© 2018 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 97/17 Ein nationales Verbot von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln im Kontext von CETA Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Diese Ausarbeitung dient lediglich der bundestagsinternen Unterrichtung, von einer Weiterleitung an externe Stellen ist abzusehen. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 97/17 Seite 2 Ein nationales Verbot von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln im Kontext von CETA Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 97/17 Abschluss der Arbeit: 5.1.2018 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 97/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Prüfung 4 2.1. Spezielle Vorgaben in CETA zu Pflanzenschutzmitteln 4 2.2. Vorgaben durch CETA im SPS-Bereich 4 2.3. Vorgaben durch CETA im Bereich technischer Handelshemmnisse 5 2.3.1. Technische Vorschrift 6 2.3.2. Anforderungen an technische Vorschriften 7 2.3.3. Notifizierung technischer Vorschriften 9 2.4. Fazit 10 3. Ergänzende Anmerkungen 11 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 97/17 Seite 4 1. Fragestellung Der Fachbereich ist um Auskunft ersucht worden, ob ein nationales Verbot von Glyphosat bzw. glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln ein Investitions- oder Handelshemmnis gemäß den Vorgaben des Freihandelsabkommens der EU und ihrer Mitgliedstaaten mit Kanada (CETA)1 darstellen würde. Für den Fall, dass dem so ist, wird die Frage gestellt, welche Möglichkeiten bleiben, um auf nationaler Ebene Investitions- oder Handelshemmnisse im Kontext von CETA vorzunehmen . Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass Wirkstoffe, wie Glyphosat, für die gesamte EU nach der Verordnung (EG) Nr. 1107/20092 auf Unionsebene genehmigt werden. Den Mitgliedstaaten obliegt hingegen die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln, welche den Wirkstoff enthalten. Gegenstand der nachfolgenden Prüfung ist mithin ein (hypothetisches) nationales Verbot glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel. Die Fragestellung ist auf die Vorgaben des CETA beschränkt . Die unten stehenden Ausführungen enthalten daher keine Ausführungen zur Vereinbarkeit eines nationalen Verbots glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel mit dem Unionsrecht. 2. Prüfung 2.1. Spezielle Vorgaben in CETA zu Pflanzenschutzmitteln Ausweislich einer Antwort der Bundesregierung sind in CETA für das Zulassungsverfahren von Pflanzenschutzmitteln keine speziellen Regelungen vorgesehen.3 Art. 20.30 Abs. 1 des CETA (im Kapitel 20 zu Geistigem Eigentum) gibt im Rahmen der Regelung des Schutzes von Daten zu Pflanzenschutzmitteln vor, dass jede Vertragspartei Sicherheits- und Wirksamkeitsanforderungen festlegt, bevor sie das Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels genehmigt. Gemäß Art. 20.30 Abs. 2 des CETA legt jede Vertragspartei einen begrenzten Datenschutzzeitraum für Versuchsoder Studienberichte fest, die erstmalig zwecks Erhalt der Zulassung eines Pflanzenschutzmittels vorgelegt werden. Dieser „Datenschutz“-Norm des CETA kann eine indirekte Billigung nationaler Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel entnommen werden. 2.2. Vorgaben durch CETA im SPS-Bereich Das Kapitel 5 des CETA zu gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Maßnahmen (sanitary and phytosanitary measures – SPS) enthält nur wenige eigenständige rechtsverbindliche 1 Umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits, ABl. L 11/23 vom 14.1.2017, abrufbar unter http://eur-lex.eu-ropa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:22017A0114(01)&qid=1513610009905&from=DE. 2 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates, ABl. 2009 L, 309/1, konsolidierte Fassung abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02009R1107-20170828&qid=1512998953626&from=DE. 3 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Katharina Dröge, Bärbel Höhn, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Auswirkungen des Freihandelsabkommens zwischen der Europäischen Union und Kanada (CETA), BT-Drucksache 18/2759, S. 15. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 97/17 Seite 5 Vorgaben, stattdessen werden in Art. 5.4 die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien aus dem sog. SPS-Übereinkommen4 bekräftigt. Das SPS-Übereinkommen, welches im Rahmen der Welthandelsorganisation (World Trade Organisation – WTO) ausgehandelt worden ist, stellt den international verbindlichen Rahmen für tierseuchenrechtliche , gesundheitspolizeiliche Maßnahmen und Maßnahmen gegen pflanzliche Schadorganismen dar. Es gilt gemäß seinem Art. 1 Abs. 1 grundsätzlich für alle gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Maßnahmen, die sich mittelbar oder unmittelbar auf den internationalen Handel auswirken.5 Da das SPS-Übereinkommen seinen Ursprung in der Liberalisierung des Agrarhandels hat, ist sein Geltungsbereich auf landwirtschaftliche Produkte beschränkt.6 Anhang A Abs. 1 des SPS-Übereinkommens begrenzt den Anwendungsbereich des Übereinkommens auf Maßnahmen zur Abwehr von Schädlings- und Krankheitsgefahren einerseits und von Lebens- und Futtermittelgefahren andererseits. SPS-Maßnahmen dienen entweder der Bekämpfung von im Vorfeld der Nahrungsmittelproduktion auftretenden Krankheitsrisiken für Menschen, Tiere oder Pflanzen oder dem Schutz vor durch Nahrungsaufnahme entstehenden Risiken.7 Das Übereinkommen findet daher nach der herrschenden Meinung keine Anwendung auf die Zulassung oder das Verbringen von zugelassenen Pflanzenschutzmitteln.8 Pflanzenschutzmittel sind im SPS-Kontext nur hinsichtlich ihrer Rückstände in Nahrungsmitteln von Bedeutung , d.h. nur Bestimmungen zu den sog. Rückstandhöchstgehalten von Pflanzenschutzmitteln sind als Maßnahmen für das SPS-Übereinkommen relevant (s. dazu die Ausführungen unter 3.). Da gemäß Art. 5.1 Abs. 1 lit. a des CETA die Begriffsbestimmungen des Anhangs A des SPS- Übereinkommens auch für das Kapitel 5 des CETA gelten, dürften Regelungen zur Zulassung von Pflanzenschutzmitteln auch nicht in den Anwendungsbereich des Kapitels 5 des CETA fallen. 2.3. Vorgaben durch CETA im Bereich technischer Handelshemmnisse Die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln und deren Wirkstoffen fällt nach der h.M. nicht unter das SPS-Übereinkommen, sondern unterliegt im Bereich des WTO-Rechts dem weniger speziellen Übereinkommen über technische Handelshemmnisse (TBT-Übereinkommen).9 Gemäß Art. 1.3 i.V.m. Art. 1.5 TBT-Übereinkommen fallen Bestimmungen zu allen Waren, einschließlich 4 Die multilaterale Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986 - 1994), Übereinkommen über die Anwendung gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen, ABl. 1994, L 336/40, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=OJ:L:1994:336:FULL&from=DE. 5 Möhler, in: Krenzler/Herrmann/Niestedt, EU-Außenwirtschafts- und Zollrecht, 6. EL, Stand: Oktober 2015, IV.40.B.II., Rn. 129 und 131. 6 Maier, Lebensmittelstandards und Handelsrecht im Verbund internationaler Regime, 2017, S. 177. 7 Gehring, in: Hilf/Oeter, WTO-Recht, 2. Aufl. 2010, § 19 – Gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen, Rn. 8. 8 Möhler, in: Krenzler/Herrmann/Niestedt, EU-Außenwirtschafts- und Zollrecht, 6. EL, Stand: Oktober 2015, IV.40.B.II., Rn. 134. 9 Die multilaterale Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986 - 1994), Übereinkommen über technische Handelshemmnisse , ABl. 1994, L 336/86, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=OJ:L:1994:336:FULL&from=DE. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 97/17 Seite 6 Industrieprodukten und landwirtschaftlichen Erzeugnissen, unter dieses Übereinkommen, die nicht gesundheitspolizeiliche oder pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen i.S.d. SPS-Übereinkommens sind.10 Das Kapitel 4 des CETA zu technischen Handelshemmnissen erklärt in Art. 4.2 Abs. 1 verschiedene Bestimmungen des TBT-Übereinkommens zu Bestandteilen des CETA. Zu den übernommenen Normen gehört der Art. 2 des TBT-Übereinkommens zur Ausarbeitung, Annahme und Anwendung technischer Vorschriften durch Stellen der Zentralregierung und Art. 5 des TBT-Übereinkommens zum Verfahren zur Konformitätsbewertung durch die Zentralregierung. Allerdings gehört Art. 2 des TBT-Übereinkommens nicht zu den Normen des TBT-Übereinkommens, bei denen eine Vertragspartei gemäß Art. 4.2 Abs. 3 des CETA die Vorgaben aus Kapitel 29 des CETA zur Streitbeilegung in Anspruch nehmen kann, wenn sie der Auffassung ist, eine andere Vertragspartei habe keine zufriedenstellenden Ergebnisse in Bezug auf die fragliche TBT-Norm erzielt und ihre Handelsinteressen erheblich betroffen sind. 2.3.1. Technische Vorschrift Nach Art. 2.1 TBT-Übereinkommen stellen die WTO-Mitglieder sicher, dass aus dem Gebiet eines anderen Mitglieds eingeführte Waren in Bezug auf technische Vorschriften eine nicht weniger günstige Behandlung erhalten als gleichartige Waren inländischen Ursprungs. Eine technische Vorschrift ist gemäß Anhang 1 des TBT-Übereinkommens „ein Dokument, das Merkmale eines Produkte oder die entsprechenden Verfahren und Produktionsmethoden einschließlich der anwendbaren Verwaltungsbestimmungen festlegt, deren Einhaltung zwingend vorgeschrieben ist.“ Der Appelate Body (Berufungsgremium der WTO) führte im Verfahren Kanadas gegen die Europäische Gemeinschaft wegen des französischen Verbots von Asbest und asbesthaltigen Produkten zum Begriff der technischen Vorschrift aus, dass diese auf Merkmale von Produkten und nicht ein ausdrücklich bezeichnetes Produkte abstelle. Eine technische Vorschrift liege vor, wenn eine Regelung Merkmale eines Produkts festlegt. Das bloße Verbot eines bestimmten Produkts wie Asbest sei keine technische Vorschrift.11 Das Verbot von Produkten, die Asbest beinhalten, wurde vom Berufungsgremium hingegen als eine technische Vorschrift angesehen, da diese Maßnahme vorgibt, dass Produkte kein Asbest enthaltenen dürfen und damit ein Merkmal 10 Jessen, in: Hilf/Oeter, WTO-Recht, 2. Aufl. 2010, § 18 – Technische Handelshemmnisse, Rn. 14. 11 Report of the Appellate Body, European Communities – measures affecting asbestos and asbestos-containing products, AB-2000-11, Rn. 68 und 71 (“A ‘technical regulation’ must, in other words, regulate the ‘characteristics ’ of products in a binding or compulsory fashion. […] With these considerations in mind, we examine whether the measure at issue is a "technical regulation". Decree 96-1133 aims primarily at the regulation of a named product, asbestos. The first and second paragraphs of Article 1 of the Decree impose a prohibition on asbestos fibres, as such. This prohibition on these fibres does not, in itself, prescribe or impose any ‘characteristics ’ on asbestos fibres, but simply bans them in their natural state. Accordingly, if this measure consisted only of a prohibition on asbestos fibres, it might not constitute a ‘technical regulation’".), abrufbar unter https://www.wto.org/english/tratop_e/dispu_e/cases_e/ds135_e.htm. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 97/17 Seite 7 festlegt.12 Im Verfahren Kanadas und Norwegens gegen die Europäische Gemeinschaft wegen des Importverbots von Robben verneinte das Berufungsgremium eine technische Vorschrift, u. a. da es sich bei den dem Importverbot zugrunde liegenden verbotenen Fang- und Tötungsmethoden von Robben nicht um Eigenschaften handelt, die dem Produkt selbst anhaften.13 Durch diese Entscheidung ist es schwieriger geworden, den Anwendungsbereich des TBT-Übereinkommens zu bestimmen,14 sodass eine abschließende Feststellung vorliegend nicht möglich ist. Einerseits würde ein nationales Verbot eines bestimmten glyphosathaltigen Pflanzenschutzmittels in Form einer Zulassungsverweigerung ein Verbot eines bestimmten Produkts darstellen. Ein Verbot von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln könnte aber auch als technische Vorschrift angesehen werden, da damit geregelt wird, dass die Produkte kein Glyphosat als Wirkstoff enthalten dürfen.15 Für die weitere Prüfung wird das Verbot als technische Vorschrift i.S.d TBT- Übereinkommens angesehen. 2.3.2. Anforderungen an technische Vorschriften Technische Vorschriften dürfen gemäß Art. 2.2 TBT-Übereinkommen keine unnötigen Hemmnisse für den internationalen Handel schaffen und nicht handelsbeschränkender sein als zur Erreichung des mit ihnen verfolgten berechtigten Ziels notwendig ist. Zu den berechtigten Zielen zählen gemäß Art. 2.2 TBT-Übereinkommen auch Schutz der Gesundheit und Sicherheit von Menschen, des Lebens oder der Gesundheit von Tieren und Pflanzen oder der Umwelt. Die Abwägung zwischen diesen mit einer technischen Vorschrift verfolgten Zielen und dem Ziel der Bekämpfung von Handelshemmnissen ist im Rahmen des durch das TBT-Übereinkommen vorgegebene Verhältnismäßigkeitsprinzip vorzunehmen. 12 Report of the Appellate Body, European Communities – measures affecting asbestos and asbestos-containing products, AB-2000-11, Rn. 72 (“It is important to note here that, although formulated negatively – products containing asbestos are prohibited – the measure, in this respect, effectively prescribes or imposes certain objective features, qualities or ‘characteristics’ on all products. That is, in effect, the measure provides that all products must not contain asbestos fibres.”). 13 Report of the Appellate Body, European Communities – measures prohibiting the importation and marketing of seal products, AB-2014-1 und AB-2014-2, Rn. 5.41, abrufbar unter https://www.wto.org/english /tratop_e/dispu_e/cases_e/ds400_e.htm. 14 So auch: Hemler/Ruddigkeit, Tierschutz vs. Freihandel - Zur Entscheidung des WTO Appellate Body in EC – Seal Products, JuWissBlog vom 3.7.2014, abrufbar unter https://www.juwiss.de/85-2014/ und Levy/Regan, EC – Seal Products: Seals and Sensibilities (TBT Aspects of the Panel and Appellate Body Reports), World Trade Review (2015), S. 337 (356 ff.). 15 Denkbar wäre auch eine Prüfung der Zulassungsverweigerung der zuständigen Behörde für ein bestimmtes glyphosathaltiges Pflanzenschutzmittels am Maßstab des Art. 5.12 TBT-Übereinkommen, demzufolge Konformitätsbewertungsverfahren (Fällen, in denen ein positiver Nachweis für die Übereinstimmung mit technischen Vorschriften und Normen verlangt wird) nicht in der Absicht oder mit der Wirkung ausgearbeitet, angenommen oder angewendet werden, unnötige Hemmnisse für den internationalen Handel zu schaffen und nicht strenger sind oder angewendet werden als notwendig. S. zu der Abgrenzung von Art. 2.2 TBT-Übereinkommen und Art. 5.12 TBT-Übereinkommen die Ausführungen von Howse/Levy, The TBT Panels: US–Cloves, US–Tuna, US–COOLS, World Trade Review (2013), S. 327 (354 f.). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 97/17 Seite 8 In dem zweiten Verfahren Mexikos gegen die USA wegen des Importverbots von Thunfisch führte das Berufungsgremium zur Frage, wann eine technische Vorschrift handelsbeschränkender als notwendig sei, aus, es müsse der Umfang, in dem die technische Vorschrift zur Erreichung des berechtigten Ziels beitrage, die handelsbeschränkende Wirkung der Vorschrift und der Hintergrund des Ziels sowie die Schwere der Folgen, die sich aus der Nichterfüllung der verfolgten Ziele ergeben, geprüft werden.16 Weiterhin erachtete das Berufungsgremium in