 11 Vgl. taz vom 22.08.2008 (der Artikel mit der Überschrift „Alltäglicher Rassismus“ ist im Anhang beigefügt). 12 Ebd. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000 - 022/13 Seite 6 Innerhalb Österreichs fiel und fällt die Bewertung allerdings anders aus. So wurde der Vorstoß der SPÖ, das Betteln zu verbieten, mehrheitlich gutgeheißen. Der Antrag erlangte mit parteiübergreifender Zustimmung Gesetzeskraft. Dazu bemerkte die „Süddeutsche Zeitung“ 2010: „Damit geht Wien den Weg anderer europäischer Städte, die sich – wie das gleichfalls sozialdemokratisch regierte München – den Kampf gegen das Feindbild der ´Bettelbanden´ auf die Fahnen geschrieben haben.“13 Verfassungsrechtler und Vertreter karitativer Einrichtungen zweifeln zwar mitunter an der Verhältnismäßigkeit des Beschlusses und sorgen sich über die „Mobilisierung von Vorurteilen“, die damit einhergehen könnte.14 Gleichwohl scheint die Politik der SPÖ gesamtgesellschaftlich beruhigend zu wirken.15 Sie wird von der ÖVP unterstützt, stößt im Wahlvolk auf breite Akzeptanz und erscheint im Vergleich zu deutlich weiter gehenden Forderungen der rechtspopulistischen FPÖ vergleichsweise gemäßigt. Vermutlich deshalb zeigten auch die noch am ehesten kritisch gestimmten Sozialverbände Österreichs in der Gesamtbilanz bisher Verständnis für die Politik der Sozialdemokraten, ja unterstützten sie teilweise explizit. Oliver Löhlein etwa, Soziologe und Geschäftsführer des Samariterbundes in Wien, begrüßte das Bettelei-Verbot als legitimes Staatshandeln mit dem Hinweis auf seines Erachtens nachgewiesene Erfahrungswerte, denen zufolge „Menschen, die sich selbst vernachlässigen, die Gesellschaft schädigen“ würden.16 Aktuell liegen die von verschiedenen Regionalparlamenten der Donau-Republik übernommenen Bettelei-Verbote zur Überprüfung beim österreichischen Verfassungsgericht.17 Mit einem Urteil wird allerdings nicht so bald gerechnet, da das oberste Rechtsorgan Österreichs in Grundsatzfragen traditionell als eher entscheidungsscheu gilt.18 Beobachter halten es für wahrscheinlich, dass das Verfassungsgericht am Ende einer Entscheidung überhaupt ausweichen und sich wie in vergleichbaren Fällen der Vergangenheit auf die reine Bewertung von Formalien beschränken könnte, womit faktisch die geschaffene Gesetzeslage unverändert bliebe.19 13 Süddeutsche Zeitung vom 14.06.2010, Artikel „Bitte seien Sie kaltherzig!“ (im Anhang in voller Länge beigefügt). 14 Ebd. 15 Dies war bereits Mitte der 1990er Jahre der Fall, als in Österreich die Lage der Roma von diesen selbst als sehr zufriedenstellend betrachtet wurde und sie relativ ungehindert leben konnten, obwohl nachweislich große Vorurteile der Mehrheitsbevölkerung gegen „Zigeuner“ bestanden. Offensichtlich sorgte die Tatsache, dass Österreich eines der strengsten Ausländerrechte aller EU-Staaten besaß, für eine hinreichende „Beruhigung“ der Einheimischen, sodass sich die Vorurteile gegen die „Fremden“ nicht in Ängste und gewaltsame Abwehrreaktionen umsetzten, zu denen es in anderen Ländern kam. Vgl. dazu Klopĉiĉ/Polzer, S.49. 16 Süddeutsche Zeitung vom 14.06.2010, Artikel „Bitte seien Sie kaltherzig!“ (im Anhang in voller Länge beigefügt). 17 Berliner Zeitung vom 23.06.2011, Artikel „Betteln verboten! Aber mit welchem Recht?“ (im Anhang beigefügt). 18 Ebd. 19 Ebd. