Die Lissabon-Strategie - Ausarbeitung - © 2006 Deutscher Bundestag WD 11 - 205/06 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Die Lissabon-Strategie Ausarbeitung WD 11 - 205/06 Abschluss der Arbeit: 27.6.2006 Fachbereich WD 11: Europa Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - 3 - Inhaltsverzeichnis Seite 1. Die Lissabon-Strategie als Antwort auf die Globalisierung 4 2. Der Kok-Halbzeitbericht und die Neuausrichtung der Lissabon-Strategie 5 3. Reaktionen auf die Reform der Lissabon-Strategie 7 4. Nationale Aktionspläne für Wachstum und Beschäftigung 7 5. Vorschläge der Kommission für prioritäre Aktionsbereiche 8 6. Stärkung der Sozialpolitischen Aspekte der Lissabon- Strategie 10 7. Jüngste Entwicklungen und Ausblick 11 8. Quellen 12 - 4 - 1. Die Lissabon-Strategie als Antwort auf die Globalisierung Mit dem rasanten Aufstieg der neuen asiatischen Großmächte Indien und China hat sich für den Westen eine ernsthafte wirtschaftliche Konkurrenz bei der Standortwahl der Produktion, auf den Absatzmärkten und bei der Rohstoffversorgung entwickelt. Gleichzeitig führt die schnelle Entwicklung und Ausbreitung der Informations- und Kommunikationstechnologie zu einschneidenden Veränderungen im Wirtschaftsleben der westlichen Industriestaaten, deren Bevölkerungsbasis vielfach durch die demographische Entwicklung bedroht wird. Während die Vereinigten Staaten seit Jahrzehnten ein stetiges Wirtschaftswachstum zu verzeichnen haben, ist die Lage in vielen EU-Staaten durch Massenarbeitslosigkeit und ein nur geringes Wirtschaftswachstum gekennzeichnet. Die Europäische Union reagierte auf die Herausforderungen der Globalisierung mit der Lissabon-Strategie. Auf dem Europäischen Rat (ER) am 23./24. März 2000 in Lissabon formulierten die Staats- und Regierungschefs für das folgende Jahrzehnt das ehrgeizige Ziel, die EU bis 2010 zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen und 20 Mio. zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen .1 Die EU sollte künftig fähig sein, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen Zusammenhalt (Kohäsion) zu schaffen und der Dreiklang von Beschäftigung, Wirtschaftsreform und sozialem Zusammenhalt durch eine aktive Beschäftigungspolitik, eine stärkere Einbeziehung der Sozialpartner, eine europaweite Datenbank über offene Stellen und Lernangebote, die Förderung der Chancengleichheit erreicht werden. Angestrebt wurde eine Beschäftigungsquote in der EU von damals 61 % auf „möglichst nah an 70 %“ bis 2010. Umfassende Ziele setzte sich die Lissabon-Strategie auch im Bereich von Bildung, Innovation und Forschung. So sollten etwa Investitionen im Forschung und Entwicklung auf 3 % des BIP im Jahr 2010 gesteigert, der Zugang zur elektronischen Informationsstruktur erleichtert und ein Rahmen für den elektronischen Geschäftsverkehr geschaffen werden. Lokale Lernzentren sollten Schulen, Unternehmen und Forschungseinrichtungen vernetzen und ein europäischer „Innovationsanzeiger“ die nationalen Fortschritte bewerten. Vorgesehen war, die Zahl der 18- bis 24jährigen ohne einen über die Sekundarstufe I hinausgehenden Abschluss bis zum Jahr 2010 zu halbieren. Das Wirtschaftwachstum in der EU sollte unter anderem durch die Verwirklichung des Binnenmarktes im Dienstleistungsbereich, eine Reform des öffentlichen Beschaffungswesens und durch eine Neuausrichtung der Beihilfepraxis gesteigert werden. Auch sollen die Kosten für unternehmerische Tätigkeiten gesenkt, Förderprogramme für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) ausgebaut