© 2016 Deutscher Bundestag WD 1 - 3000 - 011/16 Einzelaspekte zur Ausstellung „Totalitarismus in Europa“ Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 011/16 Seite 2 Einzelaspekte zur Ausstellung „Totalitarismus in Europa“ Aktenzeichen: WD 1 - 3000 - 011/16 Abschluss der Arbeit: 11.04.2016 Fachbereich: WD 1: Geschichte, Zeitgeschichte und Politik Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 011/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis Einleitung 4 1. Anmerkungen zum Einleitungstext der Ausstellung 4 2. Diktatorische Gewaltherrschaft in der Erinnerungskultur europäischer Staaten 6 3. Zur Tafel „Germany“ 8 4. Zur Tafel „East Germany“ 10 Literaturverzeichnis 12 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 011/16 Seite 4 Einleitung Viele Länder Osteuropas haben im 20. Jahrhundert doppelte Diktatur erfahren. Vor und während des Zweiten Weltkriegs etablierten sich in vielen dieser Staaten faschistische Regime. Diese wurdem nach Ende des Zweiten Weltkriegs von kommunistischen Regimen abgelöst. Die Ausstellung „Totalitarism in Europe“ der „Platform of European Memory and Conscience“ trägt in 24 Übersichtstafeln Fakten zusammen, die die Folgen „totalitärer“ Herrschaft in 13 europäischen Ländern illustrieren (Ausstellungskatalog 2012). Eingeleitet wird jede Tafel durch einen kurzen zeitlichen Abriss, gefolgt von Angaben zu Opferzahlen und zur juristischen Aufarbeitung sowie von Porträts und Kurzbiographien der politischen Protagonisten. Den meisten Ländern sind zwei Tafeln gewidmet: Eine, die sich mit dem Faschismus und eine, die sich mit dem Kommunismus im jeweiligen Land auseinandersetzt. Dadurch ermöglicht die Ausstellung einen Vergleich zwischen 1. allen dargestellten „totalitären“ Regimen, 2. den dargestellten faschistischen Regimen, 3. den dargestellten kommunistischen Regimen und 4. den faschistischen und den kommunistischen Herrschaftsformen innerhalb eines bestimmten Landes. In der vorliegenden Arbeit geht es um drei einzelne Aspekte: zum ersten um die im Einleitungstext genannten Opferzahlen, zweitens um die Erinnerungskulturen an diktatorische Gewaltherrschaft in Ost- und Westeuropa, drittens um die beiden Ausstellungstafeln, deren Zahlen sich auf Deutschland beziehen („Germany“ und „East Germany“) (Ausstellungskatalog 2012). 1. Anmerkungen zum Einleitungstext der Ausstellung Im Einleitungstext der Ausstellung „Totalitarism in Europe” wird zunächst auf den Hintergrund der Ausstellung, die doppelte Totalitarismuserfahrung der Visegrád-Länder, verwiesen. Dann wird thematisiert, dass weiterhin ein Unterschied in der öffentlichen Wahrnehmung faschistischer und kommunistischer Diktaturen bestünde. Erstere seien verantwortlich für den Holocaust und den Zweiten Weltkrieg und nach Kriegsende durch Kriegsverbrechertribunale international geächtet worden. Im sich daran anschließenden fünften Absatz heißt es: „Im Gegensatz dazu ist noch nicht in das öffentliche Bewusstsein gedrungen, dass der kommunistische Totalitarismus im Laufe seiner Herrschaft – beginnend mit der bolschewistischen Revolution 1917 und bis heute in einigen Ländern anhaltend – für einen viel größeren Verlust an Menschenleben verantwortlich ist als der Zweite Weltkrieg. Die Hauptgründe für dieses mangelnde Bewusstsein sind, dass kommunistische Diktaturen ihre Verbrechen gegen ihre eigene Bevölkerung in Friedenszeiten richteten und dass sich an den Zusammenbruch Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 011/16 Seite 5 des kommunistischen Ostblocks in den Jahren 1989 – 1991 kein bedeutender Strafverfolgungsprozess anschloss, durch den die politischen Täter auf nationaler, geschweige denn auf internationaler Ebene geächtet wurden.