© 2019 Deutscher Bundestag WD 1 - 3000 - 019/19 Wahlkreise im internationalen Vergleich Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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September 2019 Fachbereich: WD 1: Geschichte, Zeitgeschichte und Politik Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 - 3000 - 019/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 4 2 Grundsätzliche Hinweise zu Wahlsystemen und Wahlkreisen 5 3 Wahlkreisgrößen im internationalen Vergleich 6 3.1 Länder mit Einpersonenwahlkreisen 7 3.2 Länder mit Mehrpersonenwahlkreisen 9 4 Personelle, finanzielle und infrastrukturelle Unterstützung der Wahlkreisarbeit im Rahmen der Amtsausstattung der Abgeordneten im internationalen Vergleich 12 5 Literatur 13 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 - 3000 - 019/19 Seite 4 1 Einleitung Die nachfolgende Ausarbeitung befasst sich schwerpunktmäßig mit der durchschnittlichen Wahlkreisgröße 1 bei nationalen Wahlen zur ersten Kammer bezogen auf die Bevölkerungszahl und die Fläche im internationalen Vergleich. Da hierzu keine Daten aus vergleichenden wissenschaftlichen Untersuchungen vorlagen,2 wurde eine Anfrage an die Parlamente der EU-Mitgliedstaaten gestellt. Ebenfalls untersucht wird die Frage, inwieweit Abgeordnete in den EU-Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer Amtsausstattung in ihrer Wahlkreisarbeit personell, finanziell und infrastrukturell unterstützt werden. Nicht näher eingegangen wird in dieser Ausarbeitung hingegen auf die Frage, in welcher Weise die Wahlkreisgröße bezogen auf Parameter wie Fläche, Einwohnerzahl etc. einerseits und parlamentarische Repräsentation und Responsivität andererseits zusammenhängen.3 In der wissenschaftlichen Literatur wird zwar die grundsätzliche Bedeutung der Wahlkreisarbeit zur Herstellung der Responsivität betont, zugleich aber darauf hingewiesen, dass die Vertretungsrelation, d. h. das Verhältnis zwischen der Anzahl an Wahlberechtigten oder Einwohnern einerseits und 1 In der politikwissenschaftlichen Literatur wird unter dem Begriff „Wahlkreisgröße“ nicht die territoriale Ausdehnung eines Wahlkreises verstanden, sondern die Zahl der in einem Wahlkreis vergebenen Mandate (vgl. Dieter Nohlen: Wahlrecht und Parteiensystem. Zur Theorie und Empirie der Wahlsysteme, 7., überarbeite und aktualisierte Ausgabe, Bonn 2014, S. 98; Harald Schoen: Wahlsystemforschung, in: Handbuch Wahlforschung, hrsg. von Jürgen W. Falter/Harald Schoen, 2., überarbeitete Auflage, Wiesbaden 2014, S. 769-823, hier: S. 771). Anders als in Deutschland, wo das Wahlgebiet in 299 Einpersonenwahlkreise unterteilt ist, sind in vielen anderen EU-Mitgliedstaaten bei nationalen Parlamentswahlen Mehrpersonenwahlkreise üblich. Diese werden in der wissenschaftlichen Literatur (vgl. hierzu Dieter Nohlen, a. a. O., S. 98-100) nach folgenden Subtypen unterschieden : kleine Wahlkreise (2 bis 5 vergebene Mandate im Wahlkreis) Wahlkreise mittlerer Größe (6 bis 9 vergebene Mandate im Wahlkreis), große Wahlkreise (10 und mehr vergebene Mandate im Wahlkreis). 