© 2018 Deutscher Bundestag WD 1 - 3000 - 007/18 Ausgewählte Aspekte zum Thema „Sudetendeutsche“ Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 - 3000 - 007/18 Seite 2 Ausgewählte Aspekte zum Thema „Sudetendeutsche“ Aktenzeichen: WD 1 - 3000 - 007/18 Abschluss der Arbeit: 28. Februar 2018 Fachbereich: WD 1: Geschichte, Zeitgeschichte und Politik Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 - 3000 - 007/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Begriffsdefinitionen „Sudetendeutsche“ 4 3. Gruppengröße 5 4. Gruppenidentität 6 5. Deutsche Minderheit in der Tschechische Republik 6 6. Deutsch-tschechische Kontakte auf kommunaler Ebene 7 7. Satzungsänderung der Sudetendeutschen Landsmannschaft 2015 8 8. Anhang 9 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 - 3000 - 007/18 Seite 4 1. Einleitung Die vorliegende Dokumentation betrifft verschiedene Aspekte in Bezug auf die Sudetendeutschen . Sie behandelt keine historische Fragen der Flucht und Vertreibung, sondern gibt einen ausgewählten Überblick über die Gruppe der Heimatvertriebenen aus der ehemaligen Tschechoslowakei , die nach 1945 nach Deutschland kamen.1 Dass es sich dabei um keine homogene Gruppe handelt, zeigen unterschiedliche Definitionen, die in einem ersten Punkt vorgestellt werden . Die weiteren Punkte behandeln Daten zur Gruppengröße und –identität, die landsmannschaftlichen und kommunalen Verbindungen in die Tschechische Republik und schließlich die Satzungsänderung der Sudetendeutschen Landsmannschaft 2015. Der Anhang umfasst einschlägige Veröffentlichungen, eine Auswahl von einschlägigen Zeitungsartikeln und eine weiterführende Literaturliste. 2. Begriffsdefinitionen „Sudetendeutsche“ Anfang des 20. Jahrhunderts prägte der Publizist Franz Jesser den Begriff „Sudetendeutsche“, um damit in Analogie und Abgrenzung zu den ‚Alpendeutschen‘ die deutschsprachige Bevölkerung in Böhmen und Mähren innerhalb Österreich-Ungarns zu bezeichnen. Insbesondere nach dem Zerfall des Habsburger Reiches löste der Name den „im 19. Jahrhundert verwendeten Sammelbegriff der ‚Deutschen in Böhmen, Mähren und Schlesien‘ ab.“2 Da der Begriff nach der Gründung der Tschechoslowakischen Republik die deutsche Minderheit bezeichnete, gewann er politische Bedeutung. Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Vertreibung setzte sich der Name im allgemeinen Sprachgebrauch für alle aus der Tschechoslowakei 1945/46 umgesiedelten Deutschen durch. Neben dieser lexikalischen Definition existieren weitere Begriffsbestimmungen, die unterschiedliche Aspekte in den Mittelpunkt rücken. So erwähnt das Gesetz über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz BVFG) vom 22. Mai 1953 diese Bezeichnung nicht, sondern bezieht sich allgemein auf Vertriebene aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten und deren Nachkommen.3 Aus geschichtswissenschaftlicher Sicht betonen die Osteuropahistoriker Eva und Hans Henning Hahn: „Die Bezeichnung ‚die Sudetendeutschen‘ ist keine historisch oder ethnisch begründete und politisch neutrale Bezeichnung, sondern wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts als ein politischer Kampfbegriff erfunden.“4 Daher sollten „in präzisen Sprachgebrauch“ als „Sudetendeutsche“ nur „diejenigen ehemaligen tschechoslowakischen Staatsbürger bezeichnet [werden], die sich zu der sudetendeutschen völkischen Bewegung 1 Vgl. dazu u.a. Hahn, Eva/Hahn, Hans Henning: Die Vertreibung im deutschen Erinnern. Legenden, Mythos, Geschichte . Paderborn 2010. 2 Vgl. Art. „Sudetendeutsche“. In: Brockhaus Enzyklopädie online, https://brockhaus.de/ecs/enzy/article/sudetendeutsche (abgerufen am 28. Februar 2018). 