© 2021 Deutscher Bundestag WD 1 - 3000 - 010/21 Zum Begriff „Verschwörungstheorie“ Ausgewählte Aspekte Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 010/21 Seite 2 Zum Begriff „Verschwörungstheorie“ Aktenzeichen: WD 1 - 3000 - 010/21 Abschluss der Arbeit: 29. April 2021 Fachbereich: WD 1: Geschichte, Zeitgeschichte und Politik Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 010/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Begriffsdefinitionen 4 3. Charakteristische Merkmale 5 4. Abgrenzung zu realen Verschwörungen 6 5. Argumentationsstrukturen 7 6. Strategien zur Entkräftung 8 7. Literatur 11 8. Anhang 12 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 010/21 Seite 4 1. Einleitung Dieser Sachstand gibt einen Überblick über ausgewählte Aspekte zum Begriff „Verschwörungstheorie “: Definitionen, charakteristische Merkmale, Argumentationsstrukturen und potenzielle Strategien zur Entkräftung. 2. Begriffsdefinitionen In der Literatur wird die Frage diskutiert, ob und wie Verschwörungstheorien definiert werden können und welche Kriterien sich finden lassen, nach denen bestimmte Erzählungen oder Einstellungen als Verschwörungstheorien charakterisiert werden können. Dabei betont Michael Butter , dass der Versuch einer Definition sowie das Herausarbeiten charakteristischer Merkmale auch deshalb von Bedeutung seien, weil der Begriff im öffentlichen Diskurs auch genutzt werden könne, um andere Ansichten zu delegitimieren, auch wenn diese nicht die Kriterien für eine Verschwörungstheorie erfüllten.1 Laut einer Definition von Douglas, Sutton und Cichocka handelt es sich bei einer Verschwörungstheorie um die Überzeugung, „dass es einen geheimen Plan vonseiten einer bösartigen Gruppe gibt oder gab, wichtige Ereignisse mit teilweise geheimen Mitteln zu beeinflussen“2. Eine weitere, etwas ausführlichere Beschreibung von Jessica Wille lautet: „Eine Verschwörungstheorie ist der frei gewählte, komplexitätsreduzierte Glaube daran, dass eine geheim operierende Gruppe von mindestens zwei Menschen existiert, die einen böswilligen Plan verfolgt, und damit für ein wichtiges historisches Ereignis oder Geschehen verantwortlich ist, wobei das Ergebnis offiziell anders erklärt bzw. verschleiert wird.“3 Allerdings ist bereits die Verwendung des Begriffs Verschwörungstheorie umstritten. Während dieser in der englischsprachigen Literatur, z. B. von Karen Douglas4 und auch von deutschen Autoren , wie Michael Butter5, verwendet wird, lehnen andere, z. B. Pia Lamberty6, die Nutzung des 1 Vgl. Butter, Michael: „Nichts ist wie es scheint.“ Über Verschwörungstheorien, Berlin 2018, S. 44-52 2 Douglas, Karen M./Robie M. Sutton/Aleksandra Chichocka: The Psychology of Conspiracy Theories, in: Current Directions in Psychological Science 26 (6), 2017; zitiert nach: Rees, Jonas H./Pia Lamberty: Mitreißende Wahrheiten : Verschwörungsmythen als Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, in: Friedrich Ebert Stiftung (Hg.): Verlorene Mitte – Feindselige Zustände. Rechtsextremistische Einstellungen in Deutschland 2018/2019, Bonn 2019, S. 205 3 Wille, Jessica: Von Reichsbürgern und Chemtrails: Verschwörungstheorien 2.0, in: GreifRecht: Greifswalder Halbjahresschrift für Rechtswissenschaft 14 (2019), S. 22 4 Vgl. Douglas, Karen M. et al: Understanding Conspiracy Theories, in: Advances in Political Psychology, Vol. 40, 2019. Online verfügbar unter: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/pops.12568 5 Vgl. Butter, Michael: „Nichts ist wie es scheint.