© 2016 Deutscher Bundestag PE 6 – 3000 – 215/14 Unionsrechtskonformität des Entwurfs eines neuen § 2b Umsatzsteuergesetz (§ 2b UStG-E) Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitungen und andere Informationsangebote des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung P, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 215/14 Seite 2 Unionsrechtskonformität des Entwurfs eines neuen § 2b Umsatzsteuergesetz (§ 2b UStG-E) Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 215/14 Abschluss der Arbeit: 22.01.2015 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 215/14 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung und Fragestellung 4 2. § 2b UStG-E und die derzeitige Rechtslage nach deutschem und Unionsrecht 5 3. Unionsrechtskonformität des § 2b UStG-E 6 3.1. Im Lichte der Rechtsprechung zu Art. 13 MwStSyst-RL 7 3.1.1. Unionsrechtsprechung zu Art. 13 MwStSyst-RL und dem Merkmal „größere Wettbewerbsverzerrungen“ 8 3.1.1.1. Zulässigkeit einer konkretisierenden legislativen Ausgestaltung 8 3.1.1.2. Wettbewerb und relevanter Markt 9 3.1.1.3. Größere Wettbewerbsverzerrungen 11 3.1.2. § 2b Abs. 2 und 3 UStG-E im Lichte der Rechtsprechungsvorgaben 12 3.1.2.1. § 2b Abs. 2 Nr. 1 UStG-E: Umsatzgrenze 12 3.1.2.2. § 2b Abs. 2 Nr. 2 UStG-E: Steuerbefreite Leistungen ohne Recht auf Verzicht 13 3.1.2.3. § 2b Abs. 3 Nr. 1 UStG-E: Leistung darf nur von jurPersÖR erbracht werden 13 3.1.2.4. § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG-E: Durch gemeinsame spezifische öffentliche Interessen bestimmte inter-state-Zusammenarbeit 14 3.1.2.4.1. Kriterien unter Buchstaben a) und b) 14 3.1.2.4.2. Buchstabe c) – Kriterium der Kostenerstattung 15 3.1.2.4.3. Buchstabe d) – Kriterium der Wesentlichkeit 15 3.1.2.4.4. Zusammenfassende Bewertung der Konkretisierung in § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG-E 15 3.1.3. Zwischenergebnis 16 3.2. § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG-E und die Übertragung vergaberechtlicher Maßstäbe 16 3.2.1. Betroffene Konstellationen vergaberechtlicher Ausnahmen 18 3.2.2. Institutionalisierte interkommunale Zusammenarbeit 20 3.2.2.1. Begründung und Voraussetzungen nach Vergaberecht 20 3.2.2.2. Eignung für die Konkretisierung des Merkmals der größeren Wettbewerbsverzerrungen 22 3.2.3. Nicht-institutionalisierte interkommunale Zusammenarbeit 24 3.2.3.1. Begründung und Voraussetzungen nach Vergaberecht 24 3.2.3.2. Eignung für die Konkretisierung des Merkmals der größeren Wettbewerbsverzerrungen 28 4. Zusammenfassung 30 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 215/14 Seite 4 1. Einleitung und Fragestellung Die umsatzsteuerliche Behandlung der öffentlichen Hand ist in Deutschland in § 2 Abs. 3 UStG geregelt. Diese Vorschrift soll in Kürze geändert und ein neuer § 2b UStG eingeführt werden. Dieser liegt dem Verfasser in einer unbegründeten Entwurfsfassung vor (im Folgenden: § 2b UStG-E), die ihm von Seiten des Auftraggebers zur Verfügung gestellt wurde. Grund für die vorgeschlagene Änderung ist wohl u. a. eine Anpassung an die unionsrechtlichen Vorgaben in der sog. Mehrwertsteuersystem-Richtlinie1 (im Folgenden: MwStSyst-RL). Die derzeitige Regelung in § 2 Abs. 3 UStG ist nach Wortlaut und Systematik nicht mit Art. 13 MwSt- Syst-RL vereinbar, der die Steuerpflichtigkeit bzw. Freistellung der öffentlichen Hand anderen Voraussetzungen unterwirft.2 Dem Auseinanderfallen des deutschen Rechts mit unionsrechtlichen Vorgaben ist der Bundesfinanzhof (BFH) bisher durch eine richtlinienkonforme Auslegung des § 2 Abs. 3 UStG begegnet.3 Gleichwohl bestehen auf Ebene der Finanzverwaltungen weiterhin Vollzugsdefizite bei der Umsetzung der BFH-Rechtsprechung.4 Mit Blick auf die daraus resultierenden Rechtsunsicherheiten hatte der Bundesrechnungshof bereits 2004 in einem Bericht die Herstellung einer unionsrechtskonformen Rechtslage angemahnt und Vorschläge unterbreitet.5 Vor diesem Hintergrund wird der Fachbereich darum ersucht, die Europarechtskonformität des von Seiten der Finanzministerkonferenz vorgeschlagenen § 2b UStG-E zu prüfen. Von besonderem Interesse für den Auftraggeber ist dabei die darin enthaltene Regelung zur Umsatzsteuerbefreiung für Leistungen, die zwischen zwei juristischen Personen des öffentlichen Rechts erbracht werden (insbesondere § 2b Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 UStG-E). Praktische Bedeutung hat dieser Tatbestand vor allem für die sog. interkommunale Zusammenarbeit von Gemeinden und Landkreisen auf Ebene der Bundesländer.6 1 Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, ABl.EU 2006 Nr. L 347/1, konsolidierte (unverbindliche) Fassung online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02006L0112-20140101&qid=1419266137094&from=DE – letztmaliger Abruf am 15.02.16. 2 Siehe hierzu Schmitz/Möser, Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand, UR 2014, S. 607 (608 f.). 3 Vgl. dazu Schmitz/Möser, Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand, UR 2014, S. 607 (609 f.), mit Nachweisen. 4 Siehe Nachweise bei Schmitz/Möser, Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand, UR 2014, S. 607 (610 f.). 5 Bundesrechnungshof, Umsatzsteuerliche Behandlung der öffentlichen Hand – Vorschläge für eine EG-konforme Besteuerung juristischer Personen des öffentlichen Rechts, Bericht nach § 99 BHO, 2. November 2004, siehe etwa Schlussbemerkungen auf S. 42; online abrufbar unter https://www.bundesrechnungshof.de/de/veroeffentlichungen /sonderberichte/langfassungen/2004-sonderbericht-umsatzsteuerliche-behandlung-der-oeffentlichenhand -2013-vorschlaege-fuer-eine-eg-konforme-besteuerung-juristischer-personen-des-oeffentlichen-rechts- 2013/view (letztmaliger Abruf am 15.02.16). 6 Vgl. dazu etwa Englisch, Umsatzsteuerpflicht bei interkommunaler Kooperation, UR 2013, S. 570 ff.; Pithan, Umsatzbesteuerung bei interkommunaler Zusammenarbeit, DStZ 2014, S. 205 ff.; Suck, Zukunft von Beistandsleistungen unter umsatzsteuerrechtlichen Aspekten, UR 2013, S. 205 ff. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 215/14 Seite 5 Im Folgenden wird zunächst der Regelungsgehalt des § 2b UStG-E vor dem Hintergrund der geltenden Regelungen in § 2 Abs. 3 UStG einerseits und Art. 13 MwStSyst-RL andererseits dargestellt (siehe unter 2.). Hiervon ausgehend wird dann die Unionsrechtskonformität des § 2b UStG- E untersucht (siehe unter 3.). Die Ausarbeitung schließt mit einem zusammenfassenden Ergebnis (siehe unter 4.). 2. § 2b UStG-E und die derzeitige Rechtslage nach deutschem und Unionsrecht Nach der geltenden Rechtslage im deutschen Recht besteht eine Umsatzsteuerpflicht juristischer Personen des öffentlichen Rechts (jurPersÖR) grundsätzlich nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art und ihrer land- oder forstwirtschaftlichen Betriebe (vgl. § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG7). Für die Voraussetzungen, unter denen insbesondere ein Betrieb gewerblicher Natur einer jurPersÖR anzunehmen ist, verweist diese Vorschrift ausdrücklich auf § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 Körperschaftssteuergesetz (KStG). Art. 13 MwStSyst-RL weist demgegenüber andere Anknüpfungen für die Steuerpflichtigkeit bzw. Freistellung der öffentlichen Hand auf. Entscheidendes Kriterium ist nach Abs. 1 UAbs. 1 der Richtlinie zunächst die Art der Tätigkeit. Handelt es sich um eine solche, die der jurPersÖR im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegt, so gilt sie als nicht steuerpflichtig, auch wenn dabei irgendeine Art von Abgabe erhoben wird. Hiervon besteht allerdings in Abs. 1 UAbs. 2 eine Ausnahme . Sie steht unter der Voraussetzung, dass eine Behandlung der jurPersÖR als nichtsteuerpflichtig zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde. In einem solchen Fall lebt die Steuerpflichtigkeit wieder auf. Wann „größere Wettbewerbsverzerrungen“ anzunehmen sind, wird in der MwStSyst-RL jedoch nicht weiter definiert.8 § 2b UStG-E orientiert sich an Art. 13 Abs. 1 MwStSyst-RL und übernimmt in seinem ersten Absatz im Wesentlichen den Wortlaut der genannten Richtlinienbestimmung.9 In den Absätzen 2 und 3 der vorgeschlagenen Regelung finden sich sodann negativ formulierte Konkretisierungen des Merkmals „größere Wettbewerbsverzerrungen“: § 2b Abs. 2 Nr. 1 UStG-E knüpft dabei an eine Umsatzgrenze von kalenderjährlich 17.500 EUR und § 2b Abs. 2 Nr. 2 UStG-E an vergleichbare, auf privatrechtlicher Grundlage erbrachte Leis- 7 § 2 Abs. 3 Satz 2 UStG enthält eine Aufzählung von Tätigkeiten die – auch wenn die Voraussetzungen des Satzes 1 dieses Absatzes nicht gegeben sind – in jedem Fall als gewerbliche oder berufliche und damit als steuerpflichtige gelten. Sie spielen vorliegend keine Rolle und werden nicht weiter behandelt. 8 In Art. 13 Abs. 1 UAbs. 3 MwStSys-RL ist daneben noch geregelt, dass für bestimmte in Anhang I der Richtlinie aufgeführte Tätigkeiten in jedem Fall eine Steuerpflichtigkeit besteht, sofern der Umfang dieser Tätigkeiten nicht unbedeutend ist. Die darüber erfassten Konstellationen spielen für die vorliegende Ausarbeitung keine Rolle und werden im Folgenden nicht weiter behandelt. Gleiches gilt für Art. 13 Abs. 2 MwStSys-RL, wonach die Mitgliedstaaten bestimmte, nach gesonderten Artikeln von der Mehrwertsteuer befreite Leistungen als Tätigkeiten behandeln können, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen. 9 Der hier nicht weiter relevante § 2b Abs. 4 UStG-E übernimmt die in dem derzeitigen § 2 Abs. 3 Satz 2 UStG aufgeführten Tätigkeiten, die in jedem Fall stets der Umsatzsteuerpflicht unterliegen (vgl. Fn. 7). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 215/14 Seite 6 tungen an, die ohne Recht auf Verzicht einer Steuerbefreiung unterliegen. In diesen beiden Fällen ist nach dem Entwurf von dem Fehlen größerer Wettbewerbsverzerrungen und damit vom Nichtbestehen der Mehrwertsteuerpflicht auszugehen. § 2b Abs. 3 UStG-E gestaltet den Begriff der größeren Wettbewerbsverzerrung hingegen für Situationen aus, in denen Leistungen zwischen zwei juristischen Personen des öffentlichen Rechts erbracht werden (sog. inter-state-Zusammenarbeit10), und sieht insoweit zwei Fälle vor: Nach Nr. 1 dieser Vorschrift liegen keine größeren Wettbewerbsverzerrungen vor, wenn es sich um Leistungen handelt, die aufgrund gesetzlicher Bestimmungen nur von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts erbracht werden dürfen. Der andere, im Mittelpunkt des Auftraggeberinteresses stehende Fall in § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG-E verneint für eine Zusammenarbeit das Vorliegen größeren Wettbewerbsverzerrungen, wenn die Kooperation durch gemeinsame spezifische öffentliche Interessen bestimmt wird. Das ist nach Satz 2 „regelmäßig der Fall“, wenn die folgenden, kumulativ zu erfüllenden Merkmale gegeben sind: a) die Leistung beruht auf langfristigen öffentlich-rechtlichen Vereinbarungen, b) die Leistung dient dem Erhalt der öffentlichen Infrastruktur und der Wahrnehmung einer allen Beteiligten obliegenden öffentlichen Aufgabe, c) die Leistung wird ausschließlich gegen Kostenerstattung erbracht und d) der Leistende wird im Wesentlichen für andere juristische Personen des öffentlichen Rechts tätig. Aus der Verwendung des Zusatzes „regelmäßig“ in Satz 2 ist zu schließen, dass der in § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG-E erfasste Fall einer durch gemeinsame spezifische öffentliche Interessen bestimmten Zusammenarbeit auch durch andere gleichartige Fälle erfüllt werden kann, die im Zusatz nicht ausdrücklich genannt werden.11 Aus der Gegenüberstellung von § 2b Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 UStG-E wird zudem deutlich, dass die inter-state-Konstellation in Nr. 2 in jedem Fall Leistungen umfasst, die auch von Privaten erbracht werden können. 3. Unionsrechtskonformität des § 2b UStG-E Anlass zur Prüfung der Unionsrechtskonformität des § 2b UStG-E besteht nur insoweit, als er über den Wortlaut des Art. 13 Abs. 1 MwStSyst-RL hinausgeht. Wie soeben beschrieben, betrifft dies nur die Absätze 2 und 3 des Entwurfs, die negativ formulierte Konkretisierungen zum Merkmal „größere Wettbewerbsverzerrungen“ enthalten. 