und bürokratische Hindernisse im Wirt- 1 Zur Sondertagung des ER, vgl. www.europa.eu/scadplus/leg/de/cha/c1024.htm - 5 - schaftsleben beseitigt werden. Die Haushalte der EU-Mitgliedstaaten sollten konsolidiert , die Finanzmärkte gestärkt und die Unternehmer stärker als bisher in die für sie relevanten Politikbereiche miteinbezogen werden. Die Kommission kündigte dazu etwa 50 konkrete Gemeinschaftsinitiativen an, durch die sie sich Impulse für eine wirtschaftliche Wachstumsrate von durchschnittlich 3 % pro Jahr erhoffte. Zur Umsetzung dieser ehrgeizigen Ziele verzichtete die Gemeinschaft auf die Schaffung neuer Instrumentarien. Vielmehr wurde unter Berücksichtigung des Subsidiaritätsprinzip die Offene Methode der Koordinierung (OMK) gewählt, wonach die EU- Mitgliedstaaten sich im Grundsatz freiwillig auf gemeinsame Ziele einigen.2 Die OMK kann in Bereichen herangezogen werden, in denen die Gemeinschaft grundsätzlich keine Regelungskompetenz besitzt, für die aber „europäischer Handlungsbedarf“ besteht.3 Charakteristisch für die OMK ist die Orientierung an so genannten benchmarks und Indikatoren. Über das Setzen von Zielvorgaben und die Veröffentlichung vergleichender Fortschrittsberichte soll auf informellem Weg Druck auf die Mitgliedstaaten ausgeübt werden, sich zielkonform zu verhalten. Dennoch bleiben die gesetzten Ziele rechtlich unverbindlich. Ein Mitgliedstaat, dessen Politik die Ziele der Lissabon-Strategie nicht berücksichtigt, sieht sich daher keinen Sanktionen ausgesetzt. Begrenzte Sanktionsmöglichkeiten bestehen hingegen im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes nach Art. 99 Abs. EGV. Obwohl Art. 99 EGV ebenfalls lediglich eine Koordinierung der Wirtschaftspolitik vorsieht, können in diesem Bereich über das Defizitverfahren des Art. 104 EGV Sanktionen gegenüber denjenigen Mitgliedstaaten ausgesprochen werden, die sich nicht an die Stabilitätskriterien halten. Die Leitung und Koordinierung der Lissabon-Strategie übernahm der ER selbst, der die konkreten politischen Mandate auf seinen Frühjahrstagungen festlegen und den Prozess regelmäßig überwachen wollte. 2. Der Kok-Halbzeitbericht und die Neuausrichtung der Lissabon- Strategie Relativ schnell wurde allerdings erkennbar, dass sich die hochgesteckten Erwartungen in die Lissabon-Strategie nicht erfüllten. Ein im November 2004 von einer unabhängigen hochrangigen Sachverständigengruppe unter Leitung des ehemaligen niederländischen Ministerpräsidenten Wim Kok vorgelegter Bericht zeichnete ein gemischtes Bild über die bisherigen Erfolge und Fortschritte.4 Der sog. Kok-Bericht konstatierte, dass 2 Vgl. dazu : Die Offene Methode der Koordinierung, in: Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Europa, Nr. 01/06 vom 19. Dezember 2005. 3 Thomas Oppermann, Europarecht, 3. Auflage, § 6 Rn. 114. 4 Hochrangige Sachverständigengruppe: Die Herausforderung annehmen: Die Lissabon-Strategie, Wachstum und Beschäftigung“, Brüssel, November 2004 - 6 - wichtige Ziele der Lissabon-Strategie verfehlt wurden und insbesondere im Vergleich zu den USA wichtige benchmarks wie Produktivitätswachstumsrate, Wachstumskurve, Beschäftigungsquote, Ausgaben für Forschung und Entwicklung zurückfielen. Auf der Basis des Kok-Berichts und den Schlussfolgerungen der verschiedenen EU- Ratsformationen legte die Europäische Kommission Ende Januar 2005 dem ER- Frühjahrsgipfels Vorschläge für eine Reform der Lissabon-Strategie vor. Am 22./23 März 2005 beschlossen die Staats- und Regierungschefs