Deutscher Bundestag Vereinbarkeit des Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) mit europäischem Recht Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 11 – 3000 – 279/10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 279/10 Seite 2 Vereinbarkeit des Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) mit europäischem Recht Aktenzeichen: WD 11 – 3000 – 279/10 Abschluss der Arbeit: 31. Januar 2011 Fachbereich: WD 11: Europa Telefon: +49 (30) 227 33614 Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 279/10 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einführung 4 2. Rechtsnatur des ACTA 4 2.1. Das ACTA als völkerrechtlicher Vertrag 4 2.2. Das ACTA als gemischtes Abkommen 5 3. Wesentlicher Inhalt des ACTA 5 4. Vereinbarkeit mit Primärrecht 6 4.1. Überblick 6 4.2. Vereinbarkeit mit europäischen Grundrechten 6 4.2.1. Datenschutz 6 4.2.2. Eigentum 8 4.2.3. Strafrechtliche Grundrechtsgarantien und Verfahrensgrundrechte 8 4.3. Bewertung 9 5. Bestehende sekundärrechtliche Rechtsakte 10 5.1. Überblick 10 5.2. Die Regelungen im Einzelnen 10 5.2.1. Kapitel 2, Abschnitt 2 ACTA (Civil Enforcement) 10 5.2.2. Kapitel 2, Abschnitt 3 ACTA (Border Measures) 11 5.2.3. Kapitel 2, Abschnitt 4 ACTA (Criminal Enforcement) 12 5.2.4. Kapitel 2, Abschnitt 5 ACTA (Digital Environment) 12 5.3. Bewertung 13 6. Schlussfolgerungen 13 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 279/10 Seite 4 1. Einführung Das Problem der Produkt- und Markenpiraterie sowie der Verletzung der Rechte geistigen Eigentums (Immaterialgüterrechte)1 ist ein Hemmnis im weltweiten Handel. Es gewinnt an Bedeutung mit der zunehmenden Wandlung der Volkswirtschaft hin zu einer „wissensbasierten Wirtschaft“ mit globaler Vernetzung der Warenströme. Aus diesem Grund wurde auf Initiative Japans und der USA 2006 ein erstes Konzept über ein neues Handelsabkommen auf völkerrechtlicher Ebene vorgestellt. Beginnend mit Juni 2008 wurde sodann ein Prozess mit insgesamt elf Verhandlungsrunden über das sogenannte Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) eingeleitet. ACTA zielt auf die Etablierung wirksamer Mechanismen zur Bekämpfung von Verletzungen von Immaterialgüterrechten und knüpft dabei an das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS) der Welthandelsorganisation (WTO) an. Die Verhandlungen wurden bis zur elften und letzten Verhandlungsrunde am 2.10.2010 im Wesentlichen geheim geführt und von der Zivilgesellschaft kritisch begleitet. Es ist bekannt, dass gegenüber den ursprünglichen Entwürfen substanzielle Änderungen stattgefunden haben. Das Ergebnis der Verhandlungen liegt nunmehr in einer vorläufigen konsolidierten Textfassung vom 3.12.2010 vor. Nach wie vor werden die Regelungen des ACTA, auch in juristischen Fachkreisen, kritisiert .2 2. Rechtsnatur des ACTA 2.1. Das ACTA als völkerrechtlicher Vertrag An den Verhandlungen zu diesem Vertrag sind neben der Europäischen Union (EU) und ihren Mitgliedstaaten Australien, Japan, Kanada, Marokko, Mexiko, Neuseeland, die Schweiz, Singapur , Südkorea und die USA beteiligt. Die EU-Mitgliedstaaten haben am 14.4.2008 der EU unter Federführung der EU-Kommission ein einheitliches Mandat zum Führen von Vertragsverhandlungen erteilt. ACTA liegt nach mehreren Verhandlungsrunden nunmehr in einer vorläufigen endgültigen Fassung vor, ist jedoch noch nicht unterzeichnet. Nach seinem Inkrafttreten wird ACTA für den Beitritt weiterer Staaten offenstehen. ACTA findet keine unmittelbare Anwendung im Unionsrecht, d.h. es ist ein Umsetzungsakt erforderlich. Das ACTA ist auch strukturell nicht als „self executing treaty“ ausgestaltet, dies ergibt sich ausdrücklich aus Art. 2 Abs. 1 ACTA, der den Vertragsparteien einen Spielraum zur Umsetzung in die eigene Rechtsordnung einräumt. 