“1 Im ersten Satz wird konstatiert, dass der Kommunismus seit 1917 mehr Todesopfer gefordert hat als der Zweite Weltkrieg. Sowohl für die tatsächliche Anzahl der Opfer des Zweiten Weltkriegs als auch für die des Kommunismus gilt, dass die Datenlage schwierig ist. Daher beruhen Opferzahlen auf Schätzungen, denen je nach Land wiederum unterschiedliche Methoden und Kategorisierungen zugrunde liegen. Die Zahl der Todesopfer des Zweiten Weltkriegs wird auf 50 bis 65 Millionen Menschen geschätzt . Die niedrigeren Schätzungen beziehen sich auf die unmittelbar durch Kriegshandlungen zu Tode gekommenen Soldaten und Zivilisten. Höhere Schätzungen berücksichtigen mitunter auch die Opfer von Menschenrechtsverbrechen, kriegsbedingten Krankheiten und Hungersnöten. Zahlreiche englischsprachige Standardwerke gehen von 50 Millionen Kriegstoten aus (Haywood 1997, S. 109; Keegan 1989, S. 493; Messenger 1989 S. 242; Roberts 1999, S. 432). Deutsche Übersichtswerke sprechen von „rund 55 Millionen“ (Ploetz 2008, S. 842), bzw. „über 60 Millionen“ Menschen (Putzger 2015, S. 208). Eine Studie des Militärgeschichtlichen Forschungsamts gibt die Gesamtzahl der Opfer des Zweiten Weltkriegs mit ca. 65 Millionen Todesopfern an (Müller 2008). Weniger erforscht hingegen ist die Zahl der Todesopfer kommunistischer Gewaltherrschaft. Schätzungen reichen hier von 65 bis rund 100 Millionen Menschen. Der französische Historiker Stéphane Courtois unternahm zum 80. Jahrestag der Oktoberrevolution als erster den Versuch, eine weltweite Gesamtbilanz von 80 Jahren Kommunismus zu ziehen. Im Vorwort zu der Aufsatzsammlung „Schwarzbuch des Kommunismus“ schätzte er die Gesamtzahl der durch Kommunisten getöteten Menschen auf rund 94 Millionen2 (Courtois 1998, S. 16). Die Veröffentlichung löste eine Debatte unter Historikern aus, die mitunter hinterfragte, ob das „Schwarzbuch“ nationalsozialistische Verbrechen verharmlose ((Koltz 1999; Klundt 2000; Pfahl-Traughber 1998). Zudem distanzierten sich Courtois‘ Co-Autoren von der von ihm genannten „Zahl von [beinahe] 100 Millionen Toten“ und schätzten die Anzahl der Opfer kommunistischer Herrschaft auf 65 – 93 Millionen (Margolin; Werth 2002). Opferzahlen des Zweiten Weltkrieges und Opferzahlen des Kommunismus gegenüberzustellen, ist problematisch. Zum einen lassen sich die Opfer nicht immer eindeutig einer Kategorie zuordnen . So beinhaltet die Zahl der Weltkriegsopfer auch solche, die durch sowjetische Kriegshandlungen zu Tode gekommen sind und somit theoretisch in beiden Kategorien aufgelistet werden 1 Eigene Übersetzung aus dem Englischen. Text im Original: „In contrast, it has not yet become part of public knowledge that Communist totalitarianism, during the course of its rule starting from the 1917 Bolshevik revolution in Russia and surviving in some countries until today, is responsible for much larger losses in human lives than World War II. The main reasons for this lack of awareness are that the Communist dictatorships committed the majority of their atrocities against their own subjects during peacetime and that the collapse of the Communist bloc in Central and Eastern Europe in 1989-1991 was not followed by any significant process of legal condemnation of the perpetrators responsible for the gravest crimes on the national, let alone the international level.“ 2 65 Millionen davon wurden der VR China; 20 Millionen der Sowjetunion, und jeweils 2 Millionen Nordkorea und Kambodscha zugerechnet. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 011/16 Seite 6 müssten. Zum anderen ist die Gegenüberstellung von Kriegs- und Regimeopfern problematisch. Präziser wäre es, die Opferzahlen von Faschismus und Kommunismus gegenüberzustellen, dabei allerdings den berücksichtigten Zeitrahmen kommunistischer Herrschaft ex ante abzustecken. Im zweiten Satz des oben zitierten Absatzes wird konstatiert, dass kommunistische Diktaturen ihre Verbrechen in Friedenszeiten begingen. Das ist richtig, allerdings sind auch in faschistischen Regimen politische Gegner schon vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs verfolgt und ermordet worden. Schließlich noch eine Bemerkung zu der Aussage, dass sich an den Zusammenbruch des Ostblocks kein bedeutender Strafverfolgungsprozess angeschlossen hätte, der die politischen Täter auf nationaler wie auch auf internationaler Ebene ächtete. Auch das ist - für sich genommen - korrekt. Allerdings ist auch hier der Vergleich mit der rechtlichen Verfolgung faschistischer Straftäter problematisch. Das unterschiedliche Niveau der juristischen Aufarbeitung ist weniger mit den unterschiedlichen Herrschaftsformen zu begründen als vielmehr durch die Art und Weise ihres Niedergangs. Erst der Sieg der Alliierten im Zweiten Weltkrieg hat die Einsetzung internationaler Strafgerichtshöfe ermöglicht. Hingegen hat es sich beim Zusammenbruch des kommunistischen Ostblocks in den Jahren 1989 – 1991 um „paktierte“ Transitionsprozesse gehandelt , die ein gewisses Maß an strafrechtlicher Zurückhaltung voraussetzten. Neben der strafrechtlichen Verurteilung hat es in den ehemaligen kommunistischen Staaten aber auch andere Formen gesellschaftlicher Ächtung gegeben. Beispielsweise sind in einigen ehemaligen Ostblockstaaten in den 1990er Jahren „bürokratische Säuberungen“ durchgeführt worden oder Berufsverbote für ehemalige Regimetäter ausgesprochen worden. 2. Diktatorische Gewaltherrschaft in der Erinnerungskultur europäischer Staaten In der sich anschließenden kurzen Darstellung von Erinnerungskulturen zu Diktaturen in Europa werden zwei Komponenten unterschieden: Zum einen die durch Gedenkstätten und andere besondere Institutionen im öffentlichen Raum vollzogene Vergegenwärtigung historischer Zusammenhänge . Zum anderen die subjektive Wahrnehmung vergangener Ereignisse in der Bevölkerung . In ganz Europa ist die Erinnerung an die diktatorischen Regime der Zwischenkriegs- und Kriegszeit stark mit der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg verknüpft. Von Dublin bis Wolgograd, von Helsinki bis Valetta existieren Gedenkstätten, die der Opfer eigener oder fremder Gewaltherrschaft vor 1945 gedenken. In Westeuropa bezieht sich die Erinnerungskultur stärker auf nationalsozialistische Verbrechen3, während in Osteuropa auch der durch die sowjetische Besatzungsmacht verübten Verbrechen gedacht wird (Woycicki 2007, S. 6). Während Gedenkstätten und Museen weiterhin an die fatalen Auswirkungen von Gewaltherrschaft vor 1945 erinnern, dezimiert sich die Anzahl der noch lebenden Zeitzeugen zusehends. Nur noch wenige können heute der nächsten Generation von ihren Erinnerungen an Mussolinis 3 In der frühen Bundesrepublik ist die alltägliche Erinnerungskultur von Flucht und Vertreibung dominiert worden . Die Bewältigung der NS-Vergangenheit hat erst ab den 1960er Jahren Aufwind gewonnen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 011/16 Seite 7 Faschismus, das Vichy-Regime in Frankreich, den Holocaust oder die nationalsozialistische Besatzung in Norwegen berichten. Im Norden und Westen Europas, wo die Diktaturerfahrung mehr als ein halbes Jahrhundert zurückliegt, ist die unmittelbare Diktaturerinnerung daher heute im Verblassen (Troebst 2010, S. 184). In den Ländern Ost- und Südeuropas ist sie hingegen immer noch Teil der alltäglichen Erinnerungskultur . Etwa die Hälfte aller Griechen, Portugiesen und Spanier kann sich an die bis in die Mitte der 1970er Jahre herrschenden Diktaturen lebhaft erinnern. Noch höher ist der Anteil derjenigen , die in den unterdrückten Gesellschaften der Sowjetunion, der Warschauer-Pakt-Staaten, Jugoslawiens oder Albaniens aufgewachsen sind (Troebst 2010, S. 184). Gedenkstätten und Museen, die in den betroffenen Ländern an die Opfer jüngerer Diktaturen erinnern , entstanden erst nach Zusammenbruch der herrschenden Regime. Im Ostblock bildete Chruschtschows Geheimrede von 1956 den