© 2018 Deutscher Bundestag WD 1 - 3000 - 011/18 Deutsche Islam Konferenz Übersicht und Ergebnisse Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 011/18 Seite 2 Deutsche Islam Konferenz Übersicht und Ergebnisse Aktenzeichen: WD 1 - 3000 - 011/18 Abschluss der Arbeit: 28. März 2018 Fachbereich: WD 1: Geschichte, Zeitgeschichte und Politik Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 011/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Arbeitsweise 4 2.1. Erneuerte Arbeitsweise 2013-2017 4 2.2. Neukonzeption für die 19. Legislaturperiode 5 3. Bisherige Akteure 5 3.1. Muslime 5 3.2. Experten 6 3.3. Staatliche Akteure 6 4. Ziele, Themen und Berichte 7 4.1. Wohlfahrtspflege 7 4.2. Religionsausübung 8 5. Ergebnisse 9 5.1. Auswahl Ergebnisse Wohlfahrtspflege 9 5.2. Handlungsempfehlungen Religionsausübung 11 5.2.1. Krankenhausseelsorge 11 5.2.2. Militärseelsorge 11 5.2.3. Gefängnisseelsorge 11 6. Öffentliche Wahrnehmung 12 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 011/18 Seite 4 1. Einleitung Die Deutsche Islam Konferenz (DIK) wurde mit der Auftaktsitzung am 27. September 2006 im Berliner Schloss Charlottenburg vom damaligen Minister des Inneren, Dr. Wolfgang Schäuble, als langfristig angelegter Dialog zwischen Staat (Bund, Länder und Kommunen) und Muslimen initiiert , „da Muslime in Deutschland nicht mehr länger eine ausländische Bevölkerungsgruppe darstellen , sondern Bestandteil unserer Gesellschaft geworden sind“1. Die DIK verstehe sich als Forum, um das Verhältnis von „Staat und Religion sowie das damit verbundene Verhältnis Staat und Bürger“ zu verhandeln. Es gehe nicht um den interreligiösen Dialog zwischen Islam und Christentum, sondern um das Verhältnis eines weitgehend säkularen Staatswesens zu anderen Kulturen und Religionen.2 Die Arbeit der DIK hat sich in den letzten zwölf Jahren kontinuierlich weiter entwickelt und ausdifferenziert . Nach einer kontroversen ersten Phase haben sich Arbeitsweise, Akteure und Themen in der DIK verändert. So wurde beispielsweise 2014 entschieden, dass „allgemeine Themen der Integration oder der öffentlichen Sicherheit (…) in anderen dafür zuständigen Gremien außerhalb der DIK erörtert werden“.3 Die zuletzt behandelten Themen, die beteiligten Akteure und die Ergebnisse der DIK sollen im folgenden Sachstand dargestellt werden. Auf Wunsch des Auftraggebers dieser Arbeit beschränkt sich der Text auf eine Rückschau der letzten fünf Jahre. 2. Arbeitsweise 2.1. Erneuerte Arbeitsweise 2013-2017 Seit 2013 hat die DIK ihre Arbeitsweise erneuert, um die Abläufe „effektiver, flexibler und schlanker“ zu gestalten.4 So wurde ein Lenkungsausschuss eingerichtet, der das bisherige Plenum der DIK ersetzte und dem deutlich weniger ständige Mitglieder angehörten als zuvor. Auf staatlicher Seite setzte sich der Lenkungsausschuss aus Vertretern des Bundes, der Länder und Kommunen zusammen. Auf muslimischer Seite waren islamische Dach- und 1 http://www.deutsche-islam-konferenz.de/DIK/DE/DIK/1UeberDIK/DIK06-09/Rueckschau/rueckschaunode .html (zuletzt abgerufen am 27.3.2018) 2 Vgl. Pressemitteilung des Innenministeriums vom 27.09.2006 http://www.webcitation.org/5yFNI1RfN (zuletzt abgerufen am 27.3.2018) 3 http://www.deutsche-islam-konferenz.de/DIK/DE/DIK/1UeberDIK/Arbeitsprogramm/arbeitsprogrammnode .html (zuletzt abgerufen am 27.3.2018) 4 Vgl. Deutsche Islam Konferenz: Gemeinsames Programm zur Fortführung der Deutschen Islam Konferenz in der 18. Legislaturperiode: Für einen Dialog auf Augenhöhe. http://www.deutsche-islam-konferenz.de/Shared- Docs/Anlagen/DIK/DE/Downloads/LenkungsausschussPlenum/arbeitsprogramm-dik-2014.pdf?