© 2016 Deutscher Bundestag PE 6 – 3000 – 200/14 EU-Beihilferechtliche Beurteilung von Ausfallbürgschaften bei Energieeinspar -Contracting-Maßnahmen Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitungen und andere Informationsangebote des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung P, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 –200/14 Seite 2 EU-Beihilferechtliche Beurteilung von Ausfallbürgschaften bei Energieeinspar-Contracting- Maßnahmen Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 200/14 Abschluss der Arbeit: 05.12.2014 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 –200/14 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Überblick über das EU-Beihilferecht 6 3. Ausfallbürgschaften und Beihilfemerkmale des Art. 107 Abs. 1 AEUV 8 3.1. Beihilfebegründende Umstände 9 3.1.1. Begünstigung 9 3.1.2. Staatlichkeit der Mittel 10 3.1.3. Selektivität 10 3.2. Beihilfeausschließende Umstände 13 3.3. Die Beihilfehöhe von Ausfallbürgschaften und zulässige transparente „De-minimis-Bürgschaften“ 14 3.3.1. Zur Beihilfehöhe bei Bürgschaften 14 3.3.2. Anforderungen der De-mimimis-Verordnung 14 4. Ausfallbürgschaften als Beihilfen und deren mögliche Zulässigkeit nach Art. 107 Abs. 3 AEUV 15 4.1. Allgemeines 15 4.2. Ausfallbürgschaften im Lichte der Umweltschutzleitlinien 16 4.3. Ausfallbürgschaften im Lichte der Freistellungsverordnung 18 5. Beihilfeverfahrensrechtliche Aspekte 19 6. Ergebnis 20 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 –200/14 Seite 4 1. Einleitung Beim Energieeinspar-Contracting handelt es sich um ein Geschäftsmodell, welches im Zusammenhang mit der energetischen Sanierung von Gebäuden zum Einsatz kommen kann.1 Der sog. Contractor tätigt dabei eine Investition in die Sanierung einer Gebäudehülle oder in andere, für die energetische Effizienz relevante Elemente von Gebäuden, die im Eigentum anderer Personen stehen.2 Ziel dieser Investition ist eine dauerhafte Senkung der Energieverbrauchskosten. Die durch den Gebäudeeigentümer hierfür zu erbringende Gegenleistung liegt in der (ratenweisen) Zahlung der durch die energetische Sanierung eingesparten Energiekosten über eine im Vorfeld festgelegte Vertragslaufzeit.3 Bei näherem Hinsehen liegt diesem Modell eine Vorfinanzierung der Investitionen durch den Contractor zugrunde. Er trägt zunächst die Kosten der energetischen Sanierung, die dann ratenweise über einen längeren Zeitraum durch den von der Sanierung begünstigten Gebäudeeigentümer aus den ersparten Aufwendungen für die energetische Unterhaltung zurückbezahlt werden. Bei dieser Betrachtungsweise bestehen durchaus Ähnlichkeiten mit einer Kreditgewährung, wobei dem Contractor die Rolle des Kreditgebers und dem Gebäudeeigentümer die Rolle des Kreditnehmers zukommt. Hier wie dort stellt sich die Frage nach dem wirtschaftlichen Risiko für den Fall, dass der Kreditnehmer bzw. der Gebäudeeigentümer seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen kann. Bei Kreditgeschäften ist eine Vielzahl an verschiedenen Sicherheiten bekannt, unter anderem Bürgschaften im Sinne der §§ 765 ff. BGB. Eine solche Form der Sicherheit könnte auch im Fall des Energieeinspar-Contracting eingesetzt werden, um das wirtschaftliche Risiko auf Seiten des in Vorleistung tretenden Contractors zu senken. Der Auftraggeber verweist hierbei auf sog. Ausfallbürgschaften, die durch den Staat gewährt werden könnten. Kennzeichnend für eine solche Form der Bürgschaft ist, dass der Ausfallbürge (hier der Staat) für den endgültigen Ausfall auf Seiten des Gläubigers (hier des Contractors) nur dann haftet, wenn dieser seine Rechte gegenüber dem Hauptschuldner (hier dem Gebäudeeigentümer ) trotz sorgfältigen Vorgehens nicht durchsetzen kann (etwa mangels Zahlungsunfähigkeit des Gebäudeeigentümers).4 Die energetische Sanierung von Gebäuden und die Förderung entsprechender Energiedienstleitungen ist u. a. Gegenstand der sog. Energieeffizienzrichtlinie5. Mit diesem Rechtsakt schafft die 1 Vgl. dazu Klemm, Energieeinspar-Contracting: vom Nischenprodukt zum Verkaufsschlager?, CuR 2013, 151. 2 Vgl. Klemm, aaO. 3 Vgl. Klemm, aaO. 4 Vgl. zur Ausfallbürgschaft etwa Nobbe, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 91, Rn. 466; Rohe, in: Bamberger/Roth, Beck’scher Online-Kommentar BGB, § 765 BGB, Rn. 120. 5 Richtlinie 2012/27/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 zur Energieeffizienz, zur Änderung der Richtlinien […], ABl. EU Nr. L 315/1, online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legalcontent /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32012L0027&rid=2 (letztmaliger Abruf am 15.02.16). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 –200/14 Seite 5 EU ausweislich seines Art. 1 Abs. 1 einen „gemeinsamen Rahmen für Maßnahmen zur Förderung von Energieeffizienz in der Union“ und legt „Regeln [fest], mit denen Hemmnisse im Energiemarkt und Marktversagen, die der Effizienz bei der Energieversorgung und -nutzung entgegenstehen , beseitigt werden sollen“. Nach Erwägungsgrund Nr. 47 der Energieeffizienzrichtlinie muss „der Markt für Energiedienstleistungen […] weiter ausgebaut werden, um sicherzustellen, dass sowohl das Angebot an als auch die Nachfrage nach Energiedienstleistungen vorhanden ist. […] Wie bei anderen Formen der Drittfinanzierung vermeidet der Begünstigte der Energiedienstleistung bei einem Energieleistungsvertrag Investitionskosten dadurch, dass er einen Teil des finanziellen Werts der Energieeinsparungen dafür nutzt, die von einem Dritten ganz oder zum Teil getätigte Investition zurückzuzahlen.“6 Die Energieeffizienzrichtlinie war nach deren Art. 28 Abs. 1 im Wesentlichen bis zum 5. Juni 2014 umzusetzen. Nach Art. 20 Abs. 1 Energieeffizienzrichtlinie ermöglichen die Mitgliedstaaten unbeschadet der Art. 107 und 108 AEUV „die Einrichtung von Finanzierungsfazilitäten oder die Nutzung bestehender derartiger Fazilitäten für Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz, damit der aus mehreren Finanzierungsströmen erwachsende Nutzen maximiert wird.“7 Hieraus folgt, dass eine finanzielle Förderung durch die Mitgliedstaaten das in den Art. 107 und 108 AEUV geregelte EU-Beihilferecht zu beachten hat. Vor diesem Hintergrund wird der Fachbereich um die Beantwortung der folgenden Fragen ersucht : 1. Stellen Ausfallbürgschaften für Contractinglösungen eine staatliche Beihilfe nach Art. 107 AEUV dar? 2. Inwiefern wäre eine Notifizierung an die Kommission erforderlich? 3. Gibt es eine Möglichkeit, dies durch eine besondere Ausgestaltung der Regelung zu umgehen ? Die drei Fragen laufen auf eine EU-beihilferechtliche Beurteilung der im Zusammenhang mit Energieeinspar-Contracting vorgesehenen Ausfallbürgschaften hinaus und zwar in materieller und verfahrensrechtlicher Hinsicht. Nach einer kurzen Einführung in beide Aspekte des EU-Beihilferechts (siehe unter 2.) wird zunächst die Frage nach dem Vorliegen der Beihilfemerkmale des Art. 107 Abs. 1 AEUV untersucht (siehe unter 3.). Sodann ist zu erörtern, ob bei Bejahung dieser Merkmale Ausfallbürgschaften gleichwohl als unionsrechtlich zulässig angesehen werden könnten (siehe unter 4.). Anschließend werden verfahrensrechtliche Gesichtspunkte beleuchtet (siehe unter 5.). Die Ausarbeitung schließt mit einem zusammenfassenden Ergebnis (siehe unter 6.). 6 Hervorhebung durch den Verfasser. 7 Hervorhebung durch den Verfasser. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 –200/14 Seite 6 Zu beachten ist allerdings, dass die dabei gewonnenen Erkenntnisse mangels konkreter Vorgaben zur Ausgestaltung und Höhe der Ausfallbürgschaften nur allgemeiner Natur und keine abschließende juristische Beurteilung sein können. 2. Überblick über das EU-Beihilferecht Den materiellen Kern des EU-Beihilferechts bildet das an die Mitgliedstaaten gerichtete, grundsätzliche Verbot staatlicher Beihilfen. Nach Art. 107 Abs. 1 AEUV sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen . Aus dieser Vorschrift leitet man die (tatbestandlichen) Merkmale einer Beihilfe her. Hierbei werden im Schrifttum zum Teil unterschiedliche Aufteilungen und Reihenfolgen favorisiert. Im Weiteren sollen die Beihilfemerkmale wie folgt unterschieden werden: (1) Den begünstigten Unternehmen muss ein Vorteil gewährt werden (sog. Begünstigung). (2) Bei dem Vorteil muss es sich um eine staatliche Maßnahme handeln oder um eine Maßnahme unter Inanspruchnahme staatlicher Mitteln (sog. Staatlichkeit der Mittel). (3) Bei den Begünstigten muss es sich um bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige handeln (sog. Selektivität). (4) Die Maßnahme muss den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen (Wettbewerbsverfälschung ). (5) Sie muss geeignet sein, den Handel zwischen Mitgliedsstaaten zu beeinträchtigen (sog. Zwischenstaatlichkeit). Liegen diese Merkmale vor, so greift das Beihilfeverbot des Art. 107 Abs. 1 AEUV. Es gilt allerdings nicht absolut, sondern nur insoweit, als in den Verträgen nichts anderes bestimmt ist. Zu diesen „anderen Bestimmungen“ zählen vor allem die Art. 107 Abs. 2 und Abs. 3 AEUV.8 Danach sind Beihilfen unter bestimmten Voraussetzungen mit dem Binnenmarkt als vereinbar anzusehen (Legalausnahmen nach Abs. 2) oder können als vereinbar angesehen werden (Ermessensausnahmen nach Abs. 3). Der Vollzug des EU-Beihilfenrechts obliegt auf Grundlage von Art. 108 AEUV sowie seiner sekundärrechtlichen Konkretisierung in Gestalt der Beihilfenverfahrensordnung9 vor allem der 8 Weitere Vorschriften in diesem Zusammenhang sind die hier nicht relevanten Art. 93 AEUV für den Verkehrsbereich und Art. 106 Abs. 2 AEUV für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind oder den Charakter eines Finanzmonopols haben. 9 Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrags, ABl.EU 1999 Nr. L 83/1 (konsolidierte Fassung online abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?qid=1417182877791&uri=CELEX:01999R0659-20130820 (letztmaliger Abruf am 15.02.16). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 –200/14 Seite 7 Kommission.10 Verfahrensrechtlicher Ausgangspunkt ist hierbei die Pflicht der Mitgliedstaaten, Beihilfen vor ihrer Einführung bei der Kommission anzumelden (Notifizierungspflicht, vgl. Art. 108 Abs. 3 S. 1 AEUV). Diese prüft sodann, ob eine Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV vorliegt und ob sie ggf. nach Art. 107 Abs. 2 oder Abs. 3 AEUV gerechtfertigt werden kann. Erst im Anschluss hieran darf der betreffende Mitgliedstaat die Beihilfe gewähren (sog. Durchführungsverbot , vgl. Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV). Der Überprüfung unterliegen auch nicht notifizierte und damit formell rechtswidrige Beihilfen, soweit die Kommission von ihnen Kenntnis erlangt und ein Verfahren einleitet.11 Stellen sich bereits gewährte Maßnahmen als mit dem Binnenmarkt nach Art. 107 Abs. 2 oder Abs. 3 AEUV unvereinbar heraus, so wird der betreffende Mitgliedstaat durch die Kommission zur Rückforderung der Beihilfe verpflichtet (vgl. Art. 108 Abs. 2 UAbs. 1 AEUV). Insbesondere im Zusammenhang mit den Ausnahmen nach Art. 107 Abs. 3 AEUV kommt der Kommission beim Vollzug des Beihilferechts ein weites Ermessen zu, welches sie nach Maßgabe komplexer wirtschaftlicher und sozialer Wertungen ausübt, die auf die Union als Ganzes zu beziehen sind.12 Dieses Ermessen kann gerichtlich – anders als die Frage, ob eine Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV vorliegt oder nicht – nur daraufhin untersucht werden, ob eine offensichtlich fehlerhafte Würdigung des betreffenden Sachverhalts oder ein Ermessensmissbrauch vorliegt.13 Die Unionsgerichte dürfen bei der Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Ausübung dieser Entscheidungsfreiheit die Beurteilung der Kommission nicht durch eine eigene Beurteilung ersetzen .14 Von praktischer Bedeutung sind an dieser Stelle zahlreiche Sekundärrechtsakte, in denen vor allem die Kommission einerseits ihre Ermessenspraxis und andererseits die beihilferechtliche Rechtsprechung der Unionsgerichte verschriftlicht hat, um die Rechtssicherheit (Vorhersehbarkeit ) und Transparenz ihres Entscheidungsprozesses zu erhöhen.15 Hierzu gehören zunächst die sog. Freistellungsverordnungen, auf deren Grundlage Beihilfen bei Einhaltung bestimmter Voraussetzungen von dem Notifizierungserfordernis nach Art. 108 Abs. 3 AEUV ausgenommen 10 Zu den wenigen, zum Teil auf Ausnahmesituationen beschränkten Kompetenzen des Rates im EU-Beihilfenrecht nach Art. 107 Abs. 3 lit. e, Art. 108 Abs. 2 UAbs. 3 sowie Art. 109 AEUV, vgl. allgemein Frenz, Handbuch Europarecht, Band 3, Beihilfen- und Vergaberecht, 2007, Rn. 1224 ff. 11 Siehe allgemein zum Beihilfenverfahren die Kommentierung im Münchener Kommentar zum Europäischen und Deutschen Wettbewerbsrecht (Kartellrecht), Band 3 Beihilfen- und Vergaberecht, 2011 (im Folgenden: MüKo- Wettbewerbsrecht), zu Art. 108 AEUV sowie zur Beihilfenverfahrensordnung. 12 Vgl. Kreuschitz, in: MüKo-Wettbewerbsrecht (Fn. 11), Art. 107 AEUV, Rn. 523. 13 Vgl. etwa EuGH, Rs. C-333/07 (Société Régie Networks), Slg. 2008, I-10807, Rn. 78. 14 Vgl. bspw. EuGH, Rs. C-456/00 (Frankreich/Kommission), Slg. 2002, I-11949, Rn. 41. 15 Cremer, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 107 AEUV, Rn. 4. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 –200/14 Seite 8 werden.16 Diese rechtlich verbindlichen Maßnahmen erlässt die Kommission auf Grundlage von Art. 108 Abs. 4 AEUV in Verbindung mit Art. 109 AEUV und den entsprechenden Ermächtigungsakten des Rates. Von Bedeutung ist ferner die sog. De-minimis-Verordnung der Kommission , die eine sekundärrechtliche Ausnahmen vom Beihilfeverbot des Art. 107 Abs. 1 AEUV für kleinere Beihilfebeträge enthält.17 Neben diesen rechtlichen verbindlichen Rechtsakten bestehen zahlreiche, rechtlich nicht verbindliche Leitlinien, Gemeinschaftsrahmen und Mitteilungen.18 Die Einhaltung der darin enthaltenen Vorgaben entbindet zwar nicht – anders als bei Freistellungsverordnungen - von der Pflicht zur Notifizierung der Beihilfe, gewährleistet in der Regel jedoch einen positiven Ausgang des Beihilfeverfahrens. 3. Ausfallbürgschaften und Beihilfemerkmale des Art. 107 Abs. 1 AEUV Die EU-beihilferechtliche Relevanz von Bürgschaften unterstreicht die bereits zweite Kommissionsmitteilung über die Anwendung der Art. 107 und 108 AEUV auf staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften, die aus dem Jahr 2008 stammt (im Folgenden: Garantie-Mitteilung).19 Diese Mitteilung enthält sowohl Aussagen zum Beihilfecharakter von Bürgschaften (siehe sogleich unter 3.1.) und anderen Garantien als auch zu Umständen, bei deren Vorliegen ein Beihilfecharakter aus Sicht der Kommission verneint wird (siehe unter 3.2.). 16 Vgl. etwa die Verordnung (EU) Nr. 651/2014 der Kommission vom 17. Juni 2014 zur Feststellung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Binnenmarkt in Anwendung der Artikel 107 und 108 AEUV, ABl.EU 2014 Nr. L 187/1 (online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32014R0651&qid=1417702206558&from=DE – letztmalig abgerufen am 15.02.16). 