10 Dieser Begriff umfasst die interkommunale Zusammenarbeit, ist hierauf jedoch nicht beschränkt. 11 Vgl. zur gesetzestechnischen Bedeutung derartiger Zusätze das Handbuch der Rechtsförmlichkeit, BMJ, 3. Auflage 2008, Teil B, 1.5. Besondere Hinweise zur Wortwahl, Rn. 88 (online abrufbar unter http://hdr.bmj.de/sitemap .html – letztmaliger Abruf am 15.02.16). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 215/14 Seite 7 Ausgangspunkt für eine Beurteilung der beiden Absätze auf ihre Vereinbarkeit mit Unionsrecht ist die Rechtsprechung des EuGH zu Art. 13 MwStSyst-RL (siehe unter 3.1.). Im Fall des § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG-E wird ergänzend das Vergaberecht herangezogen. Dieses befreit nämlich unter bestimmten Voraussetzungen öffentliche Aufträge zwischen Einrichtungen des öffentlichen Rechts von der Ausschreibungspflicht (siehe unter 3.2.). In der Reformdiskussion werden daher Anlehnungen an das Vergaberecht immer wieder in Betracht gezogen.12 Und auch der hier im Raum stehende Regelungsentwurf nimmt diese Ausnahmen von seinem Wortlaut her in der genannten Variante auf.13 3.1. Im Lichte der Rechtsprechung zu Art. 13 MwStSyst-RL Der Großteil der bisher zur Mehrwertsteuerpflichtigkeit jurPersÖR ergangenen Urteile beruht auf der sog. Sechsten Richtlinie aus dem Jahre 1977, die am 1. Januar 2007 durch die jetzt geltende Mehrwertsteuersystem-Richtlinie ersetzt wurde.14 Art. 13 Abs. 1 MwStSyst-RL entspricht jedoch wortgleich der damals einschlägigen Richtlinienbestimmung15, so dass die Rechtsprechung ohne weiteres auf die derzeitige Rechtslage und die hier interessierende Fragestellung übertragbar ist. Betrachtet werden die einschlägigen Urteile nur insoweit, als sie auf das durch die Absätze 2 und 3 des § 2b UStG-E konkretisierte Merkmal der „größeren Wettbewerbsverzerrungen“ Bezug nehmen . In Übereinstimmung mit § 2b Abs. 1 Satz 1 UStG-E wird somit unterstellt, dass die betreffenden jurPersÖR jeweils Tätigkeiten ausüben, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen .16 Hierbei handelt es sich um die in Art. 13 Abs. 1 MwStSyst-RL genannte Grundvoraussetzung für die ausnahmsweise Freistellung jurPersÖR von der Mehrwertsteuerpflicht. Nur dann kommt die Anwendung der auf dieser Voraussetzung beruhenden Rückausnahme der Mehrwertsteuerpflichtigkeit bei Bestehen größerer Wettbewerbsverzerrungen in Betracht. 12 Englisch, Umsatzsteuerpflicht bei interkommunaler Kooperation, UR 2013, 570 (575); vgl. auch Schmitz/Möser, Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand, UR 2014, S. 607 (613 f.). 13 Schmitz/Möser, Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand, UR 2014, S. 607 (613 f.) für § 2b Abs. 3 Nr. 1 und 2 UStG-E; Pithan, Umsatzbesteuerung bei interkommunaler Zusammenarbeit, DStZ 2014, 205 (215). 14 Sechste Richtlinie des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern — Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage , ABl.EG 1977 Nr. L 145/1 – letzte konsolidierte Fassung online abrufbar unter http://eur-lex.europa .eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:01977L0388-20060101&qid=1419341621184&from=DE – letztmaliger Abruf am 15.02.16). 15 Vgl. Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie (Fn. 14). Siehe auch Suck, Zukunft von Beistandsleistungen unter umsatzsteuerrechtlichen Aspekten, UR 2013, 205 (208). 16 Vgl. zu diesem Merkmal und seinem Verständnis: EuGH, Urt. v. 17.10.1989, verb. Rs. 231/87 u. 129/88 (Comune di Carpaneto Piacentino), Rn. 9 ff.; EuGH, Urt. v. 14.12.2000, Rs. C-446/98 (Fazenda Pública), Rn.14 ff. Danach ist entscheidend, ob die an sich wirtschaftliche Tätigkeit auf Grundlage oder in den Formen des nur für sie geltenden (öffentlichen) Rechts oder – wie Private – auf Grundlage und in den Formen des Privatrechts erfolgt. Nur im ersten Fall ist von einem Tätigwerden im Rahmen des öffentlichen Rechts auszugehen. Keine Bedeutung haben demgegenüber der Gegenstand oder die Zielsetzung der Tätigkeit der jurPersÖR. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 215/14 Seite 8 3.1.1. Unionsrechtsprechung zu Art. 13 MwStSyst-RL und dem Merkmal „größere Wettbewerbsverzerrungen “ Bevor auf die einschlägigen Entscheidungen und ihre Vorgaben eingegangen wird, ist hinsichtlich der Konkretisierungen in § 2b Abs. 3 UStG-E eingangs festzuhalten, dass bisher – soweit ersichtlich – keine Urteile vorliegen, in denen das Tatbestandsmerkmal der größeren Wettbewerbsverzerrungen im Rahmen einer inter-state-Zusammenarbeit rechtlich gewürdigt wurde. Gegenstand der Rechtssachen waren allein Leistungserbringungen zwischen jurPersÖR und Privaten. 3.1.1.1. Zulässigkeit einer konkretisierenden legislativen Ausgestaltung Dessen ungeachtet gilt es zunächst zu klären, ob das Tatbestandsmerkmal einer konkretisierenden Ausgestaltung durch den mitgliedstaatlichen Gesetzgeber offen steht. Zwar hat der Gerichtshof in zwei Entscheidungen ausgeführt, dass das Kriterium der größeren Wettbewerbsverzerrung von den Mitgliedstaaten nur beachtet werden muss. Diese sind aber nicht verpflichtet, es wörtlich ins nationale Recht zu übernehmen oder quantitative Grenzen für die Behandlung als Nichtsteuerpflichtige festzulegen.17 Hieraus folgt aber nicht, dass den Mitgliedstaaten eine Übernahme oder sogar – darüber hinausgehend – eine konkretisierende Ausgestaltung des Merkmals verboten sind. Dass letzteres zulässig ist, ergibt sich aus weiteren Entscheidungen freilich nicht ausdrücklich. Es folgt jedoch mittelbar aus der Rechtssache Fazenda Pública. In dieser hat der EuGH die Möglichkeit anerkannt, dass ein nationaler Finanzminister durch nationales Gesetz ermächtigt werden kann, festzulegen, was unter diesem Merkmal zu verstehen ist, soweit seine Entscheidungen von nationalen Gerichten überprüft werden können.18 Ist hiernach eine exekutive Konkretisierung möglich, so gilt dies erst recht für eine legislative wie im Fall des § 2b Abs. 2 und 3 UStG-E, soweit auch diese spätestens im Zuge der konkret-individuellen Anwendung der gerichtlichen Überprüfung zugänglich ist. Im Übrigen handelt es sich bei diesem Tatbestandsmerkmal um einen – in deutschen Kategorien beschrieben – unbestimmten Rechtsbegriff, der auf Auslegung angewiesen ist. Nach der Rechtsprechung des EuGH kann und muss diese in jedem Einzelfall durch nationale Gerichte erfolgen.19 Es ist vor diesem Hintergrund nicht ersichtlich, warum eine konkretisierende Auslegung nicht auch (bereits) durch den nationalen Gesetzgeber in Gestalt einer abstrakt-generellen Vorschrift vorgenommen werden kann. 17 EuGH, Urt. v. 17.10.1989, verb. Rs. 231/87 u. 129/88 (Comune di Carpaneto Piacentino), Rn. 23; EuGH, Urt. v. 14.12.2000, Rs. C-446/98 (Fazenda Pública), Rn. 31. 18 EuGH, Urt. v. 14.12.2000, Rs. C-446/98 (Fazenda Pública), Rn. 32, 35. 19 EuGH, Urt. v. 08.06.2006, Rs. C-430/04 (Finanzamt Eisleben/Feuerbestattungsverein EuGH, Urt. v. 11.01.2005, Rs. C-26/03 (Stadt Halle u. RPL)), Rn. 26 f. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 215/14 Seite 9 3.1.1.2. Wettbewerb und relevanter Markt Entscheidend bleibt allerdings, ob eine solche Konkretisierung in unionsrechtsmäßiger Weise erfolgt . Hinsichtlich der Rechtsprechungsvorgaben ist systematisch zu unterscheiden zwischen solchen bezüglich des Bestehens von Wettbewerb und solchen bezüglich der erforderlichen größeren Wettbewerbsverzerrungen (dazu sogleich unter 3.1.1.3), zu denen die Behandlung der jurPers ÖR als (Nichtsteuerpflichtiger und damit als) Nichtunternehmer „führen“ würde (vgl. § 2b Abs. 1 Satz 2 UStG-E, Art. 13 Abs. 1 UAbs. 2 MwStSyst-RL). Aus den Entscheidungen des EuGH ergibt sich zunächst, dass überhaupt ein Wettbewerb zwischen jurPersÖR und privaten Leistungsanbietern bestehen muss. Gibt es keine private Konkurrenz für die von jurPersÖR angebotenen Leistungen, besteht auch kein Wettbewerb. Die Rückausnahme scheitert dann bereits auf dieser Stufe.20 Nicht notwendig ist indes, dass der Wettbewerb bereits gegenwärtig ist, es genügt nach der Rechtsprechung auch der potenzielle Wettbewerb, sofern die Möglichkeit für einen privaten Wirtschaftsteilnehmer, in den relevanten Markt einzutreten , real und nicht nur rein hypothetisch ist.21 Hiervon ausgehend stellt sich die Frage nach der Bestimmung des relevanten Marktes. An diesem Punkt bestehen in der Rechtsprechung des EuGH nach Ansicht des Verfassers Unklarheiten. In einer durch die Große Kammer im Jahre 2008 entschiedenen Rechtssache hat der Gerichtshof klargestellt, dass es bei der Bestimmung des Marktes (und hiervon ausgehend der darauf bestehenden Wettbewerbsverzerrungen) nicht auf die Wettbewerbsbedingungen ankommt, die auf dem jeweiligen lokalen Markt bestehen, sondern auf die fragliche Tätigkeit, die seitens der jur- PersÖR erbracht wird.22 Hintergrund war ein englisches Vorabentscheidungsersuchen, dem die umsatzsteuerliche Behandlung der Bewirtschaftung von Parkeinrichtungen zugrunde lag. Betroffen waren verschiedene lokale Behörden, die der Auffassung waren, dass der Begriff der Wettbewerbsverzerrung jeweils in Bezug auf die einzelne jurPersÖR zu bestimmen sei. In der Konsequenz sei er dann entsprechend auf das Gebiet oder die Gebiete zu beziehen, in dem oder in denen die betreffende jurPersÖR Stellplätze in Parkeinrichtung zur Anmietung anbiete und nicht in Bezug auf einen hypothetischen Markt, der das gesamte nationale Hoheitsgebiet eines bestimmten Mitgliedstaats umfasse.23 Wie eingangs dieses Absatzes ausgeführt, lehnte der EuGH das Abstellen auf die Besonderheiten des jeweiligen lokalen Marktes ab. Denn, so der EuGH, diese Auffassung liefe darauf hinaus, dass – je nach Bewertung der lokalen Märkte – nur einige der lokalen Behörden der Mehrwertsteuer unterliegen würden und andere nicht, obgleich es sich um im Wesentlichen die gleiche Leistung handele.24 Hingegen bliebe bei Abstellen auf die Tätigkeit bzw. Leistung – unabhängig von den Wettbewerbsbedingungen auf einem bestimmten lokalen Markt – 20 Vgl. EuGH, Urt. v. 13.12.2007, Rs. C-408/06 (Landesanstalt für Landwirtschaft/Götz), Rn. 43 ff. 21 EuGH, Urt. v. 16.09.2008, Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u.a.), Rn. 65. 22 EuGH, Urt. v. 16.09.2008, Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u.a.), Rn. 40, 53. 23 Vgl. EuGH, Urt. v. 16.09.2008, Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u.a.), Rn. 13. 24 EuGH, Urt. v. 16.09.2008, Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u.a.), Rn. 45 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 215/14 Seite 10 der Grundsatz der steuerlichen Neutralität gewahrt.25 In seiner Antwort ließ der Gerichtshof jedoch offen, ob für die Bewertung der Verzerrung an sich sodann auf einen hypothetischen Markt abzustellen ist, der das gesamte nationale Hoheitsgebiet eines bestimmten Mitgliedstaats umfasst, und anhand welcher Parameter eine Verzerrung dann festzustellen ist (dazu allgemein sogleich unter 3.1.1.3).26 Mit diesen Vorgaben nur bedingt zu vereinbaren ist eine im Jahre 2007 und somit früher ergangene Entscheidung, in welcher der Gerichtshof in einer (bloßen) Kammerentscheidung u. a. auf einen „räumlich relevanten Markt für die Feststellung größerer Wettbewerbsverzerrungen“ abstellt .27 Gegenstand dieser Entscheidung war der An- und Verkauf von Anlieferungs-Referenzmengen für Kuhmilch durch sog. Milchquoten-Referenzstellen. Hierbei handelte es sich um eine Maßnahme der Gemeinsamen Agrarpolitik der damaligen Europäischen Gemeinschaft (EG) zur Verringerung der Überschüsse an Kuhmilch, die ihre Rechtsgrundlage in einer EG-Verordnung fand.28 Die dafür in Bayern zuständige Landesanstalt stellte für den Erwerb beantragter Referenzmengen Rechnungen aus, ohne Mehrwertsteuer auszuweisen.29 Hiergegen wandte sich ein umsatzsteuerpflichtiger Landwirt, der eine Referenzmenge erworben hatte. Da Übertragungen von Referenzmengen in bestimmten Situationen auch private Einrichtungen durchführen konnten, stellte sich die Frage nach einer Verzerrung des Wettbewerbs. Dieser Frage vorgelagert war die Klärung, ob zum einen ein Wettbewerb zwischen privaten Einrichtungen und öffentlichen Milchquoten -Referenzstellen besteht und zum anderen, auf welchen räumlich relevanten Markt es insoweit ankommt. Ersteres lehnte der EuGH ab, da private Einrichtungen nicht in kommerziellen Fällen Übertragungen vornehmen konnten und insoweit kein Wettbewerb bestand.30 Zu letzterem stellte der EuGH gleichwohl noch fest, dass es bei kommerziellen Übertragungen bzw. einem entgeltlichen Erwerb von Referenzmengen wie im Fall des Landwirts auf den sog. Übertragungsbereich ankomme, der der jeweiligen Milchquoten-Referenzstellen zugeteilt ist.31 Entscheidend für den räumlichen Markt war insoweit das Zuständigkeitsgebiet der Landesanstalt. Beide dargestellten Urteile stimmen insoweit überein, als der erste Schritt zur Bestimmung des relevanten Marktes zwingend die fragliche Tätigkeit ist, die durch die jurPersÖR erbracht wird. Denn erst anhand dieser kann überhaupt bestimmt werden, ob auch Private solche Tätigkeiten ausüben und es einen Wettbewerb zwischen öffentlichen Einrichtungen und privaten Anbietern gibt. Während dieser Bezugspunkt im ersten Urteil ausdrücklich hervorgehoben wird32, ergibt er 25 Vgl. EuGH, Urt. v. 16.09.2008, Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u.a.), Rn. 46. 