2 Hingegen wurde das Verhältnis der Abgeordnetenzahl im Parlament zur Zahl der Einwohner bzw. der Wähler unlängst international vergleichend betrachtet: Wolfgang Zeh: Abgeordnetenzahl im Parlament – zu groß, zu klein, gerade richtig?, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, 49. Jahrgang, Heft 4/2018, S. 744-756; Zeh betont in seinem Aufsatz: „Eine genaue Vorstellung darüber, wie viele Bürger von je einem Abgeordneten repräsentiert sein sollten, scheint nicht generell zu existieren oder jedenfalls nicht das entscheidende Kriterium für den Größenzuschnitt von Parlamenten zu sein“ (Ebenda, S. 748). Insgesamt liegen zur Frage der Größe von Parlamenten nur wenige politikwissenschaftliche Studien vor. (vgl. hierzu mit weiteren bibliographischen Hinweisen Werner Reutter: Zur Größe von Landesparlamenten. Kriterien für eine sachliche Diskussion, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen , 50. Jahrgang, Heft 2/2019, S. 263-275, hier: S. 264). 3 Zur Wahlkreisarbeit von Abgeordneten allgemein sowie zur Frage der parlamentarischen Repräsentation aus Sicht von Abgeordneten einerseits und Bürgern andererseits gibt es eine Reihe von Studien: Werner J. Patzelt: Abgeordnete und Repräsentation. Amtsverständnis und Wahlkreisarbeit, Passau 1993; Werner J. Patzelt, Karin Algasinger: Abgehobene Abgeordnete? Die gesellschaftliche Vernetzung der deutschen Volksvertreter, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, 32. Jahrgang, Heft 3/2001, S. 503-527; Wolfgang Ismayr. Der Deutsche Bundestag, 3., völlig überarbeitete und aktualisierte Auflage Wiesbaden 2012, S. 75-83; Danny Schindler: Die Mühen der Ebene: Parteiarbeit der Bundestagsabgeordneten im Wahlkreis, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, 44. Jahrgang, Heft 3/2013, S. 507-525; Sven T. Siefken: Repräsentation vor Ort: Selbstverständnis und Verhalten von Bundestagsabgeordneten bei der Wahlkreisarbeit, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, 44. Jahrgang, Heft 3/2013, S. 486- 506; Mirjam Dageförde: Weit entfernt vom „idealen Abgeordneten“? Zu Normen und Praxis parlamentarischer Repräsentation aus Sicht der Bürger, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, 44. Jahrgang, Heft 3/2013, S. 580-592; Thomas Gschwend, Thomas Zittel: Machen Wahlkreiskandidaten einen Unterschied? Die Persönlichkeitswahl als interaktiver Prozess, in: Wählen in Deutschland, hrsg. von Rüdiger Schmitt-Beck, PVS-Sonderheft 45/2011, Baden-Baden 2012, S. 371-392 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 - 3000 - 019/19 Seite 5 der gesetzlichen Anzahl der Abgeordneten andererseits, „allein nur bedingt Aussagen zulässt über Art und Erfolg der parlamentarischen Repräsentationsfähigkeit von Abgeordneten und Parlamenten .“4 Die Entscheidung über die Größe eines Parlaments sei vielmehr eine genuin politische Entscheidung. Wissenschaftliche Kriterien und Maßstäbe, aus denen sich eine „optimale“ Größe eindeutig und objektiv errechnen ließe, existieren nicht.5 Da in der politischen Praxis „das Geschäft der demokratischen Repräsentation weiterhin vor allem geprägt von der persönlichen Diskussion, dem Austausch von Meinungen, der Aufnahme von Informationen im Gespräch“6 sei, wird in der Forschung jedoch teilweise die allgemeine Schlussfolgerung gezogen, dass sich eine Verringerung der Anzahl der Abgeordneten und der Wahlkreise negativ auf die Repräsentationsfähigkeit von Parlamenten auswirken könnte.7 2 Grundsätzliche Hinweise zu Wahlsystemen und Wahlkreisen Wahlsysteme sind komplexe, aus heterogenen Elementen bestehende Gebilde, die in der politischen Praxis in nahezu beliebiger Weise miteinander verknüpft werden können.8 Wahlsystemfragen werden in der Literatur als Machtfragen bezeichnet, da sie darüber mitbestimmen, wer sich wann und wie in den politischen Prozess einbringen kann. Welcher Staat welches konkrete Wahlsystem hat, ist „pfadabhängig“, d. h. es leitet sich von einer Vielzahl