© 2017 Deutscher Bundestag WD 1 - 3000 - 008/17 Präsidialsysteme in Frankreich, den USA und der Türkei Ausgewählte Aspekte im Vergleich Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 - 3000 - 008/17 Seite 2 Präsidialsysteme in Frankreich, den USA und der Türkei Ausgewählte Aspekte im Vergleich Aktenzeichen: WD 1 - 3000 - 008/17 Abschluss der Arbeit: 24. April 2017 Fachbereich: WD 1: Geschichte, Zeitgeschichte und Politik Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 - 3000 - 008/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einführung 4 2. Präsidentielles, semi-präsidentielles und parlamentarisches Regierungssystem 5 3. Gegenüberstellung 6 3.1. Wahl und Amtszeit der Präsidenten 6 3.2. Stellung des Präsidenten 6 3.3. Befugnisse und Kontrolle des Präsidenten 7 4. Anhang 11 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 - 3000 - 008/17 Seite 4 1. Einführung Am 16. April 2017 hat sich in einem Referendum eine Mehrheit der türkischen Wahlberechtigten für eine neue Verfassung ausgesprochen. Diese enthält grundlegende Änderungen, darunter erweiterte Befugnisse für den Staatspräsidenten der Türkei. Forscher hatten zuvor davor gewarnt, dass das Land mit einem „Präsidialsystem alla turca“ „von einem Ausnahmezustand nahtlos in ein autoritäres System übergehen“1 könnte. Verteidiger des Referendums verwiesen dagegen auf bereits bestehende Präsidialsysteme in Frankreich und den USA.2 Die nachfolgende Dokumentation stellt – begrenzt auf einige der wichtigsten Aspekte – die entsprechenden Regelungen in den drei Verfassungen in einer Synopse gegenüber . Dabei fließen auch Aspekte der Vergleichenden Politikwissenschaften mit ein, insbesondere die Ergebnisse der vergleichenden Forschung zu Regierungssystemen.3 Eine rechtswissenschaftliche Bewertung erfolgt nicht. Die Darstellung ist auf drei Bereiche begrenzt. Diese beziehen sich auf die Wahl und Amtszeit des Präsidenten seine Stellung im Staatsgefüge seine Befugnisse und Kontrolle. Hierfür wird jeweils ein Passus aus den drei Verfassungen synoptisch gegenübergestellt. Dabei ist stets zu berücksichtigen, dass die Verfassungspraxis eines politischen Systems von vielen Faktoren abhängt, unter denen die Formulierungen des Verfassungstextes nur einer ist. Insbesondere die politische Kultur eines Landes speist sich nicht nur aus normativen Zielsetzungen, sondern unter anderem auch aus wirtschaftlich-sozialen, historischen und religiösen Zusammenhängen. Der Soziologe und Rechtswissenschaftler Franz W. Jerusalem schrieb 1946: „Die besondere Gestalt einer Verfassung ist immer der spezifische Ausdruck eines Landes, eines Volkes, seiner soziologischen Struktur und Machtsituation seiner gesellschaftlichen Kräfte, die nicht beliebig zum Vorbild genommen kann.“4 1 Mahir Tokatlı: Kommt jetzt ein neues Regierungssystem? Die türkischen Parlamentswahlen vom 7. Juni und 1. November 2015. In: Zeitschrift für Parlamentsfragen (ZParl), Heft 4/2016, S. 752. Im Internet abrufbar unter: https://www.nomos-elibrary.de/10.5771/0340-1758-2016-4-735/kommt-jetzt-ein-neues-regierungssystem-dietuerkischen -parlaments-wahlen-vom-7-juni-und-1-november-2015-jahrgang-47-2016-heft-4 Eine grundlegende Analyse der geplanten Verfassungsänderung nimmt Christian Rumpf vor. (siehe Anhang) 2 In einem Interview mit der Zeitschrift Focus vom 22.8.2015 argumentierte der türkische Minister Volkan Bozkir: „Bislang ist der Präsident zwar Chef der Armee, und er kann Treffen der Regierung leiten, aber er hat weniger Befugnisse als etwa der französische Präsident. Die Türkei ist eine reine Demokratie.