© 2020 Deutscher Bundestag WD 1 - 3000 - 020/20 Von den Bücherverbrennungen im Rahmen der studentischen Aktion „Wider den undeutschen Geist“ im Jahr 1933 betroffene weibliche Autoren Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 020/20 Seite 2 Von den Bücherverbrennungen im Rahmen der studentischen Aktion „Wider den undeutschen Geist“ im Jahr 1933 betroffene weibliche Autoren Aktenzeichen: WD 1 - 3000 - 020/20 Abschluss der Arbeit: 3. Juli 2020 Fachbereich: WD 1: Geschichte, Zeitgeschichte und Politik Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 020/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Weibliche Autoren auf den „Schwarzen Listen“ für die Bücherverbrennung 6 3. Die Systematisierung und Ausweitung der Buchverbotspraxis nach 1933: „Die Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“ 10 4. Literatur 12 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 020/20 Seite 4 1. Einleitung Die an 31 deutschen Hochschulen1 um den 10. Mai 1933 stattfindenden Bücherverbrennungen bildeten den Abschluss der insgesamt vierwöchigen Aktion „Wider den undeutschen Geist“.2 Der Bücherverbrennung vorangegangen waren eine Plakataktion an allen deutschen Hochschulorten, ein „Professorenboykott“ gegen jüdische und pro-republikanische Lehrbeauftragte sowie das Aufstellen von „Schandpfählen“ in Dresden, Erlangen, Königsberg, Münster und Rostock, an die Buchdeckel einzelner Werke und Namen von Professoren angeschlagen wurden. Organisiert wurde diese reichsweite Kampagne von der „Deutschen Studentenschaft“, dem seit 1931 nationalsozialistisch dominierten Dachverband der Einzelstudentenschaften. Auch wenn es sich bei der Aktion um eine studentische Initiative handelte, die vom Vorsitzenden der „Deutschen Studentenschaft “, Gerhard Krüger, und dem Leiter des Hauptamtes für Presse und Propaganda der „Deutschen Studentenschaft“, Hans Karl Leistritz, konzipiert und initiiert wurde,3 so wurde diese durch eine Vielzahl von Bündnispartnern aus Staat und Partei unterstützt. Zu dem breiten Unterstützernetzwerk zählten das Preußische Kulturministerium, das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, Polizeibehörden, SA, SS, HJ, Burschenschaften, der „Kampfbund für deutsche Kultur“, Volksbibliothekare sowie Professoren mit NSDAP-Parteibuch.4 1 „Entsprechend der Planungen fanden am 10. Mai 1933 zeitgleich in 22 deutschen Hochschulstädten Bücherverbrennungen statt, eine Staffelreportage der Deutschen Welle übertrug die Veranstaltungen zwischen 23.00h und 24.00h. Wegen schwerer Regenfälle (die an einigen Orten eine Unterstützung der Verbrennung durch die Feuerwehr nötig machte) wurde die Bücherverbrennung in mindestens acht Städten abgesagt und später nachgeholt. In Freiburg fiel die Verbrennung ersatzlos aus, in Gießen wurde sie bereits am 8. Mai durchgeführt.“ (Jörg D. Krämer: 10. Mai 1933 – Bücherverbrennung, Aktueller Begriff Nr. 12/08, Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, abrufbar unter https://www.bundestag.de/resource/blob/499294/4540d7fb09f364119746ecb188a78ede/10- Mai-1933-Buecherverbrennung-data.pdf,letzter Abruf: 02.07.2020) 2 In der wissenschaftlichen Literatur wird darauf hingewiesen, dass zwischen März und Oktober 1933 in über 90 deutschen Städten insgesamt 102 (bisher) dokumentierte Bücherverbrennungen stattfanden: „Der Historiker Werner Treß teilt die über 100 bislang dokumentierten Bücherverbrennungen im Jahr 1933 in drei Phasen ein. Sie fanden, so Treß, in unterschiedlichen Kontexten statt und wurden von unterschiedlichen Akteuren