spezifischer historischer Faktoren ab.9 Dominant in den EU-Mitgliedstaaten sind Verhältniswahlsysteme in unterschiedlicher Ausprägung , wobei in der wissenschaftlichen Literatur konstatiert wird, dass kein Verhältniswahlsystem dem anderen gleiche: „Unterschiedliche nationale gesellschaftliche Strukturen, historische Erfahrungen , politische Bedingungen und Intentionen ließen jeweils eigene Wahlsysteme entstehen. Als Verhältniswahlsysteme zielen sie zwar auf eine proportionale Repräsentation, erreichen diese jedoch in unterschiedlichem Umfang. (…) In den Verhältniswahlsystemen dominiert der Mehrpersonenwahlkreis mittleren bis großen Umfangs, wobei in der Regel Wahlkreise unterschiedlicher Größe gemischt werden. Nicht selten gibt es zugleich Einerwahlkreise und Wahlkreise mit mehr als 30 Mandaten.“10 Reine Mehrheitswahlsysteme gibt es in den EU-Mitgliedstaaten derzeit nur in Großbritannien (in Form der relativen Mehrheitswahl) und in Frankreich (in 4 Werner Reutter, a. a. O., S. 271 5 Ebenda, S. 275, dasselbe gilt auch für die Größe von Wahlkreisen. 6 Sven T. Siefken, a. a. O., S. 506 7 Entsprechend äußert sich Werner Reutter mit Blick auf aktuelle politische Diskussionen in einigen Bundesländern (Werner Reutter, a. a. O., S. 263f. und S. 275). 8 Joachim Behnke, Florian Grotz, Christof Hartmann: Wahlen und Wahlsysteme, Berlin/Boston 2017, S. 70 9 Stefan Marschall: Parlamentarismus. Eine Einführung, 3., aktualisierte Auflage, Baden-Baden 2018, S. 35 10 Dieter Nohlen, a. a. O., 236f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 - 3000 - 019/19 Seite 6 Form der absoluten Mehrheitswahl). Sie sind darüber hinaus in nur wenigen westlichen Industriestaaten anzutreffen (USA, Kanada Australien).11 Der Wahlkreis ist – neben Kandidaturform, Stimmgebung und Stimmenverrechnung – ein wesentliches technisches Element von Wahlsystemen.12 Von besonderer Bedeutung ist dabei die Wahlkreiseinteilung, da sie die Wahlchancen politischer Parteien erheblich beeinflussen kann.13 Sie lässt sich zudem nicht abschließend regeln, da binnenstaatliche Migrationsprozesse eine stete Anpassung der Wahlkreise an veränderte Verhältnisse erfordern, „entweder (im Falle von Einerwahlkreisen ) durch die geographische Neufestlegung der Wahlkreisgrenzen oder (im Falle von Mehrpersonenwahlkreisen) durch Modifikation der Zahl der Mandate, die auf die Wahlkreise entfallen.“14 Da nach den Grundsätzen des demokratischen Wahlrechts jede Wählerstimme den gleichen Zählwert haben soll, muss für alle Wahlkreise ein einheitlicher Repräsentationsschlüssel gelten, wie Dieter Nohlen betont: „Entweder werden Wahlkreise gebildet, die in etwa eine Bevölkerung aufweisen , der proportional ein Mandat zusteht. Dies ist hauptsächlich bei einer Einteilung des Landes in Einerwahlkreise der Fall, deren Grenzen dann dauernd den Bevölkerungsverschiebungen angeglichen werden müssen. Oder es wird errechnet, wie viele Mandate einem Wahlkreis aufgrund seiner Bevölkerung (oder auch Bevölkerungsbruchteile) proportional zustehen. Diese Methode ist bei Mehrpersonenwahlkreisen die gebräuchlichste. Die Zahl der Mandate eines bestimmten Wahlkreises kann/wird sich dann als Folge von Migrationen ändern.