schließlich eine Neuausrichtung der Lissabon-Strategie. Kernpunkte der Reform waren eine stärkere Ausrichtung auf Wachstum und Beschäftigung und vor allem ein stärkeres Engagement der EU- Mitgliedstaaten selbst.5 Der Schwerpunkt lag nun auf in den Mitgliedstaaten umzusetzende Maßnahmen anstatt wie bisher auf quantifizierte Zielvorgaben. Nur zwei Ziele, die bis zum Jahr 2010 erreicht werden sollen, blieben erhalten: eine Beschäftigungsquote von 70 % und die Aufwendung von 3 % des BIP für Forschung und Entwicklung (FuE). Mit dieser Neuausrichtung wurde die Verantwortung für die Umsetzung der Lissabon -Strategie auf die wirklich entscheidenden Akteure, nämlich die Mitgliedstaaten mit ihrer überwiegenden Verantwortung für die Wirtschafts- und Sozialpolitik zurückverlagert . Außerdem wurde die Berichtspflicht geändert. Statt der vormals dutzend Berichte müssen die Mitgliedstaaten nunmehr nur noch einen Fortschrittsbericht jährlich erstellen. Nach der vom ER im März 2005 beschlossenen Neuausrichtung der Lissabon-Strategie legte die Kommission im April 2005 in den „Integrierten Leitlinien für Wachstum und Beschäftigung 2005-2008“ die Grundzüge der Wirtschaftspolitik der Gemeinschaft vor, auf deren Basis die Mitgliedstaaten aufgefordert wurden, bis zum Herbst 2005 detaillierte nationale Aktionspläne zur Umsetzung der Lissabonziele auf nationalstaatlicher Ebene vorzulegen. Ergänzt wurden die „Integrierten Leitlinien“ durch das „Lissabon-Programm der Gemeinschaft “ vom Juli 2005, das auf eine Unterstützung der nationalen Aktionspläne abzielt.6 Im Vorfeld der Formulierung der nationalen Reformprogramme identifizierte die Kommission eine Reihe von Schlüsselmaßnahmen mit hohem Mehrwert, auf die sich die Gemeinschaft konzentrieren sollte. Dazu gehörten die Unterstützung von Wissen und Innovation, eine Reform der Beihilfepolitik, eine Verbesserung und Vereinfachung des Regelungsumfeldes für Unternehmen, die Vollendung des Binnenmarktes für Dienstleistungen, der Abschluss einer Vereinbarung im Rahmen der Doha-Runde, die Beseitigung von Hindernissen für die Mobilität in den Bereichen Transport, Arbeit und 5 : Reform der Lissabon-Strategie, in: Wissenschaftliche Dienste des deutschen Bundestages, Der Aktuelle Begriff Nr. 10/05 vom 22.Februar 2005. 6 Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament, Gemeinsame Maßnahmen für Wachstum und Beschäftigung: Das Lissabon-Programm der Gemeinschaft, KOM (2005) 24, Brüssel, den 02.Februar 2005. - 7 - Bildung, die Entwicklung eines gemeinsamen Konzeptes für wirtschaftliche Migration und die Unterstützung von Maßnahmen zur Abfederung der sozialen Auswirkungen wirtschaftlicher Umstrukturierung. 3. Reaktionen auf die Reform der Lissabon-Strategie Die Neubelebung der Lissabon-Agenda rief bei Politikern und Interessenvertretern unterschiedliche Reaktionen hervor.7 So kritisierten sozialdemokratische und Grüne Europaabgeordnete eine "zu unternehmensfreundliche" Haltung der Kommission. Die Lissabon -Strategie sei zu einer "neo-liberalen" Agenda geworden, bei der es allein um Wirtschaftswachstum ginge. Der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) bemängelte, „dass übermäßiger Wettbewerb, der auf Kosten der Arbeitsbedingungen geht, zu weniger, nicht mehr Produktivität und Innovation führt.