organisiert und durchgeführt. Die ersten Verbrennungen fanden von März bis April 1933 im Rahmen einer Nazi-Terrorwelle gegen linke Parteien, Gewerkschaften und Organisationen statt. SA und SS drangen systematisch im gesamten Reichsgebiet, meist tagsüber, bewaffnet in deren Gebäude ein, zerstörten die Einrichtungen und Arbeitsmittel , folterten, ermordeten und verhafteten Funktionäre und Mitarbeiter, warfen in nicht wenigen Fällen Bücher, Akten, Broschüren, Möbel und Fahnen auf die Straße, übergossen die so entstandenen Haufen mit Benzin und zündeten sie an. (…) In der letzten, dritten Phase waren es vor allem die Hitlerjugend, der Kampfbund für deutsche Kultur (1928 gegründet) und eine antisemitische Angestellten-Gewerkschaft, der 1893 gegründete Deutschnationale Handlungsgehilfen-Verband gewesen, die, regional begrenzt, einzelne Kampagnen und Bücherverbrennungen durchführten. Mitunter ordneten Schulbehörden Bücherverbrennungen auf Schulhöfen an, so während der Aktion ‚Gegen deutsche Geistigkeit und Kultur‘, die am 19. Mai in der Preußischen Rheinprovinz stattfand. (…) In der zweiten (mittleren) Phase fasst Treß Bücherverbrennungen zusammen, die um den 10. Mai 1933 stattfanden und den Abschluss einer insgesamt vierwöchigen Aktion ‚Wider den undeutschen Geist‘ bildeten.“ (www.verbrannte-buecher.de, letzter Abruf: 02.07.2020) 3 „Die Forschung geht (…) davon aus, dass weder die Aktion selbst, noch die Bücherlisten unmittelbar durch das Goebbels-Ministerium vorbereitet oder gelenkt wurden. Lediglich eine unterstützende Finanzierung durch das Ministerium ist nachweisbar.“ (Jörg D. Krämer (2008), a. a. O., S. 2) 4 Werner Treß: Einleitung, in: Werner Treß (Hrsg.): Verbrannte Bücher 1933. Mit Feuer gegen die Freiheit des Geistes, Bonn 2009, S. 7-54, hier: S. 27f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 020/20 Seite 5 Bezüglich der Frage, welche Werke von welchen Autorinnen und Autoren bei den für den 10. Mai 1933 geplanten Bücherverbrennungen einbezogen werden sollten, war die „Deutsche Studentenschaft“ auf sachverständigen Rat angewiesen. Sie griff dabei auf die Unterstützung des „Ausschusses zur Neuordnung der Berliner Stadt- und Volksbüchereien“ zurück, der seit Anfang April 1933 im Auftrag des Oberbürgermeisters der Stadt Berlin, Heinrich Sahm, an der Erstellung „Schwarzer Listen“ mit sogenannter volksfremder und marxistischer Literatur arbeitete, die aus den Berliner Stadt- und Volksbüchereien entfernt werden sollten. Diesem Ausschuss gehörte auch der 29-jährige Bibliothekar Wolfgang Herrmann an, der Kontakt zur Deutschen Studentenschaft knüpfte und dieser mehrere „Schwarze Listen“ übermittelte, die nach verschiedenen Sachgebieten („Schöne Literatur“, „Geschichte“, „Kunst“, „Politik- und Staatswissenschaft“, „Literaturgeschichte “, „Religion, Philosophie, Pädagogik“ und „Jugendschriften“) unterteilt waren.5 Durch die Zuarbeit für die „Deutsche Studentenschaft“ und die Bücherverbrennungen des 10. Mai 1933 erlangte die Indizierungsarbeit von Herrmanns eigentlich nur auf kommunaler Ebene zuständigen Ausschusses kurzfristig einen reichsweiten Wirkungsbereich. Noch heute spricht man in der wissenschaftlichen Literatur beim Begriff „verbrannte Bücher“ im engeren Sinne nur von denjenigen Autorinnen und Autoren und ihren Titeln, die auf den von Herrmann an die Deutsche Studentenschaft weitergegebenen „Schwarzen Listen“ standen.6 Die ursprüngliche Zielsetzung der Aktion „Wider den undeutschen Geist“, die laut einem Rundschreiben des Hauptamtes für Presse und