1 Der Begriff des geistigen Eigentums wird im Folgenden mit Bezug auf das geltende Sekundärrecht und die Definition des ACTA neben dem Begriff des Immaterialgüterrechts verwendet. Die vorliegende Ausarbeitung enthält darüber hinaus keine Stellungnahme zur wissenschaftlichen Debatte um den Begriff geistiges „Eigentum“, insbesondere nicht zur rechtsdogmatischen Eigentumstheorie und zum Verhältnis zum Begriff des Immaterialgüterrechts . 2 Vgl. beispielsweise die „Opinion of European Academics on Anti-Counterfeiting Trade Agreement“ unter http://www.iri.uni-hannover.de/tl_files/pdf/ACTA_opinion_200111_2.pdf (Stand: 31.1.2011) – dabei handelt es sich um einen offenen Brief zu dessen Unterzeichnern insbesondere auch zahlreiche Mitarbeiter des Max- Planck-Instituts für Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht (München) zählen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 279/10 Seite 5 2.2. Das ACTA als gemischtes Abkommen Aus rechtlicher Perspektive besteht die Notwendigkeit, das ACTA als sogenanntes gemischtes Abkommen abzuschließen. Dabei wird das Abkommen in einem Bereich geschlossen, der sich sowohl auf Kompetenzbereiche der EU als auch der Mitgliedstaaten erstreckt.3 Ein solcher Fall liegt hier vor, da zwar hinsichtlich des Schutzes des geistigen Eigentums eine umfangreiche Unionskompetenz besteht (vgl. Art. 114 und 118 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sowie die handelspolitischen Kompetenzen in Art. 206 ff. AEUV), nicht aber hinsichtlich der strafrechtlichen Aspekte des ACTA, sofern nicht ausnahmsweise die Voraussetzungen der Art. 82 ff. AEUV vorliegen. Aufgrund der Rechtsnatur als gemischtes Abkommen kann der strafrechtliche Teil des ACTA aus europarechtlicher Perspektive nicht beurteilt werden, da die Kompetenz hier im Wesentlichen bei den Mitgliedstaaten liegt und materiell kein Sekundärrecht besteht. Die Durchführung von gemischten Verträgen richtet sich nach der unionsrechtlichen Kompetenzverteilung, die Mitgliedstaaten erfüllen den völkerrechtlichen Vertrag unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips selbst, soweit ihre Kompetenz reicht.4 Das ACTA ist, soweit die Abschlusskompetenz bei der EU liegt, kein reines Handelsabkommen i.S.d. Art. 207 AEUV, da es insbesondere unter dem Kapitel „Civil Enforcement“ Gegenstände erfasst, die nicht der Handelspolitik, d.h. dem Außenhandel der Union,5 unterfallen.6 Die Ermächtigung zur einheitlichen Verhandlungsführung durch die EU-Kommission bleibt hiervon unberührt. 3. Wesentlicher Inhalt des ACTA Das Ziel des ACTA besteht in der Schaffung von Verfahrensrecht zur Durchsetzung bereits bestehenden materiellen Rechts, es werden keine neuen Rechte geistigen Eigentums geschaffen (vgl. Art. 3 ACTA). Das ACTA gliedert sich in sechs Kapitel. Das erste Kapitel enthält allgemeine Vorschriften und Begriffsbestimmungen. Insbesondere werden hier wichtige Schlüsselbegriffe des Abkommens definiert, so etwa „counterfeit trademark good“ und „pirated copyright good“ und der Begriff des „right holders“. Zum Teil werden relevante Begriffe des ACTA allerdings nicht explizit definiert, hierauf wird im Folgenden für wesentliche Fälle hingewiesen. 3 Hierzu und zur Kontrolle solcher gemischter Abkommen durch den EuGH: E. Vranes, Gemischte Abkommen und die Zuständigkeit des EuGH – Grundfragen und neuere Entwicklungen in den Außenbeziehungen, in: Europarecht , 2009, S. 44 ff. 4 D. Khan, in: Geiger/ Kotzur/ Kahn, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2010, Art. 216 AEUV Rn. 16 m.w.N. 5 D. Khan, in: Geiger/ Kotzur/ Kahn, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2010, Art. 207 AEUV Rn. 2. 