WD 1 - 3000 - 007/19 (13.03.2019) © 2019 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Die Aufnahme einer Amtsdauerbegrenzung in das Grundgesetz wurde für das Amt des Bundeskanzlers im Gegensatz zum Amt des Bundespräsidenten im Rahmen der Beratungen im Parlamentarischen Rat nicht diskutiert. Wie im Grundgesetz-Kommentar von Maunz/Düring/Herzog festgestellt wird, ist der Bundespräsident „das einzige oberste Verfassungsorgan des Bundes, bei dem sich das GG mit der Frage der Wiederwahl befasst. Nach Art. 54 Abs. 2 Satz 2 ist die ‚anschließende Wiederwahl‘ eines Bundespräsidenten ‚nur einmal zulässig‘“. Die Position des Präsidenten im zukünftigen Verfassungssystem, die sich von der in der Weimarer Reichsverfassung bewusst abgrenzen sollte, spielte bei den Beratungen im Verfassungskonvent von Herrenchiemsee und im Parlamentarischen Rat 1948/49 eine große Rolle, wie Karlheinz Niclauß betont hat: „Welche Konsequenzen die westdeutsche Politiker aus den Weimarer Erfahrungen ableiteten, wurde bereits auf dem Verfassungskonvent von Herrenchiemsee deutlich, den die Ministerpräsidenten der westdeutschen Länder im August 1948 zur Vorbereitung des Grundgesetzberatungen einberiefen: Der zukünftige Bundespräsident sollte nach den Vorstellungen der Konventsmehrheit nicht vom Volk, sondern von Bundestag und Bundesrat mit einem ‚übereinstimmenden Beschluss ‘ gewählt werden. Seine Amtszeit wurde auf fünf Jahre begrenzt mit der Möglichkeit einer einmaligen anschließenden Wiederwahl. Der Präsident verlor das Notverordnungsrecht und das Recht des Bundeszwangs (Reichsexekution), (…), sowie sein Recht, über Gesetze eine Volksabstimmung herbeizuführen. (…) Der Parlamentarische Rat folgte diesem Entwurf mit leichten Veränderungen: Die Wahl des Bundespräsidenten erfolgte durch eine eigens hierfür einberufene Bundesversammlung. Statt des Vetos bei der Kanzlerwahl erhielt der Bundespräsident das Vorschlagsrecht für den ersten Wahlgang . Sein Auflösungsrecht wurde um eine zweite Möglichkeit erweitert. Die Neufassung des Präsidentenamts lässt die Absicht des Parlamentarischen Rates erkennen, die Regierung des Bundeskanzlers zu stärken und das Parteienparlament zur Verantwortlichkeit zu zwingen. Während der Weimarer Reichspräsident aufgrund seiner Machtbefugnisse die Position des ,Ersatzkaisers‘ einnahm, orientierte sich der Parlamentarische Rat bei der Festlegung der Kompetenzen des Staatsoberhaupts am Vorbild der konstitutionellen Monarchie.“ Während im Parlamentarischen Rat vor allem die Wahl des Bundespräsidenten, seine Rolle bei der Regierungsbildung und bei der Parlamentsauflösung sowie die Frage, ob ein Bundespräsident Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Zur Frage der Nichtbegrenzung der Amtsdauer des Bundeskanzlers und der Amtsdauerbegrenzung des Bundespräsidenten im Grundgesetz Kurzinformation Zur Frage der Nichtbegrenzung der Amtsdauer des Bundeskanzlers und der Amtsdauerbegrenzung des Bundespräsidenten im Grundgesetz Fachbereich WD 1 (Geschichte, Zeitgeschichte und Politik) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 überhaupt notwendig sei, kontrovers diskutiert wurden, war die Dauer der Amtsperiode von fünf Jahren und die Möglichkeit der Wiederwahl des Bundespräsidenten unter den Mitglieder des Parlamentarischen Rates unstrittig. Im zuständigen Ausschuss für Organisation des Bundes wurde die Frage der Wiederwahl des Bundespräsidenten nur an wenigen Stellen thematisiert. Laut Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat aus dem Jahr 1993 ist die im Grundgesetz verankerte Regelung der nur einmal möglichen Wiederwahl des Bundespräsidenten vom Parlamentarischen Rat bewusst im Gegensatz zu der Regelung in der Weimarer Reichsverfassung vorgesehen gewesen, um eine dominierende Stellung einer Person an der Spitze des Staates zu verhindern. Auch im Grundgesetz-Kommentar von Maunz/Düring/Herzog wird hervorgehoben, der Zweck dieser Bestimmung sei die „Verhinderung quasi-monarchischer Erbhöfe“ gewesen. Bisher hat es in der Bundesrepublik nur einmal – im Jahr 1959 – eine kurze politische Diskussion über eine dritte Amtsperiode des damaligen Bundespräsidenten Heuss und eine entsprechende Änderung des Grundgesetzes gegeben. Er selbst lehnte eine solche „Lex Heuss“ für eine dritte Amtszeit ab, da sie ein „Armutszeugnis für die deutsche Demokratie“ sei, die vom „Wechsel der Individualitäten, ja der Typen“ lebe. Trotzdem brachte er in einem Memorandum eine zweite Wiederwahl ins Spiel, wenn diese mit Zweidrittelmehrheit in der Bundesversammlung erfolgt. Nachdem die SPD eine Verfassungsänderung abgelehnt und mit Carlo Schmid im Februar 1959 einen eigenen Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten aufgestellt hatte, endete die Diskussion über eine Grundgesetzänderung abrupt. Im Schlussbericht der Enquete-Kommission Verfassungsreform von 1976 und im Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission von 1993 wurde – letztlich mit ablehnendem Votum – nur die Frage der unmittelbaren Volkswahl des Bundespräsidenten, nicht aber die Frage der Wiederwahl erörtert. Literatur Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission, Bundestagsdrucksache 12/6000 Der Parlamentarische Rat 1948-1949. Akten und Protokolle, Band 13: Ausschuß für Organisation des Bundes/Ausschuß für Verfassungsgerichtshof und Rechtspflege, hrsg. vom Deutschen Bundestag und vom Bundesarchiv, Teilbände I und II, München 2002 Lange, Erhard H. M.: Die Diskussion um die Stellung des Staatsoberhauptes 1945-1949 mit besonderer Berücksichtigung der Erörterungen im Parlamentarischen Rat, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, 26. Jg., Heft 4/1978, S. 601-651 Maunz/Düring/Herzog, 85. EL November 2018, GG Art. 54, Rn. 21 Merseburger, Peter: Theodor Heuß. Der Bürger als Präsident, München 2012 Niclauß, Karlheinz: Das Amt des Bundespräsidenten im Parlamentarischen Rat, in: Der Bundespräsident im politischen System, hrsg. von Robert Chr. van Ooyen, Wiesbaden 2012, S. 35-45 Radkau, Joachim: Theodor Heuss, München 2013 Schlussbericht der Enquete-Kommission Verfassungsreform, Bundestagsdrucksache 7/5924 Theodor Heuss. Der Bundespräsident Briefe 1954-1959 hrsg. von Ernst Wolfgang Becker, Martin Vogt und Wolfram Werner, Berlin/Boston 2013