“15 Die Bezugsgröße kann – neben der Zahl der Staatsbürger wie in Deutschland – auch die Zahl der Wahlberechtigten bzw. die Zahl der registrierten Wähler oder die Gesamtzahl der Einwohner sein.16 3 Wahlkreisgrößen im internationalen Vergleich Aufgrund der Unterschiedlichkeit der Wahlsysteme sind die durchschnittlichen Wahlkreisgrößen bezogen auf die Bevölkerungszahl und die Fläche in den EU-Mitgliedstaaten nur bedingt miteinander vergleichbar. Mehrpersonenwahlkreise sind – bezogen auf die beiden genannten Parameter – in der Regel erheblich größer als Einpersonenwahlkreise, sodass ein Vergleich der Durchschnittszahlen zu erheblichen Verzerrungen führt. Einigermaßen sinnvoll vergleichen lassen sich in Bezug auf Bevölkerungszahl und Fläche nur Länder mit Einpersonenwahlkreisen und Länder 11 Ebenda, S. 234 12 Ebenda, S. 92; Joachim Behnke, Florian Grotz, Christof Hartmann, a. a. O., S. 76ff. 13 Vgl. zur missbräuchlichen Wahlkreiseinteilung nach politischen Gesichtspunkten: Dieter Nohlen, a. a. O., S. 96- 98. 14 Ebenda, S. 93 15 Ebenda, S. 96 16 Lisa Handley: Electoral Systems and Redistricting, in: The Oxford Handbook of Electoral Systems , edited by Eric S. Herron, Robert J. Pekkanen and Matthew S. Shugart, New York 2018, S. 513-531, hier: S. 520 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 - 3000 - 019/19 Seite 7 mit Mehrpersonenwahlkreisen untereinander.17 Sie sind daher in den beiden folgenden tabellarischen Übersichten getrennt ausgewiesen.18 Da Wahlsysteme, bei denen das gesamte Wahlgebiet in Einpersonenwahlkreise unterteilt ist, in den EU-Mitgliedstaaten deutlich in der Minderzahl sind, wurden vier außereuropäische Länder mit Einpersonenwahlkreisen zusätzlich in die Übersicht einbezogen, um eine breitere Vergleichsgrundlage zu haben.19 3.1 Länder mit Einpersonenwahlkreisen Parlamentssitze Wahlsystem Wahlkreisanzahl Wahlkreistyp Durchschnittliche Anzahl a) Staatsbürger pro Wahlkreis b) Wahlberechtigte/ registrierte Wähler pro Wahlkreis c) Gesamteinwohner pro Wahlkreis Durchschnittliche Fläche pro Wahlkreis Deutschland 598 (ohne Überhang - und Ausgleichsmandate ) Personalisierte Verhältniswahl 299 Einpersonenwahlkreise (relative Mehrheit) 299 Mandate werden zudem proportional über Listenwahl vergeben. a) 246.000 b) 206.000 c) 275.000 1.200 km² Frankreich 577 Absolute Mehrheitswahl in 577 Einpersonenwahlkreisen (556 europäisches Mutterland , 10 Überseegebiete, 11 Auslandsfranzosen) a) k. A. b) k. A. c) 125.000 978 km² (europäisches Mutterland ) Großbritannien 650 Relative Mehrheitswahl in 650 Einpersonenwahlkreisen a) k. A. b) 70.400 c) 102.200 373 km² 17 Während Einpersonenwahlkreise sowohl in Ländern mit Mehrheits- als auch in Ländern mit Verhältniswahlsystemen vorkommen, korrespondieren Mehrpersonenwahlkreise und Verhältniswahlsysteme unterschiedlicher Ausprägung miteinander (vgl. zur Typologie der Wahlsysteme: Dieter Nohlen, a. a. O., S. 200ff.). 18 Die Daten beruhen auf den Antworten auf die oben genannte Anfrage an die Parlamente der EU-Mitgliedstaaten. Bei Redaktionsschluss lagen Antworten aus 23 Parlamenten der EU-Mitgliedstaaten vor. 19 Die Daten beruhen auf den Länderangaben der IPU Open Data Plattform „New Parline“ (abrufbar unter https://data.ipu.org/) sowie auf ergänzenden eigenen Berechnungen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 - 3000 - 019/19 Seite 8 Parlamentssitze Wahlsystem Wahlkreisanzahl Wahlkreistyp Durchschnittliche Anzahl a) Staatsbürger pro Wahlkreis b) Wahlberechtigte/ registrierte Wähler pro Wahlkreis c) Gesamteinwohner pro Wahlkreis Durchschnittliche Fläche pro Wahlkreis Litauen 141 Segmentiertes Wahlsystem 71 Einpersonenwahlkreise (absolute Mehrheitswahl) 70 Mandate werden zudem proportional über Parteilisten vergeben. a) k. A. b) 35.000 c) k. A. 933 km² Ungarn 199 Mischwahlsystem 106 