Propaganda der „Deutschen „Studentenschaft“ vom 8. April 1933 die „Öffentliche Verbrennung jüdischen zersetzenden Schrifttums durch die Studentenschaften der Hochschulen aus Anlass der schamlosen Hetze des Weltjudentums gegen Deutschland“ vorsah, wurde im Laufe der vierwöchigen Vorbereitung erheblich erweitert.7 So standen auf der allein 127 Verfassernamen umfassenden „Schwarzen Liste“ für „Schöne Literatur “, die den örtlichen Studentenschaften an den jeweiligen Hochschulen als Grundlage für die Bücherverbrennungen am 10. Mai 1933 dienten, nicht nur jüdische Autoren, „sondern nahezu alle Repräsentanten der literarischen Moderne, die sich während der Weimarer Republik national wie international durchgesetzt hatten.“8 Die Stoßrichtungen und Feindbilder, die für die Erstellung der verschiedenen „Schwarzen Listen“ insgesamt leitend gewesen sind, hat Werner Treß 5 Ebenda, S. 32-40; Jörg D. Krämer (2008), a. a. O., S. 1 6 Werner Treß (2009), a. a. O., S. 34f. 7 Jan-Pieter Barbian: Verordneter Kanon. Literarische Kanonbildung während der NS-Diktatur, in: Jan Pieter Barbian : Die vollendete Ohnmacht? Schriftsteller, Verleger und Buchhändler im NS-Staat. Ausgewählte Aufsätze, Essen 2008, S. 59-77, hier: S. 61 8 Ebenda, S. 62; daneben entstanden in dieser Zeit zahlreiche weitere Indizes, wie in der wissenschaftlichen Literatur hervorgehoben wird: „‚Schwarze Listen‘ erarbeitete auch der die Studenten ebenfalls unterstützende ‚Kampfbund für Deutsche Kultur‘ (KfDK) Alfred Rosenbergs. Schließlich ließen, (…), die ‚Zentralstelle für das deutsche Bibliothekswesen‘, der NS-Lehrerbund, die Reichsführung der Hitler-Jugend und zahlreiche andere Organisationen eigene Säuberungsverzeichnisse folgen. Großenteils handelte es sich dabei um Indices, die der Durchforstung der eigenen Buchbestände – etwa der HJ-Büchereien – dienten und deren Gültigkeit auf die jeweilige Organisation beschränkt war.“ (Volker Dahm: Die nationalsozialistische Schrifttumspolitik nach dem 10. Mai 1933, in: Ulrich Walberer (Hrsg.): 10 Mai 1933. Bücherverbrennung in Deutschland und die Folgen, Frankfurt am Main 1983, S. 36-83, Zitat: S. 42 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 020/20 Seite 6 folgendermaßen charakterisiert: „Antisemitismus, Antimarxismus, Antimodernismus, Antipazifismus , Antifeminismus sowie Demokratie- und Republikfeindlichkeit“.9 2. Weibliche Autoren auf den „Schwarzen Listen“ für die Bücherverbrennung In der wissenschaftlichen Literatur wird hervorgehoben, dass es grundsätzlich nicht möglich ist, „ein Verzeichnis der 1933 verbrannten Bücher und ihrer Autorinnen und Autoren zu erstellen, das einen Anspruch auf Vollständigkeit erheben könnte.“10 Die Werke der auf den „Schwarzen Listen“ genannten Autorinnen und Autoren bildeten nur den Kern der tatsächlich verbrannten Bücher. Die „Schwarzen Listen“ hatten keinen verbindlichen Charakter, sondern dienten vielmehr der groben Orientierung. Den örtlichen Studentenschaften wurde von der Leitung der „Deutschen Studentenschaft“ ausdrücklich die Möglichkeit zugestanden, weitere Werke zu verbrennen , wovon diese auch Gebrauch machten. Verbindlich vorgeschrieben wurde in einem Rundschreiben der „Deutschen Studentenschaft“ an die Einzelstudentenschaften vom 9. Mai 1933 lediglich die Verbrennung von 15 in neun „Feuersprüchen“ auszurufenden Autoren: Karl Marx, Karl Kautsky, Heinrich Mann, Ernst Glaeser, Ernst Kästner, Friedrich Wilhelm Foerster, Siegmund Freund, Emil Ludwig, Werner Hegemann, Theodor Wolff, Georg Bernhard, Erich Maria Remarque, Alfred