3 Vgl. Hopp, Gerhard: Machtfaktor auch ohne Machtbasis? Die Sudetendeutsche Landsmannschaft und die CSU. Wiesbaden 2010, S. 90f. 4 „Begriffsdefinition Sudetendeutsche“, Zusammenstellung des „Begegnungsraum Geschichte – außerschulische Lernorte in der bayerisch-böhmischen Grenzregion“ an der Universität Passau, online verfügbar unter: http://www.begegnungsraum-geschichte.uni-passau.de/fileadmin/dokumente/projekte/region/Dokumente /Zwangsaussiedlung/Definition_Sudetendeutscher.pdf (abgerufen am 28. Februar 2018). Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 - 3000 - 007/18 Seite 5 bekannt haben und heute bekennen, sei es durch ihre aktive Partizipation am sozialen, politischen und kulturellen Leben dieser Bewegung, oder durch ihre aktive Unterstützung ihrer politischen Repräsentation (1933-1935 Sudetendeutsche Heimatfront, 1935-1938 Sudetendeutsche Partei , 1938-1945 NSDAP und nach dem Zweiten Weltkrieg die Sudetendeutsche Landsmannschaft ).“ Eine ausführliche begriffsgeschichtliche Untersuchung bietet die Dissertation von Tobias Weger „‚Volkstumskampf‘ ohne Ende? Sudetendeutsche Organisationen 1945 bis 1955“.5 Gegenüber dieser vergleichsweise engen Definition fasst die Satzung der Sudetendeutschen Landsmannschaft unter § 4 (Volksgruppenzugehörigkeit) Satz 1 die Gruppe viel weiter:6 „Sudetendeutscher ist - wer als Angehöriger der deutschen Volksgruppe in den Ländern Böhmen, Mähren oder Sudeten-Schlesien geboren ist, - wer von diesen Sudetendeutschen abstammt oder mit einem Sudetendeutschen verheiratet ist und - wer in den Ländern Böhmen, Mähren oder Sudeten-Schlesien längere Zeit gewohnt hat und seine Verbundenheit mit der Sudetendeutschen Volksgruppe bekundet.“ 3. Gruppengröße Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass sich quantitative Aussagen über die Gruppe der Sudetendeutschen je nach zugrundeliegender Definition unterscheiden müssen. Einen zuverlässigen Überblick über die verfügbaren Daten gibt die Dissertation von Gerhard Hopp, die das Verhältnis der Sudetendeutschen Landsmannschaft zur CSU untersucht.7 Die Zahlen werden im Laufe der Zeit unpräziser. 1950 kommen die vorliegenden Zahlen für Vertriebene im Sinne des BVFG, nach Angaben der Volkzählungen oder nach Definition der sudetendeutschen Verbände zu einem ähnlichen Ergebnis von etwa 1.900.000 Betroffenen. Dagegen schwanken die Angaben der Gruppenstärke für die 1980er Jahre von 2.170.000 bis zu 2.700.000. Hopp hält dazu fest: „Bei der Zusammenstellung der statistischen Daten zur Entwicklung der Zahl der Vertriebenen und der Sudetendeutschen fällt auf, dass Veröffentlichungen vor allem seit den 1970er Jahren größtenteils von Einrichtungen der Vertriebenen selbst vorgenommen wurden, wobei diese aber auf der Grundlage offizieller staatlicher Erhebungen erfolgten. Ab den 1970er Jahren werden die Angaben als fortgeschriebene Schätzungen naturgemäß in zunehmendem Maß unschärfer und damit weniger belastbar. Die Zahlen zur Größe der Sudetendeutschen Volksgruppe fallen im Vergleich zu den Vertriebenen aus dem Gebiet der Tschechoslowakei durchgehend höher aus. Dies ist auf die bei Sudetendeutschen im Vergleich zum Begriff ‚Vertriebene‘ weiter gefasste Auslegung der 5 Weger, Tobias: „Volkstumskampf“ ohne Ende? Sudetendeutsche Organisationen 1945 bis 1955. Frankfurt a.M. 2008, S. 30-51. Der Auszug ist dem Anhang beigefügt. 6 Satzung der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Stand April 2008, online verfügbar unter: http://www.sudeten .de/sudpresse/up/15_SL_Satzung_Versand_sw_04.pdf (abgerufen am 28. Februar 2018). Siehe Anhang. 