“, a.a.O. 6 Vgl. Lamberty, Pia: Verschwörungsmythen als Radikalisierungsbeschleuniger: eine psychologische Betrachtung in: Friedrich-Ebert-Stiftung. (Hg.): FES Projekt gegen Rechtsextremismus, April 2020. Online verfügbar unter: http://library.fes.de/pdf-files/dialog/16197-20200529.pdf Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 010/21 Seite 5 Begriffs als irreführend ab. Durch das Wort Theorie erfolge eine Aufwertung, wobei sich „derartige gedankliche Konstrukte, in ihrem Wesen fundamental von wissenschaftlichen Theorien unterscheiden .“7 Alternativ werden u. a. die Bezeichnungen Verschwörungsmythen, Verschwörungserzählungen und Verschwörungsideologien vorgeschlagen. Laut einer Definition von Lamberty beschreibt der Verschwörungsmythos das abstrakte Narrativ, welches verschiedene Verschwörungserzählungen miteinander vereint. Bei Verschwörungserzählungen handelt es sich hingegen um Erzählungen über konkrete Ereignisse, die in der Welt geschehen sind. Die Verschwörungsideologie bzw. die Verschwörungsmentalität bezeichnet die Einstellung bzw. die Persönlichkeitseigenschaften von Anhängern solcher Verschwörungsmythen und -erzählungen.8 3. Charakteristische Merkmale In jüngerer Zeit gab es zwei Publikationen, in denen sich mehrere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gemeinsam intensiver mit Verschwörungstheorien auseinandergesetzt haben: Zum einen das europäische Netzwerkprojekt COMPACT9 (Comparative Analysis of Conspiracy Theories in Europe), das einen Leitfaden und Empfehlungen im Umgang mit Verschwörungstheorien publiziert hat;10 zum anderen ein Expertengremium11 im Auftrag des Bayerischen Landtags, das eine Handreichung für Abgeordnete12 formuliert hat. Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf diese beiden Publikationen sowie auf die Arbeiten von Michael Butter, der an den beiden oben genannten Publikationen beteiligt war.13 In diesen Publikationen werden übereinstimmend insbesondere drei charakteristische Merkmale von Verschwörungstheorien hervorgehoben: 7 Götz-Votteler, Katrin/Simone Hespers: Alternative Wirklichkeiten? Wie Fake News und Verschwörungstheorien funktionieren und warum sie Aktualität haben, Bielefeld 2019, S. 37 8 Lamberty, Pia: Zwischen Theorien und Mythen: eine kurze begriffliche Einordnung, in: Informationen zur politischen Bildung, Heft 344/2020, Sonderbeilage Verschwörungserzählungen. Online verfügbar unter: https://www.bpb.de/izpb/318157/verschwoerungserzaehlungen 9 An dem Projekt waren 150 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beteiligt. Das Projekt wurde aus dem EU- Programm COST (European Cooperation in Science and Technology) finanziert. Das Netzwerk wurde geleitet von Prof. Peter Knight und Prof. Dr. Michael Butter. 