© 2016 Deutscher Bundestag WD 1 - 3000 - 21/16 Ausländische Finanzierung von Religionsgemeinschaften in Deutschland Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 - 3000 - 21/16 Seite 2 Ausländische Finanzierung von Religionsgemeinschaften in Deutschland Aktenzeichen: WD 1 - 3000 - 21/16 Abschluss der Arbeit: 12. Mai 2016 Fachbereich: WD 1: Geschichte, Zeitgeschichte und Politik Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 - 3000 - 21/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Methodisches Vorgehen: Recherche und Anfragen 4 3. Ergebnisse 4 4. Fazit 7 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 - 3000 - 21/16 Seite 4 1. Einleitung In Deutschland gibt es bei der staatlichen Finanzierung von Religionsgemeinschaften große Unterschiede : Während die beiden großen christlichen Kirchen durch eine historisch komplex gewachsene Struktur verschiedener rechtlicher Regelungen derzeit über eine stabile finanzielle Ausstattung verfügen1, bekommen manche Religionsgemeinschaften aus verschiedenen Gründen nur wenig oder keine staatliche Unterstützung.2 Dies führt mitunter zu Mutmaßungen darüber, ob und in welcher Höhe finanzielle Zuwendungen oder personelle Unterstützung aus dem Ausland nach Deutschland gelangen. Der Auftrag für diese Dokumentation lautet, zu ermitteln, ob es wissenschaftlich fundierte Erhebungen darüber gibt, dass muslimischen, jüdischen und orthodoxen Gemeinden in Deutschland ausländische Unterstützung zukommt. Andere Religionsgemeinschaften in Deutschland sollten nicht untersucht werden. 2. Methodisches Vorgehen: Recherche und Anfragen Aufgrund des engen Zeitrahmens konnten lediglich eine Bibliotheks-, Presse- und Datenbankrecherche sowie Anfragen per Mail vorgenommen werden. Konkret wurden angefragt: 3. Ergebnisse Die Mailanfragen nach wissenschaftlichen Studien und belastbaren Daten wurden durchweg negativ beantwortet. Entweder lautete die Antwort, dass es keine Informationen gebe oder es wurde 1 Vgl. Marré, Heiner: Die Kirchenfinanzierung in Kirche und Staat der Gegenwart; Essen 2006. 2 Dies entspricht teilweise auch dem Wunsch der Religionsgemeinschaften selbst, so wünschen die meisten muslimischen Gemeinden nicht, dass der Staat für sie eine „Kirchensteuer“ einziehe, da dies ihrem Selbstverständnis widerspräche. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 - 3000 - 21/16 Seite 5 nicht geantwortet3. bat um Aufschub .4 antwortete: 5 Auch die Bibliotheksrecherche ergab, dass bisher keine Aufsätze, Monografien oder sonstige Veröffentlichungen erschienen sind, die dieses Thema als Schwerpunkt behandeln oder über Einzelfälle hinausgehende, belastbare Zahlen erheben. Zwar wird die Frage der Finanzierung der beiden großen christlichen Kirchen breit diskutiert, doch gibt es keine Arbeiten, die sich mit der Frage nach ausländischer Finanzierung von Religionsgemeinschaften auseinandersetzt oder gar belastbare Zahlen enthält. Etwas ergiebiger war die Recherche in der Datenbank des Deutschen Bundestages: In der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion vom 6. Februar 2016 geht es um Saudi-Arabien, das weltweit – so auch in Berlin – Moscheen finanziere: „Die weltweite Verbreitung des wahhabitischen Religionsverständnisses ist auch deshalb möglich , weil hierfür hohe finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. Beispielhaft kann die salafistisch geprägte „Al-Nur Moschee“ in Berlin genannt werden. Das Grundstück der Al-Nur Moschee wurde im Jahr 2000 für den Kaufpreis von ca. 2,4 Millionen Euro von einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts erworben. Am Kauf wesentlich beteiligt war die saudische „Al-Haramein-Stiftung“. Sie wurde 2004 wegen des Vorwurfs der Finanzierung von Al Qaida durch die saudische Regierung verboten. Das Nutzungsrecht wurde nach dem Kauf auf den Trägerverein der „Al-Nur Moschee “ übertragen.“6 Auf die Frage, in welchen Mitgliedstaaten der Europäischen Union Verbote von Auslandsfinanzierungen von Moscheevereinen bzw. allgemein religiösen Vereinen geplant oder bereits in Kraft seien, antwortet die Bundesregierung: 3 . 