7 Hopp, Gerhard: Machtfaktor (wie Anm. 3), S. 89-93. Siehe Anhang. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 - 3000 - 007/18 Seite 6 Kriterien der Gruppenzugehörigkeit zurückzuführen.“8 Aktuell liegen keine exakten Daten zur Gruppengröße vor. 4. Gruppenidentität Ebenso schwierig ist es zu bestimmen, ob sich die Kinder und Enkel der Erlebnisgeneration als Sudetendeutsche empfinden. Die verfügbaren Umfragen geben dazu lediglich einen indirekten Hinweis, wenn sie nachfragen, ob der oder die Befragte sich selbst oder jemanden aus der Familie zu den Heimatvertriebenen zählt. Dieser Wert hat von 1959 (24 Prozent) bis 2005 (29 Prozent) zugenommen, wofür allerdings statistische Gründe verantwortlich sind: Mit jedem Vertriebenen, der in eine eingesessene Familie einheiratete, stieg die Zahl derer, die in ihrem familiären Umfeld mit Vertreibung in Kontakt kamen.9 Eine 2015 von der Bundesstiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ beauftragte Umfrage des Allensbach-Instituts knüpfte an diese Untersuchungen an und stellte fest, dass 29 Prozent der deutschen Bevölkerung „sich oder jemanden aus ihrer Familie zu den Heimatvertriebenen“ zählen , während „49 Prozent der deutschen Bevölkerung, also fast jeder zweite, einen persönlichen Zugang zu Heimatvertriebenen [haben]: sei es, indem man selbst Heimatvertriebener ist, jemand aus der Familie zu den Heimatvertriebenen zählt oder man Freunde oder Bekannte hat, die selbst oder deren Familie zu den Heimatvertriebenen zählen.“10 Fraglich bleibt, ob die Relevanz des familiären Vertreibungshintergrunds in der dritten und vierten Generation tatsächlich abnimmt. Ist diesem Zusammenhang verweist etwa ein Forschungsbericht zur ehrenamtlichen Flüchtlingsarbeit zumindest darauf, dass „die Geschichte der sogenannten Vertreibung als Motiv keine große Rolle zu spielen [scheint]“, aber eine nicht unerhebliche Teilgruppe von etwa einem Drittel angibt , in der Familie Menschen mit Fluchterfahrung zu haben.11 5. Deutsche Minderheit in der Tschechischen Republik Nach Angaben des Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten durften nach dem Zweiten Weltkrieg nur etwa 250.000 Deutschstämmige in der damaligen Tschechoslowakei bleiben. Bei der Volkszählung 2011 bekannten sich knapp 19.000 tschechi- 8 Hopp: Machtfaktor (wie Anm. 3), S. 90. 9 Petersen, Thomas: Flucht und Vertreibung aus Sicht der deutschen, polnischen und tschechischen Bevölkerung hrsg. von der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Bonn 2005, S. 20f. Ein Auszug ist dem Anhang beigefügt. 10 Institut für Demoskopie Allensbach: Flucht, Vertreibung, Versöhnung. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage in Deutschland, Polen und Tschechien, 2015, S. 3, online verfügbar unter: http://www.sfvv.de/sites/default/files/zusammenfassung_allensbach_studie_sfvv.pdf (abgerufen am 28. Februar 2018). Siehe Anhang. 11 Karakayali, Serhat/ Kleist, Olaf J.: Strukturen und Motive der ehrenamtlichen Flüchtlingsarbeit (EFA) in Deutschland 2. Forschungsbericht. Ergebnisse einer explorativen Umfrage vom November/Dezember 2015. Berlin . Humboldt-Universität zu Berlin 2016, S. 17f., online verfügbar unter: https://www.bim.hu-berlin.de/media /Studie_EFA2_BIM_11082016_V%C3%96.pdf (abgerufen am 28. Februar 2018). Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 - 3000 - 007/18 Seite 7 sche Staatsbürger zur deutschen Minderheit, während etwa 21.000 Personen angaben, die deutsche Staatsbürgerschaft zu besitzen. Von diesen gehören etwa 9.000 in den beiden größten Selbstorganisationen der deutschen Minderheit an: der größeren Landesversammlung der deutschen Vereine in der Tschechischen Republik e.V. und dem Kulturverband der Bürger deutscher Nationalität in der Tschechischen Republik.12 Koordinationsstellen für (sudeten)deutsch-tschechische Kontakte sind das 2003 gegründete Büro der Sudetendeutschen Landsmannschaft in Prag und das Koordinierungszentrum deutsch-tschechischer Jugendaustausch (Tandem) in Regensburg.13 6. Deutsch-tschechische Kontakte auf kommunaler Ebene Eine wichtige Rolle spielen in diesem Zusammenhang auch kommunale Kontakte wie Städtepartnerschaften , wobei sich deren Zahl aufgrund ihrer formellen Vielfalt nur schwer angeben lässt. Eine Online-Datenbank der Deutschen Sektion des Rates der Gemeinden und Regionen Europas (RGRE) weist 264 kommunale Kontakte auf, die sich auf die Kategorien Partnerschaften, Freundschaften und formlose Kontakte verteilen.14 Einer Zusammenstellung der Deutschen Botschaft in Prag zufolge bestanden dagegen 2017 298 deutsch-tschechische Städtepartnerschaften. Vor diesem Hintergrund initiierte der Koordinierungsrat des Deutsch-tschechischen Gesprächsforums bereits 2003 einen deutsch-tschechischen Städtepartnerschaftswettbewerb, an dem sich 80 Städtepartnerschaften beteiligten. Diese Verbindungen kamen auf unterschiedliche Weise zustande. So basieren einige Verbindungen auf politischen Kontakten aus Zeiten der DDR. Andere entstanden dagegen aufgrund der räumlichen Nähe oder auch – im Zuge privater Kontakte – eher zufällig . In einigen Fällen entwickelten sie sich aus ehemaligen Patenschaften, die westdeutsche Städte für ihre sudetendeutschen Gemeinden übernommen hatten.15 Dementsprechend sieht 12 Vgl. Bundesministerium des Innern: Deutsche Minderheiten stellen sich vor. 2., überarbeitete Auflage 2017, S. 116-121. Siehe Anhang. 13 Vgl. zu den vielfältigen Initiativen und Angeboten des Koordinierungszentrums Deutsch-Tschechischer Jugendaustausch u.a. den Tätigkeitsbericht 2016, online verfügbar unter: https://www.tandem-org.de/assets/files/Publikationen /2017/tb16_de_20170810_web.pdf (abgerufen am 28. Februar 2018). 14 Datenbank der Deutschen Sektion des Rates der Gemeinden und Regionen Europas, http://www.rgre.de/rgrepartnerschaften /index.php?dt_orgname=&dt_plz=&dt_einwohnerzahl_min=&dt_einwohnerzahl_max=&dt_bundesland =&aus_orgname=&aus_plz=&aus_land=CZ&aus_kontinent=&partner_seit_von=&partner_seit_bis=&partner _form=&submit=Suche (abgerufen am 28. Februar 2018). 15 Prell, Gerald/Schroeter, Katharina: Plattform für eine bessere Nachbarschaft. Marktredwitz 2003, S. 18, online verfügbar unter: https://www.mzv.cz/public/d4/f6/9f/198707_14930_Forum_mladeze_Partnerstvi.pdf (abgerufen am 28. Februar 2018). Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 - 3000 - 007/18 Seite 8 auch die Sudetendeutsche Landsmannschaft die Paten- oder Partnerschaften positiv und veranstaltete etwa 2016 den Deutsch-tschechischen Kommunalkongress der Sudetendeutschen Landsmannschaft in Pilsen.16 7. Satzungsänderung der Sudetendeutschen Landsmannschaft 2015 Im Vorfeld des Beitritts der Tschechischen Republik zur Europäischen Union 2004 entwickelte sich eine politische Debatte darüber, ob das Land dazu verpflichtet sei, in diesem Fall die Beneš- Dekrete aufzuheben, mit denen nach dem Kriegsende die kollektive Entrechtung und Enteignung von Angehörigen der nicht-slawischen nationalen Minderheiten, namentlich der Deutschen und der Magyaren, festgeschrieben wurden.17 Dass die Aufhebung der Beneš-Dekrete auch gegenwärtig zu den zentralen Anliegen der Sudetendeutschen Landsmannschaft zählt, hielt 2015 eine auf dem 15. Bundeskongress verabschiedete Grundsatzerklärung fest. In dieser heißt es: „Die Sudetendeutsche Landsmannschaft arbeitet darauf hin, dass die Tschechische Republik die in den Jahren 1945/1946 vom Präsidenten, der Regierung oder dem Parlament der damaligen Tschechoslowakei erlassenen und fortwirkenden Dekrete, Gesetze und Verordnungen, die Unrechtstatbestände – kollektive Entrechtung, Enteignung, Zwangsarbeit, Vertreibung und Ermordung – anordneten bzw. legalisierten, außer Kraft setzt.