6 Die gemeinsame Handelspolitik (Art. 3 Abs. 1 lit. e, Art. 206 ff. AEUV) ist eine ausschließliche Unionszuständigkeit . Nach Art. 207 AEUV folgt aus der Kompetenz nach Art. 3 Abs. 1 lit. e AEUV auch eine ausschließliche völkerrechtliche Vertragsschlussfähigkeit der Union in diesem Bereich. Zu Begriff und Umfang der gemeinsamen Handelspolitik: D. Khan, in: Geiger/ Kotzur/ Kahn, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2010, Art. 207 AEUV Rn. 4 m.w.N. Da insbesondere die Regelungsgegenstände der Art. 7 ff. ACTA aber dem Bereich der klassischen Zivilrechtspflege unterfallen, fallen diese wohl aus dem Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 1 lit. e AEUV heraus. Folgerichtig wurde die für den Bereich des „Civil Enforcement“ wichtige Richtlinie 2004/48/EG auf ex. Art. 95 EGV gestützt (heute Art. 114 AEUV). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 279/10 Seite 6 Kapitel 2 (Art. 6-27 ACTA) enthält die wesentlichen Bestimmungen des ACTA bezogen auf vier Regelungsbereiche: Civil Enforcement, Border Measures, Criminal Enforcement und Enforcement in the Digital Environment. Kapitel 3 regelt allgemeine Praktiken („practices“) zur Durchführung der Bestimmungen aus Kapitel 2. Die Kapitel 4 und 5 befassen sich mit der internationalen Kooperation und Institutionalisierung bei der Durchführung des Abkommens. Kapitel 6 enthält schließlich eine Reihe von Schlussbestimmungen. Zur Übersicht über das ACTA und die einschlägigen sekundärrechtlichen Regelungen wird auf die anliegende Synopse verwiesen. 4. Vereinbarkeit mit Primärrecht 4.1. Überblick Konflikte zwischen ACTA und dem EU-Primärrecht sind insbesondere im Bereich der Grundrechte , wie sie in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtecharta, GRCh) niedergelegt sind, denkbar. Die Grundfreiheiten des Binnenmarktes sind durch das ACTA zwar betroffen (Dienstleistungs- und Warenverkehrsfreiheit), es ist aber davon auszugehen, dass die Eingriffe in die Grundfreiheiten, wie auch schon in den bestehenden, unter 5.1 genannten Sekundärrechtsnormen, rechtmäßig sind, denn der Warenverkehr und die Dienstleistungsfreiheit innerhalb des europäischen Binnenmarktes werden durch das ACTA letztlich allenfalls mittelbar tangiert. 4.2. Vereinbarkeit mit europäischen Grundrechten Die Grundrechtecharta ist für das Handeln der Union verbindlich (Art. 51 Abs. 1 GRCh). Dies schließt den Abschluss und die Umsetzung völkerrechtlicher Verträge, so auch des ACTA, ein. Eingriffe in die durch die Charta gewährleisteten Rechte sind nach Maßgabe von Art. 52 Abs. 1 GRCh nur durch oder aufgrund eines Gesetzes und insbesondere unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes möglich. Dabei darf der Wesensgehalt des Grundrechts nicht verletzt werden. Allgemein findet sich eine Anerkennung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auch in Art. 6 Abs. 2 und Abs. 3 ACTA, diese Vorschrift gilt für das gesamte Kapitel 2 des ACTA. Die Auslegung der Vorschriften der Grundrechtecharta kann um die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) (Art. 52 Abs. 3 GRCh), sowie die entsprechenden Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten (Art. 52 Abs. 4 GRCh) angereichert werden.7 4.2.1. Datenschutz Der Schutz personenbezogener Daten ist nach Art. 8 GRCh gewährleistet. Nach Art. 8 Abs. 2 GRCh ist die Erhebung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten nur für vorab genau be- 7 M. Borowsky, in: J. Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 3. Aufl. 2010, Art. 52 Rn. 29 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 279/10 Seite 7 stimmte Zwecke zulässig.8 Der personale Schutzbereich von Art. 8 GRCh erstreckt sich sowohl auf natürliche als auch auf juristische Personen.9 Auch die bloße Weitergabe von Daten stellt einen Eingriff in Art. 8 GRCh dar.10 Das ACTA trägt dem Erfordernis des Datenschutzes grundsätzlich Rechnung. Dies ergibt sich bereits aus der Generalklausel in Art. 4 Abs. 1 lit. a ACTA. Danach legen die Vertragsparteien das datenschutzrechtliche Schutzniveau bei der