__blob=publication File (zuletzt abgerufen am 27.3.2018) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 011/18 Seite 5 Spitzenverbände sowie betroffene Migrantenorganisationen auf Bundesebene Mitglied. Einzelpersonen gehörten seit 2013 nicht mehr zu den Mitgliedern. Stattdessen wurden zu den Sitzungen des Lenkungsausschusses im Einvernehmen zusätzlich nicht-ständige Teilnehmer eingeladen . Kritiker bemängelten, dass das liberale und säkulare Spektrum nicht mehr genügend vertreten sei.5 Der Lenkungsausschuss tagte insgesamt drei Mal in der letzten Legislaturperiode. Zur Vorbereitung seiner Arbeit wurde ein entsprechend besetzter Arbeitsausschuss eingerichtet. Zudem wurden in den letzten fünf Jahren neue Formate der öffentlichen Vorstellung der Arbeit der DIK und ihrer Ergebnisse erprobt. 2.2. Neukonzeption für die 19. Legislaturperiode Am 19. März 2018 sind 40 ausgewählte Personen auf Einladung des Innenministeriums in Berlin zu einem Werkstattgespräch zusammen gekommen, um über die zukünftige Arbeitsweise der DIK zu diskutieren. „Mit dabei waren sowohl deutsche Muslime als auch Expertinnen und Experten, die sich als wichtige Stimmen zum Thema Muslime in Deutschland - Deutsche Muslime hervorgetan haben. (…) Es war das erste Mal, dass das Bundesministerium des Innern zu Beginn einer Legislaturperiode ganz vielfältige Vorstellungen zur Gestaltung der Deutschen Islam Konferenz abgefragt und hierzu einen offenen Dialog initiiert hat.“6 Die Ergebnisse dieses „Werkstattgesprächs“ sollen in die zukünftige Konzeption der DIK einfließen . 3. Bisherige Akteure 3.1. Muslime Wie bereits in den vorhergegangenen Perioden waren die folgenden sechs muslimischen Dachverbände erneut Mitglied in der DIK:7 Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB) Verband islamischer Kulturzentren (VIKZ) Alevitische Gemeinde Deutschlands (AABF) Türkische Gemeinde in Deutschland (TGD) Islamische Gemeinde der Bosniaken in Deutschland - Zentralrat e.V. (IGBD) Zentralrat der Marokkaner in Deutschland e. V. (ZMaD, auch ZRMD) 5 Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 26.10.2016, S.9. 6 http://www.deutsche-islam-konferenz.de/DIK/DE/DIK/1UeberDIK/DIKUeberblick/5dik2018-werkstattgespraech /werkstattgespraech-perspektive-dik-node.html (zuletzt abgerufen am 27.3.2018) 7 http://www.deutsche-islam-konferenz.de/DIK/DE/DIK/1UeberDIK/DIKUeberblick/1dik2014ueberblick/dik- 2014-ueberblick-node.html (zuletzt abgerufen am 27.3.2018) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 011/18 Seite 6 Die folgenden zwei Dachverbände waren erneut Mitglied in DIK, nachdem sie in der vergangenen Legislaturperiode nicht teilgenommen hatten: Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland e.V. (IRD) Neu in der 18. Legislaturperiode hinzugekommen waren die folgenden zwei Gemeinde-Verbände : Ahmadiyya Muslim Jamaat (AMJ) Islamische Gemeinschaft der Schiitischen Gemeinden in Deutschland (IGS) 3.2. Experten Verbandsfreie muslimische Einzelpersonen waren im Gegensatz zu den vorherigen Legislaturperioden in den DIK-Gremien nicht mehr Mitglied. Stattdessen wurden im Einvernehmen je nach thematischen Schwerpunkt Experten und Praktiker eingeladen. Darunter waren beispielsweise: Prof. Dr. Rolf Rosenbrock, Vorsitzender des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Gesamtverband , Präsident der BAGFW Samy Charchira, Aktion Gemeinwesen und Beratung, Düsseldorf Erika Theißen, Begegnungs- und Fortbildungszentrum muslimischer Frauen 3.3. Staatliche Akteure Die Auswahl der staatlichen Akteure richtete sich unter anderem nach den thematischen Schwerpunkten des Arbeitsprogramms. Die Bundesregierung war vertreten durch: Bundesministerium des Innern Bundeskanzleramt Beauftragte für Integration Bundesministerium für Verteidigung Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Die Länderebene war vertreten durch: Innenministerkonferenz, vorsitzendes Land 2016 Saarland Integrationsministerkonferenz, vorsitzendes Land 2016 Thüringen Justizministerkonferenz, vorsitzendes Land 2016 Brandenburg Die kommunale Ebene war vertreten durch: Deutscher Städtetag Deutscher Landkreistag Deutscher Städte- und Gemeindebund Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 011/18 Seite 7 4. Ziele, Themen und Berichte Für die 18. Legislaturperiode hatte sich die DIK folgende Ziele gesetzt: „Wir möchten erreichen, dass der bereits bestehende Beitrag der Muslime und der islamischen Organisationen am religiösen, kulturellen und gesellschaftlichen Leben in Deutschland anerkannt wird. Zugleich verfolgen wir das Ziel, die Beziehungen zwischen Staat und islamischen Organisationen partnerschaftlich weiterzuentwickeln. Wir wollen uns dabei künftig auf Themen der religionsrechtlichen und gesellschaftlichen Teilhabe der Muslime und ihrer Organisationen konzentrieren.“8 Von 2013 bis Ende 2017 standen folgende Themen im Mittelpunkt: Wohlfahrtspflege und gesellschaftliche Teilhabe Religionsausübung und religionsrechtliche Teilhabe 4.1. Wohlfahrtspflege Zum Thema der Wohlfahrtspflege hat sich der Lenkungsausschuss der DIK zuletzt am 14. März 2017 anhand eines Umsetzungsberichts des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) befasst. Darin heißt es: „Mit ihrem Beschluss vom 10. November 2015 hat die Deutsche Islam Konferenz (DIK) die Wohlfahrtspflege als Thema der gesellschaftlichen Teilhabe zu einem der Arbeitsfelder der laufenden Legislaturperiode erklärt. Damit wird die Bedeutung der subsidiär und plural organisierten Freien Wohlfahrtspflege als breites Handlungsfeld sozialer Arbeit ebenso unterstrichen wie das Ziel aller in der DIK Mitwirkenden, gerade hier die selbstverständliche und wünschenswerte Beteiligung von Musliminnen und Muslimen sowie ihrer Organisationen sichtbar zu machen und weiterzuentwickeln. Die Freie Wohlfahrtspflege ist Ort der gleichberechtigten kultur- und religionssensiblen Öffnung bereits bestehender Angebote und Einrichtungen für Musliminnen und Muslime wie auch der Unterbreitung neuer Dienste durch Träger aus den Reihen der DIK-Verbände unter dem Dach der Regelangebote der Sozialgesetzgebung. Staat und Gesellschaft anerkennen und unterstützen auf diesem Wege die Verbreitung und die Professionalisierung auch von Muslimen organisierter, für alle Menschen in Deutschland offener Angebote.“9 8 Vgl. Das Arbeitsprogramm der DIK: Gemeinsames Programm zur Fortführung der Deutschen Islam Konferenz in der 18. Legislaturperiode: Für einen Dialog auf Augenhöhe. http://www.deutsche-islam-konferenz .de/DIK/DE/DIK/1UeberDIK/Arbeitsprogramm/arbeitsprogramm-node.html (zuletzt abgerufen am 27.3.2018) 9 Vgl. http://www.deutsche-islam-konferenz.de/SharedDocs/Anlagen/DIK/DE/Downloads/Lenkungsausschuss Plenum/20170314-la-3-umsetzungsbericht-wohlfahrt.pdf?