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000 - 022/13 Seite 7 2.2. Allgemeine Situation und Selbsteinschätzung In Österreich leben Sinti und Roma etwa seit dem 15. Jahrhundert. Eine genaue Zahl der Population ist nicht zu ermitteln20, aber man schätzt, dass sich derzeit rund 40.000 Roma und Sinti in Österreich aufhalten.21 Es handelt sich dabei nicht um eine homogene Gruppe. Zwar greifen alle fünf Untergruppen (Burgenland-Roma, Sinti, Lovara, Kalduraš, Gubet und Arlije) auf eine gemeinsame Sprache zurück, aber jede Gruppe hat ihre eigene Geschichte und Kultur. Die Heterogenität führte dazu, dass es lange Zeit keine gemeinsame Organisation gab, die sich um die Belange der gesamten Ethnie kümmern und deren Anliegen öffentlich vertreten konnte. Die ersten gemeinsamen Organisationen, die im Namen aller mit der Regierung verhandelt haben, waren der 1989 gegründete Verein „Roma Oberwart“ und der 1991 gegründete „Kulturverein Österreichischer Roma“.22 Nachdem der 1993 gegründete „Verband österreichischer Sinti“ mit Sitz in Villach bereits nach kurzer Zeit wieder aufgelöst wurde, bürgerte es sich in Österreich ein, auf die Bezeichnung Sinti ganz zu verzichten und alle Gruppen der ehemals „Zigeuner“ genannten Volksgruppen unter dem Oberbegriff Roma zusammenzufassen. Die in Deutschland übliche Doppelnennung Sinti und Roma hat sich in der Alpenrepublik also als Volksgruppenbezeichnung nicht durchgesetzt und wird nur gelegentlich gebraucht.23 Dies ist zu beachten, wenn im Folgenden weitgehend, dem österreichischen Duktus entsprechend, verkürzt von Roma die Rede ist, auch wenn Sinti und andere Gruppen mit gemeint sind. Laut Erhebung der österreichischen Bundesbehörden umfasst erstere Gruppe 3.000 bis 5.000 Menschen. Die Übrigen der Gesamtpopulation von 40.000, mit 35.000 bis 37.000 also die überwiegende Mehrheit, sind Neuzuwanderer.25 20 Dazu heißt es erklärend seitens der österreichischen Bundesregierung: „Die ethnische Zugehörigkeit von Volksgruppenangehörigen und Angehörigen von Minderheiten wird in Österreich aus historischen Gründen, vor allem aufgrund des Holocaust an den österreichischen Roma und Sinti, nicht erhoben. […] Über die Zahl der zugewanderten Roma und Sinti in Österreich gibt es [daher] – auf [sic] oben genannten Gründen – keine fundierbaren genauen Zahlen.“ Bericht Bundeskanzleramt Österreich – Roma in Österreich, S.6. Angaben aktuellster Herkunft lassen sich der Homepage des Innenministeriums unter der Rubrik „Statistiken Fremdenwesen“ entnehmen. Sie sind einsehbar unter http://www.bmi.gv.at/cms/BMI_Niederlassung/statistiken/ [Stand: 05.04.2013]. 21 Ebd. 22 Vgl. http://medienservicestelle.at/migration_bewegt/2012/04/05/etwa-40-000-roma-und-sinti-leben-inosterreich / [Stand 25.03.2013]. 23 Vgl. Klopĉiĉ/Polzer, S.24 sowie den Bericht Bundeskanzleramt Österreich – Roma in Österreich, S.5/6. 24 25 Vgl. den Bericht Bundeskanzleramt Österreich – Roma in Österreich, S.6. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000 - 022/13 Seite 8 Ihre Herkunftsländer waren vornehmlich Ungarn, das nach dem gescheiterten Aufstand gegen den Kommunismus 1956 für Roma keine Heimat mehr bot, und Jugoslawien, das Anfang 1960 im Zuge der Gastarbeiterwelle viele Einwohner in den Westen entsandte, darunter auch Roma. Die Behörden in Österreich schufen für diese Migranten im Laufe der Jahrzehnte eine Reihe gesetzlicher Regelungen, die Schutz zur Wahrung nationaler Identität boten, aber auch Integration in die Mehrheitsgesellschaft