“ 3 Vgl. Jürgen Hartmann, Westliche Regierungssysteme. Parlamentarische, präsidentielles und semi-präsidentielles Regierungssystem, Wiesbaden 2011. 4 Vgl. Franz J. Jerusalem: Zum Verfassungsproblem. Süddeutsche Juristenzeitung 1946, S. 108ff. Zitiert nach: Ulrich Bachmann: Die Hessische Verfassung – Pate und Vorbild des Grundgesetzes? In: 50 Jahre Verfassung des Landes Hessen. Eine Festschrift. Wiesbaden 1997. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 - 3000 - 008/17 Seite 5 2. Präsidentielles, semi-präsidentielles und parlamentarisches Regierungssystem Während das Grundgesetz in Deutschland ein parlamentarisches Regierungssystem vorsieht, wird das amerikanische Regierungssystem als präsidentiell bezeichnet. In einem präsidentiellen Regierungssystem bleibt die Regierung auch dann im Amt, wenn sie im Parlament nicht (mehr) über eine Mehrheit verfügt. Während sich die Regierung in einem parlamentarischen Regierungssystem auf eine Mehrheit im Parlament stützt, ist im präsidentiellen Regierungssystem auch eine Mehrheit der Opposition im Parlament möglich. Der Präsident als Regierungschef benötigt keine parlamentarische Mehrheit, da er nicht vom Parlament, sondern direkt vom Volk gewählt wird. In präsidentiellen Systemen benötigt die Regierung daher nicht zwangsläufig das Vertrauen der Mehrheit im Parlament.5 In Frankreich wird von einem semi-präsidentiellen Regierungssystem gesprochen, da der Präsident seine starke exekutive Rolle nur ausüben kann, wenn er über die Unterstützung des Parlaments verfügt: „Nur dann, wenn der Präsident mit der Regierungsmehrheit übereinstimmt, d.h. wenn er von den Rollenträgern der parlamentarischen Strukturen als politischer Führer anerkannt wird, schlägt das Pendel zugunsten einer machtvollen Führungsrolle des Präsidenten aus. Stehen aber der Präsident im einen und Regierung und Parlamentsmehrheit im anderen politischen Lager, schrumpft die politische Statur des Präsidenten auf die eines repräsentativen Staatsoberhauptes .“6 Diese in Frankreich „Cohabitation“ genannte Situation wurde nach einer Verfassungsänderung 2008 unwahrscheinlicher, da seitdem die Präsidentschaftswahlen kurz vor den Wahlen zur Assemblée nationale abgehalten werden. Damit sollten gleiche Mehrheitsverhältnisse gefördert und die Stellung des Präsidenten gestärkt werden. Im Falle der Türkei sprach man bisher von einem parlamentarischen System, da die Bestimmungen der Verfassung dies zugrunde legten. Faktisch sei das Land jedoch seit der Wahl von Recep Tayyip Erdoğan zum Staatspräsidenten am 10. August 2014 zum Präsidialsystem geworden, so die Einschätzung von Forschung und Öffentlichkeit.7 Präsident Erdoğan habe sich in seiner Amtsausübung nicht nur „über den Geist der Verfassung“ und relevante Gesetze hinweggesetzt, sondern auch über „die Buchstaben der Verfassung“ und andere Rechtsnormen. Vielfach wurden Sorgen geäußert, dass das zukünftige System gar autokratische Züge annehmen könnte: „Angesichts der Entschlossenheit der neuen Machtelite besteht die Gefahr, dass nicht nur die Verfassung und Gesetze ihre Rolle als Beschränkung und Korrektiv der Exekutive einbüßen, sondern auch die Justiz.“8 5 Vgl. Hartmann: Regierungssysteme, S.189. 