17 Verordnung (EU) Nr. 1407/2013 der Kommission vom 18.12.2013 über die Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf De-minimis-Beihilfen, ABl.EU 2013 Nr. L 352/1, online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32013R1407&qid=1417597248357&from=DE (letztmaliger Abruf am 15.02.16). 18 Ein Gesamtüberblick über die verschiedenen Rechtsakte findet sich auf den Seiten der Generaldirektion Wettbewerb der Kommission unter http://ec.europa.eu/competition/state_aid/legislation/compilation/index_de.html (Stand vom 15.04.201415.02.16). Zur Frage der Rechtsverbindlichkeit der ermessenskonkretisierenden Kommissionsakte , vgl. Frenz, Beihilfe- und Vergaberecht (Fn. 10), Rn. 747 ff. 19 Im Original: Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Artikel 87 und 88 des EG-Vertrags auf staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften, ABl.EU 2008 Nr. C 155/2, online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:C:2008:155:0010:0022:DE:PDF (letztmaliger Abruf am 15.02.16). Die Garantiemitteilung ist der Ausarbeitung als Anlage beigefügt. Ebenfalls als Anlage beigefügt ist eine Präsentation des Bundesverbandes Öffentlicher Banken (VÖB) zur Garantiemitteilung. Die Präsentation ist online abrufbar unter http://www.aufbaubank.de/images/vortraege/Kommunalforum _TAB2008_Buergschaft.pdf (letztmaliger Abruf am 15.02.16). Aus dem Schrifttum zur Garantiemitteilung siehe im Einzelnen Núňez Müller, in: MüKo-Wettbewerbsrecht (Fn. 11), D. Finanzielle Transfers, Rn. 191 ff.; Heinrich, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, Europäisches Beihilfenrecht, 2013, Art. 107 Abs. 1 AEUV, Rn. 422 ff. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 –200/14 Seite 9 3.1. Beihilfebegründende Umstände Hinsichtlich der oben unter 2. aufgeführten Beihilfemerkmale des Art. 107 Abs. 1 AEUV kommt es vorliegend vor allem auf die Begünstigung, die Staatlichkeit der Mittel sowie die Selektivität an, wonach die staatliche Begünstigung bestimmten Unternehmen oder Produktionszweigen zugutekommen muss. Liegen diese Tatbestandselemente einer Beihilfe vor, so sind in der Regel auch die übrigen Beihilfemerkmale der Wettbewerbsverfälschung und Zwischenstaatlichkeit gegeben . An beide werden von Seiten der Kommission keine hohen Anforderungen gestellt.20 3.1.1. Begünstigung Eine Begünstigung im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV ist dann anzunehmen, wenn ein Unternehmen eine Leistung im Sinne eines geldwerten Vorteils erlangt, ohne dass dem eine angemessene Gegenleistung gegenübersteht.21 Zu diesem Merkmal finden sich in der Garantiemitteilung folgende Ausführungen: „Eine staatliche Garantie bietet den Vorteil, dass das Risiko, auf das sich die Garantie bezieht , vom Staat getragen wird. Diese Risikoträgerfunktion sollte normalerweise durch eine angemessene Prämie vergütet werden. Verzichtet der Staat ganz oder teilweise auf eine solche Prämie, so ist dies ein Vorteil für das Unternehmen und ein Verlust staatlicher Ressourcen. Selbst wenn im Rahmen einer Garantie keinerlei Zahlungen des Staates erfolgen, kann also trotzdem eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel [107] Absatz 1 [AEUV] vorliegen. Die Beihilfe wird bei Übernahme der Garantie gewährt und nicht erst dann, wenn die Garantie in Anspruch genommen wird oder aufgrund der Garantie Zahlungen erfolgen.“22 Eine beihilferechtliche Begünstigung besteht im Fall der Bürgschaft somit dann, wenn man für den Erhalt der Sicherheit in Gestalt des staatlichen (Ausfall-)Bürgen keine (marktangemessene ) Prämie (Avalprovision oder Bürgschaftsentgelt) zahlen muss.23 In zeitlicher Hinsicht ist entscheidend, dass die Begünstigung bereits im Moment der Bürgschaftsübernahme anzunehmen ist. 20 Koenig/Haratsch/Pechstein, Europarecht, 9. Aufl. 2014, Rn. 1208 f. 21 Arhold, in: MüKo-Wettbewerbsrecht (Fn. 11), Art. 107 AEUV, Rn. 107; Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht (Fn. 20), Rn. 1151. 22 Vgl. Garantiemitteilung (Fn. 19), 2.1., 3. Absatz, S. 12. 23 Vgl. Heinrich, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich (Fn. 19), Art. 107 Abs. 1 AEUV, Rn. 429. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 –200/14 Seite 10 3.1.2. Staatlichkeit der Mittel In dem zitierten Abschnitt der Garantiemitteilung wird davon ausgegangen, dass als Bürge der Staat auftritt, so dass auch die Staatlichkeit der Mittel durch dessen Verzicht auf Erhebung einer Prämie ohne weiteres angenommen werden kann. Im Fall der Ausfallbürgschaften bestehen derzeit jedoch keine konkreten Hinweise darauf, wer diese gewähren würde. Eine Staatlichkeit der Mittel wäre bei den hier betroffenen Ausfallbürgschaften jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Staat selbst in Gestalt von gesamtstaatlichen, gliedstaatlichen, regionalen oder kommunalen Behörden als Bürge auftreten würde.24 Ferner wäre dieses Merkmal auch dann erfüllt, wenn nicht der Staat selbst als Ausfallbürge auftreten würde, sondern andere Einrichtungen, die durch den Staat kontrolliert werden und deren beihilferelevante Handlungen ihm zugerechnet werden können.25 Dies kann insbesondere bei sog. öffentlichen Unternehmen im Sinne der Transparenzrichtlinie angenommen werden.26 Das sind solche Unternehmen, auf die die öffentliche Hand aufgrund Eigentums , finanzieller Beteiligung, Satzung oder sonstiger Bestimmungen, die die Tätigkeit des Unternehmens regeln, unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann.27 Je nach Ausgestaltung der Ausfallbürgschaften wäre somit zu untersuchen, ob die bürgende Einrichtung diesen Anforderungen genügt. 