Umsetzung des ACTA selbst fest. Art. 4 Abs. 1 lit. c ACTA stellt klar, dass auch solche Daten geschützt sind, die die wirtschaftlichen Interessen einer betroffenen Privatpartei (etwa eines betroffenen europäischen Unternehmens) berühren. Tauschen Vertragsparteien des ACTA untereinander Daten aus, so ist diejenige Partei, die die entsprechenden Daten erhält, nach Art. 4 Abs. 2 ACTA verpflichtet, diese Daten nur für diejenigen Zwecke zu verwenden, für die die Daten weitergegeben wurden. Damit ist sichergestellt, dass die Verarbeitung der Daten i.S.d. Art. 8 Abs. 2 GRCh nur zu den vorab bestimmten Zwecken geschieht . Dieser allgemeine Grundsatz wird jedoch durch zwei Einschränkungen begrenzt. Zum einen gilt Art. 4 Abs. 2 ACTA nur für schriftlich weitergegebene Informationen, zum anderen ist die Verwendung „subject to [the party’s] law and practice“. Hierdurch könnten Einbruchsstellen in den Schutz personenbezogener Daten entstehen. Dies wird bei der Umsetzung des ACTA in europäisches Recht, insbesondere bei der unionsrechtlichen Festlegung der rechtlichen Rahmenbedingungen für den Datenaustausch mit anderen Vertragsparteien, zu berücksichtigen sein.11 Darüber hinaus kann das zu errichtende ACTA-Committee die Praxis der Datenverwendung durch die einzelnen Vertragsparteien überwachen und so auf ein entsprechend hohes Datenschutzniveau hinwirken. Ferner wäre ein klarstellender Hinweis, dass schriftliche Informationen im Sinne des Art. 4 ACTA auch elektronisch übermittelte Informationen (etwa per e-mail) einschließt , juristisch präziser.12 Dies könnte auch durch eine entsprechende unilaterale Erklärung oder ggf. einen Vorbehalt zum ACTA geschehen. Grundsätzliche Bedenken gegen das ACTA bestehen vor diesem Hintergrund aber nicht. Neben dieser Generalklausel finden sich in verschiedenen ACTA-Vorschriften speziellere Normen mit Datenschutzbezug, so insbesondere in Art. 22, Art. 27 Abs. 2, 3 und 4 ACTA. Diese unterstreichen jeweils das Datenschutzerfordernis in bestimmten Situationen, ohne jedoch ein anderes oder höheres Schutzniveau als Art. 4 ACTA zu gewährleisten. 8 Vgl. dazu beispielhaft auch Art. 12 der VO 1383/2003 vom 22.7.2003 hinsichtlich der Verwendung der von den Zollbehörden bei Maßnahmen zum Schutz von Rechten geistigen Eigentums gewonnenen personenbezogenen Daten. 9 N. Bernsdorff, in: J. Meyer, Kommentar zur Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 2003, Art. 8, Rn. 18 und Rn. 10 (einschließlich Gesetzgebungsgeschichte); H. Jarass, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 2010, Art. 8, Rn. 7. 10 H. Jarass, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 2010, Art. 8, Rn. 8 m.w.N. aus der Rechtsprechung. 11 Zum entsprechenden sekundärrechtlichen Besitzstand vgl. auch die Ausführungen des Europäischen Datenschutzbeauftragten vom 5.6.2010 (2010/C 147/01) Ziff. 69 ff. Verwiesen sei insbesondere auf Art. 25 und Art. 26 der Richtlinie 95/46/EG. 12 Dies auch vor dem Hintergrund, dass verschiedene europäische und nationale Normen zwischen klassischer Schriftform und der elektronischen Form differenzieren (vgl. etwa VO 1383/2003). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 279/10 Seite 8 Bei der Weitergabe personenbezogener Daten wird weiterhin zu berücksichtigen sein, dass die so gewonnenen Daten nach ACTA wohl auch für die Strafverfolgung Verwendung finden können. Die Möglichkeit hierzu ist jedenfalls nicht ausdrücklich ausgeschlossen und könnte sich aus Art. 29 Abs. 2 ACTA ergeben. Eine Rechtspflicht zum entsprechenden Datenaustausch enthält Art. 29 Abs. 2 ACTA jedoch nicht. Das ACTA räumt wiederum einen breiten Umsetzungsspielraum ein. Vor diesem Hintergrund ist bei der Umsetzung des ACTA besonders zu prüfen, welche Daten in dem sensiblen Bereich der Strafverfolgung an welchen Vertragsstaat außerhalb der EU herausgegeben werden können, um eine Verletzung von Art. 8 GRCh auszuschließen. 