Kerr, Kurt Tucholsky und Carl von Ossietzky.11 Die folgende tabellarische Übersicht stellt 34 weibliche Autoren und ihrer Werke zusammen, die von den studentischen Bücherverbrennungen im Rahmen der Aktion „Wider den undeutschen Geist“ betroffen waren. Sie beruht auf den „Schwarzen Listen“ („Schöne Literatur“, „Geschichte “, „Kunst“, „Politik und Staatswissenschaften“, „Literaturgeschichte“, „Religion, Philosophie , Pädagogik““ und „Jugendschriften“), die der „Ausschuss zur Neuordnung der Berliner Stadt- und Volksbüchereien“ unter Federführung von Wolfgang Herrmann der „Deutschen Studentenschaft “ im Vorfeld der Bücherverbrennungen zur Verfügung gestellt hatte.12 Autorinnen Einzelwerk/Gesamtwerk Schwarze Liste Asch, Käte Die Lehre Charles Fouriers, Jena 1914 Politik und Staatswissenschaften Balabanoff, Angelika Sämtliche Schriften Politik und Staatswissenschaften Blos, Anna, Geyer, Anna, Schreiber, Adele Schroeder, Louise Die Frauenfrage im Lichte des Sozialismus , Dresden 1930 Politik und Staatswissenschaften 9 Werner Treß (2009), a. a. O., S. 40 10 Werner Treß (2009) a. a. O., S. 629 11 Ebenda, S. 40f.; Werner Treß: „Wider den undeutschen Geist“. Bücherverbrennung 1933, Berlin 2003, S. 104f. 12 Abgedruckt in Gerhard Sauder (Hrsg.): Die Bücherverbrennung. Zum 10. Mai 1933, München/Wien 1983, S. 122-140; in den Originallisten sind zumeist nur die Nachnamen der Autorinnen und Autoren verzeichnet. Sie enthielten zudem zahlreiche falsch geschriebene Namen und Buchttitel, die für die Übersicht berichtigt und bibliografisch vervollständigt wurden. Zusätzlich zum Autorennamen war teilweise angegeben, ob das Gesamtwerk oder einzelne Schriften betroffen waren. Zum Teil wurde dazu in den Listen keine Angabe gemacht. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 020/20 Seite 7 Autorinnen Einzelwerk/Gesamtwerk Schwarze Liste Bobinskaja, Helena Die Rache des Kabunauri, Berlin 1931 Pioniere, Berlin 1929 Schöne Literatur/Jugendschriften Jugendschriften Brück, Christa Anita Schicksale hinter Schreibmaschinen, Berlin 1930 Schöne Literatur Geiger-Gog, Anni Heini Jermann, Stuttgart 1929 Jugendschriften Gerlach, Irene Jungkämpferinnen. Mädchenschicksale aus bewegten Zeiten, Berlin 1925 Jugendschriften Hermes, Gertrud Die geistige Gestalt des marxistischen Arbeiters und die Arbeiterbildungsfrage, Tübingen 1926 Politik und Staatswissenschaften Inber, Vera k. A. Schöne Literatur Juchacz, Marie Die Arbeiterwohlfahrt. Voraussetzungen und Entwicklung, Berlin 1924 Politik und Staatswissenschaften Kaus, Gina k. A. Schöne Literatur Keun, Irmgard k. A. Schöne Literatur Kollontai, Alexandra k. A. Schöne Literatur Leidmann, Eva k. A. Schöne Literatur Leitner, Maria Hotel Amerika, Berlin 1930 Schöne Literatur Lindemann, Anna Was wollen die proletarischen Freidenker ? 1922 Religion, Philosophie, Pädagogik Lion, Hilde Zur Soziologie der Frauenbewegung. Die sozialistische und die katholische Frauenbewegung , Berlin 1926 Politik und Staatswissenschaften Luxemburg, Rosa Sämtliche Schriften Politik und Staatswissenschaften Geschichte Märten, Lu Historisch-Materialistisches über Wesen und Veränderung der Künste, Berlin 1921 Kunst Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 020/20 Seite 8 Autorinnen Einzelwerk/Gesamtwerk Schwarze Liste Olberg, Oda Der Fascismus in Italien, Jena 1923 Die Entartung in ihrer Kulturbedingtheit, München 1926 Politik und Staatswissenschaften Politik und Staatswissenschaften Popp, Adelheid Der Weg zur Höhe. Die Sozialdemokratische Frauenbewegung Österreichs. Ihr