Einpersonenwahlkreise (relative Mehrheit) 93 Mandate werden zudem proportional über Parteilisten vergeben. a) k. A. b) 74.689 (2018) c) k. A. 877 km² Australien 151 Absolute Mehrheitswahl mit alternativer Stimmgebung (alternative vote) in 151 Einpersonenwahlkreisen a) k. A. b) ca. 109.000 (2019) c) ca. 168.000 (2019) ca. 51.000 km² Kanada 338 Relative Mehrheitswahl in 338 Einpersonenwahlkreisen a) k. A. b) ca. 77.000 (2015) c) ca. 110.360 (2019) ca. 29.600 km² Neuseeland 121 Personalisierte Verhältniswahl 70 Einpersonenwahlkreise 51 Mandate werden zudem proportional über Parteilisten vergeben. a) k. A. b) ca. 47.150 (2017) c) ca. 68.600 (2017) 3.860 km² USA 435 Relative Mehrheitswahl in 435 Einpersonenwahlkreisen a) k. A. b) ca. 352.000 (2018) c) ca. 752.000 (2018) 22.530 km² Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 - 3000 - 019/19 Seite 9 3.2 Länder mit Mehrpersonenwahlkreisen Parlamentssitze Wahlsystem Wahlkreisanzahl Wahlkreistyp Durchschnittliche Anzahl a) Staatsbürger pro Wahlkreis b) Wahlberechtigte/ registrierte Wähler pro Wahlkreis c) Gesamteinwohner pro Wahlkreis Durchschnittliche Fläche pro Wahlkreis Belgien 150 Verhältniswahlrecht 11 Mehrpersonenwahlkreise a) k. A. b) ca. 743.000 (2019) c) ca. 1.0400.00 (2019) ca. 3.040 km² Bulgarien 240 Verhältniswahlrecht 31 Mehrpersonenwahlkreise a) k. A. b) k. A. c) 227.420 (2017) 3.580 km² Dänemark 179 Verhältniswahlrecht 10 Mehrpersonenwahlkreise a) k. A. b) ca.408.000 (2011) c) ca. 566.000 (2015 ) ca. 4.300 km² Estland 101 Verhältniswahlrecht 12 Mehrpersonenwahlkreise a) ca. 94.000 (2019) b) ca.74.000 (2019) c) ca. 110.000 (2019) 3.773 km² Finnland 200 Verhältniswahlrecht 13 Mehrpersonenwahlkreise (199 Sitze proportional über Parteilisten vergeben) Ein Abgeordneter wird in Aland in einem eigenen Wahlkreis gewählt (Mehrheitswahl ). a) zwischen 177.000 im kleinsten und 1.020.000 im größten Wahlkreis (kein Durchschnittswert angegeben) b) k. A. c) k. A. ca. 28.000 km² Griechenland 300 Verhältniswahlrecht in 52 Mehrpersonenwahlkreisen und 7 Einpersonenwahlkreisen (relative Mehrheit) a) ca. 184.00 (2011) b) ca.168.000 (2019) c) k. A. ca. 2.315 km² Irland 160 Verhältniswahlrecht 39 Mehrpersonenwahlkreise a) k. A. b) k. A. c) 29.762 (2017) ca. 1.800 km² Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 - 3000 - 019/19 Seite 10 Parlamentssitze Wahlsystem Wahlkreisanzahl Wahlkreistyp Durchschnittliche Anzahl a) Staatsbürger pro Wahlkreis b) Wahlberechtigte/ registrierte Wähler pro Wahlkreis c) Gesamteinwohner pro Wahlkreis Durchschnittliche Fläche pro Wahlkreis Italien 630 Grabenwahlsystem 386 Mandate wurden bei den Wahlen 2018 in 63 Mehrpersonenwahlkreisen über Parteilisten proportional vergeben. 232 Einpersonenwahlkreise 12 Abgeordnete wurden von Auslandsitalienern in einem eigenen Wahlbezirk gewählt . Einpersonenwahlkreise: a) 256.180 (2018) b) k. A. c) k. A. Mehrpersonenwahlkreise: a) 941.380 (2018) b) k. A. c) k. A Einpersonenwahlkreise : 1.302 km² Mehrpersonenwahlkreise : 4.720 km² Kroatien 151 Verhältniswahlrecht 12 Mehrpersonenwahlkreise a) k. A. b) k. A. c) ca. 350.000 (2016) ca. 4.720 km² Lettland 100 Verhältniswahlrecht 5 Mehrpersonenwahlkreise a) k. A. b) ca.310.000 (2018) c) ca. 460.000 (2018) ca. 12.920 km² Luxemburg 60 Verhältniswahlrecht 4 Mehrpersonenwahlkreise a) k. A. b) 65.000 (2018) c) 153.000 (2019) ca. 647 km² Österreich 193 Verhältniswahlrecht Zuweisung der Mandate erfolgt auf regionaler, Landesund Bundesebene 9 Mehrpersonenwahlkreise auf Landesebene 38 Mehrpersonenwahlkreise