4.2.2. Eigentum Das Eigentumsgrundrecht nach Art. 17 GRCh ist insbesondere insofern betroffen, als dass das ACTA an verschiedenen Stellen vorsieht, Gegenstände, die Immaterialgüterrechte Anderer verletzen , entschädigungslos einzuziehen und/oder zu vernichten. Dabei ist präzise zwischen dem Eigentum an dem betroffenen Gegenstand einerseits und dem betroffenen Immaterialgüterrecht andererseits zu unterscheiden. Nur hinsichtlich des Eigentums an dem der Einziehung und/oder Vernichtung unterliegenden Gegenstand (etwa einem gefälschten Kleidungsstück oder einer CD) wird Art. 17 GRCh überhaupt relevant. Die Einziehung und/oder Vernichtung des betroffenen Gegenstandes stellt einen Eingriff in die Rechte des Eigentümers dar. Dieser kann jedoch damit gerechtfertigt werden, dass dem Inverkehrbringen des Gegenstandes das Immaterialgüterrecht des Dritten entgegensteht, denn gefälschte Markenkleidung oder ein unrechtmäßig kopierter Tonträger können nie in den Verkehr kommen, ohne das Immaterialgüterrecht des betroffenen Dritten zu verletzen. Problematisch ist die Einziehung/Vernichtung allerdings in Fällen, in denen ein markenrechtlicher Verstoß durch Auswechseln der Verpackung oder Ablösen des angebrachten Markenzeichens behoben werden könnte. Das ACTA legt auch für diese Fälle einen strengen Maßstab an. Regelmäßig sind auch diese Gegenstände einzuziehen und zu vernichten (Art. 10 Abs. 1 ACTA). Eine Kompensation für den Eigentumsverlust an dem eingezogenen Gegenstand findet nicht statt. Art. 10 Abs. 3 der Richtlinie 2004/48/EG trägt hier stärker dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung. Grundsätzlich legt aber auch die Richtlinie einen relativ strengen Maßstab an. Berücksichtigt man die allgemeine Verhältnismäßigkeitsklausel des Art. 6 Abs. 2 und Abs. 3 ACTA, ist Art. 10 Abs. 1 ACTA durchaus mit dem bereits geltenden Sekundärrecht vergleichbar. Ein offenbarer Verstoß gegen Art. 17 GRCh besteht nicht. 4.2.3. Strafrechtliche Grundrechtsgarantien und Verfahrensgrundrechte Die Umsetzung des strafrechtlichen Teils des ACTA obliegt letztlich den Mitgliedstaaten. Dennoch besteht eine primärrechtliche Relevanz jedenfalls über Art. 2 EUV, der auch den Schutz der Menschenrechte einschließt. Die in Art. 2 EUV genannten Werte binden gerade auch die Mitgliedstaaten , wie sich aus Art. 7 EUV ergibt.13 Im Übrigen ist die Wirkung der Grundrechtecharta auf gemischte Abkommen weitgehend ungeklärt.14 Da sich die Union ebenso wie die Mitgliedstaaten zu den Grundrechten, wie sie sich in der Europäischen Menschenrechtskonvention wiederfinden , bekennen und da die EMRK-Rechte parallel zu den Grundrechten der Grund- 13 R. Geiger, in: Geiger/ Kotzur/ Kahn, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2010, Art. 2 EUV Rn. 6 ff. 14 Vgl. M. Borowsky, in: J. Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 3. Aufl. 2010, Art 51 Rn. 16 mit einer Präferenz für einen auch hier weiten Anwendungsbereich der Grundrechtecharta. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 279/10 Seite 9 rechtecharta zu verstehen sind, ist jedenfalls knapp auch auf die strafrechtlichen Grundrechtsgarantien einzugehen und zu prüfen, ob durch das ACTA schwerwiegende Verletzungen (Art. 7 EUV) der betreffenden Grundrechtsgarantien drohen. Die Strafbewehrung der Verletzung von Immaterialgüterrechten, wie sie das ACTA vorsieht, ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. Bei der strafrechtlichen Sanktionierung ist jedoch nach Art. 49 Abs. 3 Grundrechtecharta der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten, dies schließt den Grundsatz ein, dass die Schuld des Täters Ausgangspunkt für das konkrete Strafmaß sein muss. 15 Art. 24 ACTA benennt das Verhältnismäßigkeitsgebot und das Schuldprinzip zwar nicht