ermöglichten, die im Folgenden auch erreicht worden sei. Höhepunkt dieser Entwicklung war die rechtliche Anerkennung dieser älteren Roma, die 1993 per Regierungsverordnung beschlossen wurde.27 Roma sind seither als Volksgruppe von der Republik Österreich anerkannt. Dadurch beziehen sie vom Staat eine finanzielle Zuwendung zur Förderung und Erhalt ihrer Sprache, Kultur und Bildung, Österreichische Roma konnten ferner infolge der Anerkennung einen Volksgruppenbeirat einrichten, der im Bundeskanzleramt in Wien angesiedelt ist. 1995 wurde der Roma-Fonds gegründet, der zu Beginn aus Spenden gespeist wurde. 2005 wurde dieser Fonds aus Restgeldern des aufgelösten österreichischen Versöhnungsfonds aufgestockt (der ursprünglich freiwillige Zahlungen aus Österreich an Opfer der NS-Zwangsarbeit leistete). Den Roma-Fonds verwalten Roma selbst und entscheiden in Form eines Verwaltungsausschusses über die Vergabe von Zuschüssen. In diesem Ausschuss sind auch Personen, die keine Volksgruppenangehörigen sind, vertreten, darunter ein regionaler Bürgermeister, eine Beamtin aus dem Sozialbereich des Burgenlandes und ein Beamter aus dem österreichischen Unterrichtsministerium. 26 Auf die Integrationserfolge der autochthonen Roma verweist auch bestätigend der Bericht Bundeskanzleramt Österreich – Roma in Österreich, S.6. 27 Vgl. Klopĉiĉ/Polzer, S.24. Das österreichische Parlament bestätigte diese Information im Rahmen einer Antwort auf eine EZPWD Direktanfrage am 8. April 2013 und verwies darauf, dass die grundsätzliche Zuständigkeit für Volksgruppenangelegenheiten bis heute beim Bundeskanzleramt in Wien liege. 28 29 Ebd. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000 - 022/13 Seite 9 Muttersprachlicher Unterricht ist in der Schule, wenn es genügend Anmeldungen gibt, etwa im Bundesland Burgenland möglich. In Wien und anderen Bundesländern gibt es ebenfalls Förderungen, sie sind aber nicht verpflichtend.30 Beruflich sind diese rechtlich anerkannten Roma in Österreich in vielen Bereichen tätig: , was für ein hohes Maß an Assimilationsbereitschaft spricht. Diese Roma genießen nicht dieselben Rechte wie ihre gesetzlich anerkannten Vorgänger, So wurde den neuen Zuwanderern lange Zeit grundsätzlich keine Arbeitsgenehmigung erteilt. Ihr Aufenthalt war überdies zeitlich befristet, und grundsätzlich galten Aufnahmequoten, die von den politisch Verantwortlichen aus Rücksicht auf die Mehrheitsbevölkerung in Zeiten abgeschwächter Konjunktur traditionell drastisch gesenkt wurden.33 Von der Regierung jüngst ergriffene Maßnahmen zur Problembehebung zielen nach Selbsteinschätzung des Kulturvereins Österreichischer Roma auf Bekämpfung der Armut und Arbeitslosigkeit, vor allem im Jugendbereich. Sie sind der aktuellen europäischen Strategie zur verbesserten Eingliederung von Roma verpflichtet und bedienen sich des allgemeinen Instrumentariums der Fort- und Weiterbildung mit dem Ziel beruflicher Qualifizierung.35 U 30 Vgl. Klopĉiĉ/Polzer, S.25. 31 32 Ebd. 33 Vgl. Klopĉiĉ/Polzer, S.48. 34 35 Vgl. dazu den Bericht „Roma in Österreich“ von 2011, den das Bundeskanzleramt in Wien herausgegeben hat und der die nationalen Anstrengungen im Rahmen der EU-Strategie zur Integration der Roma bis 2020 zusammenfasst. Der Bericht ist in voller Länge der Ausarbeitung beigefügt. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000 - 022/13 Seite 10 2.3. Hilfsorganisationen und Fördermittel Neben dem Verein „Roma Oberwart“ und dem „Kulturverein Österreichischer Roma“ gibt es weitere nicht-staatliche Akteure, die sich um die Belange von Sinti und Roma kümmern. Unter anderem zählt dazu der Verein „Romano Centro“, der sich auf den Bereich Bildung spezialisiert hat, fünf Sprachassistenten an Wiener Volkshochschulen finanziert, Lernhilfen anbietet und eine Musikschule für Roma betreibt. Ein Verein, der ebenfalls im Bereich Bildung aktiv ist, ist der Verein „Roma Service“, der unter anderem einen „Bildungsbus“ besitzt, mit dem er regelmäßig in 20 Roma-Siedlungen fährt und kostenlosen Unterricht anbietet. Über den Bereich Bildung hinaus ist der Verein „Ketani“ aus Linz tätig, der sich vor allem um die Belange von Roma kümmert und z.B. ein eigenes Fußballteam sponsert.40 36 37 Dies tun mit Blick auf Deutschland, wo inzwischen ähnliche Verhältnisse herrschen und sich die Zahl der Roma-Zuwanderer von 64.000 im Jahr 2007 auf 147.00 im Jahr 2011 mehr als verdoppelt hat, auch führende Medien der Bundesrepublik. In der Wochenzeitschrift „Die Zeit“ vom 21.02.2013 heißt es etwa, dass Roma an den wachsenden Spannungen und Problemen, unter denen sie in ihren Zufluchtsländern litten, teilweise selbst schuld seien, und zwar dadurch, dass sie sich überhaupt in diese Länder aufgemacht hätten, denn: „Auch von ihnen [Roma] darf man erwarten, dass sie Europa nicht falsch verstehen. Freizügigkeit ist nicht dazu da, vor zumutbaren Integrationsanstrengungen [in ihren Herkunftsländern] zu fliehen.“ http://www.zeit.de/2013/09/EU-Roma-Rumaenien/seite-2 (letzter Aufruf am 02.04.2013). 38 Diese grundsätzliche Zufriedenheit der Roma mit ihrer Stellung in Österreich bestätigt, wenngleich auf das Jahr 1999, also die Zeit vor der Zuwanderungswelle von 2007ff. bezogen, Klopĉiĉ/Polzer, S.25. 39 Dies entspricht der Einschätzung Heinz Tichys, des ehemals für Zuwanderer zuständigen Beamten im Wiener Bundeskanzleramt, von 1999: „Summa summarum meine ich daher, daß das Volksgruppengesetz [rechtliche Grundlage der Behandlung anerkannter Zuwanderergruppen] bei einigermaßen vernünftiger Auslegung ein auch für die Roma brauchbares Gesetz ist und eine Änderung des Gesetzes zugunsten der Roma insoweit nicht nötig ist, geschweige denn, daß man vom übrigen Volksgruppenrecht grundsätzlich abweichende Sondernormen für die in Österreich beheimateten Roma bräuchte.“ Klopĉiĉ/Polzer, S.26. 40 Vgl. http://medienservicestelle.at/migration_bewegt/2012/04/05/etwa-40-000-roma-und-sinti-leben-inosterreich / [Stand 25.03.2013]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000 - 022/13 Seite 11 Staatliche Fördermittel gibt es in Österreich für Zuwanderer allgemein, sobald sie den Status gesetzlicher Anerkennung erlangt haben. Beispielsweise existiert ein Fonds zur „Volksgruppenförderung“. Anerkannte Volksgruppen, zu denen auch die Roma der älteren Generation gehören, haben Anrecht auf finanzielle Unterstützung41, deren Höhe Jahr für Jahr neu festzulegen ist, pauschal also nicht angegeben werden kann.42 Dies geht aus dem „Bundesgesetz über die Rechtsstellung der Volksgruppen in Österreich“ hervor. Es ist auf der Homepage des Bundeskanzleramtes in Wien abgedruckt und gilt zwar für die rechtlich anerkannten Roma nicht exklusiv, bezieht sie aber gleichberechtigt mit den anderen anerkannten Volksgruppen ein. Im relevanten Abschnitt III dieses Gesetzes, der „Volksgruppenförderung“ überschrieben ist, heißt es ausführlich: „§ 8. (1) Der Bund hat - unbeschadet allgemeiner Förderungsmaßnahmen - Maßnahmen und Vorhaben, die der Erhaltung und Sicherung des Bestandes der Volksgruppen, ihres Volkstums sowie ihrer Eigenschaften und Rechte dienen, zu fördern. (2) Der Bund hat interkulturelle Projekte, die dem Zusammenleben der Volksgruppen dienen, zu fördern. (3) Der Bundesminister für Finanzen hat unter Berücksichtigung der Lage des Bundeshaushaltes und der Ziele des Abs. 1 in dem der Bundesregierung vorzulegenden Entwurf des jährlichen Bundesvoranschlages einen angemessenen Betrag für Förderungszwecke aufzunehmen, und zwar getrennt für Leistungen nach § 9 Abs. 1 und Leistungen nach § 9 Abs. 5. § 9. (1) Die Förderung kann 1. in der Gewährung von Geldleistungen, 2. in anderer für die Ausbildung und Betreuung von Volksgruppenangehörigen auf Sachgebieten, die den Zielsetzungen des § 8 Abs. 1 entsprechen, geeigneter Weise, 3. in der Unterstützung von vom Volksgruppenbeirat unter Berücksichtigung der Zielsetzungen des § 8 Abs. 1 vorgeschlagenen Maßnahmen bestehen. (2) Leistungen gemäß Abs. 1 Z 1 sind Vereinen, Stiftungen und Fonds, die ihrem Zweck nach der Erhaltung und Sicherung einer Volksgruppe, ihres besonderen Volkstums sowie ihrer Eigenschaften und Rechte dienen (Volksgruppenorganisationen), für bestimmte Vorhaben zu gewähren, die geeignet sind, zur Verwirklichung dieser Zwecke beizutragen. (3) Den Volksgruppenorganisationen sind hinsichtlich der Anwendung des Abs. 2 Kirchen und Religionsgemeinschaften sowie deren Einrichtungen gleichzuhalten. 41 Vgl. http://www.bka.gv.at/site/3518/default.aspx [Stand 25.03.2013]. 42 Ebd. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000 - 022/13 Seite 12 (4) Leistungen gemäß Abs. 1 können Volksgruppenorganisationen auch zur Erfüllung ihrer Aufgaben gewährt werden. (5) Leistungen gemäß Abs. 1 können auch Gebietskörperschaften für Maßnahmen gewährt werden, die zur Durchführung der Abschnitte IV und V notwendig sind und die Leistungskraft der betreffenden Gebietskörperschaft übersteigen. (6) Der Bund ist unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit verpflichtet, die Gebietskörperschaften, von denen eine Förderung desselben Vorhabens erwartet werden kann, über die von ihm in Aussicht genommenen Förderungsmaßnahmen nach diesem Bundesgesetz in Kenntnis zu setzen. (7) Die Bundesregierung hat dem Nationalrat jährlich über die auf Grund dieses Abschnittes getroffenen Maßnahmen zu berichten. § 10. (1) Der zuständige Volksgruppenbeirat hat spätestens bis zum 1. Mai jeden Jahres der Bundesregierung einen Plan über die wünschenswerten Förderungsmaßnahmen im Sinne des § 8 Abs. 1 einschließlich einer Aufstellung des damit verbundenen finanziellen Aufwandes für das folgende Kalenderjahr vorzulegen. (2) Der zuständige Volksgruppenbeirat hat dem Bundeskanzler bis zum 15. März jeden Jahres unter Bedachtnahme auf den gemäß Abs. 1 erstellten Plan Vorschläge für die Verwendung der für dieses Kalenderjahr im Bundesfinanzgesetz vorgesehenen Förderungsmittel zu erstatten. § 11. (1) Vor Gewährung einer Förderung hat sich der Empfänger dem Bund gegenüber vertraglich zu verpflichten, zum Zweck der Überwachung der widmungsgemäßen Verwendung der gewährten Förderungen Organen des Bundes die Überprüfung der Durchführung des Vorhabens durch Einsicht in die Bücher und Belege sowie