auf regionaler Ebene Regionalwahlkreise: a) 191.000 (2017) b) 164.000 (2017) c) 225.000 (2017) Landeswahlkreise: a) 826.000 (2017) b) 711.000 (2017) c) 975.000 (2017) Regionalwahlkreise : 2.150 km² Landeswahlkreise : 9.300 km² Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 - 3000 - 019/19 Seite 11 Parlamentssitze Wahlsystem Wahlkreisanzahl Wahlkreistyp Durchschnittliche Anzahl a) Staatsbürger pro Wahlkreis b) Wahlberechtigte/ registrierte Wähler pro Wahlkreis c) Gesamteinwohner pro Wahlkreis Durchschnittliche Fläche pro Wahlkreis Polen 460 Verhältniswahlrecht 41 Mehrpersonenwahlkreise a) ca. 920.000 (2011) b) ca.750.000 (2011) c) k. A. ca. 7.635 km² Portugal 230 Verhältniswahlrecht 22 Mehrpersonenwahlkreise a) k. A. b) ca.493.000 (2018) c) k. A. ca. 4.600 km² Schweden 349 Verhältniswahlrecht 29 Mehrpersonenwahlkreise a) ca. 321.000 (2018) b) ca.258.000 (2018) c) ca. 352.000 (2018) ca. 16.000 km² Slowakei 150 Verhältniswahlrecht 1 Mehrpersonenwahlkreis (Das gesamte Staatsgebiet bildet einen Wahlkreis) a) k. A. b) ca.4.420.000 (2019) c) ca. 5.428.000 (2016) ca. 49.035 km² Slowenien 90 Verhältniswahlrecht 8 Mehrpersonenwahlkreise Die ungarische und italienische Minderheit wählt in separaten Wahlkreisen jeweils einen Abgeordneten. a) k. A. b) ca.213.00 (2019) c) k. A. ca. 2.500 km² Spanien 350 Verhältniswahlrecht 52 Mehrpersonenwahlkreise a) ca. 809.000 (2019) b) ca.710.000 (2019) c) ca. 903.000 (2019) ca. 9.700 km² Tschechien 200 Verhältniswahlrecht 14 Mehrpersonenwahlkreise a) k. A. b) ca.598.000 (2016) c) ca. 766.000 (2019) ca. 5.634 km² Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 - 3000 - 019/19 Seite 12 4 Personelle, finanzielle und infrastrukturelle Unterstützung der Wahlkreisarbeit im Rahmen der Amtsausstattung der Abgeordneten im internationalen Vergleich Die personelle, finanzielle und infrastrukturelle Unterstützung der Wahlkreisarbeit von Abgeordneten ist in den EU-Mitgliedstaaten unterschiedlich geregelt. Wie in einer früheren Ausarbeitung des Fachbereichs WD 1 bereits betont, weisen die durch die Parlamente gewährten mandatsbezogenen Leistungen an Abgeordnete in ihrer Grundsystematik zwar gewisse Übereinstimmungen auf. Ein direkter Vergleich erscheint aber aufgrund der im Einzelnen unterschiedlichen Ausgestaltungen nur bedingt möglich. So können die Parlamentarier in einigen Ländern bestimmte mandatsbedingte Ausgaben über ihre Amtsausstattungen abdecken, während die Abgeordneten anderer Parlamente dafür teilweise auch ihre Abgeordnetenentschädigung verwenden müssen.20 Aufgrund der Heterogenität der gewährten mandatsbezogenen Leistungen in den einzelnen Parlamenten wird im Folgenden auf eine tabellarische Übersicht verzichtet, zumal in den für dieses Kapitel ausgewerteten Antworten auf zwei Anfragen an die Parlamente der EU-Mitgliedstaaten zur Amtsausstattung aus diesem Jahr zwar auch nach der Unterstützung der Wahlkreisarbeit gefragt wurde, aber häufig nicht explizit auf diesen Aspekt eingegangen wurde. Die folgende Darstellung beschreibt daher summarisch Grundzüge der gewährten Leistungen anhand folgender ausgewählter Aspekte: Gewährung einer Kostenpauschale, Übernahme von Reise- und Übernachtungskosten , Unterhalt und Ausstattung von Wahlkreisbüros, Kostenübernahme für die Beschäftigung von Mitarbeitern. Die Gewährung einer monatlichen steuerfreien Kostenpauschale, wie sie die Abgeordneten des Deutschen Bundestages u. a. für die Unterhaltung eines Wahlkreisbüros außerhalb des Sitzes des Deutschen Bundestages