10 COMPACT (Comparative Analysis of Conspiracy Theories) Education Group: Verschwörungstheorien: Leitfaden und Empfehlungen, 2020. Online verfügbar unter: https://conspiracytheories.eu/_wpx/wp-content/uploads /2021/01/COMPACT_Guide_German-1.pdf; 11 Das Expertengremium bestand aus: Prof. Dr. Markus Appel, Prof. Dr. Michael Butter, Prof. Dr. Edgar Grande, Jun. Prof. Dr. Sebastian Kroos, M. Sc. Pia Lamberty, Sybille Leow, Prof. Dr. Florian Meinel, Dagmar Rosenfeld, Dr. Astrid Séville, Ulrich Wilhelm. 12 Bayerischer Landtag (Landtagsamt-Stabstelle K2 Öffentlichkeitsarbeit) (Hg.): Forum Antworten. Verschwörungstheorien . Eine Publikation zur Aufklärung und Aufarbeitung, München 2021. Online verfügbar unter: https://www.bayern.landtag.de/fileadmin/publikationen/Forum_Antworten_Verschwoerungstheorien _210406_barrierefrei.pdf 13 Butter, Michael: „Nichts ist wie es scheint.“, a.a.O. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 010/21 Seite 6 Nichts geschieht durch Zufall Nichts ist, wie es scheint Alles ist miteinander verbunden Hinzu komme - so die Publikationen übereinstimmend - der Dualismus zwischen Gut und Böse, wonach sich die Welt in Opfer und Täter einer Verschwörung unterteilen ließe. Hinter Verschwörungstheorien stehe die Idee, dass Geschichte plan- und kontrollierbar sei, und dass Menschen den Verlauf der Geschichte entsprechend ihrer Intentionen lenken könnten. Ereignisse seien immer das Resultat von absichtsvollem Handeln. Zufall, unbeabsichtigte Konsequenzen und strukturelle Effekte würden ausgeschlossen. Zudem werde davon ausgegangen, dass hinter die Fassaden geschaut werden müsse, um die Handlungen der Verschwörer aufzudecken. Bei ausreichend tiefer Analyse ließen sich versteckte Verbindungen zwischen Personen und Institutionen finden. Entsprechend verständen sich Verschwörungstheorien häufig als Gegenerzählung zur herrschenden Meinung.14 4. Abgrenzung zu realen Verschwörungen Reale Verschwörungen, Intrigen, Komplotte gab und gibt es in der Menschheitsgeschichte immer (ein Beispiel dafür ist der sogenannte Watergate-Skandal).15 Da diese realen Verschwörungen als Argument für die Plausibilität von Verschwörungstheorien genutzt werden, ist es umso wichtiger , Unterschiede zu Verschwörungstheorien herauszuarbeiten und sie von realen Verschwörungen abzugrenzen. Lamberty verweist z. B. darauf, dass Verschwörungstheorien spekulative Geschichten ohne faktische Beweise seien. Tatsächliche Verschwörungen würden nicht durch Verschwörungstheoretiker aufgedeckt, sondern durch faktische Recherche, wissenschaftliches Arbeiten oder Whistleblowing.16 Butter und der Leitfaden des Netzwerkprojekts COMPACT benennen zudem folgende zentrale Unterscheidungsmerkmale: Zeitlicher Umfang: Tatsächlich gelungene Verschwörungen seien kurzfristige Vorhaben mit einem klaren Ziel, z. B. einem Attentat oder Staatsstreich. Verschwörungstheorien gingen in der Regel von einer Super- bzw. Systemverschwörung aus, bei der Verschwörer über Jahrzehnte Ereignisse beeinflussten und dabei vage Ziele, wie z. B. die Weltherrschaft , verfolgten. Größe der Verschwörung: Bei einer echten Verschwörung sei nur ein kleiner Kreis von Personen beteiligt. Demgegenüber müsste bei vielen Verschwörungstheorien eine sehr große Anzahl von Menschen an der Verschwörung beteiligt sein. 14 Vgl. COMPACT Education Group: Verschwörungstheorien: Leitfaden und Empfehlungen, a.a.O, S.4; Bayerischer Landtag (Hg.): Forum Antworten. Verschwörungstheorien, a.a.O., S.16-17; Butter, Michael: „Nichts ist wie es scheint.