ausdrücklich, neben den in Art. 24 ACTA genannten Strafzwecken ist das Verhältnismäßigkeitsgebot aufgrund von Art. 6 Abs. 2 und Abs. 3 ACTA aber maßgeblich zu berücksichtigen. Auch im übrigen bestehen im Hinblick auf grundrechtliche Verfahrensgarantien, insbesondere das Gebot der Verfahrensfairness und des rechtlichen Gehörs (vgl. Art. 47 GRCh)16, keine durchgreifenden Bedenken. Diese Verfahrensgarantien spielen insbesondere im Rahmen des „Civil Enforcement“ nach Art. 7 ff. ACTA eine Rolle. So fordert das ACTA zwar die Möglichkeit, in Zivilverfahren in Rechtspositionen ohne vorherige Anhörung der betroffenen Partei einzugreifen (vgl. etwa Art. 12 Abs. 2 ACTA), knüpft dies jedoch an strenge Voraussetzungen, insbesondere die vorherige Erbringung einer Sicherheitsleistung (ebenda Abs. 4). Darüber hinaus sollen die Vertragsparteien Maßnahmen ohne vorherige Anhörung nur „where appropriate“ ergreifen. ACTA nennt dazu zwei Regelbeispiele: die Gefahr unabwendbarer Nachteile und Maßnahmen zur Beweissicherung. Diese unterstreichen die grundsätzlich enge Auslegung von Art. 12 Abs. 2 ACTA. Neben diesen kursorischen Erwägungen kann eine abschließende Bewertung der strafrechtlichen Vorschriften des ACTA – wie eingangs dargelegt – hier nicht vorgenommen werden, da ihre Umsetzung nicht in den Kompetenzbereich der EU fällt. 4.3. Bewertung Insgesamt stellt sich das ACTA als unproblematisch im Hinblick auf das EU-Primärrecht dar. Bei der Umsetzung ist, sofern Anpassungen des Sekundärrechts erfolgen, darauf zu achten, dass sie möglichst grundrechtsschonend vorgenommen werden. Grundrechtlich besonders sensibel wird der Bereich des Datenschutzes bei der Weitergabe von Informationen an andere Vertragsparteien außerhalb der EU sein, wobei das ACTA grundsätzlich die Notwendigkeit eines hohen Datenschutzniveaus akzeptiert und die individuellen Datenschutzvorschriften der Vertragsparteien respektiert. 15 H. Jarass, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 2010, Art. 49 Rn. 16; H.-J. Blanke, in: Calliess/ Ruffert , EUV/EGV, 3. Aufl. 2007, Art. 49 GRCh Rn. 6, jeweils m.w.N. zur Rechtsprechung des EuGH. 16 A. Eser, in: J. Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 3. Aufl. 2010, Art. 47 Rn. 34 ff. m.w.N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 279/10 Seite 10 5. Bestehende sekundärrechtliche Rechtsakte 5.1. Überblick Wesentliche Bestimmungen des ACTA finden sich bereits in verschiedenen Sekundärrechtsakten der EU als geltendes Unionsrecht. Als relevante Rechtsakte sind insbesondere zu nennen: Verordnung (EG) Nr. 1383/2003 vom 22.7.200317, Richtlinie 2000/31/EG vom 8.6.200018, Richtlinie 2004/48/EG vom 29.4.200419 und Richtlinie 2001/29/EG vom 22.5.200120. Das ACTA und die bereits geltenden Sekundärrechtsnormen sind zum Teil nahezu wortgleich. Zum Teil enthält das ACTA Rechtsbegriffe, die sich zwar inhaltlich mit dem geltenden europäischen Recht decken, die aber von der in der EU gebräuchlichen Terminologie abweichen. So spricht das ACTA etwa, ebenso wie Art. 51 TRIPS21, von „pirated copyright goods“, während sich in der englischen Fassung der Richtlinie 1383/2003 der Begriff „pirated goods“ und in der deutschen Sprachfassung der Begriff der „unerlaubt hergestellten Ware“ findet. Es besteht keine Pflicht, die existierende Terminologie des europäischen Sekundärrechts an das ACTA anzupassen . Vielmehr wird bei der Umsetzung des ACTA in das Unionsrecht darauf zu achten sein, die inhaltlich identischen Begriffe des ACTA an die bestehende Terminologie des Unionsrechts anzupassen . 