6 Ebd. 7 Vgl. Günter Seufert: Erdogans neue Türkei: die Restauration des autoritären Staates im Namen der Demokratie / Stiftung Wissenschaft und Politik, Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit. Berlin, 2016. S. 5. https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2014A60_srt.pdf (abgerufen am 12.4.2017) 8 Ebd., S.6. Vgl. auch die Einschätzungen, die in den angehängten Presse-Artikeln zum Ausdruck kommen, die die Entwicklungen in der Türkei ausnahmslos kritisch sehen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 - 3000 - 008/17 Seite 6 3. Gegenüberstellung Vorbemerkung: Die in dem türkischen Referendum vom 16. April angenommenen Passagen wurden fett markiert bzw. durchgestrichen.9 3.1. Wahl und Amtszeit der Präsidenten In Frankreich wird der Präsident alle fünf Jahre von den Wahlberechtigten des Landes direkt gewählt , in den USA mittels eines Wahlmännergremiums. Der bis 2007 vom Parlament gewählte türkische Präsident wird seitdem alle fünf Jahre von den Wahlberechtigten direkt gewählt. Wie in Frankreich und den USA kann es in der Türkei höchstens eine Wiederwahl geben. Frankreich10 USA11 Türkei „Der Präsident der Republik wird in allgemeiner und unmittelbarer Wahl für die Dauer von fünf Jahren gewählt. Keiner kann mehr als zwei Mandate in Folge ausüben .“Art.6) „Die vollziehende Gewalt liegt bei dem Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika. Seine Amtszeit beträgt vier Jahre (…) Niemand darf mehr als zweimal in das Amt des Präsidenten gewählt werden; (…)“(Art.2) „Die Wahlen zur Großen Nationalversammlung der Türkei und zum Präsidenten der Republik erfolgen alle vier fünf Jahre am gleichen Tage. (…)“ Art. 101 „Eine Person darf höchstens zwei Mal zum Präsidenten der Republik gewählt werden .“ 3.2. Stellung des Präsidenten Die Stellung des Präsidenten im Verfassungsgefüge eines (semi-)präsidentiellen Regierungssystems definiert sich unter anderem über sein Verhältnis zum Parlament. Anhand der Frage, ob der Präsident das Parlament auflösen kann, lassen sich exemplarisch Rückschlüsse auf seine Stellung ziehen. So zeigt sich das System der „checks and balances“ im amerikanischen Regierungssystem in der starken Stellung des Parlaments gegenüber dem Präsidenten. Dieser hat keinerlei Befugnis, das Parlament aufzulösen. Anders in Frankreich: Hier kann der Präsident das Parlament auflösen . Dies ist zuletzt vor zwanzig Jahren geschehen. 9 Die deutsche Übersetzung der türkischen Verfassung stammt von dem Juristen Prof. Christian Rumpf. Im Internet abrufbar unter: http://www.tuerkei-recht.de/downloads/verfassung.pdf Eine sprachkundige, stichprobenartige Überprüfung seitens der Bibliothek ist erfolgt. (abgerufen am 12.4.2017) 10 Die deutsche Übersetzung der französischen Verfassung stammt von der Internetseite des französischen Verfassungsgerichts : http://www.conseil-constitutionnel.fr/conseil-constitutionnel/root/bank_mm/allemand/constitution _allemand_juillet2008.pdf (abgerufen am 12.4.2017) 11 Die deutsche Übersetzung der amerikanischen Verfassung stammt von der Internetseite der amerikanischen Botschaft : https://usa.usembassy.de/etexts/gov/gov-constitutiond.pdf (abgerufen am 12.4.2017) Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 - 3000 - 008/17 Seite 7 In der neuen türkischen Verfassung gibt es zwar keinen Artikel zur Auflösung des Parlaments, sondern lediglich Regelungen zu „Neuwahlen“. Anders als bisher soll es zukünftig möglich sein, dass nicht nur das Parlament selbst Neuwahlen ansetzt, sondern auch der Präsident. Frankreich USA Türkei „Der Präsident der Republik kann nach Beratung mit dem Premierminister und den Präsidenten der Kammern die Nationalversammlung für aufgelöst erklären. Die allgemeinen Wahlen finden frühestens zwanzig und spätestens vierzig Tage nach der Auflösung statt. […]Keine neue Auflösung darf in dem auf diese Wahl folgenden Jahr vorgenommen werden .