__blob=publicationFile S.2 (zuletzt abgerufen am 27.3.2018) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 011/18 Seite 8 In dem Papier werden sowohl auf die Publikation der 2015 durch die DIK vorgelegten wissenschaftlichen Bestandsaufnahme als auch auf die Befragungen der Verbände der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) sowie in den Kommunen verwiesen.10 Ein zentrales Thema war in diesem Zusammenhang die in den rund 1.600 muslimischen Gemeinden geleistete ehrenamtliche Arbeit für Geflüchtete, die religiöse, kulturelle, sportliche und Bildungsaktivitäten umfasste. Andere Themen der Wohlfahrtspflege waren beispielsweise die kultursensible Altenhilfe, häusliche Pflege sowie die Kinder- und Jugendhilfe (z.B. Wohngruppen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge). Dabei ging es sowohl um Grundlagen wie eine islamische Sozialethik, zu der eine wissenschaftliche Tagung organisiert wurde, als auch um praktische Fragen der Zusammenarbeit von Verbänden und der Fortbildung von ehrenamtlichen Mitarbeitern. 4.2. Religionsausübung Nachdem sich die DIK in den ersten Jahren bereits intensiv mit Fragen der Bildungspolitik wie beispielsweise dem Religionsunterricht an öffentlichen Schulen befasst hat, sollte es in der zurückliegenden Legislaturperiode schwerpunktmäßig um islamische Seelsorge gehen. Dazu heißt es im Arbeitsprogramm: „Wir sehen die DIK als einen geeigneten Rahmen, um Fragen der Organisation der islamisch-religiösen Betreuung auf der Ebene des Bundes, der Länder und Kommunen (z.B. Militärseelsorge, Seelsorge in Justizvollzugsanstalten und Krankenhäusern) zu erörtern und den Erfahrungsaustausch zu fördern. Auf Bundesebene möchten wir gemeinsam mit dem Bundesministerium der Verteidigung sichtbare Fortschritte in der religiösen Betreuung muslimischer Soldatinnen und Soldaten in der Bundeswehr erzielen.“11 In einem ebenfalls am 14. März 2017 dem Lenkungsausschuss vorgelegten Bericht werden verschiedene Themenfelder angesprochen. Im Bereich der Krankenhausseelsorge heißt es unter anderem : „Bund, Länder, Kommunen und die in der Deutschen Islam Konferenz vertretenen islamischen Organisationen bzw. Religionsgemeinschaften erachten die Etablierung einer bedarfsgerechten islamischen Krankenhauseelsorge als dringlich.“12 Ebenfalls als dringlich bezeichnet die DIK die islamische Gefängnisseelsorge. Dabei sei zu beachten, dass „die Etablierung islamischer Gefängnisseelsorge (…) eine Frage der Gewährleistung der Religionsausübung und unabhängig von Fragen der Extremismusprävention und Deradikalisierung im Justizvollzug zu sehen“ sei. 10 Vollständige Liste aller Publikationen und Berichte: http://www.deutsche-islam-konferenz .de/DIK/DE/DIK/1UeberDIK/Dokumente/dokumente-node.html (zuletzt abgerufen am 27.3.2018) 11 http://www.deutsche-islam-konferenz.de/DIK/DE/DIK/1UeberDIK/Arbeitsprogramm/arbeitsprogrammnode .html (zuletzt abgerufen am 27.3.2018) 12 http://www.deutsche-islam-konferenz.de/SharedDocs/Anlagen/DIK/DE/Downloads/Lenkungsausschuss Plenum/20170314-la-3-abschlussdokument-seelsorge.pdf?__blob=publicationFile S. 4 (zuletzt abgerufen am 27.3.2018) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 011/18 Seite 9 „Seelsorge ist kein Instrument der Radikalisierungsprävention und ersetzt nicht diesbezügliche Programme und Projekte.