5.2. Die Regelungen im Einzelnen 5.2.1. Kapitel 2, Abschnitt 2 ACTA (Civil Enforcement) Der Abschnitt Civil Enforcement regelt die zivilrechtliche und zivilgerichtliche Durchsetzung von Ansprüchen gegen mögliche Verletzungen geistigen Eigentums (Immaterialgüterrechte). Der 17 VERORDNUNG (EG) Nr. 1383/2003 DES RATES vom 22. Juli 2003 über das Vorgehen der Zollbehörden gegen Waren, die im Verdacht stehen, bestimmte Rechte geistigen Eigentums zu verletzen, und die Maßnahmen gegenüber Waren, die erkanntermaßen derartige Rechte verletzen http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2003:196:0007:0014:DE:PDF (Stand: 27.01.2011). 18 RICHTLINIE 2000/31/EG DES EUROPA¨ ISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs , im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2000:178:0001:0016:DE:PDF (Stand: 27.01.2011). 19 RICHTLINIE 2004/48/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2004:195:0016:0025:DE:PDF (Stand: 27.01.2011). 20 RICHTLINIE 2001/29/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2001:167:0010:0019:DE:PDF (Stand: 27.01.2011). 21 Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 279/10 Seite 11 Begriff des geistigen Eigentums i.S.d. ACTA ist deckungsgleich mit der Definition des TRIPS (Art. 5 lit. h ACTA). Die in diesem Abschnitt getroffenen Regelungen des ACTA stimmen im Wesentlichen mit der Richtlinie 2004/48/EG überein. Das ACTA sieht insbesondere vor: gerichtliche Anordnungen bei der Verletzung von Rechten geistigen Eigentums, Schadenersatzansprüche, weitere Sanktionen, die Herausgabe von Informationen über die Rechtsverletzung und die Person des Rechtsverletzers sowie einstweiligen Rechtsschutz. Vor dem Hintergrund der großen Übereinstimmungen mit dem EU-Sekundärrecht ist davon auszugehen , dass zur Umsetzung des ACTA keine oder nur unwesentliche Anpassungen des geltenden Sekundärrechts erforderlich sind. Die in Abschnitt 2 (Civil Enforcement) getroffenen Regelungen des ACTA erscheinen ausgewogen und verhältnismäßig. Bei der Umsetzung des ACTA gewähren insbesondere hinsichtlich des „Civil Enforcement“ Art. 2 Abs. 1 und Art. 4 ACTA ausreichenden Spielraum für die Anwendung bestehenden sekundären Unionsrechts. Wiederum im Hinblick auf bestehendes Datenschutzrecht ist allerdings auf Artikel 11 ACTA einzugehen . Die Vorschrift sieht vor („shall“), dass die Vertragsparteien des ACTA die nationalen Gerichte ermächtigen, relevante Informationen an den Rechteinhaber (also einen privaten Dritten ) über die Umstände der Rechtsverletzung, einschließlich personenbezogener Daten, weiterzugeben . Die Vertragsparteien haben bei der Ausgestaltung der Weitergabe und der Auswahl der betroffenen Informationen und Daten einen breiten Gestaltungsspielraum („may“). Sie dürfen Art. 11 ACTA aber dabei nicht „leerlaufen“ lassen. Sekundärrechtlich finden sich entsprechende Regelungen bereits in Art. 8 der Richtlinie 2004/48, sie knüpfen dabei insbesondere an das Vorliegen einer Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß an. Dies dürfte im Hinblick auf Art. 11 ACTA zulässig sein. 5.2.2. Kapitel 2, Abschnitt 3 ACTA (Border Measures) Der Abschnitt Border Measures regelt Maßnahmen zur Überwachung und Kontrolle der Wareneinfuhr und -ausfuhr im Hinblick auf mögliche Verletzungen geistigen Eigentums. Die in diesem Abschnitt getroffenen Regelungen des ACTA stimmen im Wesentlichen mit der Verordnung 1383/2003 überein. Das ACTA sieht insbesondere vor: Zurückhaltung von Waren durch die Zollbehörden , den Informationsaustausch zwischen Zollbehörden und Rechteinhaber, das Recht der Rechteinhaber zur Antragstellung auf behördliches Einschreiten, Sicherheitsleistung, Einziehung von Waren und Gebühren. Von der Anwendung des Abschnitts können die Vertragsstaaten das persönliche Gepäck von Reisenden nach Art. 14 Abs. 2 ACTA ausnehmen. Dies entspricht der Regelung in Art. 3 Abs. 2 VO 1383/2003, so dass nach Abschluss des ACTA in der EU auch weiterhin keine Kontrolle von persönlichem Gepäck auf Gegenstände, die Immaterialgüterrechte verletzen, geboten ist. Maßnahmen der Grenzüberwachung nach ACTA betreffen