Aufbau, ihre Entwicklung und ihr Aufstieg , Wien 1929 Politik und Staatswissenschaften Rühle-Gerstel, Alice Sämtliche Schriften Religion, Philosophie, Pädagogik Sanzara, Rahel k. A. Schöne Literatur Schumacher, Henny Junge Helden. Proletarier-Geschichten, Berlin 1930 Jugendschriften Seifullina, Lydia Sämtliche Schriften außer: Der Ausreißer, Berlin 1925 Schöne Literatur Seghers, Anna k. A. Schöne Literatur Siemsen, Anna Literarische Streifzüge durch die Entwicklung der europäischen Geschichte . Jena 1925 Beruf und Erziehung, Berlin 1926 Das Buch der Mädel, Jena 1929 Kämpfende Menschheit. Ein Geschenkbuch zur Jugendweihe, 1929 Menschen und Menschenkinder aus aller Welt, Jena 1929 Literaturgeschichte Religion, Philosophie, Pädagogik Jugendschriften Jugendschriften Jugendschriften Suttner, Bertha von Die Waffen nieder! 1889 Schöne Literatur/Politik und Staatswissenschaften Tetzner, Lisa Hans Urian oder die Geschichte einer Weltreise, 1929 Der Fußball, 1932 Schöne Literatur Jugendschriften Thomas, Adrienne k. A. Schöne Literatur Woker, Gertrud Der kommende Gift- und Brandkrieg, Leipzig 1932 Politik und Staatswissenschaften Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 020/20 Seite 9 Aufgrund zusätzlich zu den „Schwarzen Listen“ von Wolfgang Herrmann zugrunde gelegter Quellen13 werden in der von Werner Treß herausgegebenen Anthologie „Verbrannte Bücher 1933“ im dortigen Verzeichnis der Autorinnen und Autoren, „bei denen sich relativ sicher belegen lässt, dass eines oder mehrerer ihrer Werke, an einem oder mehreren Orten der Bücherverbrennungen 1933 vernichtet worden ist“, sieben weitere betroffene weibliche Autoren der Bücherverbrennungen genannt: Vicki Baum, Gertrud Bäumer, Lily Braun, Sidonie-Gabrielle Colette, Agnes Henningsen, Anna Karawajewa und Else Lasker-Schüler.14 Die Frage, welche weiblichen Autoren aus welchen Gründen von den Bücherverbrennungen betroffen waren, ist in der wissenschaftlichen Literatur bisher nicht systematisch untersucht worden .15 Werner Treß hebt in seiner Untersuchung hervor, dass der Antifeminismus eine wichtige literaturpolitische Stoßrichtung bei der Erstellung der „Schwarzen Listen“ gewesen sei: „Dieses Ressentiment ist in den Schwarzen Listen sowohl unmittelbar durch die Aufführung von Feministinnen wie Anna Blos, Hilde Lion und Alexandra Kollontai ersichtlich. Unter das antifeministische Ressentiment fielen jedoch Autorinnen wie Irmgard Keun, Christa Anita Brück oder Gina Kaus. Ihre Werke würden heute in Fachkreisen wahrscheinlich nicht mehr einhellig als feministisch motiviert anerkannt werden. Gleichwohl vertraten diese Autorinnen in ihren Texten ein Frauenbild, das sich von traditionellen Rollenzuschreibungen befreite und für eine selbstbestimmte Sexualität eintrat. Auch diese Werke waren den Nationalsozialisten verhasst und wurden Opfer der Bücherverbrennungen.“16 Die Titel der Werke weisen zudem darauf hin, dass vor allem Autorinnen aus dem Umkreis der Arbeiter-, der Frauen- und der Friedensbewegung von den Bücherverbrennungen betroffen waren. 