“ (Art. 12) Keine Auflösung des Parlaments durch den Präsidenten möglich. „Die Große Nationalversammlung der Türkei kann mit einer Mehrheit von drei Fünfteln der Gesamtzahl ihrer Mitglieder Neuwahlen ansetzen. In diesem Fall werden die allgemeinen Wahlen zur Großen Nationalversammlung der Türkei zusammen mit der Wahl des Präsidenten der Republik abgehalten. Werden die Neuwahlen durch den Präsidenten der Republik angesetzt , so werden diese zusammen mit den allgemeinen Wahlen der Großen Nationalversammlung der Türkei abgehalten.“ (Art-117) 3.3. Befugnisse und Kontrolle des Präsidenten In allen drei Ländern obliegt dem Präsidenten die Exekutive, also die vollziehende Gewalt. Dazu gehört neben vielen anderen Aufgaben auch die Möglichkeit, mittels präsidialer Dekrete zu regieren und dabei das Parlament als Gesetzgeber zu umgehen. Diese werden im amerikanischen System „executive orders“ oder in Frankreich „ordonnances“ (gesetzesvertretende Verordnungen) genannt. Die Bedingungen hierfür sind recht unterschiedlich. Während die französische Verfassung den „ordonnances“ einen eigenen Artikel widmet, sind die „executive orders“ in der amerikanischen Verfassung mit keinem Wort erwähnt, sondern wurden in weiter Auslegung anderer Bestimmungen „im historischen Zeitverlauf“12 entwickelt. Sowohl in den USA als auch in Frankreich hat diese Form der Ausübung der Exekutive zuletzt an Bedeutung gewonnen.13 Für die Türkei ist eine sehr weitgehende Regelung geplant, die nicht nur Präsidialverordnungen umfasst, sondern auch die Schaffung und Abschaffung von Ministerien beinhaltet sowie im Falle 12 Vgl. Christian Lammert/Markus B. Siewert/ Boris Vormann (Hrsg.): Handbuch Politik USA. Wiesbaden 2016, S. 138. 13 Vgl. http://www.ambafrance-de.org/Ordonnanzen-Die Für Frankreich heißt es hier: „Die Anzahl an gesetzesvertretenden Verordnungen, die auf der Grundlage von Art. 38 der Verfassung verabschiedet werden, ist im letzten Jahrzehnt deutlich gestiegen (170 von 2004 bis 2007).“ In den USA werden derzeit fast täglich Berichte und Bilder veröffentlicht, die den Präsidenten beim Unterzeichnen (oft umstrittener) präsidialer Dekrete zeigen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 - 3000 - 008/17 Seite 8 eines Notstands auch die Aussetzung von Grundrechten. In Frankreich hingegen muss das Parlament zustimmen, damit die Regierung für einen begrenzten Zeitraum mittels „ordonnances“ regieren kann. Frankreich USA Türkei „Die Regierung kann zur Durchführung ihres Programms das Parlament um die Ermächtigung ersuchen, während eines begrenzten Zeitraumes durch gesetzesvertretende Verordnungen Maßnahmen zu treffen, die normalerweise dem Bereich der Gesetzgebung unterliegen .“ (Art 38) Die Dekrete („executive orders “) in den USA sind nicht in der Verfassung festgelegt und gelten als formlose Rechtspraxis. „Die Schaffung und Abschaffung von Ministerien, ihre Aufgaben und Befugnisse sowie ihre Organisation und Zentralund Provinzorganisation werden durch Präsidialverordnung geregelt. Organisation und Aufgaben des Generalsekretariats des Nationalen Sicherheitsrates werden durch Präsidialverordnung geregelt.