die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Waren . Diese Maßnahmen erfolgen entweder auf eigene Initiative der Zollbehörden oder auf Antrag eines Rechteinhabers (Art. 16 ACTA). Hinsichtlich der Durchfuhr von Waren ist Art. 16 ACTA optional („may adopt“). Form, Umfang und Bearbeitung des Antrages müssen den in Art. 17 ACTA genannten Voraussetzungen entsprechen. Diesen Voraussetzungen genügen die bestehenden Regelungen in Art. 5 ff. VO 1383/2003. Insbesondere wird der Zugang zu den Zollbehörden nicht i.S.d. Art. 17 Abs. 1 ACTA unzulässig erschwert, den Anforderungen des Art. 17 Abs. 3 ACTA wird insbesondere durch Art. 5 Abs. 7 der Verordnung entsprochen. Art. 5 Abs. 8 VO Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 279/10 Seite 12 1383/2003 dürfte bei ermessensfehlerfreier Anwendung im Hinblick auf das ACTA ebenfalls unproblematisch sein. Art. 18 ACTA sieht die Erbringung einer Sicherheitsleistung durch den Antragsteller (Rechteinhaber ) zu Gunsten des Antragsgegners vor. Nur in Ausnahmefällen oder aufgrund gerichtlicher Anordnung soll – umgekehrt – sich der Antragsgegner (regelmäßig der Eigentümer/Besitzer) durch eine Sicherheitsleistung wieder in den Besitz der Sache bringen dürfen. Diesen Anforderungen dürfte Art. 14 VO 1383/2003 genügen. Die von dem Antragsteller nach Art. 6 der VO 1383/2003 abzugebende Erklärung scheint jedoch hinter dem Schutzniveau des ACTA zurückzubleiben , da die Verordnung gerade keine Sicherheitsleistung22 des Antragstellers vorschreibt. Hier besteht möglicherweise ein Bedarf zur Anpassung des Unionsrechts zu Gunsten des Antragsgegners (Eigentümers/Besitzers). Hinsichtlich des Verfahrens zur Feststellung, ob tatsächlich eine Verletzung von Immaterialgüterrechten vorliegt (Art. 19 ACTA), bestehen keine Bedenken. 5.2.3. Kapitel 2, Abschnitt 4 ACTA (Criminal Enforcement) Der Abschnitt zur Strafbewehrung enthält im Wesentlichen Vorschriften, die in den Kompetenzbereich der Mitgliedstaaten fallen und europarechtlich daher nicht relevant sind. Zur Vollständigkeit sei allerdings darauf hingewiesen, dass das Sekundärrecht bereits jetzt von den Mitgliedstaaten die (auch) strafrechtliche Sanktionierung bei Verletzung von Immaterialgüterrechten fordert (vgl. dazu die Synopse in der Anlage). 5.2.4. Kapitel 2, Abschnitt 5 ACTA (Digital Environment) Die Vertragsparteien sind nach ACTA verpflichtet, das Schutzniveau nach Abschnitt 2 und 4 auch im Bereich der digitalen Kommunikation („Digital Environment“) sicherzustellen. Der Begriff der „Digital Environment“ wird nicht definiert, aber in Art. 27 ACTA hinreichend beschrieben . Insofern bestehen hinsichtlich der für die Umsetzung des Abkommens notwendigen Bestimmtheit der Vertragsvorschriften des ACTA keine durchgreifenden Bedenken. Gleichwohl wäre eine Klarstellung hinsichtlich der Reichweite des Begriffs „Digital Environment“ sinnvoll. Die in Art. 27 ACTA vorgesehenen Regelungen entsprechen im Wesentlichen dem Stand des EU- Sekundärrechts, insbesondere den Vorschriften der Richtlinie 2001/29/EG. Hierzu kann auf den Text der anliegenden Synopse verwiesen werden. Insbesondere ist hervorzuheben, dass Maßnahmen nach Art. 27 Abs. 2 ff. ACTA jeweils in besonderer Weise der Meinungsfreiheit, dem Grundrecht auf ein faires Verfahren und allgemein dem Schutz der Privatsphäre verpflichtet sind. Explizit erwähnt Art. 27 Abs. 6 ACTA das Verbot, technische Vorrichtungen zum Schutz digitaler Inhalte zu umgehen und entsprechende Produkte zur Umgehung solcher Vorrichtungen anzubieten. Die Anforderungen des ACTA gehen auch hier nicht über diejenigen des geltenden sekundären Unionsrechts hinaus. Für den Bereich der von den Mitgliedstaaten umzusetzenden strafrechtlichen Vorschriften nach Art. 27 Abs. 6 ACTA wird jedoch in besonderem Maße das oben bereits angesprochene Verhältnismäßigkeitsgebot zu beachten sein.