13 Dabei handelt es sich zum einen um den „Vorläufigen Halleschen Generalindex jüdischer, marxistischer, pazifistischer und anderer volkszersetzender Schriften“, der vom „Zentralausschuss zur Durchführung der nationalen Revolution“ zur Vorbereitung auf die Bücherverbrennung in Halle vom 12. Mai 1933 genutzt wurde. Einbezogen wurde zum anderen auch die „Schwarze Liste der zu vernichtenden Bücher“, die der „Arbeitsausschuss für mecklenburgisches Volksbüchereiwesen“ für die Bücherverbrennung in Schwerin am 4. Juni 1933 erstellt hat. Ferner wurden bei der Erstellung des Verzeichnisses weiteres Archivmaterial und insbesondere Zeitungsberichte zu den örtlichen Bücherverbrennungen zugrunde gelegt. (Werner Treß (2009), a. a. O., S. 629) 14 Vgl. Werner Treß (2009), a. a. O., S. 629-635 15 In der vorhandenen wissenschaftlichen Literatur werden zumeist nur einzelne Autorinnen exemplarisch betrachtet . So befasst sich die Literaturwissenschaftlerin Edda Ziegler in ihrer 2010 in 2. Auflage erschienenen Studie „Verboten – verfemt – vertrieben. Schriftstellerinnen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus“ mit den Lebensgeschichten einzelner Schriftstellerinnen, die von den Nationalsozialisten ins Exil getrieben wurden, unabhängig von der Frage, ob diese auch von den Bücherverbrennungen betroffen waren. Biografische Hinweise zu einzelnen betroffenen weiblichen Autorinnen und deren Texten (Anna Blos/Anna Geyer/Adele Schreiber /Louise Schroeder, Christa Anita Brück, Gina Kaus, Irmgard Keun, Alexandra Kollontai, Hilde Lion, Rosa Luxemburg, Bertha von Suttner, Adrienne Thomas) enthält die von Werner Treß herausgegebene Anthologie „Verbrannte Bücher 1933“ aus dem Jahr 2009. Der 2008 erschienene Band von Volker Weidermann „Das Buch der verbrannten Bücher“ geht zusätzlich auch auf die Autorinnen Eva Leidmann, Maria Leitner, Rahel Sanzara, Lisa Tetzner und Anna Seghers ein. 16 Werner Treß (2009): Einleitung a. a. O., S. 39 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 020/20 Seite 10 3. Die Systematisierung und Ausweitung der Buchverbotspraxis nach 1933: „Die Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“ Ende 1933 waren bereits mehr als 1000 Druckschriften in Deutschland verboten und beschlagnahmt worden, woran nicht weniger als 21 Stellen beteiligt gewesen waren.17 Die zensurpolitische Konkurrenz unterschiedlicher Behörden und Dienststellen auf Reichs-, Länder-, Gau- und lokaler Ebene rief Kritik hervor und ließ den Ruf nach einer Vereinheitlichung des Verbotswesens laut werden.18 Dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda gelang es ab 1935 sukzessive, die Kompetenzen im Bereich des Buchverbotswesens an sich zu ziehen. Im April 1935 erfolgte auf Veranlassung des Leiters der Schrifttumsabteilung des Reichspropagandaministeriums , Heinz Wismann, eine „Anordnung über schädliches und unerwünschtes Schrifttum“, in der die Reichsschrifttumskammer mit der Führung von zwei Verbotslisten betraut wurde.19 Die erste Liste sollte Bücher und Schriften enthalten, die das „nationalsozialistische Kulturwollen gefährden“ und deshalb weder durch öffentliche Büchereien verliehen noch über den Buchhandel vertrieben werden durften. In einer zweiten Liste sollten jugendgefährdende Schriften erfasst werden.20 Die im Oktober 1935 von der Reichsschriftumskammer vorgelegte, nach Einzelschriften, Sammelwerken und Zeitschriften gegliederte „Liste 1 des schädliche und unerwünschten Schrifttums“ war im Wesentlichen eine Zusammenstellung aus bereits vorliegenden Verbotsindizes. Sie enthielt insgesamt 3601 Einzeltitel und 524 Autorinnen und Autoren, deren sämtliche Schriften verboten waren: „Betroffen war eine große Anzahl jüdischer Autoren, doch erfolgte die Indizierung der Sachbuch- und der schöngeistigen Literatur nicht ausschließlich nach rassistischen Gesichtspunkten . An politischer Literatur verboten wurden die Schriften der Arbeiterbewegung in Deutschland und die Schriften führender Vertreter der SPD, das Schrifttum aus dem Umfeld der sowjetischen