“13 Schließlich heißt es zum Thema Militärseelsorge: „Neben einer Reihe anderer Gestaltungsfelder leistet die Militärseelsorge durch die Ermöglichung von Seelsorge und Religionsausübung, aber auch durch Vermittlung ethischer Werte einen wichtigen und unverzichtbaren Beitrag zum Gelingen von Innerer Führung. Daraus ergibt sich die zentrale Forderung nach einer dem Staat und seiner Grundordnung gegenüber loyalen Haltung der Militärgeistlichen.“14 5. Ergebnisse Bereits in der ersten Phase der DIK waren erstmals grundlegende wissenschaftliche Studien zur Situation der Muslime in Deutschland in Auftrag gegeben worden.15 Seit 2011 waren im Zuge der Diskussionen im DIK die Zentren für Islamische Theologie in Tübingen, Frankfurt (mit Gießen), Münster, Osnabrück und Erlangen-Nürnberg entstanden, an denen unter anderem erstmals in Deutschland Fachpersonal für den muslimischen Religionsunterricht an öffentlichen Schulen ausgebildet wird. Von 2013 bis 2017 sind zu den beiden Themenschwerpunkten Wohlfahrtspflege und Religionsausübung vier Studien veröffentlicht worden, dazu verschiedene Ergebnisse von Befragungen, Handreichungen und Ergebnispapiere. Zudem wurden zu einzelnen Themen verschiedene Tagungen und Arbeitstreffen organisiert.16 5.1. Auswahl Ergebnisse Wohlfahrtspflege Für den Bereich Wohlfahrtspflege können unter anderem folgende Ergebnisse festgehalten werden 17: In den muslimischen Trägern und rund 1.600 Gemeinden, die den Mitgliedsverbänden der DIK angeschlossen sind, wurden verschiedene ehrenamtliche Initiativen zur Flücht- 13 Ebd. S. 8. 14 Ebd. S. 12. 15 http://www.deutsche-islam-konferenz.de/SharedDocs/Anlagen/DIK/DE/Downloads/Sonstiges/wp71-zahl-muslime -deutschland.html?nn=3334656. Die Studie „Wie viele Muslime leben in Deutschland“ wurde 2016 mit neuen Zahlen aktualisiert. http://www.deutsche-islam-konferenz.de/SharedDocs/Anlagen/DIK/DE/Downloads /Sonstiges/wp71-zahl-muslime-deutschland.html?nn=3334656 (zuletzt abgerufen am 27.3.2018) 16 Überblick aller erschienenen Studien und Papiere: http://www.deutsche-islam-konferenz .de/DIK/DE/DIK/1UeberDIK/Dokumente/dokumente-node.html (zuletzt abgerufen am 27.3.2018) 17 Alle Ergebnisse unter: http://www.deutsche-islam-konferenz.de/SharedDocs/Anlagen/DIK/DE/Downloads/Lenkungsausschuss Plenum/20170314-la-3-umsetzungsbericht-wohlfahrt.pdf?__blob=publicationFile (zuletzt abgerufen am 27.3.2018) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 011/18 Seite 10 lingshilfe unterstützt. 481 Ehrenamtliche bekamen ein Zertifikat nach Schulungen im Umgang mit der rechtlichen und psychosozialen Situation Traumatisierter oder unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge. Eine Weiterführung ist im Gespräch.18 Es fanden verschiedene Tagungen und Fachgespräche statt, um Akteure auf fachlicher Ebene weiterzubilden und zu vernetzen, zum Beispiel wurden europäische Expertinnen und Experten aus der Freien Wohlfahrtspflege sowie den in der DIK vertretenen Verbänden eingeladen, sich über die Kooperationsformen und Dachverbandsstrukturen der muslimischen Wohlfahrtspflege in Großbritannien, Österreich, den Niederlanden und Deutschland auszutauschen. Eine selbstorganisierte Kooperation der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e. V mit den DIK-Verbänden hat begonnen. Bei verschiedenen Treffen und Austauschrunden wurden Erfahrungen geteilt und eine Vertiefung der Zusammenarbeit in den Bereichen Altenhilfe sowie Kinder- und Jugendhilfe besprochen. Es wurde vereinbart, in diesen Bereichen Fachgespräche auf Arbeitsebene folgen zu lassen. Sieben der DIK angehörende, bekenntnisnahe islamische Verbände haben im Herbst 2016 den Verein „Islamisches Kompetenzzentrum für Wohlfahrtswesen e. V.