“ EGB und Umweltverbände warfen der Kommission zudem vor, eine nachhaltige soziale Entwicklung zu vernachlässigen. Beide forderten die Kommission auf, soziale und umweltpolitische Ziele in den Mittelpunkt der Lissabon-Strategie zu stellen. Anderer Meinung waren die europäischen Arbeitgeberverbände . Eurochambres etwa äußerte, dass die jetzigen Reformprogramme Europa nicht die radikalen Reformen bringen würden, „die es braucht, um seine Wettbewerbsfähigkeit wiederzuerlangen: sie werden nur zu leichten Verbesserungen führen, und das nur dann, wenn sie auch wirklich umgesetzt werden“. Der europäische Unternehmensverband UNICE konstatierte, dass vor allem das fehlende Wachstum die Ursache für die Probleme Europas sei. Die beabsichtigten nationalen Reformprogramme seien zwar ein Schritt nach vorn, aber vielen Aktionsplänen fehle es an Ehrgeiz, „was die konkrete Umsetzung der angekündigten Reformen anbelangt.“ 4. Nationale Aktionspläne für Wachstum und Beschäftigung Bis zum Herbst 2005 reichten alle EU-Mitgliedstaaten ihre nationalen Aktionspläne bei der Kommission ein.8 Die Bundesregierung legte das „Nationale Reformprogramm Deutschland“ am 7. Dezember 2005 in Brüssel vor.9 Konkret benannte die Bundesregierung folgende sechs Prioritäten, die sie verfolgen wolle: Ausbau der Wissensgesellschaft , wettbewerbsfähige Gestaltung der Märkte, weitere Verbesserung der Rahmenbedingungen für unternehmerische Tätigkeit, konjunkturgerechte Konsolidierung der öffentlichen Finanzen, Sicherung der wirtschaftlichen Stabilität und Wahrung der sozialen 7 Zur Diskussion, vgl. „Neubelebung der Lissabon-Strategie“, 3. Mai 2005, in: www.euractiv.com/article?tcmuri_tem... (zuletzt geladen am 8. März 2006) 8 Die nationale Aktionspläne und die Bewertungen der Kommission finden sich unter: http://europa.eu.int/growthandjobs/annual-report_de.htm (zuletzt geladen am 8. März 2006). 9 Unterrichtung durch die Bundesregierung: Nationales Reformprogramm Deutschland, Innovationforcieren - Sicherheit im Wandel fördern- Deutsche Einheit vollenden, Drucksache 16/313, 21.Dezember 2005. - 8 - Sicherheit, Nutzung ökologischer Innovation als Wettbewerbsvorteil und die Ausrichtung der Wirtschafts-, Finanz- und Arbeitsmarktpolitik auf mehr Beschäftigung. In ihrem „Jährlichen Fortschrittsbericht über Wachstum und Beschäftigung“ analysierte die Kommission die 25 Nationalen Reformprogramme der Mitgliedstaaten.10 Darin schrieb die Kommission, ihrer neuen Rolle bei der Reform der Lissabon-Strategie folgend , dass sie lediglich ermitteln will, „in welchen Bereichen die Mitgliedstaaten am meisten voneinander lernen können“ (Best Practice) und sagte den Mitgliedstaaten bei der Übernahme „vielversprechender Ansätze“ aus anderen Programmen Unterstützung zu. Einige aus ihrer Sicht nachahmenswerte Ansätze stellte die Kommission im Anhang des ersten Teils des Berichts beispielhaft dar.11 Hinsichtlich des deutschen Nationalen Reformprogramms begrüßte die Kommission grundsätzlich die von der Bundesregierung festgesetzten sechs Prioritäten, hielt aber ein entschlosseneres Handeln im Bereich des Dienstleistungswettbewerbs für erforderlich. Das deutsche Nationale Reformprogramm, so die Kommission, böte zwar eine kohärente und integrierte Strategie, um den identifizierten Herausforderungen zu begegnen, neige aber dazu, Ziele ohne Details über ihre Finanzierung und Pläne zur Umsetzung zu benennen. 