Revolution und das der KPD, Schriften einzelner nationalkonservativer Autoren, (…) Bücher zum politischen System der Weimarer Republik und sämtliche Schriften einer Reihe von Pazifisten. (…) ‚Unerwünscht und schädlich‘ waren auch das Schrifttum der Bekennenden Kirche, Schriften zur Anthroposophie, zur Frauenemanzipation, zum Schwangerschaftsabbruch, 17 Jan-Pieter Barbian: Literaturpolitik im „Dritten Reich“. Institutionen, Kompetenzen, Betätigungsfelder, Frankfurt am Main 1993, S. 223, Siegfried Lokatis: Indizierungspraxis und „Schrifttumspolitik“ im Nationalsozialismus, in: Verfemt und Verboten. Vorgeschichte und Folgen der Bücherverbrennungen 1933, hrsg. von Julius H. Schoeps und Werner Treß, Hildesheim 2010, S. 211-220, hier: S. 213 18 Dietrich Aigner: Die Indizierung „schädlichen und unerwünschten Schrifttums“ im Dritten Reich, in: Archiv für Geschichte des Buchwesens, Band XI, Lieferung 3-5, Frankfurt am Main 1971, Sp. 933-1034, hier: Sp. 962 19 Zur Absicherung ließ sich Goebbels seine Zuständigkeit für Buchverbote sowie für die Beschlagnahmung und Einziehung von Schriften im Frühjahr 1936 durch einen „Führer-Erlass“ festschreiben. (Jan-Pieter Barbian: Literaturpolitik im NS-Staat. Von der „Gleichschaltung“ bis zum Ruin, Frankfurt am Main 2010, S. 253f.) 20 Ebenda, S. 251. „Im letztere Fall handelt es sich um keine eigentliche Verbotsliste, da sie lediglich einige Kategorien ‚jugendgefährdender‘ Trivialliteratur gewissen Verbreitungsbeschränkungen unterwarf. Die Liste war daher allen interessierten Kreisen, namentlich auch dem Buchhandel, frei zugänglich.“ (Dietrich Aigner (1971), a. a. O, Zitat: Sp. 974) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 020/20 Seite 11 zur Nacktkörperkultur sowie Aufklärungsliteratur zum Thema Sexualität, Erotika und Trivialliteratur .“21 Um erneute unerwünschte Reaktionen aus dem Ausland – wie nach den Bücherverbrennungen im Mai 1933 – zu vermeiden, wurde der Verbotsindex, der primär der politischen Polizei als Arbeitsinstrument dienen sollte, als streng vertraulich klassifiziert. Der Index erwies sich jedoch rasch als unzureichend, da er keine Angaben zu Verlag, Verlagsort und Erscheinungsjahr der verbotenen Einzel- und Sammelschriften enthielt und zahllose Fehler in der Schreibweise und Zuordnung von Autoren aufwies, „wofür nicht nur die Eilfertigkeit bei der Zusammenstellung, sondern auch die sachliche Inkompetenz der beteiligten Dienststellen verantwortlich war.“22 Reichspropagandaminister Joseph Goebbels delegierte daher die Erstellung eines fehlerfreien und vollständigen Verbotsindexes im April 1938 an die Schrifttumsabteilung seines Ministeriums, die – in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bücherei in Leipzig – Ende 1939 eine grundlegend revidierte und ergänzte Liste vorlegte. In die Neuausgabe der „Liste 1“ wurden sämtliche bis zum 31. Dezember 1938 verbotene Titel eingearbeitet. Sie enthielt 4175 Einzeltitel und 565 Autorinnen und Autoren, deren sämtliche Schriften verboten waren.23 Hinzu kamen noch die Verbote für Serien und Zeitschriften sowie erstmals auch die Indizierung einzelner Verlage mit ihrer Gesamtproduktion . Bis zum Februar 1945 wurden von der Deutschen Bücherei im Auftrag des Propagandaministeriums monatliche Indizierungslisten erstellt, die bis 1943 noch einmal zu Jahreslisten zusammengefasst wurden.24 Die Frage, wie viele weibliche Autoren mit Einzelschriften oder mit ihrem Gesamtwerk auf den genannten Verbotsindizes standen und wie viele von ihnen wiederum bereits von den Bücherverbrennungen 