26 Vgl. EuGH, Urt. v. 16.09.2008, Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u.a.), Rn. 53 im Lichte der Vorlagefrage in Rn. 12 (Nr. 1) und der Wiedergabe eingereichter Erklärungen in Rn. 13. 27 EuGH, Urt. v. 13.12.2007, Rs. C-408/06 (Landesanstalt für Landwirtschaft/Götz), Rn. 44, 46. 28 Vgl. EuGH, Urt. v. 13.12.2007, Rs. C-408/06 (Landesanstalt für Landwirtschaft/Götz), Rn. 10. 29 Vgl. EuGH, Urt. v. 13.12.2007, Rs. C-408/06 (Landesanstalt für Landwirtschaft/Götz), Rn. 12. 30 EuGH, Urt. v. 13.12.2007, Rs. C-408/06 (Landesanstalt für Landwirtschaft/Götz), Rn. 43-45. 31 EuGH, Urt. v. 13.12.2007, Rs. C-408/06 (Landesanstalt für Landwirtschaft/Götz), Rn. 44. 32 EuGH, Urt. v. 16.09.2008, Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u.a.), Rn. 46, 53. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 215/14 Seite 11 sich im zweiten Urteil mittelbar aus dem durch den EuGH angestellten Vergleich zwischen den Befugnissen und Aufgaben öffentlicher Stellen und Privater bei der Übertragung von Referenzmengen .33 Die Unstimmigkeiten betreffen den zweiten Schritt, wenn es darum geht, ob und ggf. welche räumlichen Begrenzungen der so ermittelte relevante Markt aufweist und wie sich diese Begrenzungen zum Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaates verhalten. Da das spätere Urteil nicht ausdrücklich von dem früheren hinsichtlich des Abstellens auf den räumlich relevanten Markt abgewichen ist, verlieren die Aussagen im letztgenannten einstweilen auch nicht ihre Gültigkeit. Weitere Vorgaben zum Merkmal des Wettbewerbs und zur Bestimmung des relevanten Marktes lassen sich der Rechtsprechung zu Art. 13 MwStSyst-RL derzeit nicht entnehmen. 3.1.1.3. Größere Wettbewerbsverzerrungen Besteht ein Wettbewerb zwischen Privaten und jurPersÖR, so stellt sich auf der zweiten Stufe die Frage, wann „größere“ Verzerrungen dieses Wettbewerbs anzunehmen sind, die im Wege der Rückausnahme im Ergebnis wieder zur Mehrwertsteuerpflichtigkeit der jurPersÖR für die betreffende Tätigkeit führen. Aus der Rechtsprechung ergibt sich insoweit, dass die Behandlung jurPersÖR als Nichtsteuerpflichtige nur zugelassen werden kann, wenn sie lediglich zu unbedeutenden Wettbewerbsverzerrungen führen würde.34 Grund für diese enge Auslegung sei, so der EuGH, dass mit diesem Tatbestandsmerkmal der das EU-Mehrwertsteuersystem kennzeichnende Grundsatz der steuerlichen Neutralität beachtet werde, wonach vergleichbare Leistungen vergleichbar besteuert werden müssen.35 Würde man den Begriff „größere“ dahingehend auslegen, dass damit „erhebliche“ oder „außergewöhnliche“ Verzerrungen gemeint sind, würde dies zu erheblichen Beeinträchtigungen des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität führen, da die Ausnahme von der Mehrwertsteuerpflichtigkeit bei gleicher Leistungserbringung erweitert würde.36 Bei lediglich „unbedeutenden“ Verzerrungen sei die durch Art. 13 Abs. 1 UAbs. 1 MwStSyst-RL bzw. § 2b Abs. 1 S. 1 UStG-E angeordnete Ausnahme und damit Beeinträchtigung des Grundsatzes dagegen geringstmöglich. Nicht hinreichend geklärt ist, ob und vor allem in welchem Umfang das Merkmal der größeren Wettbewerbsverzerrungen durch Festlegung quantitativer Grenzen konkretisiert werden kann. Bezugnahmen auf solche finden sich in der einschlägigen Rechtsprechung – wie oben bereits geschildert – nur insoweit, als der EuGH ausgeführt hat, dass die Mitgliedstaaten hinsichtlich der Umsetzung der Mehrwertsteuersystem-Richtlinie nicht verpflichtet sind, solche Grenzen für die Behandlung als Nichtsteuerpflichtige festzulegen.37 Diese Aussage kann jedenfalls dahingehend verstanden werden, dass die Einführung quantitativer Grenzen an sich nicht unzulässig ist. Offen 33 EuGH, Urt. v. 13.12.2007, Rs. C-408/06 (Landesanstalt für Landwirtschaft/Götz), Rn. 44 f. 34 EuGH, Urt. v. 16.09.2008, Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u.a.), Rn. 76. 35 Vgl. allgemein EuGH, Urt. v. 10.11.2011, verb. Rs. C-259/10 u. 260/10 (The Rank Group plc), Rn. 32; EuGH, Urt. v. 16.09.2008, Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u.a.), Rn. 77 f. 36 EuGH, Urt. v. 16.09.2008, Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u.a.), Rn. 77. 37 EuGH, Urt. v. 17.10.1989, verb. Rs. 231/87 u. 129/88 (Comune di Carpaneto Piacentino), Rn. 23; EuGH, Urt. v. 14.12.2000, Rs. C-446/98 (Fazenda Pública), Rn. 31. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 215/14 Seite 12 bleibt hingegen, in welcher Höhe derartige Grenzen festgesetzt werden können und wie groß hier der mitgliedstaatliche Spielraum ist. Weitere Vorgaben zum Merkmal der größeren Wettbewerbsverzerrung lassen sich der Rechtsprechung zu Art. 13 MwStSyst-RL nicht entnehmen. 3.1.2. § 2b Abs. 2 und 3 UStG-E im Lichte der Rechtsprechungsvorgaben Im Folgenden sollen die einzelnen Konkretisierungen des Tatbestandsmerkmals der größeren Wettbewerbsverzerrungen im Lichte der oben dargestellten Rechtsprechungsvorgaben beleuchtet werden. 3.1.2.1. § 2b Abs. 2 Nr. 1 UStG-E: Umsatzgrenze § 2b Abs. 2 Nr. 1 UStG-E enthält eine Umsatzgrenze und knüpft an deren Einhaltung das Fehlen einer größeren Wettbewerbsverzerrung. Wie oben dargestellt, findet diese Regelung nur insoweit eine Anknüpfung in der Rechtsprechung zu Art. 13 MwStSyst-RL, als danach quantitative Grenzen nicht als unzulässig anzusehen sind. Fraglich ist jedoch, ob die gewählte Umsatzgrenze zulässig ist. Der Rechtsprechung zu Art. 13 MwStSyst-RL können hierzu keine Vorgaben entnommen werden. Da die Umsatzschwelle jedoch an die sog. Kleinunternehmerregelung in § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG anknüpft, die ihre EU-Rechtsgrundlage selbst in den Art. 282 ff. MwStSyst-RL findet, könnte zur Klärung an diese Vorschriften und an die dazu ergangene Rechtsprechung angeknüpft werden. In Bezug auf die Vorschriften der Art. 282 ff. MwStSyst-RL ist festzuhalten, dass diese in systematischer Hinsicht eine Steuerbefreiung darstellen und ausschließlich für Lieferungen von Gegenständen und für Dienstleistungen gelten, die von Kleinunternehmen erbracht werden (vgl. Art. 282 MwStSyst-RL). Hinsichtlich der Summe in Höhe von 17.500 EUR/jährlich in § 19 UStG findet sich zwar keine ausdrückliche Regelung in den Art. 282 ff. MwStSyst-RL. Im Schrifttum wird in Bezug auf die unionsrechtliche Zulässigkeit dieser Umsatzgrenze jedoch auf eine entsprechende Protokollerklärung zu der Vorgängerbestimmung in der Sechsten Richtlinie verwiesen.38 Ein erster Aspekt, der gegen eine zulässige Konkretisierung durch die Kleinunternehmerregelung und die dort gesetzte Umsatzgrenze sprechen könnte, liegt darin, dass diese ausdrücklich nur für Kleinunternehmen gilt und eben nicht für andere Steuerpflichtige wie etwa jurPersÖR. Letztere lassen sich bereits strukturell nicht mit Kleinunternehmern gleichsetzen. Fraglich ist daher, ob eine Übertragung wenigstens dem Sinn und Zweck der Kleinunternehmerregelung entsprechen würde. Der EuGH hat hierzu ausgeführt, dass „die Kleinunternehmerregelung […] Verwaltungsvereinfachungen [vorsieht], die zu einer stärkeren Gründung und Tätigkeit von Kleinunternehmen führen und deren Wettbewerbsfähigkeit stärken sowie ein angemessenes Verhältnis zwischen dem mit der Steueraufsicht verbundenen Verwaltungsaufwand und dem zu 38 Vgl. Schüler-Täsch, in: Sölch/Ringleb, Umsatzsteuergesetz, 73. Ergänzungslieferung 2014, Rn. 5. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 215/14 Seite 13 erwartenden Steueraufkommen wahren sollen.“39 Für eine Anwendung auch auf jurPersÖR spricht insoweit lediglich das Verhältnis von Verwaltungsaufwand und Steueraufkommen. Die anderen Gründe greifen bei jurPersÖR dagegen nicht, insbesondere geht es gerade nicht um deren Wettbewerbsfähigkeit. Somit kann die Übertragung auch nur bedingt mit dem Sinn und Zweck der Kleinunternehmerregelung erklärt werden. Ein dritter gegen die Übertragung gerade in dieser Weise bestehender Grund betrifft die Anwendung der Umsatzgrenze in § 2b Abs. 2 Nr. 1 UStG auf „gleichartige Tätigkeiten“ einer jurPersÖR. Übt diese verschiedene Tätigkeiten im Rahmen der öffentlichen Gewalt aus, so gilt für jede dieser Tätigkeiten die Umsatzgrenze, so dass der zulässig von der Mehrwertsteuer befreite Gesamtumsatz aus verschiedenen Tätigkeiten u.U. deutlich höher sein kann als die 17.500 EUR. Bei Kleinunternehmern gilt die Umsatzgrenze des § 19 UStG dagegen für alle von ihnen ausgeübten wirtschaftlichen Tätigkeiten. Im Rahmen des § 2b Abs. 2 Nr. 1 UStG-E stellen die 17.500 EUR – je nach Tätigkeitsart und -umfang – somit nicht zwingend die Obergrenze des Gesamtumsatzes dar. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Festlegung einer quantitativen Umsatzgrenze nach der Rechtsprechung zumindest nicht unzulässig ist. Hinsichtlich der Umsetzung in § 2b Abs. 2 Nr. 1 UStG-E durch Übertragung der für Kleinunternehmer nach § 19 UStG geltenden Grenze in Höhe von 17.500 EUR/jährlich, die ihre Rechtsgrundlage in Art. 282 ff. MwStSyst-RL findet, bestehen jedoch Bedenken. Eine abschließende Beurteilung ist an dieser Stelle mangels konkreter Rechtsprechungsvorgaben indes nicht möglich. 3.1.2.2. § 2b Abs. 2 Nr. 2 UStG-E: Steuerbefreite Leistungen ohne Recht auf Verzicht Keine Probleme bereitet hingegen die in § 2b Abs. 2 Nr. 2 UStG-E geregelte Konkretisierung, die größere Wettbewerbsverzerrungen ausschließt, wenn vergleichbare, auf privatrechtlicher Grundlage erbrachte Leistungen ohne Recht auf Verzicht einer Steuerbefreiung unterliegen. Hier sind keine Wettbewerbsverzerrungen zu befürchten, da durch Private erbrachte Leistungen ebenfalls nicht der Mehrwertsteuer unterliegen. In dieser Hinsicht gebietet der Grundsatz der steuerlichen Neutralität, wonach vergleichbare Leistungen vergleichbar besteuert werden müssen,40 sogar eine Freistellung der durch jurPersÖR erbrachten (vergleichbaren) Leistungen. 3.1.2.3. § 2b Abs. 3 Nr. 1 UStG-E: Leistung darf nur von jurPersÖR erbracht werden Ähnlich unproblematisch ist die erste Konkretisierung in § 2b Abs. 3 Nr. 1 UStG-E zur interstate -Zusammenarbeit. Danach liegt bei Leistungen zwischen zwei jurPersÖR keine größere Wettbewerbsverzerrung vor, wenn die Leistungen aufgrund gesetzlicher Bestimmungen nur von einer jurPersÖR erbracht werden dürfen. Im Fall eines solchen öffentlich-rechtlichen „Leistungsmonopols “ gibt es keine privaten Leistungserbringer, zu denen jurPersÖR in ein Wettbewerbsverhältnis treten könnten. Auch hier besteht somit kein Bedarf für die Anwendung der Rückausnahme. 39 Vgl. EuGH, v. 26. 10. 2010, Rs. C-97/09 (Schmelz), Rn. 63. 40 Vgl. allgemein EuGH, Urt. v. 10.11.2011, verb. Rs. C-259/10 u. 260/10 (The Rank Group plc), Rn. 32; EuGH, Urt. v. 16.09.2008, Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u.a.), Rn. 77 f. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 215/14 Seite 14 3.1.2.4. § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG-E: Durch gemeinsame spezifische öffentliche Interessen bestimmte inter-state-Zusammenarbeit Im Gegensatz zu der vorherigen Bestimmung erfasst die Konkretisierung der inter-state-Zusammenarbeit in § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG-E in jedem Fall auch solche Leistungen, die Private erbringen , so dass das Bestehen eines Wettbewerbs nicht per se ausgeschlossen werden kann. Relevant ist diese Konstellation in der Praxis im Wesentlichen für die interkommunale Zusammenarbeit. Wie oben bereits ausgeführt, liegt bisher keine Rechtsprechung zu Art. 13 MwStSyst-RL vor, in der die Frage der größeren Wettbewerbsverzerrung im Hinblick auf eine (interkommunale) interstate -Zusammenarbeit gewürdigt wurde. Die in § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG-E bestehende Regelung knüpft die Zusammenarbeit an die Bestimmung durch gemeinsame, spezifische öffentliche Interessen und konkretisiert diese beispielhaft durch vier kumulativ zu erfüllende Kriterien.41 3.1.2.4.1. Kriterien unter Buchstaben a) und b) Den ersten beiden Kriterien unter Buchstaben a) und b) lässt sich eine Beschreibung der Art und der Ziele der betreffenden Zusammenarbeit und damit wohl der „spezifischen öffentlichen Interessen “ entnehmen. Denn es muss sich hiernach um eine (langfristige) Zusammenarbeit handeln, die dem Erhalt der öffentlichen Infrastruktur und der Wahrnehmung einer allen Beteiligten obliegenden öffentlichen Aufgabe dient. Mit Ausnahme der Langfristigkeit geben diese beiden Kriterien damit allerdings nur die charakteristischen Eigenheiten der Tätigkeit insbesondere kommunaler Einrichtungen wieder (vgl. etwa § 2 Abs. 1 und 2 Kommunalverfassung Brandenburg). Die Verfolgung wirtschaftlicher Zwecke mit Gewinnerzielungsabsicht stellt hingegen eine Ausnahme dar, die in der Regel nur erfolgen darf, wenn öffentliche Zwecke dies rechtfertigen, wobei die Gewinnerzielung allein keinen ausreichenden öffentlichen Zweck darstellt (vgl. etwa § 91 Abs. 2 Nr. 1 Kommunalverfassung Brandenburg). Nichts anderes gilt für die Zusammenarbeit von jur- PersÖR und zwar ungeachtet der Frage, ob diese Zusammenarbeit – wie hier verlangt – lang- oder kurzfristiger Natur ist. Zum Teil ist sogar die interkommunale Zusammenarbeit auf die Erledigung öffentlicher Aufgaben beschränkt (so etwa nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die kommunale Gemeinschaftsarbeit Brandenburg). Welche eigenständige Bedeutung die Voraussetzung einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung aufweist, auf welcher die Zusammenarbeit nach Buchstabe a) beruhen muss, ist nicht ersichtlich. Die Notwendigkeit einer solchen Rechtsgrundlage ergibt sich bereits aus Art. 13 Abs. 1 UAbs. 1 MwStSyst-RL, wonach die jurPersÖR Tätigkeiten ausüben muss, die ihr im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen42, um überhaupt in den Genuss der Freistellung zu kommen. So würde eine privatrechtliche Vereinbarung und die daraus folgende Pflicht zur Leistungserbringung gegenüber der anderen jurPersÖR den Freistellungstatbestand als solchen ausschließen. 41 Siehe die Darstellung oben unter 2., S. 6. 42 Vgl. zum Verständnis dieses Merkmals die Ausführungen in Fn. 16. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 215/14 Seite 15 Insgesamt weisen die Kriterien unter a) und b) somit weder zum Merkmal des Wettbewerbs noch zu seiner Verzerrung einen inhaltlichen Bezug auf, sondern beschreiben lediglich typische Eigenschaften öffentlich-rechtlicher Tätigkeit unter Berücksichtigung der dabei möglichen Zusammenarbeit rechtlich selbständiger jurPersÖR. 3.1.2.4.2. Buchstabe c) – Kriterium der Kostenerstattung Nach Buchstabe c) dürfen die Leistungen ausschließlich gegen Kostenerstattung erbracht werden. Wie soeben geschildert, würde eine Gewinnerzielungsabsicht auf eine wirtschaftliche Tätigkeit der leistenden jurPersÖR hinauslaufen, die aber nur ausnahmsweise ausgeübt werden darf. Es handelt sich insoweit ebenfalls um eine typische Eigenschaft öffentlich-rechtlicher Tätigkeit. Gleichwohl besteht hier ein gewisser Bezug zum Merkmal des Wettbewerbs und seiner Verzerrung , als es um den „Preis“ der Leistung geht. Durch die Begrenzung auf die Kostenerstattung wird die Leistung im Vergleich zu privaten Erbringern noch günstiger als sie es durch die Freistellung von der Mehrwertsteuer ohnehin schon ist. Dieses Merkmal ist daher – ungeachtet seiner öffentlich-rechtlichen Determinierung – eher geeignet, das Vorliegen einer Wettbewerbsverzerrung zu begründen, als sie auszuschließen. 3.1.2.4.3. Buchstabe d) – Kriterium der Wesentlichkeit In Richtung einer Reduzierung wettbewerblicher Auswirkungen weist allerdings das vierte Kriterium unter Buchstabe d) hin, wonach der Leistende im Wesentlichen für andere juristische Personen des öffentlichen Rechts tätig wird. Hieraus ergibt sich nämlich, dass die betreffende jurPersÖR ihre Leistungen im Übrigen allenfalls in einem geringen Umfang auch privaten Empfängern anbieten kann. Zwar unterläge dieser Bereich hinsichtlich der Freistellung dieser Leistungsbeziehungen einer gesonderten Beurteilung größerer Wettbewerbsverzerrungen und hat auch zunächst keinen Einfluss auf die sich allein aus der inter-state-Zusammenarbeit ergebenden Wettbewerbsauswirkungen. Gleichwohl macht dieses Kriterium deutlich, dass es sich um Tätigkeiten handelt, die „im Wesentlichen“ auf die Beziehungen zwischen jurPersÖR beschränkt sind und somit nur einen Teilbereich des aus öffentlichen und privaten Empfängern bestehenden Leistungsmarktes erfassen. Ausgeschlossen wird der Zugriff auf den privaten Leistungsmarkt durch das Wesentlichkeitsmerkmal allerdings nicht, er bleibt aber auf einen geringen, quantitativ jedoch nicht festgelegten Umfang begrenzt. Darüber hinaus ist allerdings zu bemerken, dass sich aus der Formulierung dieses Kriteriums keinerlei Einschränkung ergibt hinsichtlich des Kreises (sonstiger) öffentlich-rechtlicher Leistungsempfänger der leistenden jurPersÖR. Das Wesentlichkeitskriterium wäre mit anderen Worten auch dann erfüllt, wenn letztere ihre Leistungen auch gegenüber einer Vielzahl jurPersÖR erbringt und damit etwa weite Teilbereiche des öffentlich-rechtlichen Leistungsmarktes erfasst. 3.1.2.4.4. Zusammenfassende Bewertung der Konkretisierung in § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG-E Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass die Kriterien des § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG-E in der Zusammenschau nur einen geringen inhaltlichen Bezug zum Merkmal der größeren Wettbewerbsverzerrungen und den hierzu bestehenden Rechtsprechungsvorgaben aufweisen. Soweit er besteht, weist er im Fall der Begrenzung auf die Kostendeckung unter Buchst. c) eher in Richtung einer Wettbewerbsverzerrung. Eine Reduzierung dieser folgt hingegen aus der Anforderung unter Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 215/14 Seite 16 Buchstabe d), wonach die leistende jurPersÖR im Wesentlichen nur für andere jurPersÖR tätig sein darf. Ob darin insgesamt eine unionsrechtskonforme Konkretisierung des Merkmals der größeren Wettbewerbsverzerrung zu sehen ist, ist unklar. Hiergegen spricht einerseits, dass die Kriterien weder einzeln noch gemeinsam einen konkreten Schluss auf die wettbewerblichen Auswirkungen dieser Art der inter-state-Zusammenarbeit erlauben. Es handelt sich daher eher um einen pauschalen Ausschluss einer bestimmten Konstellation, der möglichweise dem hier greifenden Gebot der engen Auslegung der Rückausnahme entgegensteht.43 Andererseits betrifft dieser Konkretisierungstatbestand im Wesentlichen nur den Wettbewerb um Leistungsempfänger auf Seiten jurPersÖR, nicht hingegen im privaten Bereich. Inwieweit dieser Umstand ausreichend ist, um eine größere Wettbewerbsverzerrung zu verneinen, lässt sich jedoch vor dem Hintergrund der nur rudimentären Rechtsprechungsvorgaben zu diesem Merkmal nicht abschließend beantworten. 3.1.3. Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis bleibt festzuhalten, dass sich die Konkretisierungen des Merkmals der größeren Wettbewerbsverzerrungen in § 2b Abs. 2 und 3 UStG-E im Lichte der hierzu ergangenen Rechtsprechung nur zum Teil als Umsetzung der bisherigen Rechtsprechungsvorgaben ansehen lassen. Unproblematisch sind insoweit die Tatbestände in § 2b Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 Nr. 1 UStG-E, da beide Konstellationen erfassen, in denen kein Wettbewerbsverhältnis zwischen jurPersÖR und Privaten besteht. Die Festlegung einer Umsatzgrenze, wie in § 2b Abs. 2 Nr. 1 UStG-E, findet hingegen zwar eine Stütze in der Rechtsprechung. Unklar ist jedoch, wie diese im Hinblick auf die Summe ausgestaltet werden kann. Die in der Vorschrift gewählte Anknüpfung an die Kleinunternehmerregelung wirft jedoch Bedenken hinsichtlich der Übertragung auf. Mit Blick auf die insgesamt nur rudimentären Vorgaben der Rechtsprechung nicht abschließend zu beurteilen ist schließlich die Konkretisierung in § 2b Abs. 3 Nr. 3 UStG-E zur inter-state-Zusammenarbeit . Zum einen weisen die dort gewählten Kriterien einen nur geringen inhaltlichen Bezug zum Merkmal der größeren Wettbewerbsverzerrung auf. Soweit dieser besteht, spricht er im Ergebnis teils gegen eine zulässige Konkretisierung und teils dafür. Zum anderen fehlen Rechtsprechungsparameter, um den Tatbestand in der Gesamtbetrachtung eindeutig als unionsrechtskonforme oder ihm widersprechende Ausgestaltung zu bewerten. Daher soll im Folgenden in Bezug auf diese Konkretisierung den vergaberechtlichen Anleihen nachgegangen werden. 3.2. § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG-E und die Übertragung vergaberechtlicher Maßstäbe Wie oben bereits ausgeführt, sieht das unionsrechtliche Vergaberecht unter bestimmten Voraussetzungen Ausnahmen vom Grundsatz der Durchführung eines Vergabeverfahrens für den Fall der Zusammenarbeit öffentlicher Einrichtungen vor. Dabei ist nicht entscheidend, dass sich jeweils jurPersÖR gegenüberstehen. Dies allein genügt nicht, denn öffentliche Einrichtungen sind bei entsprechender Tätigkeit als Wirtschaftsteilnehmer anzusehen, und zwar auch dann, wenn sie nicht in erster Linie Gewinnerzielung anstreben, nicht unternehmerisch strukturiert sind oder 43 Vgl. insoweit EuGH, Urt. v. 16.09.2008, Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u.a.), Rn. 77 f. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 215/14 Seite 17 nicht ständig auf dem Markt tätig sind.44 Es müssen vielmehr besondere Umstände vorliegen, die ihren Ausgangspunkt in der Frage finden, ob zwischen den beteiligten jurPersÖR ein „öffentlicher Auftrag“ im Sinne des EU-Vergaberechts vorliegt. Sind die in der Rechtsprechung hierzu entwickelten Voraussetzungen gegeben, so fehlt es an einem ausschreibungspflichtigen öffentlichen Auftrag und einem darin liegenden, für den Markt und Wettbewerb seiner Teilnehmer relevanten Beschaffungsvorgang.45 Mittlerweile haben diese Ausnahmen, wenngleich mit zum Teil abweichenden bzw. zusätzlichen Kriterien, Eingang in die kürzlich erlassenen neuen Vergaberichtlinien gefunden und damit erstmalig eine ausdrückliche Regelung erfahren.46 Die drei einschlägigen Richtlinien sind zwar seit dem 17. April 2014 in Kraft, müssen allerdings im Wesentlichen erst zum 18. April 2016 in nationales Recht umgesetzt werden.47 Im Folgenden sollen die Ausnahmen – soweit Abweichungen zwischen den ausdrücklichen Kodifizierungen und der Rechtsprechung bestehen – im Lichte der in der Rechtsprechung entwickelten Kriterien betrachtet werden. Denn zum einen ist unklar, inwieweit der Gerichtshof die zum Teil vorgenommenen Abweichungen bzw. Ergänzungen akzeptieren wird. Zum anderen ist eine Freistellung von der Anwendung der Vergaberichtlinien aufgrund dort vorgesehener Ausnahmen nicht gleichbedeutend mit einer Nichtanwendung des EU- Vergaberechts. Außerhalb der Vergaberichtlinien greift das auf Basis der Grundfreiheiten in der Rechtsprechung entwickelte primärrechtliche Vergaberecht.48 Spätestens an dieser Stelle würden 44 EuGH, Urt. v. 19.12.2012, Rs. C-159/11 (Ordine degli Ingegneri della Provincia di Lecce u.a.), Rn. 26; EuGH, Urt. v. 13.06.2013, Rs. C-386/11 (Piepenbrock), Rn. 29. 