3.1.3. Selektivität Zu klären ist schließlich die Frage nach dem Empfänger der Begünstigung. Art. 107 Abs. 1 AEUV fordert insoweit, dass die Begünstigung bestimmten Unternehmen oder Produktionszweigen zugutekommt. Mit diesem Merkmal sollen allgemeine Fördermaßnahmen der Wirtschaftspolitik zugunsten aller Unternehmen aus dem Beihilfetatbestand ausgeschlossen werden.28 Erforderlich ist daher, dass die staatliche Maßnahme einzelne Unternehmen, 24 Vgl. insoweit die Ausführungen in der Garantiemitteilung (Fn. 19), 2.1., 2. Absatz, S. 12. 25 Vgl. Garantiemitteilung (Fn. 19), 2.1., 2. Absatz, S. 12, unter Verweis auf EuGH, Rs. C-482/99 (Frankreich/Kommission – Stardust Marine), Urt. v. 16.05.2002, Rn. 23 ff. 26 So etwa Pache/Pieper, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich (Fn. 19), Art. 107 Abs. 1 AEUV, Rn. 67. 27 Vgl. Art. 2 lit. b) der Richtlinie 2006/111/EG vom 16. November 2006 über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen sowie über die finanzielle Transparenz innerhalb bestimmter Untern ehmen (sog. Transparenzrichtlinie), ABl.EU 2006 Nr. L 318/17, online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32006L0111&rid=1 (letztmaliger Abruf am 15.02.16). 28 Cremer, in: Calliess/Ruffert (Fn. 15), Art. 107 AEUV, Rn. 26. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 –200/14 Seite 11 eine nach bestimmten Merkmalen ausgewählten Gruppe von Unternehmen oder abgrenzbare Produktionszweige begünstigt.29 Unter einem Unternehmen ist jede am Markt wirtschaftlich tätige Einheit unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung zu verstehen.30 Wirtschaftlich tätig ist jede Einrichtung, die Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anbietet.31 Als Produktionszweige werden dagegen ganze Branchen angesehen, wobei eine weite Auslegung vorgenommen wird.32 Erfasst wird praktischer jeder Wirtschaftssektor, einschließlich der freien Berufe.33 Ausgehend von der Garantiemitteilung wird mit Blick auf Bürgschaften in Kreditverhältnissen angenommen, dass der hierdurch Begünstigte in der Regel der Kreditnehmer sei, während eine Begünstigung des Kreditgebers nur unter bestimmten Umständen angenommen werden könne.34 Letzteres gelte insbesondere, wenn eine Bürgschaft für einen bereits gewährten Kredit geleistet wird.35 Überträgt man dieses Regel-Ausnahmeverhältnis auf die Konstellation des Energieeinspar- Contracting, so wäre entsprechend der Gebäudeeigentümer als grundsätzlich Begünstigter der Ausfallbürgschaft anzusehen. Unterstellt man zudem, dass derartige Bürgschaften vor oder zeitgleich mit der Investition gewährt würden, bestünde nach der Garantiemitteilung grundsätzlich kein Anlass, von der Regel abweichend ausnahmsweise auf den Contractor als Begünstigten abzustellen. Eine Selektivität wäre in diesen Fällen nur dann anzunehmen, wenn es sich bei den Gebäudeeigentümern um „bestimmte“ Unternehmen oder einen Produktionszweig handeln würde. Obgleich dies im Einzelfall nicht ausgeschlossen werden kann, ist vielmehr anzunehmen, dass es sich bei den Contracting-Kunden überwiegend um nicht-wirtschaftlich tätige natürliche oder juristische Personen handeln wird. Insoweit bestünden Zweifel an der Selektivität und damit an der Beihilfeeigenschaft im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV. Eine andere Beurteilung wäre dagegen vorzunehmen, wenn man in dem Fall des Contracting von dem Regel-Ausnahmeverhältnis der Garantiemitteilung abweichen und den Contractor als den grundsätzlich Begünstigten einer Ausfallbürgschaft ansehen müsste. 29 Vgl. Pache/Pieper, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich (Fn. 19), Art. 107 Abs. 1 AEUV, Rn. 206 30 Ständige Rechtsprechung, siehe etwa EuGH, Urt. v. 10.01.2006, Rs. C-222/04 (Cassa di Risparmio di Firenze), Rn. 107, mit weiten Nachweisen. 31 Ebenfalls ständige Rechtsprechung, vgl. bspw. EuGH, Urt. v. 10.01.2006, Rs. C-222/04 (Cassa di Risparmio di Firenze), Rn. 108, mit weiteren Nachweisen. 32 Pache/Pieper, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich (Fn. 19), Art. 107 Abs. 1 AEUV, Rn. 206. 33 Arhold, in: MüKo-Wettbewerbsrecht (Fn. 11), Art. 107 AEUV, Rn. 329. 34 Vgl. Garantiemitteilung (Fn. 19), 2.2. und 2.3, S. 12. 35 Vgl. Garantiemitteilung (Fn. 19), 2.3.1, S. 12. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 –200/14 Seite 12 Hierfür könnte sprechen, dass dem Contracting eben kein klassisches Kreditverhältnis zugrunde liegt. Letzteres ist im Unternehmensbereich dadurch geprägt, dass der unternehmerische Kreditnehmer mit dem Geld des Kreditgebers in die Lage versetzt wird, etwa Investitionen zu tätigen oder auf andere Art zu wirtschaften. Der Einsatz eines staatlichen Bürgen ist hierbei auch und gerade im Interesse des Kreditnehmers, um einen Kredit überhaupt und ggf. auch mit besseren Konditionen zu erhalten (etwa einen besserer Zinssatz).36 Beim Contracting erhält der dem Kreditnehmer entsprechende Gebäudeeigentümer keine Geldmittel zur freien (wirtschaftlichen) Verfügung, sondern eine energetische Sanierung, für die er als Gegenleistung die hierdurch eingesparten Energiekosten an den Contractor abführen muss. Geldwerte Vorteile entstehen auf Seiten des Gebäudeeigentümers erst mittel- oder langfristig, wenn die Investitionskosten des Contractors aus den Einsparungen zurückgezahlt sind. Bedenkt man ferner, dass die Ausfallbürgschaft eher den Contractor motivieren soll, entsprechende Investitionen in die energetische Sanierung von Gebäuden Dritter zu tätigen , indem man ihm das Ausfallrisiko minimiert, so könnte dies insgesamt darauf hindeuten , ihn und nicht den Contracting-Kunden als Begünstigte anzusehen. Hiervon ausgehend, wäre die Selektivität anzunehmen, da es sich bei Contractoren zwingend um bestimmte Unternehmen bzw. eine nach bestimmten Merkmalen ausgewählte Gruppe von Unternehmen handeln würde, ggf. sogar um einen Produktionszweig. Eine dritte Möglichkeit bestünde darin, den Gebäudeeigentümer mit der Garantiemitteilung weiterhin als denjenigen zu betrachten, der den unmittelbaren Vorteil aus der Ausfallbürgschaft genießt, den Contractor aber zugleich als hierdurch zumindest mittelbar Begünstigten anzusehen. 37 Kennzeichnend für diesen Fall ist, dass die Wirkungen einer Beihilfe nicht (nur) beim eigentlichen „Beihilfeempfänger“ eintreten, sondern (auch) bei einem anderen Unternehmen. Auf diese Konstruktion wird überwiegend dann zurückgegriffen, wenn der unmittelbare Vorteil selbst mangels eines der Beihilfeelemente nicht dem Verbot des Art. 107 Abs. 1 AEUV unterliegt.38 Das wäre hier der Fall, wenn man davon ausgeht, dass es sich bei den Contracting-Kunden in der Regel um keine Unternehmen handelt und es deshalb an der Selektivität mangelt. Soweit ersichtlich, hat die Rechtsfigur der mittelbaren Begünstigung in Bürgschaftsfällen bisher keine Rolle gespielt. Nach Ansicht des Verfassers ließe sie sich allerdings hierauf übertragen. Welche der drei Konstellationen letztlich bei der Festlegung des Begünstigten im Fall einer Ausfallbürgschaft vorzugswürdig ist, kann an dieser Stelle nicht abschließend entschieden 36 Vgl. auch die Ausführungen in der Garantiemitteilung (Fn. 19), 2.2, S. 12. 37 Vgl. zu dieser Konstellation allgemein etwa Arhold, in: Montag/Säcker, MüKo Wettbewerbsrecht (Fn. 8), Art. 107 AEUV, Rn. 135 ff.; Kleine/Sühnel, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinricht (Hrsg.), Europäisches Beihilfenrecht, 2013, Art. 107 AEUV/1. Teil, Rn. 100. 38 Siehe etwa EuGH, Rs. C-382/99 (Niederlande/Kommission), Slg. 2002, I-5163, Rn. 29 ff. (ein Teil der unmittelbar Begünstigten erhielten sog. de-minimis-Beihilfen, die aufgrund der geringen Höhe nicht unter Art. 107 AEUV fallen, dem anderen Teil fehlte es aufgrund möglicher vertraglicher Ausgleichsansprüche an der unmittelbaren Begünstigung); EuGH, Rs. C-156/98 (Deutschland/Kommission), Slg. 2000, I-6857, Rn. 22 ff. (keine unmittelbare Begünstigung aufgrund fehlender Selektivität); EuGH, Rs. C-126/01 (GEMO SA), Slg. 2010, I-13769, Rn. 29 ff. (unmittelbar Begünstigte erbrachten Gegenleistung); EuG, Rs. T-177/07 (Mediaset/Kommission), Slg. 2010, II-2341, Rn. 74 ff. (unmittelbar Begünstigte waren Verbraucher). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 –200/14 Seite 13 werden, da entsprechende Fälle – soweit ersichtlich – weder durch die Rechtsprechung noch durch die Kommission entschieden wurden. Im Übrigen käme es auch hier darauf an, wie die konkrete Ausgestaltung der Ausfallbürgschaft erfolgen würde, insbesondere welcher der Beteiligten diese unter welchen Voraussetzungen in Anspruch nehmen darf, ob der Contractor, dessen Kunde oder auch beide. 3.2. Beihilfeausschließende Umstände In der Garantiemitteilung finden sich Vorgaben, bei deren Einhaltung die Kommission das Vorliegen einer Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV ablehnt. Hierbei wird danach unterschieden , ob es sich um Einzelbürgschaften oder um Bürgschaftsregelungen handelt.39 Im ersten Fall geht es um die beihilferechtliche Beurteilung von Einzelmaßnahmen, im zweiten Fall um allgemeine Regelungen, auf deren Grundlage ohne weitere Prüfung Bürgschaften im Einzelfall gewährt werden. Obgleich sich beiden Konstellationen in Einzelheiten unterscheiden, liegt ihnen der gleiche Ansatz zugrunde. Es werden Kriterien formuliert, aus denen ermittelt werden kann, ob sich der Staat bei Gewährung der Ausfallbürgschaften am Prinzip des marktwirtschaftlichen tätigen