1933 betroffen waren, ist von der Forschung bisher nicht analysiert worden.25 21 Jan-Pieter Barbian (2010), a. a. O., S. 254f. 22 Jan-Pieter Barbian (2010), a. a. O., S. 257, vgl. hierzu auch Dietrich Aigner (1971), a. a. O., Sp. 975-978 23 Vgl. zu den Indizierungskriterien für die Erteilung von Gesamtverboten und Einzeltitelverboten ausführlich Dietrich Aigner (1971), a. a. O, Sp. 983-1006 24 Ebenda, S. 258 25 Eine eigene Auswertung hätte den Rahmen dieser Untersuchung gesprengt. Die alphabetisch sortierten Einzelschriften in den „Listen der schädlichen und unerwünschten Literatur“ mit Stand vom Oktober 1935 bzw. mit Stand vom 31. Dezember 1938 umfassen allein 137 bzw. 169 Seiten. Beide Listen sind online über die Internetseite der Universitäts- und Landesbibliothek Münster abrufbar. (https://sammlungen.ulb.uni-muenster .de/hd/periodical/titleinfo/2539677, letzter Abruf: 02.07.2020) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 020/20 Seite 12 4. Literatur Aigner, Dietrich (1971): Die Indizierung „schädlichen und unerwünschten Schrifttums“ im Dritten Reich, in: Archiv für Geschichte des Buchwesens, Band XI, Lieferung 3-5, Frankfurt am Main 1971, Sp. 933-1034 Barbian Jan-Pieter (1993): Literaturpolitik im „Dritten Reich“. Institutionen, Kompetenzen, Betätigungsfelder , Frankfurt am Main 1993 Barbian, Jan-Pieter (2008): Verordneter Kanon. Literarische Kanonbildung während der NS-Diktatur , in: Jan Pieter Barbian: Die vollendete Ohnmacht? Schriftsteller, Verleger und Buchhändler im NS-Staat. Ausgewählte Aufsätze, Essen 2008, S. 59-77 Barbian, Jan-Pieter (2010): Literaturpolitik im NS-Staat. Von der „Gleichschaltung“ bis zum Ruin, Frankfurt am Main 2010 Dahm, Volker (1983): Die nationalsozialistische Schrifttumspolitik nach dem 10. Mai 1933, in: Ulrich Walberer (Hrsg.): 10 Mai 1933. Bücherverbrennung in Deutschland und die Folgen, Frankfurt am Main 1983, S. 36-83 Krämer, Jörg D. (2008): 10. Mai 1933 – Bücherverbrennung, Aktueller Begriff Nr. 12/08, Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, abrufbar unter https://www.bundestag.de/resource /blob/499294/4540d7fb09f364119746ecb188a78ede/10-Mai-1933-Buecherverbrennungdata .pdf Liste 1 der schädlichen und unerwünschten Literatur. Gemäß § 1 der Anordnung des Präsidenten der Reichsschrifttumskammer vom 25. April 1935, bearbeitet und herausgegeben von der Reichsschrifttumskammer , Stand vom Oktober 1935, Berlin o. J., abrufbar unter https://sammlungen .ulb.uni-muenster.de/hd/periodical/titleinfo/2539677 Liste der schädlichen und unerwünschten Literatur, Stand vom 31. Oktober 1938, Leipzig o. J., https://sammlungen.ulb.uni-muenster.de/hd/periodical/titleinfo/2539677 Lokatis, Siegfried (2010): Indizierungspraxis und „Schrifttumspolitik“ im Nationalsozialismus, in: Verfemt und Verboten. Vorgeschichte und Folgen der Bücherverbrennungen 1933, hrsg. von Julius H. Schoeps und Werner Treß, Hildesheim 2010, S. 211-220 Sauder, Gerhard (Hrsg.) (1983): Die Bücherverbrennung. Zum 10. Mai 1933, München/Wien 1983 Treß, Werner (2003): „Wider den undeutschen Geist“. Bücherverbrennung 1933, Berlin 2003 Treß, Werner (2009): Einleitung, in: Werner Treß (Hrsg.) Verbrannte Bücher 1933. Mit Feuer gegen die Freiheit des Geistes, Bonn 2009, S. 7-54 Weidermann, Volker (2008): Das Buch der verbrannten Bücher. Köln 2008 www.verbrannte-buecher.de Ziegler, Edda (2010): Verboten – verfemt – vertrieben. Schriftstellerinnen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus, 2. revidierte und erweiterte Neuausgabe, München 2010 ***