© 2016 Deutscher Bundestag WD 1 - 3000 - 001/16 Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 - 3000 - 001/16 Seite 2 Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen Aktenzeichen: WD 1 - 3000 - 001/16 Abschluss der Arbeit: 8. Januar 2016 Fachbereich: WD 1: Geschichte, Zeitgeschichte und Politik Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 - 3000 - 001/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Legitimationsformen und Wahlverfahren 4 3. Antrags- und Rederecht 6 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 - 3000 - 001/16 Seite 4 1. Einleitung Hintergrund dieser Dokumentation ist eine am 1. Dezember 2015 in Kraft getretene Änderung der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg (§ 41 a GemO), mit der die Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen verbindlich verankert und die Rechte von Jugendvertretungen erweitert werden. Demnach sollen Kinder und müssen Jugendliche „bei Planungen und Vorhaben, die ihre Interessen berühren, in angemessener Weise“ beteiligt werden. Gemeinden sollen dafür „geeignete Beteiligungsverfahren“ entwickeln und können insbesondere „einen Jugendgemeinderat oder eine andere Jugendvertretung“ einrichten. In der Geschäftsordnung soll dann auch die Beteiligung von Mitgliedern der Jugendvertretung an den Sitzungen des Gemeinderates in Jugendangelegenheiten geregelt und insbesondere ein Rederecht, ein Anhörungsrecht und ein Antragsrecht vorgesehen werden. Im Zusammenhang mit dieser Änderung liegen dieser Dokumentation folgende Fragen zu Grunde: 1. Welche möglichen Legitimationsformen für eine Jugendvertretung gibt es? 2. Welche hiervon ist aus demokratietheoretischer Sicht am besten geeignet, ein Antrags- und Rederecht zu begründen? Für die Dokumentation wurde zu diesen Fragen bei der Bibliothek des Deutschen Bundestages eine Literaturrecherche in Auftrag gegeben, die im Ergebnis nur sehr wenige geeignete Quellen auflisten konnte. 2. Legitimationsformen und Wahlverfahren Hilfreiche Informationen zu den genannten Fragen finden sich vor allem im Buch „Strategien und Grundformen der Kinder- und Jugendbeteiligung“.1 Die dort auf den Seiten 159 bis 162 enthaltenen Aussagen zur rechtlichen Verankerung und den Kompetenzen einer Kinder- und Jugendvertretung sind als Anlage 1 beigefügt. Außerdem werden in diesem Buch die Bedeutung des Wahlverfahrens für die Legitimation einer Kinder- und Jugendvertretung erörtert sowie Vor- und Nachteile verschiedener Wahlverfahren erläutert (siehe die als Anlage 2 beigefügten Seiten 164 bis 167). Als denkbare Formen der Wahl werden dabei aufgelistet: - Wahl von Kandidaten in der Schule, - Wahl von Kandidaten in Wahllokalen (z.B. in Jugendzentren), - Wahl von Kandidaten durch Briefwahl, 1 Stange, Waldemar (Hrsg.). Strategien der Kinder- und Jugendbeteiligung II., Band 4.: Kinder- und Jugendparlamente – Offene Formen – Projektansatz. Forschungsstelle Kinderpolitik der Universität Lüneburg. Veröffentlichung im Rahmen der Beteiligungsbausteine des Deutschen Kinderhilfswerkes. Münster 2008. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 - 3000 - 001/16 Seite 5 - Vollversammlung mit offener oder geheimer Wahl von Kandidaten, - Quotenregelungen, bei denen „Institutionen der Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen“ (z.B. Schule, Jugendzentrum, Jugendverbände, Vereine) Abgeordnete delegieren. Weiterhin werden in dem Buch Empfehlungen für die Implementation von repräsentativen Modellen und die Erreichung eines möglichst hohen Legitimationsgrades auf Kreisebene vorgestellt, die möglicherweise auch für Gemeinden von Interesse sein können.2 Auf grundsätzliche Aspekte der Arbeitsweise, Kompetenzen und Legitimation von kommunalen Jugendforen und Jugendgemeinderäten geht auch Hans Peter Krüger in seiner Dissertation „Politische Partizipation Jugendlicher in der Gemeinde“ ein.3 Dabei werden auch Vor- und Nachteile beider Modelle erörtert (die entsprechenden Aussagen auf den Seiten 91 bis 97 sind als Anlage 3 beigefügt). Die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg erläutert in ihrem „Leitfaden Jugendgemeinderäte in Baden-Württemberg“, dass Jugendgemeinderäte direkt von den Jugendlichen demokratisch gewählt werden. Das aktive und passive Wahlrecht haben demnach Jugendliche unabhängig davon, welcher Nationalität sie angehören. In manchen Gemeinden entscheide der Wohnort über die Wahlberechtigung, in anderen dürften alle Jugendlichen wählen, die Schulen im jeweiligen Ort besuchten. Die Bezeichnung Jugendgemeinderat