“ als ersten organisatorischen Zusammenschluss dieser Art gegründet. Zweck des Vereins ist die Förderung der islamischen Wohlfahrtspflege, insbesondere durch Beratung beim Aufbau islamischer Sozialzentren, Informationsvermittlung über Wege zu Regelförderungen, Vernetzung mit öffentlichen Trägern sowie Einbindung in bundes- und landesweite Wohlfahrtsstrukturen. Es wurde vereinbart, praxisorientierte Materialien vom Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e. V. erstellen zu lassen. Der Bundesfreiwilligendienst hat im Rahmen eines Modellprojekts für die Flüchtlingsarbeit 110 zusätzliche BFD-Stellen für muslimische Träger und Migrantenorganisationen eingerichtet.19 Die Frage nach der Einrichtung eines muslimischen Wohlfahrtverbands sei „weiter offen“, heißt es in dem Abschlussbericht. „So wie dies die etablierten Freien Wohlfahrtsverbände zu ihrer Zeit für sich entschieden haben, so werden dies die der DIK angehörenden Verbände sowie möglicherweise weitere Beteiligte der muslimischen Gemeinschaften selber ebenso eigenverantwortlich tun, wenn sie die Zeit dafür reif halten.“20 18 Ebd. S.2. 19 Ebd. 20 Ebd. S.9. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 011/18 Seite 11 5.2. Handlungsempfehlungen Religionsausübung Für den Bereich Religionsausübung wurden im Abschlussbericht verschiedene Handlungsempfehlungen für die Bereiche Krankenhaus-, Militär und Gefängnisseelsorge formuliert. Die folgende Auflistung stellt eine Auswahl dar21: 5.2.1. Krankenhausseelsorge22 Die zwischenverbandlichen Kooperation soll intensiviert und die Frage geklärt werden, welche Glaubensrichtungen bzw. Strömungen untereinander kooperieren und welche eigenständig vorgehen wollen. Es sollen theologisch fundierte Konzepte der islamischen Krankenhausseelsorge entwickelt werden. Es soll eine Kooperation mit universitären Zentren für islamische Theologie geben, die eingebunden werden sollten, um qualifiziertes Personal auszubilden und Möglichkeiten zur Fortbildung zu schaffen. 5.2.2. Militärseelsorge23 Es soll eine Arbeitsgruppe „Islamische Militärseelsorge“ eingerichtet werden, die beim BMVg oder dem Geschäftsbereich des BMVg angesiedelt sein sollte. „Diese Arbeitsgruppe sollte Vertreter des BMVg und Vertreter der religiösen Organisationen bzw. Religionsgemeinschaften der Deutschen Islam Konferenz sowie in beratender Funktion Experten aus der Wissenschaft (einschließlich der Zentren für islamische Theologie) und der Praxis (einschließlich der kirchlichen Militärseelsorge) umfassen. Aufgabe dieses Gremiums wird es sein, sowohl strukturelle, organisatorische als auch inhaltliche Aspekte einer künftigen islamischen Militärseelsorge im Dialog zu erörtern.“24 5.2.3. Gefängnisseelsorge25 Vor dem Hintergrund der deutlich gewordenen großen Unterschiede in der Praxis zwischen den Ländern soll „eine länderoffene Arbeitsgruppe der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister der Länder“26 eingesetzt werden. „Es wird zudem angeregt, dass 21 Vollständige Liste der Handlungsempfehlungen unter: http://www.deutsche-islam-konferenz.de/Shared- Docs/Anlagen/DIK/DE/Downloads/LenkungsausschussPlenum/20170314-la-3-abschlussdokument-seelsorge .pdf?