45 Vgl. EuGH, Urt. v. 19.12.2012, Rs. C-159/11 (Ordine degli Ingegneri della Provincia di Lecce u.a.), Rn. 31, 35; EuGH, Urt. v. 08.05.2014, Rs. C-15/13 (EuGH, Urt. v. 08.05.2014, Rs. C-15/13 (TU Hamburg-Harburg), Rn. 25; EuGH, Urt. v. 18.11.1999, Rs. C-107/98 (EuGH, Urt. v. 18.11.1999, Rs. C-107/98 (Teckal), Rn. 50; EuGH, Urt. v. 11.01.2005, Rs. C-26/03 (Stadt Halle u. RPL), Rn. 48. Siehe auch Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht , 5. Aufl. 2014, § 99 GWB, Rn. 140. 46 Es handelt sich hierbei um die drei folgenden Richtlinien: Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe […], ABl.EU 2014 Nr. L 94/65, im Folgenden : RL 2014/24; online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32014L0024&qid=1420818638352&from=DE – letztmaliger Abruf am 15.02.16. Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste […], ABl.EU 2014 Nr. L 94/243, im Folgenden: RL 2014/25; online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legalcontent /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32014L0025&qid=1420819025909&from=DE – letztmaliger Abruf am 15.02.16. Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Konzessionsvergabe, ABl.EU 2014, Nr. L 94/1, im Folgenden: RL 2014/23; online abrufbar unter http://eurlex .europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32014L0023&rid=1 – letztmaliger Abruf am 15.02.16. Geregelt sind die Ausnahmen und als Rechtsfolge ihre Herausnahme aus dem Anwendungsbereich der Richtlinien in den Art. 12 RL 2014/24, Art. 28 RL 2014/25 bzw. Art. 17 RL 2014/23. 47 Vgl. Art. 93 bzw. 90 Abs. 1 RL 2014/24, Art. 109 bzw. 106 Abs. 1 RL 2014/25 sowie Art. 54 bzw. 51 Abs. 1 RL 2014/23 (alle Fn. 46). 48 Siehe etwa EuGH, Urt. v. 19.12.2012, Rs. C-159/11 (Ordine degli Ingegneri della Provincia di Lecce u.a.), Rn. 24; EuGH, Urt. v. 10.09.2009, Rs. C-573/07 (Sea Srl/Comune di Ponte Nossa), Rn. 37 ff.; EuGH, Urt. v. 13.11.2008, Rs. C-324/07 (Coditel Brabant), Rn. 25 f. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 215/14 Seite 18 die in der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zu den Ausnahmen wohl Geltung beanspruchen . In Bezug auf die Übertragung der vergaberechtlichen Ausnahmen auf den hier relevanten umsatzsteuerlichen Kontext ist zunächst zu klären, an welcher der Ausnahmen die Regelung des § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG-E angelehnt ist (siehe unter 3.2.1.). Sodann ist zu prüfen, ob die hinter den relevanten Ausnahmen stehenden Wertungen denen der umsatzsteuerrechtlichen Problematik entsprechen und ggf. eine systemkonforme Übertragung der Ausnahmevoraussetzungen erfolgt ist (siehe unter 3.2.2. und 3.2.3.). 3.2.1. Betroffene Konstellationen vergaberechtlicher Ausnahmen Im Lichte des § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG-E und auch in Anknüpfung an die Kodifizierung in den neuen Vergaberichtlinien lassen sich drei Konstellationen vergaberechtlicher Ausnahmen unterscheiden : Die erste Ausnahmekonstellation betrifft den Fall, dass eine jurPersÖR als öffentlicher Auftraggeber im Sinne des Vergaberechts Leistungen von einer anderen juristischen Person bezieht, die sie kontrolliert und die im Wesentlichen nur für sie tätig ist (sog. Inhouse-Vergabe).49 Es liegt somit kein Fall einer interkommunalen Zusammenarbeit zweier selbständiger öffentlicher Hoheitsträger vor, sondern letztlich eine organisatorisch und rechtlich ausgegliederte Eigenleistung einer jurPersÖR.50 Mit Blick einerseits auf den Hintergrund des § 2b Abs. 3 UStG, der auf eine Regelung der interkommunalen Zusammenarbeit in umsatzsteuerrechtlicher Hinsicht zielt,51 und andererseits seinen Wortlaut, in dem diese Konstellation nicht zum Ausdruck kommt, ist davon auszugehen, dass an diese vergaberechtliche Ausnahme nicht angeknüpft werden sollte. Auf sie wird daher nicht weiter eingegangen. Die zweite Ausnahmekonstellation baut auf der ersten auf, unterscheidet sich von dieser aber darin , dass an der die Leistung erbringenden juristischen Person mehrere als Auftraggeber im Sinne der Vergaberichtlinien handelnden jurPersÖR beteiligt sind und die Kontrolle über sie gemeinsam ausüben.52 Anders als bei der ersten Konstellation handelt es sich hierbei um einen Fall der interkommunalen Zusammenarbeit, und zwar in institutionalisierter Form, die nach deutschem 49 EuGH, Urt. v. 18.11.1999, Rs. C-107/98 (Teckal), Rn. 50; EuGH, Urt. v. 11.01.2005, Rs. C-26/03 (Stadt Halle u. RPL), Rn. 49. Vgl. Art. 12 Abs. 1 RL 2014/24, Art. 28 Abs. 1 RL 2014/25 bzw. Art. 17 Abs. 1 RL 2014/23 (alle Fn. 46). Siehe dazu Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl. 2014, § 99 GWB, Rn. 102 ff., 108. 50 Vgl. insoweit Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl. 2014, § 99 GWB, Rn. 104. Siehe auch EuGH, Urt. v. 11.01.2005, Rs. C-26/03 (Stadt Halle u. RPL), Rn. 48. 51 Vgl. Schmitz/Möser, Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand, UR 2014, S. 607 (613 f.) für § 2b Abs. 3 Nr. 1 und 2 UStG-E; Pithan, Umsatzbesteuerung bei interkommunaler Zusammenarbeit, DStZ 2014, 205 (215). 52 EuGH, Urt. v. 13.11.2008, Rs. C-324/07 (Coditel Brabant), Rn. 26, 41, 46 ff.; EuGH, Urt. v. 08.05.2014, Rs. C- 15/13 (TU Hamburg-Harburg), Rn. 25, 27; Siehe auch Art. 12 Abs. 3 RL 2014/24, Art. 28 Abs. 3 RL 2014/25, Art. 17 Abs. 3 RL 2014/23 (alle Fn. 46). Aus dem Schrifttum Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl. 2014, § 99 GWB, Rn. 115, 120. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 215/14 Seite 19 Recht etwa die Gestalt eines Zweckverbandes annehmen kann.53 Diese vergaberechtliche Ausnahme entspricht daher dem Regelungsanliegen des § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG-E. Im Wortlaut kommt sie jedoch nicht explizit zum Ausdruck. Denn dieser stellt zum einen nur auf die Leistungsbeziehung zwischen zwei und nicht mehreren jurPersÖR ab. Zum anderen weist er keine Voraussetzung auf, die dem Kontrollkriterium ausdrücklich entspricht. Da im Fokus des Umsatzsteuerrechts ohnehin bilaterale Leistungsbeziehungen stehen und von der Formulierung her eine hinter den bilateralen Leistungen liegende Institutionalisierung durch Beteiligung mehrerer jur- PersÖR nicht ausgeschlossen ist, steht der Wortlaut der Anlehnung an diese vergaberechtliche Ausnahme zumindest nicht entgegen. Das Fehlen einer dem Kontrollkriterium entsprechenden ausdrücklichen Voraussetzung könnte zwar in diese Richtung weisen, lässt sich allerdings auch als Frage der systemgerechten Übertragung der Kriterien verstehen. Im Weiteren wird diese Konstellation daher einbezogen und auf eine systemgerechte Übertragung geprüft (siehe unter 3.2.2.). Die dritte Konstellation ist schließlich dadurch gekennzeichnet, dass sich zwei oder mehr rechtlich selbstständige und voneinander unabhängige jurPersÖR (in der Regel Gebietskörperschaften) gegenüberstehen und bei der Wahrnehmung einer allen Beteiligten obliegenden öffentlichen Aufgabe zusammenarbeiten.54 Im Unterschied zu den beiden vorgenannten Fällen übt – jedenfalls nach bisheriger Rechtsprechung55 – keine der beteiligten jurPersÖR über die andere eine Kontrolle aus. Auch hier liegt ein Fall der interkommunalen Zusammenarbeit vor, der, anders als in der zweiten Konstellation, allerdings in nicht institutionalisierter Form daherkommt und nach deutschem Recht etwa auf Grundlage eines öffentlich-rechtlichen Vertrags erfolgen kann.56 Insbesondere diese Konstruktion spiegelt sich im Wortlaut des § 2b UStG-E wieder und wird im Folgenden ebenfalls näher untersucht (siehe unter 3.2.3.). 53 Siehe Siebler, Interkommunale Zusammenarbeit und Vergaberecht, Stadt und Gemeinde 2014, 109 (109); Dreher , in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl. 2014, § 99 GWB, Rn. 138. Die Richtlinien sehen in Anknüpfung an die Rechtsprechung vor – siehe etwa EuGH, Urt. v. 10.09.2009, Rs. C-573/07 (Sea Srl/Comune di Ponte Nossa), Rn. 41 – , dass der kontrollierte Rechtsträger auch eine juristische Person des Privatrechts sein kann, vgl. Art. 12 Abs. 3 RL 2014/24, Art. 28 Abs. 3 RL 2014/25 bzw. Art. 17 Abs. 3 RL 2014/23 (alle Fn. 46). Für den umsatzsteuerrechtlichen Kontext ist diese Möglichkeit nicht relevant, da der leistende Rechtsträger sich als juristische Person des Privatrechts nicht auf die Ausnahme in Art. 13 Abs. 1 MwStSyst-RL bzw. § 2b UStG-E berufen könnte. 54 EuGH, Urt. v. 09.06.2009, Rs. C-480/06 (Stadtreinigung Hamburg), Rn. 37, 47. Vgl. ferner EuGH, Urt. v. 19.12.2012, Rs. C-159/11 (Ordine degli Ingegneri della Provincia di Lecce u.a.), Rn. 35; EuGH, Urt. v. 13.06.2013, Rs. C-386/11 (Piepenbrock), Rn. 37. Siehe auch Art. 12 Abs. 4 RL 2014/24, Art. 28 Abs. 4 RL 2014/25, Art. 17 Abs. 4 RL 2014/23 (alle Fn. 46). Aus dem Schrifttum siehe Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl. 2014, § 99 GWB, Rn. 137 ff. 55 Im Schrifttum ist umstritten, ob der Rechtsprechung insoweit ein genereller Verzicht auf das Kontrollkriterium entnommen werden kann, vgl. dazu Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl. 2014, § 99 GWB, Rn. 142 aE. Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass dieses Kriterium jedenfalls in seinem bisherigen Verständnis („Kontrolle wie über eigene Dienststellen“) für diese Art der Zusammenarbeit keine Bedeutung haben kann, da es diese Ausnahme per se ausschließen würde. Denn die nicht institutionalisierte interkommunale Zusammenarbeit zeichnet sich gerade dadurch aus, dass zwei „gleichrangige“ und insoweit selbständige jurPers ÖR (etwa zwei Gemeinden) zusammenarbeiten. 56 Siehe Siebler, Interkommunale Zusammenarbeit und Vergaberecht, Stadt und Gemeinde 2014, 109 (109); Dreher , in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl. 2014, § 99 GWB, Rn. 137. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 215/14 Seite 20 3.2.2. Institutionalisierte interkommunale Zusammenarbeit 3.2.2.1. Begründung und Voraussetzungen nach Vergaberecht Wie soeben beschrieben, baut die vergaberechtliche Ausnahme der institutionalisierten interkommunalen Zusammenarbeit auf der „klassischen“ Inhouse-Konstellation auf und erweitert diese insoweit, als mehre jurPersÖR den von ihnen gegründeten Leistungserbringer gemeinsam kontrollieren. In beiden Fällen begründet der EuGH die Ausnahme letztlich mit dem Gedanken der vom Unionsrecht grundsätzlich unangetasteten Selbstverwaltungs- und Organisationshoheit der Kommunen (vgl. 4 Abs. 2 S. 1 EUV): „Eine öffentliche Stelle hat nämlich die Möglichkeit, ihre im allgemeinen Interesse liegenden Aufgaben mit ihren eigenen administrativen, technischen und sonstigen Mitteln zu erfüllen, ohne gezwungen zu sein, sich an externe Einrichtungen zu wenden, die nicht zu ihren Dienststellen gehören […]. Von dieser Möglichkeit für die öffentlichen Stellen, zur Erfüllung ihres gemeinwirtschaftlichen Auftrags auf ihre eigenen Mittel zurückzugreifen, kann in Zusammenarbeit mit anderen öffentlichen Stellen Gebrauch gemacht werden […].“57 Auf diesen Umstand wird auch in den Erwägungsgründen der neuen Vergaberichtlinien hingewiesen . Danach sollte die Anwendung der Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge öffentliche Stellen nicht in ihrer Freiheit beschränken, die ihnen übertragenen öffentlichen Aufgaben auszuüben, indem sie ihre eigenen Mittel verwenden, wozu die Möglichkeit der Zusammenarbeit mit anderen öffentlichen Stellen gehört.58 Nach den einschlägigen Entscheidungen sowie der Kodifizierung in den neuen Vergaberichtlinien unterliegt die darauf gestützte Ausnahme vier kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen59: Erstens muss der Auftrag der öffentlichen Auftraggeber mit einem rechtlich selbständigen Rechtsträger zu schließen sein. Zweitens müssen die öffentlichen Auftraggeber über den Rechtsträger eine Kontrolle ausüben wie über eigene Dienststellen. Dies ist allgemein formuliert dahingehend zu verstehen, 57 EuGH, Urt. v. 13.11.2008, Rs. C-324/07 (Coditel Brabant), Rn. 48 f.. Vgl. auch EuGH, Urt. v. 11.01.2005, Rs. C-26/03 (Stadt Halle u. RPL), Rn. 48; und EuGH, Urt. v. 08.05.2014, Rs. C-15/13 (TU Hamburg-Harburg), Rn. 25. 58 Vgl. Erwägungsgründe Nr. 31 Abs. 1 RL 2004/24, Nr. 38 Abs. 1, Nr. 45 Abs. 1 RL 2004/23 (alle Fn. 46). 