den meisten Fällen einen Vergleich der angegriffenen technischen Vorschrift mit Alternativmaßnahmen für angezeigt .17 Es obliegt dabei dem WTO-Mitglied, welches einen Verstoß gegen Art. 2.2 TBT-Übereinkommen durch ein anderes Mitglied vorträgt, zu beweisen, dass zur Erreichung des berechtigten Ziels andere als die ergriffenen Maßnahmen möglich sind, welche den Handel weniger stark beschränken .18 Das WTO-Panel führte hierzu im Verfahren Indonesiens gegen die USA wegen des US-Verbots von Zigaretten mit Gewürznelkengeschmack aus, dass Indonesien nicht in einem angemessenen Umfang Alternativmaßnahmen zu dem Verbot dargelegt und analysiert habe, sondern sich darauf beschränkt habe, Alternativmaßnahmen aufzuzählen. Erforderlich sei aber ein Vortrag, der belege, dass die weniger handelsbeschränkenden Maßnahmen das verfolgte Ziel in gleicher Weise erreichen wie die angegriffene Maßnahme.19 Es muss belegt werden, dass es ebenso effektive, aber weniger handelsbeschränkende Maßnahmen zur Erreichung des berechtigten Ziels gibt, damit eine technische Vorschrift gegen Art. 2.2 TBT-Übereinkommen verstößt. 16 Report of the Appellate Body, United States — measures concerning the importation, marketing and sale of tuna and tuna products, AB-2012-2, Rn. 322 (“In sum, we consider that an assessment of whether a technical regulation is ‘more trade-restrictive than necessary’ within the meaning of Article 2.2 of the TBT Agreement involves an evaluation of a number of factors. A panel should begin by considering factors that include: (i) the degree of contribution made by the measure to the legitimate objective at issue; (ii) the trade-restrictiveness of the measure ; and (iii) the nature of the risks at issue and the gravity of consequences that would arise from non-fulfilment of the objective(s) pursued by the Member through the measure.”), abrufbar unter https://www.wto.org/english/tratop_e/dispu_e/cases_e/ds381_e.htm. 17 Report of the Appellate Body, United States — measures concerning the importation, marketing and sale of tuna and tuna products, AB-2012-2, Rn. 322. 18 Report of the Appellate Body, United States — measures concerning the importation, marketing and sale of tuna and tuna products, AB-2012-2, Rn. 323; dazu auch: Howse/Levy, The TBT Panels: US–Cloves, US–Tuna, US– COOLS, World Trade Review (2013), S. 327 (349 und 353). 19 Report of the Panel, United States – measures affecting the production and sale of clove cigarettes, WT/DS406/R, Rn. 7422 f, (“First and foremost, we consider that Indonesia has not adequately identified the alternative measure(s) that the United States should have applied. Instead, Indonesia simply lists numerous different measures, mostly in bullet point form. […]In our view, such a mere listing of two dozen possible alternative measures is insufficient to establish a prima facie case. It seems clear enough that each of these measures would be less trade-restrictive than the ban on clove cigarettes. The problem is that the mere listing of two dozen alternative measures without more does not show that such measures would make an equivalent contribution to the achievement of the objective at the level of protection sought by the United States.”), abrufbar unter https://www.wto.org/english/tratop_e/dispu_e/cases_e/ds406_e.htm. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 97/17 Seite 9 Der Abwägungsmaßstab des TBT-Übereinkommens ermöglicht den Staaten im Vergleich zum SPS-Übereinkommen einen größeren Spielraum.20 Soweit ersichtlich, ist bisher in keinem Streitschlichtungsverfahren der WTO ein Verstoß gegen Art. 2.2 TBT-Übereinkommen festgestellt worden .21 Es gibt, soweit ersichtlich, keine Fälle, die ein WTO-Panel (und ein Berufungsgremium) im Bereich des TBT-Übereinkommens entschieden hat, die auf die hier vorliegende Fragestellung übertragbar wären und Anhaltspunkte für die Frage liefern, wann ein nationales Zulassungsverfahren und ein darauf basierendes Verbot von Pflanzenschutzmitteln mit Art. 2.2 TBT-Übereinkommen vereinbar sind. Es sind keine Verfahren ersichtlich, in denen Verbote (von Wirkstoffen bzw. Pflanzenschutzmitteln) als Verstoß gegen das TBT-Übereinkommen angesehen worden sind.22 Mangels einschlägiger Entscheidungen auf WTO-Ebene und der hypothetischen Fragestellung, welche u.a. die Frage nach dem Ziel eines Verbots glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel offen lässt, ist eine abschließende Feststellung zu den Anforderungen des Art. 2.2 TBT-Übereinkommen vorliegend nicht möglich. 2.3.3. Notifizierung technischer Vorschriften Art. 2.9.1 und 2.9.2 des TBT-Übereinkommens verpflichten die WTO-Mitglieder unter bestimmten Voraussetzungen dazu, technische Vorschriften und Konformitätsbewertungsverfahren für Waren im Entwurfsstadium zu veröffentlichen und den anderen Mitgliedern die Waren zu notifizieren , für welche die technischen Vorschriften gelten werden, damit diese die Möglichkeit haben , Anmerkungen dazu anzubringen.23 Eine Notifizierung ist gemäß Art. 2.9 erforderlich, wenn es keine einschlägige internationale Norm gibt, die der technischen Vorschrift als Vorbild dient bzw. der Maßnahmenentwurf nicht in Übereinstimmung mit der fraglichen einschlägigen internationalen Norm formuliert ist und die vorgeschlagene Maßnahme wesentliche Auswirkungen auf den Handel anderer WTO-Mitgliedstaaten haben könnte. Ausweislich der TBT-Datenbank der Kommission hat die EU im Bereich „Pestizide und weitere Agrochemikalien“ u. a. die Nichtgenehmigung von verschiedenen Wirkstoffen aus Pflanzenschutzmitteln bei der WTO notifiziert.24 Ausweislich der TBT-Datenbank der WTO hat Schweden 2015 eine Gesetzesänderung im Bereich „Pestizide und weitere Agrochemikalien“ notifiziert (die 20 Jessen, in: Hilf/Oeter, WTO-Recht, 2. Aufl. 2010, § 18 – Technische Handelshemmnisse, Rn. 20; Krajewski, Wirtschaftsvölkerrecht, 4. Aufl. 2017, S. 119, Rn. 394. 21 Mit Stand 2016 wurde dies festgehalten in dem Aufsatz von Bohanes/Sánchez/Telychko, Overview of WTO Jurisprudence in 2014, in: Bungenberg/Herrmann/Krajewski/Terhechte, European Yearbook of International Economic Law 2016, S. 651 (657). 22 https://www.wto.org/english/tratop_e/dispu_e/dispu_subjects_index_e.htm. 23 Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über das Funktionieren des Notifizierungsverfahrens gemäß dem WTO-Übereinkommen über technische Handelshemmnisse (TBT-Übereinkommen), COM(2012) 354 final, abrufbar unter http://ec.europa.eu/transparency/regdoc/rep/1/2012/DE/1-2012-354-DE-F1-1.Pdf. 24 http://ec.europa.eu/growth/tools-databases/tbt/de/search/. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 97/17 Seite 10 Verordnung über die Verwendung chemischer Pflanzenschutzmittel zur Änderung der Verordnung (2014: 425) über Pestizide), welche in bestimmten Bereichen und Gebieten die Verwendung chemischer Pflanzenschutzmittel verbietet.25 Gemäß Art. 2.9.4 des TBT-Übereinkommens erörtern WTO-Mitglieder auf Ersuchen die zu ihrer Notifizierung eingegangenen Bemerkungen und ziehen schriftliche Bemerkungen sowie die Ergebnisse der Erörterungen in Betracht. Die Abgabe von Bemerkungen kann somit Anlass zu bilateralen und multilateralen Erörterungen innerhalb des sog. TBT-Ausschusses geben. Es gibt Stellungnahmen anderer WTO-Mitgliedstaaten, darunter Kanada, zum notifizierten Vorgehen der EU im Bereich Pflanzenschutzmittel und insbesondere zur Festlegung von Kriterien für endokrine Disruptoren im Zusammenhang mit Pflanzenschutzmitteln und Biozidprodukten. Diese Staaten fordern die EU auf, ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen und die Grundsätze der Nichtdiskriminierung , Transparenz und Vorhersehbarkeit bei der Umsetzung von TBT-Maßnahmen