durch Besichtigung an Ort und Stelle zu gestatten und ihnen die erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Ferner hat sich der Empfänger zu verpflichten, bei nicht widmungsgemäßer Verwendung von Förderungsmitteln diese dem Bund zurückzuzahlen, wobei der zurückzuzahlende Betrag für die Zeit von der Auszahlung bis zur Rückzahlung mit 3% über dem jeweils geltenden Basiszinssatz pro Jahr zu verzinsen ist. (2) Der Empfänger hat sich ferner vor Gewährung einer Förderung dem Bund gegenüber vertraglich zu verpflichten, über die Durchführung des Vorhabens unter Vorlage eines zahlenmäßigen Nachweises innerhalb zu vereinbarender Fristen zu berichten. Aus dem Bericht müssen die Verwendung der aus Bundesmitteln gewährten Förderungen und aus dem zahlenmäßigen Nachweis eine durch Belege nachweisbare Aufgliederung der Einnahmen und Ausgaben zu entnehmen sein. Solche Berichte sind dem zuständigen Volksgruppenbeirat zur Kenntnis zu bringen.“43 43 Ebd. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000 - 022/13 Seite 13 Als förderwürdig auf Seiten der Roma wurde in der Vergangenheit etwa der Verein „Romano Centro“ eingestuft. Er hat für das Jahr 2009 zum Beispiel 157.600 € Förderung erhalten, was in seiner Größenordnung den Mitteln der anderen anerkannten Kultureinrichtungen entspricht.44 Mit staatlichen Zuwendungen aus dem genannten Fördertopf finanziert der „Kulturverein Österreichischer Roma“ unter anderem einen 1995 eingerichteten Bildungsfonds, der auch mit privaten Spenden unterstützt wird. Mitglieder der Volksgruppe der Roma können einen Antrag auf Förderung stellen.45 Auch für Personen, die den Untaten des NS-Regimes zum Opfer fielen, wurden diverse Fonds eingerichtet. Im Jahre 1995 schuf die Österreichische Regierung einen NS-Opferfonds, im Jahre 1998 einen Zwangsarbeiterfonds und 2001 einen allgemeinen Entschädigungsfonds.46 Von den Mitteln, die die EU zur Verfügung stellt (zum Beispiel im Zuge des Europäischen Sozialfonds), sind keine speziell auf Roma zugeschnitten47, da deren Lage seitens der Brüsseler Behörden als nicht gravierend problematisch angesehen wird.48 Es gibt aber Fördermittel für benachteiligte Angehörige unterschiedlichster ethnischer Minderheiten. Hieraus finanzierte Projekte (z.B. zur besseren Integration am Arbeitsmarkt) kommen ebenfalls Roma zugute.49 Sofern sie die nachfolgend genannten Voraussetzungen erfüllen, erhalten Roma auch die allen Bürgern im Bedarfsfall zustehenden Sozialleistungen. Dabei handelt es sich um die sog. Bedarfsorientierte Mindestsicherung (BMS). Die BMS wurde 2010/11 eingeführt und ersetzt und vereinheitlicht die ehemalige Sozialhilfe. Dazu heißt es von Seiten der österreichischen Regierung: „Mit der Einführung der BMS wurde der Personenkreis, der Anspruch auf eine Leistung hat, vereinheitlicht. Fremde wurden österreichischen Staatsangehörigen gleichgestellt, soweit es dazu eine völkerrechtliche Verpflichtung gibt. Diese Gleichstellung betrifft u.a. anerkannte Flüchtlinge, subsidiär Schutzberechtigte, EU-/EWR-StaatsbürgerInnen samt Familienangehörige bzw. Personen, die schon mindestens fünf Jahre in Österreich sind. 44 Eine detaillierte Auflistung der bewilligten Gelder findet sich im beigefügten Bericht Bundeskanzleramt Österreich – Roma in Österreich, S.8. Vgl. auch die entsprechenden Zahlenangaben in: http://ec.europa.eu/justice/discrimination/files/roma_austria_strategy_de.pdf [Stand 26.03.2013], S. 8. 