59 Vgl. EuGH, Urt. v. 18.11.1999, Rs. C-107/98 (Teckal), Rn. 49 f.; EuGH, Urt. v. 11.01.2005, Rs. C-26/03 (Stadt Halle u. RPL), Rn. 49; EuGH, Urt. v. 08.05.2014, Rs. C-15/13 (TU Hamburg-Harburg), Rn. 25. Siehe aus dem Schrifttum Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl. 2014, § 99 GWB, Rn. 108 ff., mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 215/14 Seite 21 dass dem Rechtsträger keine „eigene Entscheidungsgewalt“ zukommen darf.60 Im Fall der institutionalisierten Zusammenarbeit muss diese Art der Kontrolle nicht von jeder beteiligten jurPersÖR einzeln ausgeübt werden, sondern sie muss im Verbund gewährleistet sein.61 Drittens darf keine private Kapitalbeteiligung an dem kontrollierten Rechtsträger bestehen.62 Und viertens muss der Rechtsträger seine Tätigkeit im Wesentlichen für die ihn kontrollierenden öffentlichen Auftraggeber ausüben.63 Die beiden letztgenannten Kriterien sichern nach Ansicht des EuGH eines der Hauptanliegen des EU-Vergaberechts, nämlich die Öffnung der mitgliedstaatlichen Beschaffungsmärkte für einen unverfälschten Wettbewerb64 sowie – damit eng verknüpft – den Grundsatz der Gleichbehandlung der an einem Beschaffungsvorgang interessierten Wirtschaftsteilnehmer.65 Der Ausschluss privater Kapitalbeteiligung wurde in der Rechtssache Stadt Halle relevant, in der es sich bei dem leistenden Rechtsträger um ein gemischtwirtschaftliches Unternehmen handelte, dessen Kapital mehrheitlich von einer jurPersÖR und minderheitlich von einer privaten Gesellschaft gehalten wurde. Der EuGH führte insoweit aus, dass die Nichtanwendung des Vergaberechts in einem solchen Fall „das Ziel eines freien und unverfälschten Wettbewerbs und den in der Richtlinie […] genannten Grundsatz der Gleichbehandlung der Interessenten beeinträchtigen [würde], insbesondere weil ein solches Verfahren einem am Kapital dieses Unternehmens beteiligten privaten Unternehmen einen Vorteil gegenüber seinen Konkurrenten verschaffen würde.“66 Zur Funktion des Wesentlichkeitskriterium stellte der EuGH in der Rechtssache Cabotermo fest, dass dieses „insbesondere sicherstellen [soll], dass die Richtlinie [….] anwendbar bleibt, wenn ein von einer oder mehreren Körperschaften kontrolliertes Unternehmen auf dem Markt tätig ist und daher mit anderen Unternehmen in Wettbewerb treten kann. […] Zusätzlich müssen die Leistungen dieses Unternehmens im Wesentlichen nur für diese Körperschaft erbracht werden. 60 So Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl. 2014, § 99 GWB, Rn. 108, 120. 61 Siehe zu Einzelheiten Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl. 2014, § 99 GWB, Rn. 120, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. 62 Die neuen Vergaberichtlinien sehen hiervon gewisse Ausnahmen vor, vgl. Art. 12 Abs. 3 Buchst. c) RL 2014/24, Art. 28 Abs. 3 Buchst. c) RL 2014/25, Art. 17 Abs. 3 Buchst. c) RL 2014/23 (alle Fn. 46). 63 Die Richtlinien fordern, dass es insoweit mehr als 80% der Tätigkeiten sind, vgl. Art. 12 Abs. 3 Buchst. b) RL 2014/24, Art. 28 Abs. 1 Abs. 3 Buchst. b) RL 2014/25 bzw. Art. 17 Abs. 1 Abs. 3 Buchst. b) RL 2014/23 (alle Fn. 46). Nach bisheriger Rechtsprechung wird eine 10% Quote häufig an Indiz für den maximal zulässigen Umsatz mit Tätigkeiten für private Empfänger angesehen, vgl. die Nachweise bei Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl. 2014, § 99 GWB, Rn. 128 (dort bei Fn. 222). 64 Vgl. EuGH, Urt. v. 11.05.2006, Rs. C-340/04 (Cabotermo SpA), Rn. 58 f.; EuGH, Urt. v. 11.01.2005, Rs. C-26/03 (Stadt Halle u. RPL), Rn. 51. Vgl. auch Erwägungsgründe Nr. 1 RL 2004/24, Nr. 2 RL 2014/25, Nr. 1RL 2004/23 (alle Fn. 46). Daneben und in kompetentieller Hinsicht sogar vorrangig ist der freie Verkehr von Waren und Dienstleistungen im Hinblick auf die mitgliedstaatlichen Beschaffungsmärkte, siehe EuGH, Urt. v. 11.05.2006, Rs. C-340/04 (Cabotermo SpA), Rn. 58. 65 EuGH, Urt. v. 11.01.2005, Rs. C-26/03 (Stadt Halle u. RPL), Rn. 51. 66 EuGH, Urt. v. 11.01.2005, Rs. C-26/03 (Stadt Halle u. RPL), Rn. 51. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 215/14 Seite 22 Innerhalb solcher Grenzen ist es gerechtfertigt, dass das Unternehmen nicht den Zwängen der Richtlinie […] unterliegt, da diese durch das Anliegen der Bewahrung eines Wettbewerbs diktiert werden, für das es in dem entsprechenden Fall keinen Grund mehr gibt.“67 Beiden Fällen ist gemeinsam, dass in ihnen eine Hinwendung des leistenden Rechtsträgers zum Marktgeschehen und damit zum Wettbewerb mit anderen, vor allem (gänzlich) privaten Leistungsanbietern zum Ausdruck kommt.68 Dies schlägt auch auf die ihn kontrollierenden jurPersÖR als öffentliche Auftraggeber durch. Im Zusammenhang mit der ausschreibungsfreien Vergabe eines Auftrags an das gemischtwirtschaftliche Unternehmen stellte der EuGH ferner fest, dass die Anlage von privaten Kapital in einem Unternehmen auf Überlegungen beruht, die mit privatem Interessen zusammenhängen und daher andersartige Ziele verfolgen, als dies im Fall der Beziehungen zwischen einer öffentlichen Stelle und ihren Dienststellen der Fall ist. Derartige Relationen werden nämlich durch Überlegungen und Erfordernisse bestimmt, die mit der Verfolgung von im öffentlichen Interesse liegenden Zielen zusammenhängen.69 Eine Hinwendung zum Marktgeschehen und die darin (auch) zum Ausdruck kommende Überlagerung öffentlicher durch andere, im Ergebnis kommerzielle Interessen lassen für den konkreten Fall das Argument der Selbstverwaltungs- bzw. Organisationshoheit ins Leere laufen und rechtfertigen die Nichtanwendung der darauf gestützten Ausnahme von der Beachtung der Vergaberechts .70 Die Marktorientierung nimmt der Leistungsbeziehung die Qualität eines rein internen und somit für das Wettbewerbsgeschehen irrelevanten Verwaltungs(-organisations-)vorgangs.71 Letztlich tritt die jurPersÖR über den kontrollierten Rechtsträger damit als unternehmerischer Marktakteur auf, so dass sie im Hinblick auf das Vergaberecht keine privilegierte Sonderstellung mehr beanspruchen kann.72 3.2.2.2. Eignung für die Konkretisierung des Merkmals der größeren Wettbewerbsverzerrungen Betrachtet man die Eignung dieser vergaberechtlichen Ausnahmekonstellation für die Konkretisierung des Merkmals der größeren Wettbewerbsverzerrung, so ist zunächst hervorzuheben, dass dem Begründungsansatz dieser Ausnahme, der Selbstverwaltungs- und Organisationshoheit, im umsatzsteuerrechtlichen Kontext allenfalls eine nur geringe Bedeutung zukommt. Während das Vergaberecht den öffentlichen Auftraggeber ohne Ausnahme u.U. dazu zwingen würde, auf die 67 EuGH, Urt. v. 11.05.2006, Rs. C-340/04 (Cabotermo SpA), Rn. 60, 62. 68 Vgl. Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl. 2014, § 99 GWB, Rn. 122 f. 69 EuGH, Urt. v. 11.01.2005, Rs. C-26/03 (Stadt Halle u. RPL), Rn. 50. 70 Vgl. Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl. 2014, § 99 GWB, Rn. 122 f. 71 Siehe EuGH, Urt. v. 13.10.2005, Rs. C-458/03 (Parking Brixen), Rn. 71, allerdings für einen Fall der klassischen Inhouse-Konstellation außerhalb der interkommunalen Zusammenarbeit. 72 Vgl. Säcker/Wolf, in: Münchener Kommentar zum Europäischen und Deutschen Wettbewerbsrecht, Band 3: Beihilfe - und Vergaberecht, 2011, § 99 GWB, Rn. 89. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 215/14 Seite 23 Leistungserbringung durch den von ihm kontrollierten Rechtsträger zugunsten des Ausschreibungssiegers zu verzichten, lässt das Umsatzsteuerrecht die Wahl des Vertragspartners unberührt und zwingt ohne Freistellung lediglich zur Entrichtung der Mehrwertsteuer, die der leistungserbringende Rechtsträger dann ebenso ausweisen müsste wie private Leistungsanbieter. Lässt man diesen Befund außen vor und fragt nach Parallelwertungen hinsichtlich der wettbewerblichen Aspekte, so könnten sich diese allenfalls aus den Kriterien des Verbotes privater Beteiligungen und der Auftraggeberzentrierung (Wesentlichkeit) ergeben. Doch diese gewährleisten in vergaberechtlicher Hinsicht lediglich, dass die Leistungsbeziehung auf die jurPersÖR und den durch sie (mit anderen jurPersÖR) kontrollierten Rechtsträger beschränkt ist und letzterer im Hinblick auf den Markt privater Leistungsempfänger allenfalls nur eine untergeordnete wettbewerbliche Ausrichtung aufweist. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen zum Wesentlichkeitserfordernis und zur zusammenfassenden Bewertung des § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG-E verwiesen werden.73 Zu dem Ausmaß der sich aus der Tätigkeit des kontrollierten Rechtträgers im Verhältnis zur kontrollierenden jurPersÖR möglichweise ergebenden Wettbewerbsverzerrungen lassen sich aus diesen Kriterien keine Schlüsse ziehen. Anderslautende Ansichten im Schrifttum74 übersehen insoweit, dass bereits aus diesem Leistungsverhältnis Verzerrungen generiert werden können . Diese Perspektive ist aus Sicht des Vergaberechts allerdings irrelevant, da es hinsichtlich dieser (Rück-)Ausnahme nur nach dem „ob“ der Hinwendung zum Wettbewerb mit Privaten fragt, nicht aber nach den sich bereits aus der Leistungsbeziehung zwischen jurPersÖR ergebenden Auswirkungen auf die Wettbewerbsverhältnisse. Diese können angesichts der niedrigen Schwelle bereits dadurch berührt sein, dass Leistungen nur an jurPersÖR erbracht werden und private Erbringer vollständig von diesem Marktbereich ausgenommen sind. Das Vergaberecht kann daher in diesem Zusammenhang keinen relevanten Beitrag zur Konkretisierung des Merkmals der größeren Wettbewerbsverzerrung leisten. Bereits der Blick auf den Begründungsansatz und den fehlenden Aussagegehalt zum Wettbewerbsverhältnis öffentlicher und privater Leistungsbringer lassen die Eignung dieser vergaberechtlichen Ausnahmekonstellation zur Konkretisierung des Merkmals der größeren Wettbewerbsverzerrung daher fraglich erscheinen. Fragt man gleichwohl nach einer etwaigen systemgerechten Übertragung der Voraussetzungen, so kann eine solche bereits hinsichtlich des Wesentlichkeitskriteriums in § 2b Abs. 3 Nr. 2 Buchst. d) UStG-E nur zum Teil festgestellt werden. Denn anders als in der vergaberechtlichen Konstellation , in der die Tätigkeit sich auf die kontrollierenden jurPersÖR beschränken muss, ergibt sich eine solche Beschränkung hier nicht, da lediglich an „andere“ jurPersÖR angeknüpft und der vergaberechtlich vorgegebene Rahmen verlassen wird. Sodann sticht der bereits oben erwähnte 73 Vgl. oben unter 3.1.2.4.3., S. 15 f. 74 So etwa Englisch, Umsatzsteuerpflicht bei interkommunaler Kooperation, UR 2013, 570 (575 ff.), der eine Übertragung befürwortet. Deutlich wird die Außerachtlassung der rein öffentlichen Leistungsbeziehung und ihrer Wettbewerbsauswirkungen an der Aussage, wonach die mangelnde Besteuerung von Leistungen im Rahmen derartiger Kooperationen deshalb nicht zu größeren Wettbewerbsnachteilen für private Anbieter führt, da diese ohnehin keine realen Aussichten auf Berücksichtigung ihrer nur gegenständlich vergleichbaren Angebote haben . Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 215/14 Seite 24 Punkt heraus, wonach keines der in § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG-E genannten Kriterien das Kontrollerfordernis aufgreift. Allerdings wird die Ausübung eines Kontrollverhältnisses durch den Wortlaut auch nicht ausgeschlossen, müsste dann aber in unionsrechtskonformer Weise hineingelesen werden. Problematischer erscheint dagegen, dass private Beteiligungen an der leistenden jurPersÖR nicht untersagt werden, obgleich solche nach deutschem Kommunalrecht durchaus möglich sind.75 Keine ausdrücklichen Kriterien der vergaberechtlichen Ausnahme sind dagegen die unter § 2b Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b) UStG-E enthaltenen Voraussetzungen, wonach die Leistungen dem Erhalt der öffentlichen Infrastruktur und der Wahrnehmung einer aller Beteiligten obliegenden Aufgabe dienen muss. Die Verfolgung von im öffentlichen Interesse liegender Ziele spiegelt sich aber in der vergaberechtlichen Ausnahmekonstellation in genereller Hinsicht wider, so dass diese Kriterien unschädlich sind. Soweit beabsichtigt war, mit der Regelung in § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG-E die vergaberechtliche Ausnahmekonstellation der institutionalisierten interkommunalen Zusammenarbeit systemgerecht zu übertragen, kann somit im Ergebnis festgehalten werden, dass erstens der Begründungsansatz für den umsatzsteuerlichen Kontext nicht von Bedeutung ist, zweitens dieser Tatbestand keine weitergehenden Hinweise auf das Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses und einer möglichen Verzerrung enthält, als sie sich aus dem oben erörterten Wesentlichkeitskriterium ergeben und es drittens an einer vollständigen und systemgerechten Übertragung der Voraussetzungen mangelt. 