“, a.a.O, S. 21-29 15 Vgl. COMPACT Education Group: Verschwörungstheorien: Leitfaden und Empfehlungen, a.a.O,, S. 6; Butter, Michael: „Nichts ist wie es scheint.“, a.a.O, S. 37 16 Lamberty, Pia: Zwischen Theorien und Mythen, a.a.O. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 010/21 Seite 7 Erfolg der Verschwörung: Verschwörungen könnten kurzfristig erfolgreich sein, mittelfristig zeigten sich aber unbeabsichtigte und unvorhergesehene Folgen. Verschwörungstheorien nähmen jedoch an, dass der Plan der Verschwörer immer aufgehe und die Verschwörer die Fähigkeit besäßen, die Weltgeschichte über Jahre in ihrem Sinne zu lenken.17 5. Argumentationsstrukturen In den drei bereits erwähnten Publikationen wird darauf hingewiesen, dass die Frage „Cui bono?“ (Wem zu Vorteil?) häufig den Ausgangspunkt einer Verschwörungstheorie darstelle. Aufgrund der Vermutung, dass eine bestimmte Gruppe von einem Ereignis profitiere, werde unmittelbar darauf geschlossen, dass diese Gruppe das Ereignis heimlich geplant haben müsse. Dies hänge auch mit der o. g. Annahme zusammen, dass nichts durch Zufall passiere. Es werde z. B. ausgeschlossen, dass eine Gruppe versuche, von einem Ereignis zu profitieren, ohne dieses vorher geplant zu haben.18 Auf dieser Grundlage würde dann eine Indizienkette zusammengesetzt.19 Dabei würden in der Regel nur Beweise gesucht, die die Vermutung stützen.20 Butter führt dazu aus: „Wenn sie mit ihrer Untersuchung beginnen, wissen Verschwörungstheoretiker immer bereits, wer die Schuldigen sind. Entsprechend ist die gesamte Beweisführung darauf ausgerichtet, ihren Verdacht zu bestätigen “.21 Bei der Darstellung der Indizienketten werde häufig eine wissenschaftliche Darstellungsweise gewählt, z. B. durch die Anführung vieler Verweise und Fußnoten.22 „Zudem werden auch wissenschaftliche Belege selektiv eingesetzt, auch wenn sie nicht dem Forschungsstand entsprechen .“ 23 Des Weiteren würden Prominente und Autoritäten zitiert, um den Anschein von Seriosität zu erzeugen .24 Bei der Einbeziehung von Expertinnen und Experten werde oft auf akademische Titel verwiesen, jedoch ohne zu spezifizieren, in welchem Fachgebiet diese Titel erlangt worden seien. 17 Vgl. Butter, Michael: „Nichts ist wie es scheint.“, a.a.O, S. 36-52; COMPACT Education Group: Verschwörungstheorien : Leitfaden und Empfehlungen, a.a.O, S. 6-7 18 Vgl. Butter, Michael: „Nichts ist wie es scheint.“, a.a.O., S. 59-64; COMPACT Education Group: Verschwörungstheorien : Leitfaden und Empfehlungen, a.a.O., S. 5-6; Bayerischer Landtag (Hg.): Forum Antworten. Verschwörungstheorien , a.a.O., S. 19 19 Ebenda, S. 19 20 COMPACT Education Group: Verschwörungstheorien: Leitfaden und Empfehlungen, a.a.O., S. 5 21 Butter, Michael: „Nichts ist wie es scheint.“, a.a.O., S.60 22 Ebenda, S. 61 23 Bayerischer Landtag (Hg.): Forum Antworten. Verschwörungstheorien, a.a.O., S.19-20 24 Ebenda, S. 19-20 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 010/21 Seite 8 Eine andere Methode bestehe darin, Expertenwissen explizit als unwahr abzulehnen. Anstelle dessen werde mit der eigenen Erfahrung und dem „gesunden Menschenverstand“ argumentiert.25 Als „Beweis“ werde häufig ein angeblicher Überläufer präsentiert (sogenanntes Renegade-Phänomen ).26 Dieser „verkündet geheimes Wissen, das die Argumentation des Verschwörungsnarrativs bestätigt und durch die eigene Biografie des scheinbaren Überläufers besondere Legitimität ausstrahlt .