“18 Zugleich stimmten die Delegierten für eine Satzungsänderung , in der Paragraphen gestrichen wurden, in denen bisher vom Ziel einer "Wiedergewinnung der Heimat" und einer "Restitution oder gleichwertigen Entschädigung" die Rede war.19 Stattdessen beruft sich die aktuelle Satzung auf die EU-Grundrechtscharta und fordert allgemein : „Verstöße gegen diese Rechte wie Völkermord, Vertreibungen, ethnische Säuberungen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, menschen- und völkerrechtswidrige Enteignungen sowie Diskriminierungen weltweit zu ächten und dort, wo sie erfolgten, auf der Grundlage eines gerechten Ausgleiches zu heilen.“20 Das Ausmaß dieser verbandspolitischen Neuorientierung bezeichnete Hans-Jörg Schmidt in der „Sächsischen Zeitung“ als „Revolution“.21 Auch in der tschechischen Politik trafen die Änderungen auf Anerkennung und trugen wesentlich zu einer politischen Entspannung bei.22 So besuchte 2016 mit dem Kulturminister Daniel Herman erstmals ein 16 Sudetendeutsche Landsmannschaft: Deutsch-tschechischer Kommunalkongress der Sudetendeutschen Landsmannschaft vom 9. September bis 11. September in Pilsen. Dokumentation, online verfügbar unter: http://www.sudeten.de/cms/?download=pub_02_16_Kommunalkongress.pdf (abgerufen am 28. Februar 2018). Siehe Anhang. 17 Vgl. dazu mit Fokus auf die SL und die CSU Hopp: Machtfaktor (wie Anm. 3), S. 293-330; aus unterschiedlichen Blickwinkeln: Timmermann, Heinz u.a. (Hg.): Die Beneš-Dekrete. Nachkriegsordnung oder ethnische Säuberung – Kann Europa eine Antwort geben? Münster 2005. 18 Grundsatzerklärung der SL, 28. Februar 2015, S. 16. Siehe Anhang. 19 Vgl. Landsmannschaft verzichtet auf "Wiedergewinnung der Heimat", Die Zeit, 1. März 2015, online verfügbar unter: http://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-03/sudetendeutsche-landsmannschaft-heimat (abgerufen am 28. Februar 2018). 20 Satzungsänderung der SL, § 3 Abs. 1 (a). Siehe Anhang. 21 Schmidt, Hans-Jörg: Kurswechsel bei den Sudetendeutschen. Sächsische Zeitung, 2. März 2015. Siehe Anhang. 22 Vgl. u.a. Albert Schäffer: Die Evolution des Herrn Posselt, FAZ, 4. März 2015, S. 4. Siehe Anhang. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 - 3000 - 007/18 Seite 9 offizieller Vertreter der tschechischen Regierung den Sudetendeutschen Tag und äußerte Worte des Bedauerns. Demgegenüber stieß die Satzungsänderung insbesondere im Witikobund auf massive Ablehnung, dessen Mitglieder auch die formale Rechtmäßigkeit der Satzungsänderung anzweifeln und dagegen juristisch vorgehen.23 8. Anhang Weger: „Volkstumskampf“ ohne Ende?, S. 30-51 Hopp: Machtfaktor ohne Machbasis?, S. 89-93 u. 293-330 Petersen: Flucht und Vertreibung, S. 16-23 IfD Allensbach: Flucht, Vertreibung, Versöhnung BMI: Deutsche Minderheiten, S. 116-121 SL: Deutsch-tschechischer Kommunalkongress 2016 SL: Satzung, Stand April 2008 SL: Satzungsänderung, 28. Februar 2015 SL: Grundsatzerklärung, 28. Februar 2015 Pressedokumentation (Auswahl) Weiterführende Literatur (ab 2002) 23 Vgl. etwa WitikoBrief 4/2017, November 2017, S. 4-7, online verfügbar unter: http://www.witikobund.de/wpcontent /uploads/2017/11/Wbr.17-4.finalissimo.pdf (abgerufen am 28. Februar 2018).