3.2.3. Nicht-institutionalisierte interkommunale Zusammenarbeit 3.2.3.1. Begründung und Voraussetzungen nach Vergaberecht Die Ausnahme zur nicht-institutionalisierten interkommunalen Zusammenarbeit stellt die jüngste der vergaberechtlichen Sonderkonstellationen dar. Der Rechtsprechung hierzu lassen sich die folgenden, kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen entnehmen76: Es muss sich um einen Vertrag handeln, mit dem eine Zusammenarbeit der beteiligten jur- PersÖR bei der Wahrnehmung einer ihnen allen obliegenden öffentlichen Aufgabe vereinbart wird. Dieser Vertrag muss ausschließlich zwischen öffentlichen Einrichtungen ohne Beteiligung Privater geschlossen werden. 75 Vgl. bspw. § 7 und § 11 des Gesetzes über die kommunale Gemeinschaftsarbeit Brandenburg für öffentlichrechtliche Vereinbarungen bzw. Zweckverbände. 76 Erstmals in EuGH, Urt. v. 09.06.2009, Rs. C-480/06 (Stadtreinigung Hamburg), Rn. 37, 47; EuGH, Urt. v. 19.12.2012, Rs. C-159/11 (Ordine degli Ingegneri della Provincia di Lecce u.a.), Rn. 34; EuGH, Urt. v. 13.06.2013, Rs. C-386/11 (Piepenbrock), Rn. 36 f.; EuGH, Urt. v. 08.05.2014, Rs. C-15/13 (TU Hamburg- Harburg), Rn. 34 f. Aus dem Schrifttum siehe Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl. 2014, § 99 GWB, Rn. 143 f. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 215/14 Seite 25 Die im Vertrag vereinbarte Zusammenarbeit darf nur durch Erfordernisse und Überlegungen bestimmt werden, die mit der Verfolgung von im öffentlichen Interesse liegenden Zielen zusammenhängen . Kein privater Dienstleistungserbringer darf in diesem Rahmen besser gestellt werden als seine Wettbewerber. In der ersten Entscheidung begründete der EuGH diese Ausnahmekonstellation mit zwei Erwägungen . Zum einen stellte er fest, dass „eine solche Zusammenarbeit öffentlicher Stellen das Hauptziel der Gemeinschaftsvorschriften über das öffentliche Auftragswesen – […] die Eröffnung eines unverfälschten Wettbewerbs in allen Mitgliedstaaten – nicht in Frage stell[t], solange die Umsetzung dieser Zusammenarbeit nur durch Überlegungen und Erfordernisse bestimmt wird, die mit der Verfolgung von im öffentlichen Interesse liegenden Zielen zusammenhängen, und der in der Richtlinie […] genannte Grundsatz der Gleichbehandlung der Interessenten gewährleistet ist, so dass kein privates Unternehmen besser gestellt wird als seine Wettbewerber“.77 Daneben spielt auch bei dieser Form der interkommunalen Zusammenarbeit die Selbstverwaltungs - und Organisationshoheit eine Rolle.78 Die Kommission hatte insoweit allerdings eingewandt , dass die Zusammenarbeit nur dann vergaberechtsfrei hätte sein können, wenn eine gemeinsame Einrichtung des öffentlichen Rechts geschaffen worden wäre, kurzum eine Institutionalisierung stattgefunden hätte.79 Damit wandte sie sich indirekt gegen eine Befreiung der nichtinstitutionalisierten interkommunalen Zusammenarbeit vom Vergaberecht. Hierauf entgegnete der EuGH, dass „das Gemeinschaftsrecht den öffentlichen Stellen für die gemeinsame Wahrnehmung ihrer öffentlichen Aufgaben keine spezielle Rechtsform vorschreibt“80, und erkannte damit auch diese Form der Zusammenarbeit als ausnahmefähig an. Vergleicht man die Beweggründe und Voraussetzungen dieser Konstellation mit denen der institutionalisierten Zusammenarbeit, so bestehen einerseits Parallelen, andererseits auch Unterschiede . Erstere betreffen vor allem die beiden Beweggründe beider Ausnahmen – Öffnung des Wettbewerbs und Selbstverwaltungs- und Organisationshoheit –, die hier allerdings in umgekehrter Reihenfolge daherkommen. Auf Ebene der Voraussetzungen besteht hier wie dort ein privates Beteiligungsverbot am leistenden Rechtsträger. Die Unterschiede erfassen hingegen die übrigen Voraussetzungen: Das Gebot, wonach kein privater Dienstleistungserbringer bei dieser Zusammenarbeit besser gestellt werden darf als seine Wettbewerber, stellt nicht auf die Marktausrichtung der leistenden jurPersÖR ab.81 Es soll vielmehr nur eine Begünstigung privater Dienstleister untereinander vermieden werden, wenn einer bei Erfüllung der Leistung einbezogen wird. Darüber hinaus wird bei der nicht-institutionalisierten Form weder ein Kontrollverhältnis gefordert noch gibt es ein Wesentlichkeitskriterium. 77 EuGH, Urt. v. 09.06.2009, Rs. C-480/06 (Stadtreinigung Hamburg), Rn. 47. 78 EuGH, Urt. v. 09.06.2009, Rs. C-480/06 (Stadtreinigung Hamburg), Rn. 45. 79 EuGH, Urt. v. 09.06.2009, Rs. C-480/06 (Stadtreinigung Hamburg), Rn. 46. 80 EuGH, Urt. v. 09.06.2009, Rs. C-480/06 (Stadtreinigung Hamburg), Rn. 47. 81 Vgl. insoweit oben 3.2.2.1. S. 20 f. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 215/14 Seite 26 Grund hierfür mag sein, dass beide Voraussetzungen den Charakteristika dieser Form der Kooperation widersprechen würden, nämlich der Zusammenarbeit zweier oder mehrerer rechtlich selbständiger und voneinander unabhängiger Hoheitsträger bei einer ihnen allen obliegenden öffentlichen Aufgabe. Darin und der Anforderung, dass die Zusammenarbeit durch Erfordernisse und Überlegungen bestimmt werden muss, die mit der Verfolgung von im öffentlichen Interesse liegenden Zielen zusammenhängen, wird – ergänzt durch das private Beteiligungsverbot – die fehlende Marktausrichtung der Zusammenarbeit in dieser Konstellation gewährleistet. Von entscheidender Bedeutung für diese Ausnahmekonstellation ist somit, wann eine Zusammenarbeit bei der Wahrnehmung einer allen Beteiligten obliegenden öffentlichen Aufgabe vorliegt . Bejaht hat der Gerichtshof dies bisher nur in der Entscheidung, in dem diese Konstellation der interkommunalen Zusammenarbeit entwickelt wurde. Gegenstand des dort in Frage stehenden Vertrages war die Zusammenarbeit mehrerer Landkreise mit der Stadtreinigung Hamburg als öffentlich-rechtlichem Entsorgungsträger der Freien und Hansestadt Hamburg im Bereich der Abfallentsorgung .82 Die Stadtreinigung Hamburg reservierte den beteiligten Landkreisen eine bestimmte , in Tonnen bemessene Kapazität von Abfall zur thermischen Verwertung in einer noch zu errichtenden Müllverwertungsanlage. Der EuGH fasste den Inhalt und das Ziel der Vereinbarung wie folgt zusammen: „Vertragsgegenstand ist nämlich, der Stadt Hamburg dadurch die Errichtung und den Betrieb einer Abfallentsorgungsanlage unter den besten wirtschaftlichen Bedingungen zu ermöglichen, dass die benachbarten Landkreise ihren Abfall einbringen und so eine Kapazität von 320 000 Tonnen erreicht werden kann.“83 Die Errichtung der Anlage wurde erst nach dieser Einigung beschlossen und durchgeführt. Vertragspartner des Anlagenbetreibers war nur die Stadtreinigung Hamburg; über diese erfolgte auch die Vergütung für die Erbringung der Abfallentsorgungsleistungen des Betreibers gegenüber den Landkreisen in Bezug auf ihre Müllkapazitäten . Sonstige Finanztransfers zwischen den Landkreisen und der Stadtreinigung sah die Vereinbarung nicht vor.84 Zusammenfassend stellte der EuGH insoweit fest, dass „der beanstandete Vertrag sowohl die Rechtsgrundlage als auch den Rechtsrahmen für die zukünftige Errichtung und den Betrieb einer Anlage bildet, die für die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe – der thermischen Abfallverwertung – bestimmt ist. Der Vertrag wurde ausschließlich zwischen öffentlichen Stellen ohne Beteiligung Privater geschlossen, sieht keine Vergabe eventuell erforderlicher Aufträge über den Bau und den Betrieb der Anlage vor und präjudiziert sie auch nicht.“85 Vor dem Hintergrund dieser Umstände akzeptierte der Gerichthof die Nichtanwendung des Vergaberechts auf die interkommunale Vereinbarung.86 82 EuGH, Urt. v. 09.06.2009, Rs. C-480/06 (Stadtreinigung Hamburg), Rn. 4f., 37. 83 EuGH, Urt. v. 09.06.2009, Rs. C-480/06 (Stadtreinigung Hamburg), Rn. 38. Vgl. zu den weiteren Einzelheiten der Vereinbarung, Rn. 39 ff. 84 EuGH, Urt. v. 09.06.2009, Rs. C-480/06 (Stadtreinigung Hamburg), Rn. 43. 85 EuGH, Urt. v. 09.06.2009, Rs. C-480/06 (Stadtreinigung Hamburg), Rn. 44. 86 EuGH, Urt. v. 09.06.2009, Rs. C-480/06 (Stadtreinigung Hamburg), Rn. 47. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 215/14 Seite 27 In Folgeentscheidungen werden die oben erwähnten Ausnahmevoraussetzungen insgesamt zwar bestätigt, deren Vorliegen wurde in den konkreten Fällen jedoch abgelehnt und zwar insbesondere im Hinblick auf die Voraussetzung, wonach es sich um eine Zusammenarbeit bei der Wahrnehmung einer allen Beteiligten obliegenden öffentlichen Aufgabe handeln muss87: In der Rechtssache Ordine degli Ingegneri della Provincia di Lecce u.a. ging es um einen Vertrag zwischen einem örtlichen Sanitärbetrieb und einer Universität über die Erforschung und Bewertung der Erdbebenanfälligkeit der Krankenhausanlagen der Provinz Lecce.88 Hierzu stellte der EuGH fest, dass der überwiegende Teil der von der Universität zu erbringenden Leistungen auch von Ingenieuren oder Architekten erbracht werden konnte und nicht mit wissenschaftlicher Forschung gleichzusetzen war.89 Ferner hob er hervor, dass die öffentliche Aufgabe, die Gegenstand des Vertrags war, keine dem Sanitärbetrieb und der Universität gemeinsam obliegende öffentliche Aufgabe gewesen sei.90 Gegenstand der Rechtssache Piepenbrock war eine Vereinbarung zwischen dem Kreis Düren und der Stadt Düren, mit welcher ersterer der letzteren gegen eine finanzielle Entschädigung die Aufgabe der Reinigung seiner im Gebiet der Stadt Düren gelegenen, aber in seinem Besitz befindlichen und von ihm genutzten Gebäude auf die Stadt Düren übertrug.91 Der EuGH führte dazu aus, dass der Vertrag „nicht die Vereinbarung einer Zusammenarbeit zwischen den beiden vertragschließenden öffentlichen Einrichtungen zur Wahrnehmung einer gemeinsamen Gemeinwohlaufgabe zum Gegenstand zu haben scheint.“92 Aus dem Vergleich der drei Entscheidungen lässt sich zu dem Merkmal der Zusammenarbeit bei der Wahrnehmung einer allen Beteiligten obliegenden öffentlichen Aufgabe folgendes festhalten: 87 Daneben war in den beiden nachfolgend dargestellten Rechtssachen auch noch eine Einbeziehung Privater bei der Tätigkeitserbringung auf Seiten der leistenden jurPersÖR vorgesehen. Auch dieses stand einer Anerkennung der Ausnahme entgegen, vgl. EuGH, Urt. v. 19.12.2012, Rs. C-159/11 (Ordine degli Ingegneri della Provincia di Lecce u.a.), Rn. 38; EuGH, Urt. v. 13.06.2013, Rs. C-386/11 (Piepenbrock), Rn. 40. 88 EuGH, Urt. v. 19.12.2012, Rs. C-159/11 (Ordine degli Ingegneri della Provincia di Lecce u.a.), Rn. 2. 89 EuGH, Urt. v. 19.12.2012, Rs. C-159/11 (Ordine degli Ingegneri della Provincia di Lecce u.a.), Rn. 37. 90 EuGH, Urt. v. 19.12.2012, Rs. C-159/11 (Ordine degli Ingegneri della Provincia di Lecce u.a.), Rn. 37. 91 EuGH, Urt. v. 13.06.2013, Rs. C-386/11 (Piepenbrock), Rn. 2. 92 EuGH, Urt. v. 13.06.2013, Rs. C-386/11 (Piepenbrock), Rn. 39. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 215/14 Seite 28 Die beteiligten jurPersÖR müssen bei der Erledigung einer öffentlichen Aufgabe zusammenwirken , für die jede der jurPersÖR jeweils in ihrem Gebiet zuständig ist. Es genügt nicht, dass eine der beteiligten jurPersÖR eine andere zur Erfüllung der jeweils eigenen Aufgabe heranzieht.93 Nicht gänzlich klar ist hingegen, welcher Natur die vereinbarten Tätigkeiten sein können und wie das Gegenseitigkeitsverhältnis konkret beschaffen sein muss. Fraglich ist insbesondere, ob es sich um Leistungen handeln kann, die auch von Privaten erbracht werden könnten und ob hierfür eine – auch nur kostendeckende – Vergütung entrichtet werden kann.94 Obgleich den drei Entscheidungen die Antwort hierauf nicht ausdrücklich entnommen werden kann, sprechen sie in der Tendenz deutlich für eine Verneinung dieser Fragen. Wäre hiervon auszugehen, dann würde das Merkmal der Zusammenarbeit bei der Wahrnehmung einer allen Beteiligten obliegenden öffentlichen Aufgabe gewährleisten, dass bereits die Vereinbarung aus Sicht des Marktes bzw. Wettbewerbs keine relevante Leistungserbringung beinhaltet.95 Ein solches Verständnis entspricht auch den beiden Beweggründen der Ausnahme. Denn ein solcher Inhalt berührt einerseits nicht die Eröffnung eines unverfälschten Wettbewerbs und entspricht andererseits auch der die interkommunale Zusammenarbeit in allen Facetten umfassenden Selbstverwaltungs- und Organisationshoheit . Eine abschließende Beurteilung dieser Frage kann aufgrund der nicht hinreichend aussagekräftigen Rechtsprechung an dieser Stelle allerdings nicht vorgenommen werden. 