Ausgangspunkt für das Gedenken an die Opfer des Stalinismus. Der Zusammenbruch des Ostblocks 1989 – 1991 war eine weitere große Zäsur, die in Osteuropa einen anderen Umgang mit der Vergangenheit gebot. Außerhalb des Ostblocks existierten allerdings bereits vor 1989 Mahnmale, die der Opfer kommunistischer Gewaltherrschaft gedachten. In Westeuropa errichteten in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre vor allem Emigranten aus Ungarn und Polen erste Denkmäler (Kaminsky 2010, S. 249). Seit den 1970er Jahren entstanden in Westdeutschland zunehmend Gedenkzeichen, die an die deutsche Teilung, die Opfer des Grenzregimes oder den Volksaufstand von 17. Juni 1953 erinnerten (Kaminsky 2016, S. 7). Heute gibt es schätzungsweise 7.000 Gedenkorte, die an kommunistische Diktaturen in Europa erinnern (Kaminsky 2010, S. 249). Abschließend sei erwähnt, dass in Nord- und Westeuropa, aber auch in vielen Ländern Osteuropas , heute der Anspruch einer demokratischen Erinnerungskultur besteht. Vor 1989 war die osteuropäische Erinnerungskultur an diktatorische Regime der Zwischenkriegs- und Kriegszeit oder an den Zweiten Weltkrieg stark von staatlich geprüfter Geschichtspolitik geprägt. Das hat bis heute eine unterschiedliche Wahrnehmung der Vergangenheit - beispielsweise auch innerhalb der Bundesrepublik - zur Folge (Wolfrum 2008, Faulenbach 2016, S. 10). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 011/16 Seite 8 3. Zur Tafel „Germany“ Opfer des NS-Regimes und des Zweiten Weltkriegs in Deutschland (Auf der linken Seite werden jeweils die Angaben auf der Tafel aufgeführt, auf der rechten Seite sind in der Literatur zu findende Belege genannt.) Angaben auf der Tafel: Belege: Tote infolge militärischer Handlungen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit: Davon: Gesamt: 1.170.000 – 1.170.000 zivile Kriegsopfer in Deutschland (Müller 2008) – 1.500.000 (Overy 2013, S. 304 ff.) im Holocaust 165.000 – 134.500 (Gutman 1998) – mindestens 160.000 (Benz 2002, S. 52) – 165.000 (Benz 1995, S. 116) im Euthanasie-Programm 200.000 – fast 200.000 (Gedenk- und Informationsort für die Opfer der nationalsozialistischen „Euthanasie “-Morde, Berlin) – 200,000 - 250,000 ( Heberer 2002, S. 62) – 106.000 - 500.000 (Lifton 1986, S. 142) durch strategische Bombardierungen 380.000 - 400.000 – 310.000 - 535.000 (Overmans 1989, S. 859) – mehr als 500.000 Menschen (Scriba 2015c) – etwa 600.000 Zivilisten (Wehler 2003, S. 943) – 600.000 (Gleitze 1953, S. 384) Tod während Militäroperationen auf deutschem Boden und während der Flucht und Vertreibung aus Osteuropa 1944-45 (Volksdeutsche ) 2.000.000 – 500.000 Vertreibungsopfer (Overmans 2006) – 500.000-600.000 Vertreibungsopfer (Haar 2008, S. 115) – bis zu 600.000 Vertreibungsopfer 1944- 1947 (Scriba 2015a) – 800.000 (Gleitze 1953, S. 384) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 011/16 Seite 9 – 1,71 Millionen (Wehler 2003, S. 944) – nahezu 2 Millionen Vertreibungsopfer (Bund der Vertriebenen 2009) Aus Deutschland emigriert 1933- 1941 ca. 500.000 – etwa 500.000 (Krohn 2008, S. 1ff.) – ca. 380.000 aus Deutschland (Scriba 2015b) Aus Osteuropa zw. 1944- 1950 nach Deutschland emigrierte „Volksdeutsche“ ca. 12.450.000 – wenigstens 12 Millionen (Prauser; Rees 2004, S. 4) – 12 Millionen (Schuck; Münz 1997, S. 156; Weber 2004, S. 2) – mehr als 12 Millionen (Faulenbach 2002) – 14 Millionen (Görtemaker 1999, S. 169) – 14.16 Millionen (Wehler 2003, S. 944) Verfolgung von NS-Verbrechern durch deutsche Gerichte Angaben auf der Tafel: Belege: Angeklagt und vor Gericht gebracht : 16.740 – (Eichmüller 2008, S. 630) Verurteilt: Davon: 6.656 – (Eichmüller 2008, S. 636) Zu begrenzten Haftstrafen 6.297 – (Eichmüller 2008, S. 636) Zu lebenslangen Haftstrafen 166 – (Eichmüller 2008, S. 636) Zum Tod 16 – (Eichmüller 2008, S. 636) Davon exekutiert 4 – (Eichmüller 2008, S. 636, FN 51) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 011/16 Seite 10 4. Zur Tafel „East Germany“ Sowjetische Besatzungszone (1945–49) Angaben auf der Tafel: Belege: Gefängnisse und Arbeitslager: in sowjetische Gulags Deportierte: ca. 11.500 – 12.770 (Denkschrift 1990) in Internierungslagern Inhaftierte: 176.000 – 120.2904 (Denkschrift 1990) – 122.671 (Denkschrift 1990) – bis zu 176.000 (Morré 2016, S. 612) – 180.000 – 190.000 (Engelmann; Vollhanns 2000, S. 60) davon gestorben oder getötet 43.045 – 42.889 (Denkschrift 1990) – 43.035 laut russischer Listen, die dem Haus am Checkpoint Charlie seit 2007 vorliegen Verurteilt in politischen Prozessen : ca. 25.000 – 25.292 dokumentierte, 35.000 vermutete von sowjetischen Instanzen abgeurteilte deutsche Zivilisten zwischen 1945 – 1955, ohne Berücksichtigung der ehemaligen deutschen Ostgebiete (Hilger 1999, S. 18) – 40.000 (Wentker 2001, S. 20) Politische Morde:5 ca. 1.000 – 142 von deutschen Gerichten in der SBZ verkündete , davon 45 – 48 vollstreckte Todesurteile (Engelmann; Vollnhans 2000, S. 184) – mindestens 1.201 (ggf. +108) vollstreckte Todesurteile an deutschen Zivilisten unter sowjetischer Besatzungsherrschaft in der SZ (Hilger 2003, S. 23) – Mehr als 3.300 Todesurteile durch sowjetische Militärtribunale verkündet, davon 2.500 vollstreckt (Kabus 2016, S. 37) 4 Exklusive der Speziallager Frankfurt (Oder), Graudenz, Posen, Tost, Oppeln, Schneidemühl und Landsberg (Warthe) 5 Diese Kategorie ist an dieser Stelle nicht sinnvoll. Gemeint sind wahrscheinlich vollstreckte Todesurteile an politischen Gefangenen. Für die Zeit nach 1949 wird in „Politische Morde“ und „Politische Hinrichtungen“ unterschieden. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 011/16 Seite 11 DDR (1949-1989) Angaben auf der Tafel: Belege: Deportiert und innerhalb des Landes umgesiedelt: ca. 12.000 – 5.273 – 50.000 (Borbe 2010, S. 41): zwei der dort aufgeführten Autoren gehen von ca. 12.000 Zwangsumsiedlungen aus An West-Deutschland verkaufte Gefangene: ca. 34.000 – 33,755 zwischen 1963 und 1989 (Borbe 2010, S. 21) Entführungen: ca. 500 – 600 – 500 – 700 inklusive Entführungsversuche (Borbe 2010, S. 44) Politische Verurteilungen: 180.000-280.000 – (Borbe 2010, S. 17) Politische Hinrichtungen: 52 – (Borbe 2010, S. 23) Politische Morde: ca. 50 – (Borbe 2010, S. 25) Im Gefängnis verstorben: ca. 2.500 – (Borbe 2010, S. 21) Tote bei Volksaufstand 1953: 50 – 125 – (Borbe 2010, S. 25) An der Grenze getötet: 421 – 1.000 – (Borbe 2010, S. 34), die hier zusammengetragenen Zahlen variieren stark Geflohen bzw. emigriert: 3,3-4,9 Mio. – (Borbe 2010, S. 36-38) SED- Mitglieder: anfangs: am Ende: 1.600.000 2.300.000 – 1.297.600 Mitglieder im April 1946 (Müller 1990, S. 510) – 2.260.979 Mitglieder im Mai 1989 (Schubert; Klein 2011, S. 277) Geheimpolizei: 91.015 + 189.000 – 91.015 hauptamtliche MfS-Mitarbeiter im Oktober 1989 (Giesecke 1996, S. 44) – über 200.000 inoffizielle Mitarbeiter 1975- 1977 (Müller-Enbergs 2008, S. 35-38) – 173.081 inoffizielle Mitarbeiter im Dezember 1988 (Müller-Enbergs 1993, S. 55) – 189.000 inoffizielle Mitarbeiter 1989 (BStU 2016) – die Validität dieser hohen Zahl wird von (Kowalczuk 2013, S. 216) in Frage gestellt Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 011/16 Seite 12 Gerichtliche Verfolgung Angaben auf der Tafel: Belege: Angeschuldigte: 1.737 – (Marxen; Werle; Schäfter 2007, S. 41) Zu Bewährungsstrafen verurteilt: 534 – (Marxen; Werle; Schäfter 2007, S. 43) Zu Haftstrafen verurteilt: 46 – (Marxen; Werle; Schäfter 2007, S. 43) Literaturverzeichnis Ausstellungskatalog „Totalitarism in Europe“ (2012), Online: http://www.memoryandconscience .eu/wp-content/uploads/2014/01/Totalitarianism_in_Europe_update_20141.pdf (Stand: 31.03.2016) Benz, Wolfgang (1995): Der Holocaust, München: C. 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