5. Vorschläge der Kommission für prioritäre Aktionsbereiche Die Analyse der Nationalen Reformprogramme nahm die Kommission zum Anlass, zur Beseitigung europaweiter Defizite und Mängel konkrete Maßnahmen in vier „prioritären Aktionsbereichen“ vorzuschlagen: Dazu zählen mehr Investitionen in Wissen und Innovation; Erschließung des Unternehmenspotenzials, insbesondere von KMU, Antwort auf Globalisierung und Bevölkerungsalterung und eine effizientere, integrierte europäische Energiepolitik. Im Aktionsbereich Investitionen in Bildung und Forschung plädierte die Kommission dafür, die Ausgaben für die Hochschulbildung bis 2010 deutlich zu steigern (von 1,28 % auf 2 % des BIP), Zielvorgaben für die Forschungs- und Entwicklungsausgaben der Mitgliedstaaten im Jahr 2010 festzulegen und mehr an staatlichen Beihilfen und Strukturfondsmitteln für Forschung und Entwicklung (FuE) auszugeben. Wichtig sei, so die Kommission, ein positives Klima für „Forschung in Innovation“ zu schaffen. Zugleich schlug sie vor, ein Europäisches Technologieinstitut einzurichten.12 An den 10 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung der Kommission für die Frühjahrstagung des Europäischen Rates, Jetzt aufs Tempo drücken, KOM(2006) 30, Brüssel, den 25. Januar 2006,. Teil 1: Die neue Partnerschaft für Wachstum und Arbeitsplätze; Teil 2: Länderkapitel. 11 Vgl. ebd. Anhang (S. 30 ff.) 12 : Europäisches Technologieinstitut, in: Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Europa Nr. 28/06 vom 9. Mai 2006. - 9 - Schulen solle mehr Gewicht auf Mathematik- und Fremdsprachenunterricht gelegt werden , um arbeitsmarktrelevante Qualifikationen zu fördern. Durch den Abbau von bürokratischen Hemmnissen will die Kommission unternehmerisches Potenzial – gerade bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) – freisetzen . Konkret schlug sie vor, dass die Mitgliedstaaten Unternehmensgründungen bis 2007 erleichtern, wie etwa durch die Schaffung von „einheitlichen Anlaufstellen“ („one -stop-shop“), bei denen alle Formalitäten erledigt werden können. Für bestimmte geringfügige nationale Beihilfen will die Kommission das Anmeldungserfordernis aufheben . Schließlich sollten unternehmerisches Denken und Handeln Eingang in die Lehrpläne für alle Schüler finden. Bei der Beschäftigungsförderung regte die Kommission einen lebenszyklusorientierten Ansatz in der Beschäftigungspolitik an, der Menschen jeden Alters die notwendige Unterstützung sichert. Schulabgängern und Hochschulabsolventen sollen die Mitgliedstaaten einen Arbeitsplatz, eine Lehrstelle oder eine Fortbildungsmöglichkeit garantieren , wobei ein Angebot innerhalb kurzer Zeit erfolgen sollte (zunächst sechs Monate, später 100 Tage). Die Mitgliedstaaten sollen ihre Anstrengungen intensivieren, damit eine hochwertige Kinderbetreuung, die weitergehende Gleichstellung der Geschlechter und die bessere Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben sichergestellt werden. Eine Erweiterung der Fortbildungsmöglichkeiten für über 45-Jährige und die finanzielle Förderung der Verlängerung des Berufslebens sowie von Teilzeittätigkeit soll es ermöglichen , Menschen länger in Arbeit zu halten und ihre Talente optimal zu nutzen („aktives Altern“). Der angestrebte Ausgleich zwischen Flexibilität und Arbeitsplatzsicherheit („Flexicurity“) wurde Inhalt eines Berichts, den die Kommission auf einem außerordentlichen Sozialgipfel Ende 2007 vorlegen will. Ein neuer Themenbereich war die Sicherstellung von Energie, für den die Kommission gemeinsame europäische Anstrengungen anmahnte. Die europäischen Stromverbundund Gaspipelinenetze sollen besser untereinander abgestimmt und die Energiemärkte sinnvoller reguliert und verstärkt dem Wettbewerb geöffnet werden. Mit Anreizen – etwa im Steuerbereich – soll dafür gesorgt werden, dass Nachhaltigkeit künftig im Energiebereich im Mittelpunkt steht. Die Forschung zu