und für die Wahlkreisbetreuung erhalten, ist in anderen EU-Mitgliedstaaten nicht die Regel. Vergleichbare Kostenpauschalen, die auch der Deckung von Reise- und Übernachtungskosten am Sitz des Parlaments beinhalten, erhalten die Abgeordneten in Frankreich, Großbritannien, Spanien, Österreich, Polen, Belgien und Tschechien.21 In manchen Ländern wie z. B. in Spanien ist die Höhe der Kostenpauschale davon abhängig, ob die Abgeordneten ihren Wahlkreis innerhalb oder außerhalb der Hauptstadt haben, in anderen Ländern wie z. B. in Österreich oder Tschechien wird die Kostenpauschale ebenfalls nicht in einheitlicher Höhe gezahlt, sondern sie differiert in Abhängigkeit von der Entfernung zum Parlamentssitz. In Ländern ohne Kostenpauschale werden Reisekosten und Kosten für die Übernachtung im Hotel oder die Anmietung einer Wohnung am Parlamentssitz bis zu bestimmten jährlichen Höchst sätzen erstattet. In Frankreich, Polen, Litauen und Dänemark stehen den Parlamentariern eigene Abgeordnetenhotels bzw. Abgeordnetenapartments für die Übernachtung zur Verfügung, die im Rahmen des vorhandenen Kontingents genutzt werden können. Zur Amtsausstattung der Abgeordneten gehört in nahezu allen EU-Mitgliedstaaten die freie Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel im Nah- und Fernverkehr sowie alternativ eine Kilometergeldpauschale bei Nutzung des eigenen Kraftfahrzeugs. Regelungen gibt es in vielen EU-Staaten auch zur Taxinutzung für den Weg vom 20 WD 1 – 087/2008: Abgeordnetenentschädigungen, Amtsausstattungen und Altersentschädigungen von Parlamentariern in Österreich, Großbritannien, Italien, Schweden, den Niederlanden und Frankreich 21 Aus den Antworten geht nicht immer hervor, ob und inwieweit die Kostenpauschale wie in Deutschland auch der Unterhaltung eines Wahlkreisbüros außerhalb des Sitzes des Parlaments dient. In Österreich ist dies nicht der Fall, da dort die Abgeordneten keine Unterstützung für die Unterhaltung von Wahlkreisbüros erhalten. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 - 3000 - 019/19 Seite 13 Parlamentssitz bzw. vom Wohnort zum Bahnhof oder Flughafen, da ein eigener Fahrdienst am Sitz des Parlaments nur den Abgeordneten in Deutschland und Frankreich zur Verfügung steht. In allen EU-Mitgliedstaaten steht den Abgeordneten am Parlamentssitz ein Büro samt technischer Ausstattung zur Verfügung, wobei die genaue Zu- und Aufteilung in manchen Parlamenten (z. B. Dänemark und Estland), über die Fraktionen erfolgt. Differenzierter stellt sich die Lage in Bezug auf den Unterhalt und die Ausstattung von Wahlkreisbüros dar. Während schwedische und österreichische Abgeordnete keine finanzielle Unterstützung für deren Einrichtung und Unterhaltung erhalten, ist dies in Frankreich, Großbritannien, Polen und Ungarn der Fall. In Tschechien ist Höhe der finanziellen Unterstützung je nach Lage (Großstädte, Kurstädte, kleinere Gemeinden ) gestaffelt. In Litauen sind die Kommunalverwaltungen gehalten, den Abgeordneten Räumlichkeiten für die Abhaltung von Bürgersprechstunden und Veranstaltungen im Wahlkreis zur Verfügung zu stellen. In allen EU-Mitgliedstaaten unterstützen die Parlamente finanziell die Beschäftigung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die den Abgeordneten bei ihren mandatsbezogenen Tätigkeiten behilflich sind. Die Unterstützung ist begrenzt und zwar entweder durch die Festlegung einer durch die Abgeordneten zu besetzenden Maximalanzahl von Vollzeitstellen oder durch monatliche Höchstbeträge, die den