“27 Zum Teil würden auch „geheime Dokumente aus dem Kreis der Verschwörer“ vorgelegt . Diese Dokumente hätten sich aber in der Vergangenheit häufig als gefälscht herausgestellt oder einzelne Passagen würden aus Dokumenten herausgenommen und in einem anderen Zusammenhang uminterpretiert.28 Eine weitere Methode der „Beweisfindung“ bestehe darin, einzelne Details, etwa zufällige Handbewegungen und Gesten von Personen, als Zeichen für die vermutete Verschwörung zu werten. Butter nennt als Beispiel hierfür u. a. die Raute-Haltung der Hände von Angela Merkel.29 Zusätzlich zu der Vorlage angeblicher Beweise bestehe eine weitere Strategie darin, vermeintliche Widersprüche in der allgemein anerkannten Version aufzudecken und dadurch Zweifel an dieser zu säen.30 Unterschiedliche Expertenmeinungen oder Ereignisse, für die sich über den bloßen Zufall hinaus keine schlüssige Erklärung finden lässt, würden beispielsweise als Indizien dafür gewertet, dass die allgemein anerkannte Version nicht stimmen könne.31 Der Leitfaden des Netzwerkprojekts COMPACT führt dazu aus: „Die Rhetorik des sogenannten „Nur-Fragen-Stellens “ ermöglicht es Verschwörungstheoretikern abzustreiten, dass sie tatsächlich Verschwörungstheorien verbreiten. Ihre Fragen sind jedoch meist so konzipiert, dass sie unweigerlich zu der Schlussfolgerung führen, es müsse eine Verschwörung geben.“32 6. Strategien zur Entkräftung Zu den Möglichkeiten, Verschwörungstheorien argumentativ zu begegnen weisen u. a. der Leitfaden des Netzwerkprojekts COMPACT33, die Handreichung des Bayerischen Landtags34 sowie die 25 Butter, Michael: „Nichts ist wie es scheint.“, a.a.O., S. 64-65 26 Ebenda, S. 20 27 Bayerischer Landtag (Hg.): Forum Antworten. Verschwörungstheorien, a.a.O. S. 20 28 Ebenda, S. 67-68 29 Butter, Michael: „Nichts ist wie es scheint.“, a.a.O., S. 72 30 COMPACT Education Group: Verschwörungstheorien: Leitfaden und Empfehlungen, a.a.O., S. 5-6 31 Butter, Michael: „Nichts ist wie es scheint.“, a.a.O., S. 77-83 32 COMPACT Education Group: Verschwörungstheorien: Leitfaden und Empfehlungen, a.a.O. S. 6 33 COMPACT Education Group: Verschwörungstheorien: Leitfaden und Empfehlungen, a.a.O., S. 12-17 34 Bayerischer Landtag (Hg.): Forum Antworten. Verschwörungstheorien, a.a.O. S. 34- 39 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 010/21 Seite 9 Autorinnen Nocun und Lamberty35 darauf hin, dass sich keine allgemeingültigen Empfehlungen formulieren ließen. Eine Gegenargumentation sei auch deshalb schwierig, da hier die Frage aufkomme „Wie möchte man etwas widerlegen, dass es gar nicht gibt?