Energieeinsparung, sauberen Energien und erneuerbaren Energiequellen soll verstärkt gefördert werden. Die Kommission verweist abschließend auf die Pläne für ein – inzwischen vorgelegtes – Grünbuch zum Thema „Eine europäische Strategie für nachhaltige, wettbewerbsfähige und sichere Energie“.13 13 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Grünbuch, Eine europäische Strategie für nachhaltige , wettbewerbsfähige und sichere Energie KOM(2006) 105, Brüssel, den 8. März 2006. - 10 - 6. Stärkung der Sozialpolitischen Aspekte der Lissabon-Strategie Eine weitere Modifizierung der Lissabon-Strategie erfolgte während der derzeitigen österreichischen Ratspräsidentschaft. Diese hatte vor dem Hintergrund des negativen Ausgangs der Referenden über den Verfassungsvertrag in Frankreich und den Niederlanden angekündigt, die sozialpolitischen Kernbotschaften der Lissabon-Strategie stärker als bisher herauszustellen. Die Wachstums- und Beschäftigungspolitik, so lautet die Einschätzung der österreichischen Präsidentschaft, funktioniere nur im Einklang mit einer entsprechenden Sozialpolitik. Die Kommission ihrerseits hatte im Januar 2006 eine Mitteilung mit dem programmatischen Titel „Einen Gang zulegen“14 vorgelegt. Dort kündigte sie für den Bereich der Beschäftigungsstrategie an, sich künftig auf drei Prioritäten zu konzentrieren: mehr Menschen sollen ins Erwerbsleben einbezogen und dort auch gehalten werden, die Anpassungsfähigkeit der Arbeitnehmer und Unternehmen soll erhöht werden und Investitionen in eine bessere Bildung und höhere Qualifizierung sollen gesteigert werden. Bei einem informellen Treffen der EU-Sozialminister im Januar 2006 wurden gemeinsame Zielsetzungen und Arbeitsmethoden insbesondere zum Sozialschutz und zur Armutsbekämpfung beraten. Auf der Tagung des Rates Beschäftigung und Soziales im Februar 2006 legte die Präsidentschaft ein Kernpunktepapier zu einer nachhaltigen Wachstums- und Beschäftigungspolitik in Europa vor und führte eine erste Orientierungsdebatte auf der Grundlage des Fortschrittsbericht der Kommission über die Umsetzung der Lissabon-Strategie und ihre soziale Flankierung. Der Rat Beschäftigung und Soziales beriet auf seiner Tagung am 10. März 2006 darüber , wie mehr Arbeitsplätze geschaffen werden könnten, die Wettbewerbsfähigkeit gesichert und gleichzeitig der soziale Zusammenhalt gewährleistet werden können. In Vorbereitung auf die Frühjahrstagung des ER Ende März 2006 verständigten sich die Minister auf „key messages“ um die soziale Ausrichtung der Strategie für Wirtschaft und Beschäftigung zu verdeutlichen. Die amtierende Ratsvorsitzende und österreichische Sozialministerin Haubner erklärte, dass die soziale Dimension der neuen Partnerschaft für Wachstum und Beschäftigung und der damit verbundene Mehrwert für die Bürger sichtbar gemacht werden müsse. 15 Auf der Grundlage der Vorschläge der Kommission und der verschiedenen Ratsformationen einigte sich der ER auf seiner Frühjahrstagung im März 2006 darauf, stärker als 14 Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Jetzt aufs Tempo drücken“, KOM (2006) 30, Brüssel , den 25.Januar 2006. 