4 5 . 6 Vgl. Drucksache 18/ 7471, S.4. http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/074/1807471.pdf Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 - 3000 - 21/16 Seite 6 „Nach Kenntnis der Bundesregierung gibt es in den europäischen Ländern keine gesetzlichen Regelungen , die die Auslandsfinanzierung von Moscheevereinen untersagt. Derartige Regelungen sind nach Kenntnis der Bundesregierung auch nicht konkret geplant. Ausnahme ist Österreich. Dort regelt das Islamgesetz 2015 (Neufassung des Islamgesetzes von 1912), dass die Aufbringung der Mittel der islamischen Religionsgesellschaften im Inland zu erfolgen hat.“7 Auch in Presseveröffentlichungen werden mitunter Zahlen genannt. So heißt es in einem Interview mit Prof. Dr. Susanne Schröter, Direktorin des Forschungszentrums Globaler Islam der Johann -Wolfgang-Goethe Universität Frankfurt im „Wiesbadener Kurier“ vom 11. Mai 20168: „Wiesbadener Kurier: Die Religionsbehörde in Ankara bezahlt 970 Imame, die in Ditib-Moscheen tätig sind. Sie sind wirtschaftlich von Ankara abhängig. Und damit auch ideologisch. Prof. Dr. Susanne Schröter: Die Imame werden in Ankara ausgebildet und sind verpflichtet, die in Ankara vertretene Religion zu lehren. Damit haben wir auch in deutschen Ditib-Moscheen einen immer mehr ins Islamistische driftenden Islam. Dazu kommt: Es ist bei Diyanet (türkische Religionsbehörde, Anm. d. Verf.) in der Regel gar nicht gewünscht, dass die Imame Deutsch können . Denn Erdogan sagt, die in Deutschland lebenden Türken sollen sich nicht assimilieren. Sie sollen ihre Sprache und ihr Brauchtum behalten.“9 In den Presseveröffentlichungen wird immer wieder auf das in Österreich verabschiedete Islamgesetz verwiesen, das Auslandsfinanzierungen verbietet. Für Deutschland wird so eine Regelung jedoch von den Kommentatoren mehrheitlich abgelehnt.10 Insgesamt geht es in der öffentlichen Debatte hauptsächlich um die Finanzierung von Moscheen. Was die ausländische Finanzierung von jüdischen oder orthodoxen Gemeinden angeht, gibt es kaum Hinweise.11 Es tauchen lediglich einzelne Fälle auf, bei denen die ausländische Finanzierung am Rande erwähnt wird. So schildert die „Mitteldeutsche Zeitung“ vom 24. September 2009 das Scheitern eines Kirchenbauprojekts der russisch-orthodoxen Gemeinde in Magdeburg, bei der sich die „Kirche in Moskau“ mit 300.000 Euro beteiligt habe. 7 Vgl. Drucksache 18/ 7471, S.5. http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/074/1807471.pdf 8 Vgl. Schröter, Susanne: "Gott näher als der eigenen Halsschlagader" : fromme Muslime in Deutschland, Frankfurt 2016 9 Vgl. Wiesbadener Kurier vom 11. Mai 2016, S.3. 10 Vgl. Pressedokumentation im Anhang. 11 Im Gegenteil, ein Tagesspiegelartikel vom 8. März 2000 berichtet von Berliner Landesgelder, mit denen Sicherheitskräfte aus Israel bezahlt werden sollen. Vgl. Artikel im Anhang. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 - 3000 - 21/16 Seite 7 4. Fazit Es gibt derzeit keine übergreifenden, wissenschaftlich erhobenen Kenntnisse über Höhe und Struktur der finanziellen Unterstützung aus dem Ausland für Religionsgemeinschaften in Deutschland. Die Debatte darüber hat sich in jüngster Zeit hauptsächlich auf einzelne muslimische Gemeinden konzentriert, die aus der Türkei und Saudi-Arabien unterstützt wurden und in den Verdacht gerieten, islamistische Lehren zu vertreten.12 Entsprechende Zahlen wurden bisher nicht systematisch erhoben. Eine mögliche Finanzierung jüdischer oder orthodoxer Gemeinden aus dem Ausland wurde bisher nicht öffentlich problematisiert. 5. Anhang Auszug aus der Kleinen Anfrage der Linksfraktion an die Bundesregierung vom 3. Februar 2016. Pressedokumentation Auszug aus der Studie „Der vielstimmige Islam in Europa“ von Sabine Riedel 12 Vgl. das Kapitel zur Finanzierung von Moscheen in Europa in der Studie: Riedel, Sabine: Der vielstimmige Islam in Europa. Muslimische Beiträge zu Integrationsdebatten. Berlin, 2010, S. 20ff