45 Vgl. http://www.kv-roma.at/FRAMES/Romapolitik/Roma%20Deutsch%202007.pdf [Stand 26.03.2013], S. 20ff. 46 Vgl. http://www.kv-roma.at/FRAMES/Romapolitik/Roma%20Deutsch%202007.pdf [Stand 26.03.2013], S. 33ff. 47 Dies gilt auch für den am 14.01.2010 verabschiedeten „Nationalen Aktionsplan für Integration (NAP.I)“. Hierzu heißt es seitens österreichischer Behörden: „Die Bevölkerungsgruppe der Roma wird in diesem Aktionsplan zwar nicht explizit als Zielgruppe genannt, jedoch gibt es eine indirekte Bezugnahme insofern, als in den ´Allgemeinen integrationspolitischen Leitlinien´ des NAP.I die ´Berücksichtigung von autochthonen Minderheiten bei integrationspolitischen Maßnahmen´ vorgesehen ist.“ Bericht Bundeskanzleramt Österreich – Roma in Österreich, S.32; vgl. auch die gleichlautende Antwort des österreichischen Parlamentes vom 8. April 2013 auf unsere EZPWD-Direktanfrage (http://www.bmi.gv.at/cms/cs03documentsbmi/809.pdf). 48 Vgl. http://ec.europa.eu/justice/discrimination/files/roma_austria_strategy_de.pdf [Stand 26.03.2013], S. 11. 49 Ebd. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000 - 022/13 Seite 14 Mindestsicherungsemfänger/innen, die über keinen Krankenversicherungsschutz verfügten, wurden durch die Einführung der BMS in die gesetzliche Krankenversicherung einbezogen.“50 Zum Bereich nicht-finanzieller Hilfen mit dennoch materiellem Wert sind zwei sogenannte Durchreiseplätze zu rechnen, die der österreichische Staat den Roma zur Verfügung stellt, damit sie ihre Wohnwagen abstellen können und Strom und Waser erhalten (10 € pro Tag). Die Nachfrage nach solchen Stellmöglichkeiten hält sich allerdings in Grenzen. Dies wird von Beobachtern darauf zurückgeführt, dass etwa 95% der Roma sesshaft sind, also weitaus weniger Wohnwagen besitzen, als es dem Erwartungsklischee vom „fahrenden Volk“ entspricht.51 3. Fazit Der Umgang Österreichs mit der Volksgruppe der Roma, die auch Sinti nach bundesdeutschem Sprachgebrauch umfasst, entspricht alles in allem dem innerhalb der EU Üblichen. Dies beinhaltet durchaus xenophobe Tendenzen, wie im erwähnten UN-Bericht von 2008 festgestellt, ist jedoch weit entfernt von der „pogromartigen Stimmung“ einiger Nachbarländer Österreichs, in denen in den letzten vier Jahren wiederholt von staatlichen Stellen massiv gegen Roma vorgegangen wurde (bzw. wird).52 Dies trifft z.B. auf Tschechien, Ungarn, aber auch auf das EU- Gründungsmitglied Italien zu.53 Auch die unumwundenen Abschiebeparolen, wie sie etwa Frankreichs Ex-Präsident Sarkozy im Wahlkampf 2012 verwendet hatte und die Roma wieder, wie in vergangenen Zeiten, als „Unerwünschte“ erscheinen ließen54, gehen weit über die Rhetorik der beiden österreichischen Volksparteien SPÖ und ÖVP hinaus und entsprechen in Sprache und Gesinnung allenfalls dem Gebaren der rechtspopulistischen FPÖ.55 Inwieweit dies so bleibt, ist schwer zu beantworten. Fraglos bergen die beschriebenen Probleme mit der neuen Generation von Roma-Zuwanderern auch in Österreich erhebliches Eskalationspotential.56 Die Interessenorganisationen der gut integrierten älteren Migranten befürchten bereits ausdrücklich, dass es zu einer solchen Eskalation kommen könnte – mit dann erheblichen Konsequenzen für ihre eigene Stellung. Ihre Hauptsorge ist, dass wachsender Unmut 50 Bericht Bundeskanzleramt Österreich – Roma in Österreich, S.24/25. 