sei nicht geschützt und nicht zwingend. Es fänden sich auch die Bezeichnungen Jugendrat, Jugendbeirat oder Jugendparlament mit den gleichen Strukturen und Rahmenbedingungen wie bei Jugendgemeinderäten. Umgekehrt gebe es auch Jugendbeiräte, die aus einem Jugendgemeinderat hervorgegangen seien, unter der neuen Bezeichnung aber keine Wahlen durchführten und damit keine repräsentative Jugendvertretung seien.4 Die Landeszentrale informiert in dem Leitfaden auch über die gegenwärtig in diesem Bundesland angewandten unterschiedlichen Wahlverfahren für Jugendgemeinderäte. Demnach führen manche Kommunen Wahlen ausschließlich an Schulen durch, andere lassen die Jugendlichen online wählen oder richten an zentralen Orten Wahllokale ein. Weiter führt die Landeszentrale aus, dass eine hohe Wahlbeteiligung auch eine hohe Legitimation des gewählten Jugendgemeinderats verschaffe , sowohl unter seinen Wählerinnen und Wählern als auch gegenüber dem „Erwachsenengemeinderat “. Eine hohe Wahlbeteiligung lässt sich nach Einschätzung der Landeszentrale normalerweise nur erreichen, wenn die Wahl dort durchgeführt wird, wo die allermeisten Jugendli- 2 Vgl. Stange, Waldemar (Hrsg.). Strategien der Kinder- und Jugendbeteiligung II., Band 4: Kinder- und Jugendparlamente – Offene Formen – Projektansatz. Forschungsstelle Kinderpolitik der Universität Lüneburg. Veröffentlichung im Rahmen der Beteiligungsbausteine des Deutschen Kinderhilfswerkes. Münster 2008. Seite 181 – 189. 3 Krüger, Hans Peter. Politische Partizipation Jugendlicher in der Gemeinde. Ein internationaler Vergleich: Leipzig – Lyon. Frankfurt am Main. 2008. 4 Vgl. den Leitfaden Jugendgemeinderäte in Baden-Württemberg. Landeszentrale für politische Bildung Baden- Württemberg. Stuttgart. 2013. Seite 6. Siehe auf der Internetseite der Landeszentrale unter: https://www.lpbbw .de/fileadmin/Abteilung_III/jugend/pdf/jgr_leitfaden/jgr_leidfaden_web.pdf (Stand: 8. Januar 2016). Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 1 - 3000 - 001/16 Seite 6 chen verlässlich erreicht werden, d.h. an den Schulen. Zur Zusammensetzung des Jugendgemeinderats sei oft festgelegt, dass alle Schularten proportional darin vertreten sein sollten. Dabei sei auch zu entscheiden, ob nur innerhalb der Schularten gewählt werde oder Schularten übergreifend .5 Eine Untersuchung von Gemeinderäten in Baden-Württemberg im Hinblick auf ihre Rechtsgrundlagen , Verbreitung und Funktionalität findet sich in dem Beitrag „Jugendgemeinderäte in Baden- Württemberg“ von Sebastian Müller und Urs Unkauf, der in dem Buch „Politische Beteiligung junger Menschen: Grundlagen – Perspektiven – Fallstudien“ enthalten ist. Er beinhaltet auch Vergleiche mit anderen Modellen der Jugendbeteiligung. Außerdem werden Praxisbeispiele vorgestellt und die Frage erörtert, wie Jugendgemeinderäte als Beteiligungsform zu beurteilen sind.6 3. Antrags- und Rederecht Ein Zusammenhang aus demokratietheoretischer Sicht zwischen der Legitimationsform einer Jugendvertretung und einer Bewertung hinsichtlich ihrer Eignung, ein Antrags- und Rederecht zu begründen, wurde in den gefundenen Quellen nicht hergestellt. Auf grundsätzliche Aspekte des Antragsrechts wird nur kurz im oben genannten Buch „Strategien und Grundformen der Kinder- und Jugendbeteiligung“ eingegangen. Dabei wird die Auffassung vertreten, dass ein Antragsrecht grundsätzlich wichtig sei, damit die Gemeindevertretung sich auch tatsächlich mit den Anträgen von Jugendlichen beschäftigt und entsprechende Beschlüsse fasst. Dazu wird empfohlen, den Jugendlichen als Unterstützung eine Beratung in Rechts- und Organisationsfragen zukommen zu lassen.7 5 Vgl. den Leitfaden Jugendgemeinderäte in Baden-Württemberg. Landeszentrale für politische Bildung Baden- Württemberg. Stuttgart. 2013. Seite 42/43. Siehe auf der Internetseite der Landeszentrale unter: https://www.lpb-bw.de/fileadmin/Abteilung_III/jugend/pdf/jgr_leitfaden/jgr_leidfaden_web.pdf (Stand: 8. Januar 2016). 6 Müller, Sebastian / Unkauf, Urs. Jugendgemeinderäte in Baden-Württemberg. In: Tremmel, Jörg / Rutsche, Markus . Politische Beteiligung junger Menschen: Grundlagen – Perspektiven – Fallstudien. Wiesbaden. 2016. Seite 317 bis 340. 7 Vgl. Stange, Waldemar (Hrsg.). Strategien der Kinder- und Jugendbeteiligung II., Band 4: Kinder- und Jugendparlamente – Offene Formen – Projektansatz. Forschungsstelle Kinderpolitik der Universität Lüneburg. Veröffentlichung im Rahmen der Beteiligungsbausteine des Deutschen Kinderhilfswerkes. Münster 2008. Seite 161/162.