__blob=publicationFile S. 4ff (zuletzt abgerufen am 27.3.2018) 22 Ebd. S.4. 23 Ebd. S.11. 24 Ebd. 25 Ebd. S.8. 26 Ebd. S. 9. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 011/18 Seite 12 diese Arbeitsgruppe prüft, wie die für das Religionsverfassungsrecht zuständigen Ressorts auf der Ebene des Bundes und der Länder sowie die in der Deutschen Islam Konferenz vertretenen islamischen Organisationen bzw. Religionsgemeinschaften, aber auch weiterer Akteure, wie z.B. auf Landesebene tätige Verbände und Akteure einbezogen werden.“ 6. Öffentliche Wahrnehmung Die Bewertung der Arbeit der Islamkonferenz von 2013 bis 2017 fiel in der Öffentlichkeit überwiegend skeptisch aus.27 Zum zehnjährigen Jubiläum im September 2016 hieß es, das Gremium sei „ohne klare Richtung und mit nur wenig greifbaren Ergebnissen“ geblieben: „Weder hat es dazu beitragen können, die unterschiedlichen islamischen Strömungen in Deutschland zusammenzuführen oder wenigstens etwas miteinander zu versöhnen. Noch ist es der Konferenz gelungen , die Akzeptanz für den Islam in der Gesellschaft zu erhöhen. Oder die des Islams für die säkular geprägte deutsche Kultur.“28 Insbesondere das Übergewicht der Verbände in der DIK wurde negativ bewertet: „Die Mehrheit der Muslime, die hier in Deutschland sozialisiert ist, fühlt sich nicht von den Verbänden vertreten , die ihre Strukturen in Saudi-Arabien oder in der Türkei haben und politische Interessen verfolgen “, so der Extremismusexperte Ahmad Mansour, der von 2009 bis 2013 der DIK als Mitglied angehörte.29 Kritiker vermuten, dass es den Verbänden in erster Linie darum gegangen sei, ihren Status zu verbessern: „Die muslimischen Verbände haben sich keinen Schritt nach vorne bewegt. Im Gegenteil . Man merkt jetzt, dass sie damals die schweißtreibenden Gespräche mit den wütenden Schwestern im Grunde nur ausgesessen haben, um einem einzigen Ziel näher zu kommen: endlich den Status einer Religionsgemeinschaft zu erhalten.“30 Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, Teilnehmer der DIK, zieht hingegen eine positive Bilanz: „Ich sehe die Konferenz positiv. Man ist vom Übereinanderreden zum Miteinanderreden übergegangen und hat dabei die richtigen Impulse gesetzt. Muslime haben die Gesellschaft mit gestaltet.“31 Die Publizistin Mariam Lau kommt zu dem Fazit: „Die Islamkonferenz war zwar eine Erfolgsgeschichte , was die staatliche Seite angeht. Es wird seither viel mehr Energie und Geld in die Ausbildung muslimischer Theologen und in den Islamunterricht an Schulen gesteckt als zuvor; die Zeit der Gleichgültigkeit gegen die Moscheen ist vorbei; (…) Aber es ist bezeichnend, dass der 27 Vgl. Presseüberblick mit 37 ausgewählten Artikeln im Anhang. Exemplarisch: „Scharfe Töne zur Feierstunde“, Süddeutsche Zeitung vom 28.9.2016 28 „Das Verständnis fehlt“, Saarbrücker Zeitung, 27.09.2016. 29 „Muslime müssen selbst den deutschen Islam formen“, Zeit Online, 27.9.2016 30 „Islamdebatte im Stuhlkreis“, Die Zeit, 14.07.2016. 31 „Keine Erfolgsgeschichte“, Bremer Nachrichten, 27.9.2016. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 011/18 Seite 13 heutige Innenminister Thomas de Maizière, ebenfalls CDU, das Gespräch über die brisanten Themen aufgegeben hat. Heute geht es in der DIK nur noch um Wohlfahrt, Altenpflege, muslimische Bestattungen.“32 *** 32 „Islamdebatte im Stuhlkreis“, Die Zeit, 14.07.2016.