zu beachten .26 2.4. Fazit CETA selbst enthält keine speziellen Regelungen für das Zulassungsverfahren von Pflanzenschutzmitteln . Es billigt derartige Zulassungsverfahren jedoch indirekt in seinem Art. 20.30. CETA verweist in seinen Kapiteln 4 und 5 auf die Vorgaben des SPS-Übereinkommens und des TBT-Übereinkommens, an welche die EU und ihre Mitgliedstaaten als Mitglied der WTO und Vertragspartei bereits vor dem Abschluss von CETA gebunden waren. Ein Verbot glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel müsste, wenn es sich dabei um eine technische Vorschrift i.S.d. Art. 2 TBT-Übereinkommen handelt, gemäß Art. 2.1 TBT-Übereinkommen nicht-diskriminierend sein und gemäß Art. 2.2 TBT-Übereinkommen keine unnötigen Hemmnisse für den internationalen Handel schaffen und nicht handelsbeschränkender sein als zur Erreichung seines (berechtigten) Ziels notwendig ist. Im Hinblick auf Art. 2.2 TBT-Übereinkommen besitzen die Staaten, die technische Vorschriften erlassen, einen verhältnismäßig großen Spielraum bei der Festlegung und Erreichung ihrer (berechtigten) Ziele. 25 http://tbtims.wto.org/. 26 Statement by Canada to the TBT Committee, 8.-9.11.2017, G/TBT/W/457, abrufbar unter https://docs.wto.org/dol2fe/Pages/FE_Search/FE_S_S009-DP.aspx?language=E&CatalogueId- List=240303,240302,240301,240300,240263,240264,240165,240078,240073,240058&CurrentCatalogueId Index=4&FullTextHash=&HasEnglishRecord=True&HasFrenchRecord=False&HasSpanishRecord=False und Statement by the United States to the TBT Committee, 8.-9.11.2017, G/TBT/W/454, abrufbar unter https://docs.wto.org/dol2fe/Pages/FE_Search/FE_S_S009-DP.aspx?language=E&CatalogueId- List=240078,240073,240037,240041,240042,240047,240048,240033,240038,239998&CurrentCatalogueId Index=0&FullTextHash=371857150&HasEnglishRecord=True. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 97/17 Seite 11 3. Ergänzende Anmerkungen Ein nationales Verbot des Inverkehrbringens bestimmter Pflanzenschutzmittel durch einen EU- Mitgliedstaat hat keine direkten Konsequenzen für die Einfuhr von landwirtschaftlichen Erzeugnissen , die in anderen Staaten ggf. unter Einsatz dieses Pflanzenschutzmittels angebaut worden sind. Die Festlegung der sog. Rückstandhöchstgehalte von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen in landwirtschaftlichen Erzeugnissen ist, insbesondere durch die Verordnung (EG) Nr. 396/200527, auf Unionsebene geregelt worden.28 Für die Rückstände von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen, die in der EU selbst nicht zugelassen sind, kann die EU auf Antrag gemäß Art. 3 Abs. 2 lit. g i.V.m. Art. 6 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 396/2005 Rückstandhöchstgehalte in Form sog. Einfuhrtoleranzen bestimmen, wenn die Zulassung nicht aus Gründen des Gesundheitsschutzes versagt wurde.29 Ausweislich der SPS-Datenbank der WTO hat die EU die Festlegung von Rückstandhöchstgehalten für Wirkstoffe aus Pflanzenschutzmitteln als SPS-Maßnahmen notifiziert.30 – Fachbereich Europa – 27 Verordnung (EG) Nr. 396/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Februar 2005 über Höchstgehalte an Pestizidrückständen in oder auf Lebens- und Futtermitteln pflanzlichen und tierischen Ursprungs und zur Änderung der Richtlinie 91/414/EWG des Rates, ABl. 2005, L 70/1, konsolidierte Fassung abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02005R0396-20170823&from=DE. 28 Hagenmeyer/Teufer, in: Dauses/Ludwigs, EU-Wirtschaftsrecht, 36. EL, Stand: Oktober 2014, C. IV. Lebensmittelrecht , Rn. 179 ff. 29 S. dazu die Ausführungen in der Ausarbeitung „Importtoleranzen für Wirkstoffe in Pflanzenschutzmitteln nach Auslaufen der Pflanzenschutzmittelzulassung“, WD 5 - 3000 - 021/17, abrufbar unter https://www.bundestag .de/blob/508956/5565cf79b547f6234aba243684329eaa/wd-5-021-17-pdf-data.pdf. 30 http://spsims.wto.org/.