“(Art.118) „Zu den in den Notstandsfällen auf die Staatsbürger zu übertragenden Verpflichtungen in Geld, Vermögen und Arbeit und die Art und Weise der Beschränkung oder vorübergehenden Aussetzung der Grundrechte und -freiheiten im Sinne des Artikels 15 der Verfassung, welche Vorschriften anzuwenden sind und welche Maßnahmen zu treffen sind, kann ohne Bindung an die in Art. 104 Abs. 17 bestimmten Beschränkungen durch Präsidialverordnung geregelt werden. Während der Dauer des Notstandes kann der unter dem Vorsitz des Präsidenten der Republik zusammentretende Ministerrat hinsichtlich von durch den Notstand geforderten Gegenständen Rechtsverordnungen mit Gesetzeskraft erlassen. Diese Rechtsverordnungen werden im Amtsblatt verkündet und am selben Tag der Großen Nationalversammlung der Türkei zur Zustimmung unterbreitet; (…)Diese Präsidialverordnungen haben Gesetzeskraft und Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 - 3000 - 008/17 Seite 9 werden im Amtsblatt bekannt gemacht sowie am gleichen Tage der Nationalversammlung zur Genehmigung vorgelegt (Art- 119) „Der Präsident der Republik, die Ministerien und die juristischen Personen des öffentlichen Rechts können zur Durchführung der Gesetze und Präsidialverordnungen , die ihre Aufgabenbereiche betreffen, Verwaltungsverordnungen unter der Voraussetzung erlassen, dass diese nicht gegen jene Gesetze und Präsidialverordnungen verstoßen.“ (Art. 124) Kontrolle des Präsidenten Die Kontrolle des Präsidenten wird unter anderem davon geprägt, wie die Regelungen zu seiner möglichen Absetzung definiert sind. In Frankreich kann der Präsident vom Parlament, das als Gericht zusammentritt, mit den Stimmen von zwei Dritteln der Mitglieder abgesetzt werden. Die Amtsanklage (impeachment) steht in den USA ausschließlich dem Repräsentantenhaus zu. Der Senat befindet wiederum unter Vorsitz des Obersten Bundesrichters über die Anklage und kann mit zwei Drittel der Stimmen über die Entfernung aus dem Amt bestimmen. Die neue Verfassung der Türkei sieht ein mehrstufiges Verfahren vor. An deren Ende bestimmt jedoch nicht das Parlament , sondern der Staatsgerichtshof, ob eine Straftat des Präsidenten vorliegt, die ein „Hindernis für das Amt des Präsidenten der Republik darstellt“. Frankreich USA Türkei „Der Präsident der Republik kann nur im Falle eines Verstoßes gegen seine Pflichten, der mit der Ausübung seines Amtes offensichtlich unvereinbar ist, abgesetzt werden. Die Absetzung wird vom Parlament, das als Hoher Gerichtshof zusammentritt , ausgesprochen. Der von einer der Kammern des Parlaments angenommene Vorschlag zur Einberufung des Hohen Gerichtshofes ist der anderen Kammer umgehend zu „Das Repräsentantenhaus wählt aus seiner Mitte einen Präsidenten (Sprecher) und sonstige Parlamentsorgane . Es hat das alleinige Recht, Amtsanklage zu erheben .“ (Art 1,2) „Der Senat hat das alleinige Recht, über alle Amtsanklagen zu befinden. Wenn er zu diesem Zwecke zusammentritt , stehen die Senatoren unter Eid oder eides- „Der Präsident der Republik kann auf Vorschlag eines Drittels der Gesamtzahl der Mitglieder der Großen Nationalversammlung der Türkei mit dem Beschluss von mindestens drei Vierteln der Gesamtzahl der Mitglieder des Vaterlandsverrates beschuldigt werden. Gegen den Präsidenten der Republik kann mit Antrag der einfachen Mehrheit der Gesamtzahl der Mitglieder der Großen Nationalversammlung Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 - 3000 - 008/17 Seite 10 übermitteln, die dann binnen fünfzehn Tagen hierüber zu befinden hat. Dem Hohen Gerichtshof steht der Präsident der Nationalversammlung vor. Der Hohe Gerichtshof hat binnen eines Monats in geheimer Abstimmung über die Absetzung zu entscheiden . Seine Entscheidung tritt mit sofortiger Wirkung in Kraft. Die Entscheidungen gemäß diesem Artikel werden mit der Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder der betreffenden Kammer bzw. des Hohen Gerichtshofes getroffen. Eine Übertragung des Stimmrechts ist untersagt. Gezählt werden nur die Stimmen, die für den Vorschlag zur Einberufung des Hohen Gerichtshofes oder die Absetzung sind.