15 Presseerklärung der österreichschen Präsidentschaft vom 10. März 2006, Sozialschutz und Armutsbekämpfung müssen Prioritäten auf Ebene der EU darstellen, www.eu2006.at/de/News/Press_Release/). - 11 - bisher in Forschung und Bildung zu investieren, und auf diese Weise 10 Mio. zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen. 7. Jüngste Entwicklungen und Ausblick Die Kommission scheint allerdings inzwischen von ihrem Optimismus bei der Erreichung der Lissabon-Ziele abgerückt zu sein. In einem im Juni 2006 vorgelegten „Zwischenbericht über Wachstum und Beschäftigung“ vertritt sie nun die Auffassung, dass die angestrebte Beschäftigungsquote von 70 % nach dem Beitritt der zehn neuen Mitgliedsstaaten 2004 und den für 2007 anvisierten Beitritt Rumäniens und Bulgariens nur schwerlich erreichen sei.16 Dazu müssten in der EU-27 insgesamt 24 Mio. neue Stellen geschaffen werden, was einem Anstieg von 12 % entsprechen würde, was wiederum eher unwahrscheinlich sei. In Rumänien lasse sich gegenwärtig ein Rückgang der Beschäftigtenzahlen , und in Polen und Deutschland ein Abbau von Arbeitsplätzen beobachten . Das Beschäftigtenquotenziel von 70 % würde gegenwärtig selbst in den reichen Regionen der EU nur zu etwa der Hälfte erreicht. Für 2005-2007 prognostiziert die Kommission ein jährliches Wachstum von 2 %, wobei dieses in 16 der 25 EU- Mitgliedstaaten sowie in Rumänien und Bulgarien über 3 % liegen würde. Für die unmittelbare Zukunft der Lisabon-Strategie hat die Kommission ein umfangreiches Follow-up-Programm vorgelegt. Dabei soll der Umsetzung der Nationalen Reformprogramme oberste Priorität zukommen. Unter der künftigen finnischen Präsidentschaft sind die Regierungen der Mitgliedstaaten im Oktober 2006 aufgefordert, die Kommission über den Stand der Umsetzung ihrer Reformprogramme zu unterrichten. Die Bilanz über die Umsetzung sowohl des Lissabon-Programms der Gemeinschaft, als auch der nationalen Reformprogramme wird die Kommission in ihrem Bericht für die Frühjahrstagung des Europäischen Rates 2007 ziehen 16 Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Die Strategie für Wachstum und Beschäftigung und die Reform der europäischen Kohäsionspolitik. Vierter Zwischenbericht über den Zusammenhalt , KOM(2006) 281, Brüssel, den 12. Juni 2006 - 12 - 8. Quellen: Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Ein Neustart für die Lissabon- Strategie. Integrierte Leitlinien für Wachstum und Beschäftigung (2005-2008), KOM (2005) 141, Brüssel, den 12. April 2005. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament. Gemeinsame Maßnahmen für Wachstum und Beschäftigung. Das Lissabon-Programm der Gemeinschaft, KOM (2005) 330, Brüssel, den 20. Juli 2005. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Mitteilung der Kommission für die Frühjahrstagung des Europäischen Rates, KOM (2006), Brüssel, den 25.1.2006. Council of the European Union: 2707th Council Meeting Economic and Financial Affairs, Brüssel, den 14. Februar 2006, Press Release. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Jetzt aufs Tempo drücken, KOM (2006) 30, Brüssel, den 25.Januar 2006. Unterrichtung durch die Bundesregierung: Nationales Reformprogramm Deutschland , Innovation forcieren- Sicherheit im Wandel fördern- Deutsche Einheit vollenden , Drucksache 16/313, 21.Dezember 2005. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Die Strategie für Wachstum und Beschäftigung und die Reform der europäischen Kohäsionspolitik. Vierter Zwischenbericht über den Zusammenhalt, KOM(2006) 281, Brüssel, den 12. Juni 2006 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Grünbuch, Eine europäische Strategie für nachhaltige, wettbewerbsfähige und sichere Energie KOM(2006) 105, Brüssel, den 8. März 2006. Hochrangige Sachverständigengruppe: Die Herausforderung annehmen: Die Lissabon -Strategie für Wachstum und Beschäftigung“, Brüssel, November 2004. - Fachbereich Europa -