“.36 Da der Glaube an Verschwörungstheorien nicht unbedingt mit Unwissen verbunden sei, könne dieser häufig nicht einfach mit der Bereitstellung von Informationen richtig gestellt werden. Zudem seien Verschwörungstheorien in der Regel „selbstabdichtend“. „Menschen, die fest an Verschwörungstheorien glauben, deuten oftmals jeden unternommenen Versuch, einen Gegenbeweis zu liefern, als Beweis für die Verschwörung“.37 In diesem Zusammenhang wird zudem auf psychologische Motive hingewiesen, die den Glauben an Verschwörungstheorien attraktiv machen. Insbesondere drei Hauptmotive werden häufig genannt : Epistemische Motive: Die Bereitstellung einer vermeintlich konsistenten Erklärung auch bei Unsicherheit und Widersprüchen. Existenzielle Motive: Die Stärkung des Gefühls der Kontrolle durch die Ablehnung der offiziellen Version und der Möglichkeit, an eine andere Erklärung zu glauben, sowie die Stärkung des Gefühls der Sicherheit, u. a. durch die Identifizierung der „Übeltäter“. Soziale Motive: Die Erfüllung des Bedürfnisses zu einer sozialen Gruppe gehören zu wollen und sich mit dieser zu identifizieren sowie eine positive Sicht auf die eigene soziale Gruppe in Abgrenzung zu einer anderen Gruppe zu erlangen.38 Diese psychologischen Motive sollten beim Umgang mit Verschwörungstheorien berücksichtigt werden. Beispielsweise wird darauf hingewiesen, dass ggf. „mit jeder Richtigstellung falscher Behauptungen nicht nur ein Widerspruch auf inhaltlicher Ebene erfolgt, sondern für die Betroffenen damit zuvorderst ein Infragestellen selbstaufwertender und in sich vermeintlich als stabilisiert wahrgenommener Identitäten verbunden ist“ 39. 35 Nocun, Katharina/Pia Lamberty: Fake Facts. Wie Verschwörungstheorien unser Denken bestimmen, Köln 2020, S. 223 36 Lamberty, Pia/Roland Imhoff. Verschwörungserzählungen im Kontext der Coronapandemie, in: Psychotherapeut 2021. 37 COMPACT Education Group: Verschwörungstheorien: Leitfaden und Empfehlungen, a.a.O., S.12 38 Vgl. Lamberty, Pia/Roland Imhoff. Verschwörungserzählungen im Kontext der Coronapandemie, a.a.O.; Douglas , Karen M./Robbie M. Sutton/Aleksandra Cichochka: The Psychology of Conspiracy Theories, in: Current Directions in Psychological Science 2017, Vol. 26(6), S. 538–542 39 Hermann, Melanie/Florian Eisheuer/Jan Rathje: Politische Bildungsarbeit für eine Gesellschaft der Mündigen, in: Psychosozial 43 (2020), S. 55 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 010/21 Seite 10 Entsprechend hänge die Strategie zur Entkräftung vom jeweiligen Adressaten ab. Es mache einen Unterschied, ob Personen nur mit Verschwörungstheorien in Kontakt gekommen seien und eventuell mit diesen sympathisierten, oder ob Personen einen verfestigten Glauben an Verschwörungstheorien hätten.40 Bei Sympathisanten könne das sogenannte Debunking, also die Entlarvung mit Fakten und Gegenargumenten , unter Umständen noch zielführend sein. Als mögliche Argumentationsstrategien kämen in Frage: faktenbasierte Argumentation: Die Vermittlung von korrekten Informationen logikorientierte Argumentation: Das Aufzeigen von irreführenden Argumentationsstrukturen und Widersprüchen quellenorientierte Argumentation: Hinweise zur mangelhaften Verlässlichkeit und Transparenz von Quellen.41 Die logikorientierte und die quellenorientierte Argumentation hätten sich als genauso effektiv wie die faktenbasierte Argumentation herausgestellt.42 Ein weiterer Ansatz bestehe darin, bestimmte Annahmen von Verschwörungstheorien zu Ende zu denken und damit deren Absurdität aufzuzeigen; z. B. wie viele Menschen für das Funktionieren einer Verschwörung eingeweiht sein