3.2.3.2. Eignung für die Konkretisierung des Merkmals der größeren Wettbewerbsverzerrungen Legt man der Ausnahmekonstellation zur nicht-institutionalisierten interkommunalen Zusammenarbeit das soeben beschriebene Verständnis zugrunde, so wäre von einer Eignung für die Konkretisierung des Merkmals der größeren Wettbewerbsverzerrungen auszugehen. Insbesondere 93 Dieser Punkt unterscheidet diese Ausnahme der interkommunalen Zusammenarbeit deutlich von der durch die Inhouse-Konstellation geprägten institutionalisierten Kooperation, da keine der beteiligten jurPersÖR quasi an die Stelle des die Leistung erbringenden, kontrollierten Rechtsträgers treten kann. Anders, allerdings nur auf Grundlage des ersten Urteils zu dieser Konstellation in der Rechtsache Stadtreinigung Hamburg (Fn. 76), Säcker /Wolf, in: Münchener Kommentar zum Europäischen und Deutschen Wettbewerbsrecht, Band 3: Beihilfeund Vergaberecht, 2011, § 99 GWB, Rn. 90 (kein grundsätzlicher Unterschied zwischen Selbstdurchführung und Sicherstellung durch inter-state-Übertragung). 94 So unter Umständen wohl Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl. 2014, § 99 GWB, Rn. 147, der davon spricht, dass die Leistungserbringung einen kooperativen Charakter aufweisen muss, die seiner Ansicht nach allerdings durch folgende Kriterien gekennzeichnet ist: Zusammenarbeit beruht auf ausgewogener Risikoverteilung, auf einer Abrechnung zu Selbstkosten und auf einer Leistungserbringung nur durch die Beteiligten . Hierfür werden allerdings keine Urteilsbelege aufgeführt. Mit Blick auf die Rs. Piepenbrock wird die Erbringung von sog. Hilfsleistungen im Gegensatz zu Kernleistungen als nicht zulässig angesehen, vgl. Dreher, aaO., Rn. 148. Ähnlich Sonder, Neuere EuGH-Rechtsprechung zum Verhältnis von interkommunaler Zusammenarbeit und Vergaberecht, LKV 2014, 207 (208), der zwischen Hilfs- und Kernaufgaben unterscheidet. Beide Autoren stellen allerdings nicht dar, wie Kernleistungen bzw. -aufgaben zu bestimmen sind. Eine kostendeckende Vergütung befürwortet Englisch, Umsatzsteuerpflicht bei interkommunaler Kooperation, UR 2013, 570 (576), allerdings ohne zu belegen, aus welcher Entscheidung sich das ergibt. 95 So die Feststellung von Säcker/Wolf, in: in: Münchener Kommentar zum Europäischen und Deutschen Wettbewerbsrecht , Band 3: Beihilfe- und Vergaberecht, 2011, § 99 GWB, Rn. 92, mit Blick auf die Entscheidung des EuGH in der Rechtsache Stadtreinigung Hamburg (Fn. 76). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 215/14 Seite 29 das Kriterium der Zusammenarbeit bei der Wahrnehmung einer allen Beteiligten obliegenden öffentlichen Aufgabe würde nämlich gewährleisten, dass die hiervon erfassten Tätigkeiten solche spezifisch öffentlich-rechtlicher Natur sind und nicht im Wettbewerb zur Leistungserbringung privater Wirtschaftsteilnehmer stehen. Es fehlte mithin an einem Wettbewerbsverhältnis, so dass auch keine Verzerrungen desselben möglich wären. Lehnt man hingegen ein solches Verständnis ab und lässt innerhalb der nicht-institutionalisierten Zusammenarbeit auch den gegen Kostendeckung vereinbarten Austausch solcher Leistungen zu, die von Privaten erbracht werden könnten, so ergäbe sich ein vergleichbares Ergebnis wie hinsichtlich der Eignung der Ausnahme bei institutionalisierter Zusammenarbeit96: aus dieser könnte nicht geschlossen werden, welche Auswirkungen bereits diese Leistungserbringung auf den Wettbewerb mit privaten Anbietern hat. Im Übrigen würde auch hier das Argument der Selbstverwaltungs- und Organisationshoheit ein nur geringes Gewicht haben. Denn das Umsatzsteuerrecht würde bei Nichtanwendung der Freistellungsausnahme einer solchen Zusammenarbeit nicht entgegenstehen, sondern allenfalls die Kostenerstattung um die Mehrwertsteuer erhöhen . Geht man von dem erst genannten Verständnis aus, so wäre in einem zweiten Schritt zu fragen, ob die Kriterien dieser Ausnahme systemgerecht in die Regelung des § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG-E übertragen wurden. Ungeachtet der ausdrücklichen Anknüpfung an den Wortlaut der Voraussetzungen dieser Ausnahmekonstellation in § 2b Abs. 3 Nr. 2 Satz 197 und in Satz 2 Buchst. b) UStG- E98, bestehen jedoch Zweifel. Diese ergeben sich vor allem daraus, dass der gesamten Regelung in § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG-E ein Verhältnis von (auch privat zu erbringender und somit wirtschaftlicher) Leistung und finanzieller Gegenleistung zugrunde liegt. Die darin im Grundsatz liegende Wettbewerbsrelevanz wird durch das Kriterium der Wesentlichkeit bestätigt. Damit orientiert sich die von § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG-E erfasste Konkretisierung insgesamt eher an der vergaberechtlichen Ausnahme zur institutionalisierten Zusammenarbeit, von der sich die nicht-institutionalisierte gerade in diesem Punkt unterscheidet.99 Darüber hinaus dürfen die Leistungen nach § 2b Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b) UStG-E auch „dem Erhalt der öffentlichen Infrastruktur […] dienen“. Dieses Kriterium weist in Richtung der tatsächlichen Umstände in der Rechtssache Piepenbrock hin (Reinigung öffentlicher Gebäude einer anderen jurPersÖR), die zur Nichtanwendung der Ausnahme führten. Der bloß dienende Charakter der Leistung wird nach § 2b Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b) UStG-E auch im Hinblick auf das Erfordernis der Wahrnehmung einer allen Beteiligten obliegenden öffentlichen Aufgabe als genügend angesehen. 96 Siehe oben 3.2.2.2., S. 23. 97 „…Zusammenarbeit durch gemeinsame spezifische öffentliche Interessen bestimmt…“. 98 „…der Wahrnehmung einer allen Beteiligten obliegenden öffentlichen Aufgabe…“. 99 Vgl. oben Fn. 93. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 215/14 Seite 30 Ein solches Verhältnis von öffentlicher Aufgabe und darauf bezogener Leistung kann den einschlägigen drei Vergaberechtsentscheidungen zur nicht-institutionalisierten Zusammenarbeit allerdings nicht entnommen werden.100 Insgesamt ist daher festzuhalten, dass die vergaberechtliche Ausnahmekonstellation der nichtinstitutionalisierten interkommunalen Zusammenarbeit bei entsprechender Auslegung zwar durchaus geeignet ist, das Kriterium der größeren Wettbewerbsverzerrungen in negativer Hinsicht zu konkretisieren. In den Kriterien des § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG-E spiegelt sich diese Ausnahmekonstellation jedoch nicht wider, so dass es zudem an einer systemgerechten Übertragung der Ausnahmevoraussetzungen in den umsatzsteuerrechtlichen Kontext mangelt. 4. Zusammenfassung Die Frage nach der Unionsrechtskonformität des § 2b UStG-E stellt sich allein im Hinblick auf die Absätze 2 und 3 dieser Vorschrift. Während § 2b Abs. 1 UStG-E lediglich den Wortlaut der einschlägigen und vom nationalen Gesetzgeber umzusetzenden Bestimmung der Mehrwertsteuersystem -Richtlinie in Art. 13 Abs. 1 übernimmt, enthalten § 2b Abs. 2 und 3 UStG-E (negative) Konkretisierungen des in Art. 13 Abs. 1 MwStSyst-RL enthaltenen Tatbestandsmerkmals der größeren Wettbewerbsverzerrungen, die in der Richtlinie so nicht vorgegeben sind. Die unionsrechtskonforme Ausgestaltung dieser Konkretisierungen ist differenziert zu betrachten. Maßstab hierfür sind die einschlägigen Vorgaben in der Rechtsprechung zu Art. 13 Abs. 1 MwStSyst-RL. Danach ist von einer unionsrechtskonformen Ausgestaltung der Tatbestände in § 2b Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 Nr. 1 UStG-E auszugehen, da beide an Konstellationen anknüpfen, in denen kein Wettbewerbsverhältnis zwischen jurPersÖR und privaten Leistungsanbietern besteht. Die in § 2b Abs. 2 Nr. 1 UStG-E festlegte Umsatzgrenze findet zwar dem Grunde nach eine Stütze in der Rechtsprechung. Unklar ist jedoch, wie die Umsatzgrenze im Hinblick auf die Summe ausgestaltet werden kann. Gegen die in der Vorschrift gewählte Anknüpfung an die Kleinunternehmerregelung bestehen jedenfalls Bedenken. Ob diese einer unionsrechtskonformen Ausgestaltung entgegenstehen, kann mangels konkreter Rechtsprechungsvorgaben nicht abschließend bewertet werden. Einer abschließenden Bewertung aus dem gleichen Grund entzieht sich schließlich auch der letzte Konkretisierungstatbestand in § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG-E zur interkommunalen Zusammenarbeit . Betrachtet man diesen zunächst aus sich selbst heraus, dann gewährleisten die Voraussetzungen dieses Tatbestands zwar, dass die von der Mehrwertsteuer zu befreiende Leistung durch die leistende jurPersÖR im Wesentlichen nur im Verhältnis zu anderen jurPersÖR erbracht wird. Ob der dadurch erfolgende, weitgehende Ausschluss privater Leistungsempfänger genügt, um größere Wettbewerbsverzerrungen im Verhältnis zu privaten Leistungsanbietern auszuschließen, kann den bisher vorliegenden Entscheidungen nicht entnommen werden. Hierbei ist zu beachten , dass die Rechtsprechung dieses Merkmal eng auslegt und dahingehend versteht, dass nur „unbedeutende“ Wettbewerbsverzerrungen zulässig sind. Darüber hinausgehende Auswirkungen lassen die Umsatzsteuerpflicht wieder aufleben. 100 Vgl. Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl. 2014, § 99 GWB, Rn. 148. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 215/14 Seite 31 Betrachtet man diesen Tatbestand sodann im Lichte des Vergaberechts und der darin vorgesehenen und für § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG-E relevanten Ausnahmen von der Ausschreibungspflicht für die interkommunale Zusammenarbeit, so gilt es zu unterscheiden zwischen zwei Formen dieser Kooperation: der institutionalisierten und der nicht-institutionalisierten Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene. Der erste Fall beruht ebenfalls auf einer weitgehenden Beschränkung der Leistungsbeziehung auf das Verhältnis zwischen jurPersÖR, so dass auch ihm im Ergebnis keine relevanten Aussagen für die Frage entnommen werden können, welche Auswirkungen sich bereits aus dieser Leistungsbeziehung auf das Wettbewerbsverhältnis zu privaten Leistungsanbietern ergeben und ob diese unterhalb der nach der Rechtsprechung niedrig angesetzten Schwelle „größerer“ Wettbewerbsverzerrungen liegen. Darüber hinaus eignet sich dieser Fall auch mit Blick auf die ihm zugrunde liegende Erwägung nicht für eine Übertragung auf den umsatzsteuerlichen Kontext. Denn die durch die vergaberechtliche Ausschreibungspflicht ansonsten in Frage gestellte Selbstverwaltungs- und Organisationshoheit ist durch eine Umsatzsteuerpflichtigkeit nicht beeinträchtigt. Letztere führt allein dazu, dass bei Leistungen von jurPersÖR – ebenso wie bei gleichen oder vergleichbaren Leistungen privater Anbieter – die Umsatzsteuer ausgewiesen werden muss und sie dadurch für die empfangende jurPersÖR teurer werden. Der zweite Fall zur nicht-institutionalisierten Zusammenarbeit lässt hinsichtlich seiner Auslegung zwei Varianten zu, von denen nur eine geeignet ist, das Merkmal der größeren Wettbewerbsverzerrung ohne weiteres als unionsrechtskonforme Konkretisierung anzusehen. Geht man von einer solchen Auslegung aus, dann fehlt es jedoch an einer systemgerechten Übertragung der Kriterien dieser vergaberechtlichen Ausnahme auf die Regelung in § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG-E. Die andere Auslegung führt hingegen zu einem vergleichbaren Ergebnis wie im Fall der eben dargestellten institutionalisierten interkommunalen Zusammenarbeit. - Fachbereich Europa -