“ (Art.68) stattlicher Verantwortlichkeit . Bei Verfahren gegen den Präsidenten der Vereinigten Staaten führt der Oberste Bundesrichter den Vorsitz. Niemand darf ohne Zustimmung von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder schuldig gesprochen werden. In Fällen von Amtsanklagen lautet der Spruch höchstens auf Entfernung aus dem Amte und Aberkennung der Befähigung , ein Ehrenamt, eine Vertrauensstellung oder ein besoldetes Amt im Dienste der Vereinigten Staaten zu bekleiden oder auszuüben. Der für schuldig Befundene ist desungeachtet der Anklageerhebung , dem Strafverfahren , der Verurteilung und Strafverbüßung nach Maßgabe der Gesetze ausgesetzt und unterworfen.“ (Art. 1,3) „Der Präsident, der Vizepräsident und alle Zivilbeamten der Vereinigten Staaten werden ihres Amtes enthoben , wenn sie wegen Verrats , Bestechung oder anderer Verbrechen und Vergehen unter Amtsanklage gestellt und für schuldig befunden worden sind.“ (Art. 2,4) der Türkei wegen des Vorwurfs der Begehung einer Straftat die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens verlangt werden. Wird die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens beschlossen , benennen die Fraktionen entsprechend der Anzahl der Sitze, die sie im Ausschuss zur Besetzung erhalten, die dreifache Anzahl an Kandidaten, aus denen im für jede Partei gesondert durchzuführenden Losverfahren die Mitglieder des fünfzehnköpfigen Ausschusses gezogen werden, der die Ermittlungen durchführt. Der Ausschuss legt seinen Bericht innerhalb von zwei Monaten dem Präsidium der Nationalversammlung vor. Können die Ermittlungen nicht innerhalb dieser Frist abgeschlossen werden, wird dem Ausschuss eine letzte Frist von einem Monat gewährt . Der Bericht wird innerhalb von zehn Tagen nach Eingang beim Präsidium verteilt und innerhalb von zehn Tagen nach der Verteilung im Plenum verhandelt. Mit zwei Dritteln der Gesamtzahl ihrer Mitglieder kann die Große Nationalversammlung der Türkei in geheimer Abstimmung die Überstellung an den Staatsgerichtshof beschließen. Der Staatsgerichtshof hat das Strafverfahren innerhalb von drei Monaten abzuschließen, kann das Verfahren innerhalb dieser Frist nicht abgeschlossen werden, kann die Frist um einmalig drei weitere Monate verlängert werden, das Verfahren ist dann endgültig abzuschließen . Ist gegen den Präsi- Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 - 3000 - 008/17 Seite 11 denten der Republik ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, darf er keine Neuwahlen anordnen. Wird der Präsident der Republik durch den Staatsgerichtshof wegen einer Straftat verurteilt, die ein Hindernis für das Amt des Präsidenten der Republik darstellt, endet sein Amt. Diese Vorschrift ist auf während der Amtszeit begangene Straftaten auch nach Beendigung der Amtszeit des Präsidenten der Republik anwendbar.“ (Art. 105) 4. Anhang Verfassungstext Türkei Verfassungstext Frankreich Verfassungstext USA Aufsatz Christian Rumpf Auswahl Presseartikel Auswahl Literatur