Abgeordneten zur Verfügung stehen. Aufgrund der sehr unterschiedlichen Lebensstandards und Lebenshaltungskosten differieren die jeweiligen Höchstbeträge innerhalb der EU-Mitgliedstaaten erheblich. In Schweden, Dänemark und Kroatien bestimmen die Fraktionen über das Budget für die Beschäftigung von Mitarbeitern und damit auch, wie viele Mitarbeiter jedem einzelnen Abgeordneten zur Unterstützung bei seinen mandatsbezogenen Tätigkeiten zur Verfügung stehen.22 5 Literatur Behnke, Joachim, Grotz, Florian, Hartmann, Christof (2017): Wahlen und Wahlsysteme, Berlin /Boston 2017 Dageförde, Mirjam (2013): Weit entfernt vom „idealen Abgeordneten“? Zu Normen und Praxis parlamentarischer Repräsentation aus Sicht der Bürger, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, 44. Jahrgang, Heft 3/2013, S. 580-592 Gschwend, Thomas, Zittel, Thomas (2012): Machen Wahlkreiskandidaten einen Unterschied? Die Persönlichkeitswahl als interaktiver Prozess, in: Wählen in Deutschland, hrsg. von Rüdiger Schmitt -Beck, PVS-Sonderheft 45/2011, Baden-Baden 2012, S. 371-392 Handley, Lisa (2018): Electoral Systems and Redistricting, in: The Oxford Handbook of Electoral Systems, edited by Eric S. Herron, Robert J. Pekkanen and Matthew S. Shugart, New York 2018, S. 513-531 22 Mit Ausnahme von Polen ist den Antworten nicht zu entnehmen, ob die zur Verfügung stehenden Mittel auch für die Beschäftigung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Wahlkreisbüros genutzt werden können. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 1 - 3000 - 019/19 Seite 14 Ismayr, Wolfgang (2012): Der Deutsche Bundestag, 3., völlig überarbeitete und aktualisierte Auflage , Wiesbaden 2012 Marschall, Stefan (2018): Parlamentarismus. Eine Einführung, 3., aktualisierte Auflage, Baden- Baden 2018 New Parline: IPU‘s Open Data Plattform, abrufbar unter https://data.ipu.org/ Nohlen, Dieter (2014): Wahlrecht und Parteiensystem. Zur Theorie und Empirie der Wahlsysteme , 7., überarbeite und aktualisierte Ausgabe, Bonn 2014 Patzelt, Werner J. (1993): Abgeordnete und Repräsentation. Amtsverständnis und Wahlkreisarbeit , Passau 1993; Patzelt, Werner J., Algasinger, Karin (2001): Abgehobene Abgeordnete? Die gesellschaftliche Vernetzung der deutschen Volksvertreter, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, 32. Jahrgang, Heft 3/2001, S. 503-527 Reutter, Werner (2019): Zur Größe von Landesparlamenten. Kriterien für eine sachliche Diskussion , in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, 50. Jahrgang, Heft 2/2019, S. 263-275 Schindler, Danny (2013): Die Mühen der Ebene: Parteiarbeit der Bundestagsabgeordneten im Wahlkreis, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, 44. Jahrgang, Heft 3/2013, S. 507-525 Schoen, Harald (2014): Wahlsystemforschung, in: Handbuch Wahlforschung, hrsg. von Jürgen W. Falter/Harald Schoen, 2., überarbeitete Auflage, Wiesbaden 2014, S. 769-823 Siefken, Sven T. (2013): Repräsentation vor Ort: Selbstverständnis und Verhalten von Bundestagsabgeordneten bei der Wahlkreisarbeit, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, 44. Jahrgang, Heft 3/2013, S. 486-506 WD 1 – 087/2008: Abgeordnetenentschädigungen, Amtsausstattungen und Altersentschädigungen von Parlamentariern in Österreich, Großbritannien, Italien, Schweden, den Niederlanden und Frankreich Zeh, Wolfgang (2018): Abgeordnetenzahl im Parlament – zu groß, zu klein, gerade richtig?, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, 49. Jahrgang, Heft 4/2018, S. 744-756 ***