müssten.43 Des Weiteren wird empfohlen, die Inhalte von Verschwörungstheorien so wenig wie möglich zu wiederholen, da sich Fehlinformationen häufig länger als deren Korrektur einprägten.44 Anstelle dessen sollten zentrale Fakten und Gegenargumente in den Vordergrund gestellt werden. Sollte sich die Wiedergabe der Inhalte von Verschwörungstheorien nicht vermeiden lassen, sollten diese „eingerahmt“ werden, indem einleitend klar gestellt werde, dass jetzt eine Falschinformation wiedergegeben werde.45 40 Vgl. Bayerischer Landtag (Hg.): Forum Antworten. Verschwörungstheorien, a.a.O., S.34-39; COMPACT Education Group: Verschwörungstheorien: Leitfaden und Empfehlungen, a.a.O., S. 12-17; Lamberty, Pia: Verschwörungsmythen als Radikalisierungsbeschleuniger, a.a.O. 41 Vgl. Bayerischer Landtag (Hg.): Forum Antworten. Verschwörungstheorien, a.a.O., S.37-38; Lewandowsky, Stephan /John Cook: Das Handbuch über Verschwörungsmythen, 2020. Online verfügbar unter: https://conspiracytheories .eu/_wpx/wp-content/uploads/2020/04/ConspiracyTheoryHandbook_German.pdf, S.9 42 Ebenda, S.9 43 Vgl. Bayerischer Landtag (Hg.): Forum Antworten. Verschwörungstheorien, a.a.O., S.38; Nocun, Katharina/Pia Lamberty: Fake Facts. Wie Verschwörungstheorien unser Denken bestimmen, a.a.O., S. 227 - 228 44 Nocun, Katharina/Pia Lamberty: Fake Facts. Wie Verschwörungstheorien unser Denken bestimmen, a.a.O., S.225; Von Kempis, Franzi: Anleitung zum Widerspruch. Klare Antworten auf populistische Parolen, Vorurteile und Verschwörungstheorien, München 2019, S. 106 45 Ebenda, S. 106 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 010/21 Seite 11 Bei Personen mit einem verfestigten Glauben an Verschwörungstheorien wird betont, dass der Versuch der Widerlegung durch Fakten häufig wenig zielführend sei, und ggf. die Anhänger in ihrer Wahrnehmung sogar bestärken könne.46 Hier könne es erfolgsversprechender sein, eine Diskussion auf der Metaebene zu suchen, z. B. indem die Grundannahmen und die innere Logik der Verschwörungstheorie hinterfragt würden.47 „Das Ziel des Hinterfragens ist letztlich, einen Reflexionsprozess anzustoßen. Eine schnelle Abkehr ist aber nicht zu erwarten.“ 48 Schließlich wird angemerkt, dass das sogenannte Prebunking, also die Entlarvung einer Verschwörungstheorie im Vorfeld, sich in Studien erfolgreicher als das Debunking erwiesen habe. Personen hätten sich weniger anfällig für den Glauben an eine Verschwörungstheorie gezeigt, wenn sie über die fehlerhafte und mangelhafte Argumentation aufgeklärt wurden, bevor sie mit dieser Verschwörungstheorie in Kontakt gekommen sind.49 7. Literatur Bayerischer Landtag (Landtagsamt-Stabstelle K2 Öffentlichkeitsarbeit) (Hg.): Forum Antworten . Verschwörungstheorien. Eine Publikation zur Aufklärung und Aufarbeitung, München 2021. Online verfügbar unter: https://www.bayern.landtag.de/fileadmin/publikationen /Forum_Antworten_Verschwoerungstheorien_210406_barrierefrei.pdf Butter, Michael: „Nichts ist wie es scheint.