51 Vgl. http://medienservicestelle.at/migration_bewegt/2012/04/05/etwa-40-000-roma-und-sinti-leben-inosterreich / [Stand 25.03.2013]. 52 Dazu schreibt Romani Rose vom Zentralrat Deutscher Sinti und Roma 2012 mit Blick auf den nichtdeutschsprachigen Raum: „In einer Vielzahl von Ländern Europas sind Roma aktuell zunehmend einem gewaltbereiten Rassismus ausgesetzt, der in einigen Staaten zu pogromartigen Ausschreitungen und zu Morden geführt hat.“ Gleichberechtigte Teilhabe, S.7. 53 Vgl. Jocham, S.1. 54 Vgl. den Artikel „Die Unerwünschten“ von Jochen Bittner in: Die Zeit vom 21.02.2013. 55 Vgl. dazu Jocham, S.1ff. und Klopĉiĉ/Polzer, S.24ff. bzw. S.48. 56 Dies gilt auch für Deutschland, wie jüngste Entwicklungen etwa in Duisburg zeigen. Vgl. dazu Bittner, Die Unerwünschten, in: Die Zeit vom 21.02.2013. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000 - 022/13 Seite 15 der Mehrheitsbevölkerung angesichts sozialer Phänomene wie dem eingangs erwähnten „Bettelei“-Problem auf sie abfärben und damit alle Integrationserfolge der letzten Jahrzehnte zunichte machen könnte, indem sich wieder alte Vorurteile gegen die „Zigeuner“ insgesamt regen könnten.57 Es scheint daher auch dem Motiv des Selbstschutzes zu entsprechen, wenn gerade führende Vertreter der autochthonen Roma-Gruppen gesetzliche Maßnahmen gegen die neue Zuwanderergeneration gutheißen und auch mehr Druck seitens der EU auf Rumänien und Bulgarien einfordern, deren mutmaßlich unzureichende Bemühung um Integration der ziganistischen Bevölkerung im eigenen Land als Hauptgrund für die Migrationsexplosion seit 2007 gilt.58 In einer aktuellen Pressemitteilung des Zentralrats der Sinti und Roma in Deutschland, mit dem die österreichischen Kollegen in engem Kontakt stehen, heißt es dazu explizit, dass die Situation in den Herkunftsländern für die aktuellen Probleme verantwortlich sei und Lösungen nur dort, nicht in Österreich bzw. Deutschland, gefunden werden könnten.59 Insofern ist die Hoffnung auch der österreichischen Migranten-Verbände derzeit auf die bevorstehende Tagung der EU-Innenminister im Juni 2013 gerichtet, auf deren Tagesordnung die Zuwanderungsproblematik zentralen Platz einnehmen soll.60 Dabei wünschen sich die Vertreter der Roma eine Regelung, die überparteiliche Akzeptanz findet. Denn aus ihrer Sicht wäre nichts schlimmer als Parteienstreit in dieser Frage bzw. eine Instrumentalisierung des Themas im Wahlkampf der jeweiligen Aufnahmeländer.61 4. Kontaktadressen Prof. Rudolf Sarközi Obmann Kulturverein österreichischer Roma Vorsitzender des Volksgruppenbeirates der Roma Kulturverein österreichischer Roma Dokumentations- und Informationszentrum Devrientgasse 1, A-1190 Wien Tel.: (+43-1) 310 64 21; Fax: DW 12 Mobil: (+43)(0)664/520 14 44 E-mail: office@kv-roma.at Home: http://www.kv-roma.at 57 äußert sich in dieser Hinsicht auch Romani Rose, der Vorsitzende des Zentralrats der Sinti und Roma in Deutschland. Vgl. dazu Schwäbische Zeitung vom 11.03.2013. 58 Vgl. den Artikel „Die Unerwünschten“ von Jochen Bittner in: Die Zeit vom 21.02.2013. 59 Vgl. dazu die Presseerklärung des Zentralrats der Sinti und Roma in Deutschland vom 05.03.2013. 60 Ebd. 61 Ebd. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 – 3000 - 022/13 Seite 16 5. Literaturverzeichnis und weiterführende Links Baumgartner, Gerhard/Freund, Florian (2007). Roma Politik in Österreich. 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