“ Über Verschwörungstheorien, Berlin 2018 COMPACT (Comparative Analysis of Conspiracy Theories) Education Group: Verschwörungstheorien : Leitfaden und Empfehlungen, 2020. Online verfügbar unter: https://conspiracytheories .eu/_wpx/wp-content/uploads/2021/01/COMPACT_Guide_German-1.pdf Douglas, Karen M. et al: Understanding Conspiracy Theories, in: Advances in Political Psychology, Vol. 40, 2019. Online verfügbar unter: https://onlinelibrary .wiley.com/doi/full/10.1111/pops.12568 Douglas, Karen M./Robbie M. Sutton/Aleksandra Cichochka: The Psychology of Conspiracy Theories, in: Current Directions in Psychological Science 2017, Vol. 26(6), S. 538-542 Götz-Votteler, Katrin/Simone Hespers: Alternative Wirklichkeiten? Wie Fake News und Verschwörungstheorien funktionieren und warum sie Aktualität haben, Bielefeld 2019, S. 31-45 Hermann, Melanie/Florian Eisheuer/Jan Rathje: Politische Bildungsarbeit für eine Gesellschaft der Mündigen, in: Psychosozial 43 (2020), S. 50-60 Lamberty, Pia: Verschwörungsmythen als Radikalisierungsbeschleuniger: eine psychologische Betrachtung in: Friedrich-Ebert-Stiftung (Hg.): FES Projekt gegen Rechtsextremismus, 46 Vgl. Bayerischer Landtag (Hg.): Forum Antworten. Verschwörungstheorien, a.a.O., S.38-39, Nocun, Katharina /Pia Lamberty: Fake Facts. Wie Verschwörungstheorien unser Denken bestimmen, a.a.O.; S. 225 47 Vgl. Ebenda, S. 226-227 48 Bayerischer Landtag (Hg.): Forum Antworten. Verschwörungstheorien, a.a.O., 39 49 Vgl. COMPACT Education Group: Verschwörungstheorien: Leitfaden und Empfehlungen, a.a.O., S. 14; Lewandowsky , Stephan/John Cook: Das Handbuch über Verschwörungsmythen, a.a.O. S. 8 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 1 - 3000 - 010/21 Seite 12 April 2020. Online verfügbar unter: http://library.fes.de/pdf-files/dialog/16197- 20200529.pdf Lamberty, Pia: Zwischen Theorien und Mythen: eine kurze begriffliche Einordnung, in: Informationen zur politischen Bildung, Heft 344/2020, Sonderbeilage Verschwörungserzählungen . Online verfügbar unter: https://www.bpb.de/izpb/318157/verschwoerungserzaehlungen Lamberty, Pia/Roland Imhoff. Verschwörungserzählungen im Kontext der Coronapandemie , in: Psychotherapeut 2021. Online verfügbar unter: https://doi.org/10.1007/s00278- 021-00498-2 Lamberty, Pia/Katharina Nocun: Ein Brandbeschleuniger für Radikalisierung? Verschwörungserzählungen während der Covid-19-Pandemie, in: Heike Kleffner/Matthias Meisner (Hg.): Fehlender Mindestabstand. Die Coronakrise und die Netzwerke der Demokratiefeinde , Freiburg 2021, S. 117-125 Lewandowsky, Stephan/John Cook: Das Handbuch über Verschwörungsmythen, 2020. Online verfügbar unter: https://conspiracytheories.eu/_wpx/wp-content/uploads /2020/04/ConspiracyTheoryHandbook_German.pdf Nocun, Katharina/Pia Lamberty: Fake Facts. Wie Verschwörungstheorien unser Denken bestimmen, Köln 2020 Rees, Jonas H./Pia Lamberty: Mitreißende Wahrheiten: Verschwörungsmythen als Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, in: Friedrich Ebert Stiftung (Hg.): Verlorene Mitte – Feindselige Zustände. Rechtsextremistische Einstellungen in Deutschland 2018/2019, Bonn 2019, S. 203-222 Von Kempis, Franzi: Anleitung zum Widerspruch. Klare Antworten auf populistische Parolen , Vorurteile und Verschwörungstheorien, München 2019, S. 99-151 Wille, Jessica: Von Reichsbürgern und Chemtrails: Verschwörungstheorien 2.0, in: Greif- Recht: Greifswalder Halbjahresschrift für Rechtswissenschaft 14 (2019), S. 21-35 8. Anhang Pressedokumentation