Kapitalgebers orientiert.40 Ausgehend von diesem Maßstab, auch als „private investor test“ bezeichnet,41 bestimmt die Kommission, ob dem Vorteil durch die Bürgschaft auch eine angemessene (marktübliche) Gegenleistung gegenübersteht. Die beihilfeausschließenden Umstände betreffen daher das Element der Begünstigung. Die hierfür entscheidenden allgemeinen Kriterien in der Garantiemitteilung wendet die Kommission sowohl auf Einzelbürgschaften als auch auf Bürgschaftsregelungen an42: a. Der Kreditnehmer befindet sich nicht in finanziellen Schwierigkeiten. b. Der Umfang der Bürgschaft(en) kann zum Zeitpunkt ihrer Übernahme ermittelt werden. Das bedeutet, dass die Garantie an eine bestimmte finanzielle Transaktion geknüpft, auf einen festen Höchstbetrag beschränkt und von begrenzter Laufzeit sein muss. c. Die Bürgschaft(en) decken höchstens 80% des ausstehenden Kreditbetrags oder der sonstigen ausstehenden Verpflichtung(en). 39 Vgl. Garantiemitteilung (Fn. 19), 3.2., S. 13 ff., und 3.4., S. 16 ff. In beiden Kategorien finden sich zudem Sonderregelungen , soweit es sich bei dem Kreditnehmer oder den Kreditnehmern um kleine und mittlere Unternehmen (KMU) handelt, vgl. 3.3., S. 15 f., und 3.5., S. 17 f. 40 Vgl. Garantiemitteilung (Fn. 19), 3.1., Abs. 3, S. 13. 41 Siehe dazu allgemein Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht (Fn. 20), Rn. 1195; Arhold, in: Montag/Säcker, MüKo Wettbewerbsrecht (Fn. 8), Art. 107 AEUV, Rn. 143 ff. 42 Vgl. Garantiemitteilung (Fn. 19), 3.2., S. 13 f., und 3.4., Buchst. a) bis d), S. 16. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 –200/14 Seite 14 d. Für die Bürgschaft wird ein marktübliches Entgelt bezahlt bzw. der Bürgschaftsregelung liegt eine realistische Risikobewertung zugrunde, so dass sie sich aufgrund der von den Begünstigten gezahlten Prämien aller Wahrscheinlichkeit nach selbst trägt. Hinsichtlich der Einzelheiten zu diesen Kriterien und ihrer Anwendung sowie möglicher Ausnahmen wird auf die Garantiemitteilung verwiesen.43 Würde die Ausgestaltung der Ausfallbürgschaft diesen Kriterien entsprechen, würde es im Ergebnis an dem Beihilfemerkmal der Begünstigung fehlen und keine Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV vorliegen. 3.3. Die Beihilfehöhe von Ausfallbürgschaften und zulässige transparente „De-minimis-Bürgschaften “ Liegen die soeben beschriebenen beihilfeausschließenden Umstände nicht vor und ist dem Grundsatz nach von einer Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV auszugehen, stellt sich zum einen die Frage nach der Beihilfehöhe einer Ausfallbürgschaft (siehe unter 3.3.1.) und zum anderen, ob diese ggf. als zulässige „transparente Beihilfe“ nach der sog. De-minimis-Verordnung 44 angesehen werden kann (siehe unter 3.3.2.).45 Nach Art. 3 Abs. 1 De-minimis-Verordnung werden Beihilfemaßnahmen, die die Voraussetzungen dieser Verordnung erfüllen, nicht als Beihilfen im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV angesehen und von der Anmeldepflicht nach Art. 108 Abs. 3 AEUV ausgenommen. Gemäß Art. 3 Abs. 2 De-minimis-Verordnung darf der Gesamtbetrag der einem einzigen Unternehmen von einem Mitgliedstaat gewährte De-minimis-Beihilfen in einem Zeitraum von drei Steuerjahren 200.000 € nicht übersteigen. 3.3.1. Zur Beihilfehöhe bei Bürgschaften Ausführungen zur Ermittlung der Beihilfehöhe von Bürgschaften, dem sog. Bruttosubventionsäquivalent nach Art. 3 Abs. 6 Satz 2 und Art. 4 Abs. 1 und 6 De-minimis-Verordnung, finden sich in der Garantiemitteilung. Danach ergibt sich die Beihilfehöhe sowohl bei Einzelbürgschaften als auch bei Bürgschaftsregelungen grundsätzlich aus der Differenz zwischen der dafür zu zahlenden marktüblichen Prämie und dem tatsächlich gezahlten Entgelt.46 Hinsichtlich der Einzelheiten zur Berechnung wird auf die Garantiemitteilung verwiesen.47 3.3.2. Anforderungen der De-mimimis-Verordnung Steht die Beihilfehöhe in Gestalt des Bruttosubventionsäquivalents fest, ist die jeweilige Maßnahme an den Anforderungen insbesondere des Art. 4 De-mimimis-Verordnung zu prüfen. Nach 43 Garantiemitteilung (Fn. 19), 3.2., S. 13 ff., und 3.4., S. 16 ff. 44 Siehe Fn. 17. 45 Vgl. auch Garantiemitteilung (Fn. 19), 4.1., Abs. 1, S. 18. 46 Garantiemitteilung (Fn. 19), 4.1., Abs. 1, S. 18. 47 Siehe Garantiemitteilung (Fn. 19), 4.1., Abs. 1, S. 18 ff. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 –200/14 Seite 15 dessen Absatz 1 gilt diese Verordnung nur für Beihilfen, deren Bruttosubventionsäquivalent im Voraus genau berechnet werden kann, ohne dass eine Risikobewertung erforderlich ist (sog. „transparente Beihilfen“). Unter welchen Voraussetzungen dies bei Garantien und damit auch bei Bürgschaften angenommen werden kann, ist in Art. 4 Abs. 6 De-mimimis-Verordnung geregelt. Neben der Voraussetzung , dass sich der Beihilfebegünstigte weder in einem Insolvenzverfahren befinden darf noch die im nationalem Recht vorgesehenen Voraussetzungen für die Eröffnung eines solchen erfüllt sein dürfen (vgl. Art. 4 Abs. 6 Buchst. a De-mimimis-Verordnung), sind in Buchstaben b) bis d) dieses Artikels drei Varianten vorgesehen, die alternativ erfüllt sein müssen. Buchstabe b) enthält Anforderungen an Laufzeit und Bürgschaftshöhe; Buchstabe c) verweist auf die Berechnung des Bruttosubventionsäquivalents unter der Anwendung sog. SAFE-Harbour-Prämien nach der Garantiemitteilung 48 und Buchstabe d) erfordert eine vorherige Genehmigung der Berechnungsmethode durch die Kommission. Von der letzten Variante hat Deutschland Gebrauch gemacht und eine Methode zur Berechnung des Beihilfewertes für Investions- bzw. Betriebsmitteldarlehen bei der Kommission notifizieren lassen (sog. PWC-Beihilfewertrechner).49 Würden diese Anforderungen des Art. 4 Abs. 6 De-mimimis-Verordnung bei der Ausgestaltung der Ausfallbürgschaften eingehalten werden können und letztere als transparente Beihilfen im Sinne der De-mimimis-Verordnung anzusehen sein, käme es darauf an, dass die jeweiligen Ausfallbürgschaften bzgl. des darin enthaltenen Beihilfewertes für ein Unternehmen in einem Zeitraum von drei Steuerjahren den Betrag von 200.000 € nicht überschreiten. Unter diesen Voraussetzungen wären sie nach Art. 3 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 und Abs. 6 De-mimimis -Verordnung nicht als Beihilfen im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV anzusehen und von der Anmeldung bei der Kommission nach Art. 108 Abs. 3 AEUV befreit. 4. Ausfallbürgschaften als Beihilfen und deren mögliche Zulässigkeit nach Art. 107 Abs. 3 AEUV 4.1. Allgemeines Sind die Ausfallbürgschaften in Abhängigkeit von ihrer konkreten Ausgestaltung als Beihilfen im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV anzusehen, so stellt sich die Frage nach ihrer (ausnahmsweisen ) Zulässigkeit insbesondere im Lichte des Art. 107 Abs. 3 AEUV.50 Diese Vertragsvorschrift enthält mehrere, in das Ermessen der Kommission gestellte Tatbestände, bei deren Einhaltung die jeweilige Beihilfe als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden kann. 48 Gilt nach der Garantiemitteilung (Fn. 19), 3.3., S. 15, 3.5., S.17 f., nur für kleinere und mittlere Unternehmen. 49 Dies erfolgte auf Grundlage der alten De-minimis-Verordnung, siehe dazu im Einzelnen Heinrich, in: Birnstiel /Bungenberg/Heinrich (Fn. 19), Art. 107 Abs. 1 AEUV, Rn. 453. Vgl. ferner die als Anlage beigefügte Präsentation des Bundesverbandes Öffentlicher Banken (VÖB) zur Garantiemitteilung (Fn. 19). 50 Die Legalausnahmen nach Art. 107 Abs. 2 AEUV spielen vorliegend keine Rolle. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 –200/14 Seite 16 Der am häufigsten von der Kommission genutzte Ermessenstatbestand ist Art. 107 Abs. 3 Buchst. c) AEUV51, der Beihilfen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete erfasst, soweit sie die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft. Hierauf hat die Kommission unter anderem die Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2014-202052 (im Folgenden: Umweltschutzleitlinien ) gestützt.53 In dieser Maßnahme konkretisiert sie ihr Ermessen bei der Beurteilung von Beihilfen im Umweltbereich. Im Zusammenhang mit Regelungen der Umweltschutzleitlinien zu Beihilfen für Energieeffizienzmaßnahmen finden sich Bezugnahmen auf die einleitend erwähnte Energieeffizienzrichtlinie .54 Aus diesem Grund wird die Beurteilung der beihilferechtlichen Zulässigkeit von Ausfallbürgschaften im Folgenden zunächst am Maßstab der Umweltschutzleitlinien vorgenommen (siehe sogleich unter 4.2.). Darüber hinaus findet sich eine ausdrückliche Erwähnung von Investitionsbeihilfen für gebäudebezogene Energieeffizienzprojekte in der neuen Freistellungsverordnung.55 Auch diese wird im Folgenden betrachtet (siehe unter 4.3.). Soweit ersichtlich, kommen andere Kommissionsmaßnahmen für eine Prüfung nicht unmittelbar in Betracht. Angesichts der Vielzahl insbesondere unverbindlicher Leitlinien etc., kann die Einschlägigkeit anderer Ermessenskonkretisierungen der Kommission allerdings nicht ausgeschlossen werden. Eine umfassende Prüfung kann aufgrund der fehlenden konkreten Vorgaben zur Ausgestaltung der Ausfallbürgschaften einerseits und des mit einer solchen Prüfung verbundenen Aufwandes andererseits im Rahmen dieser Ausarbeitung nicht geleistet werden. 4.2. Ausfallbürgschaften im Lichte der Umweltschutzleitlinien Die Umweltschutzleitlinien enthalten einen umfangreichen Katalog von Vereinbarkeitskriterien allgemeiner Natur, ergänzt durch besondere Voraussetzungen für einzelne Beihilfearten, die erfüllt sein müssen, damit die betreffende staatliche Maßnahme von der Kommission als nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. c) AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden kann.56 51 Vgl. Kreuschitz, in: MüKo-Wettbewerbsrecht (Fn. 11), Art. 107 AEUV, Rn. 694. 52 Mitteilung der Kommission, ABl.EU 2014 Nr. C 200/1, online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52014XC0628(01)&from=DE (letztmaliger Abruf am 15.02.16). 53 Vgl. Umweltschutzleitlinien (Fn. 52), Rn. 2. 54 Vgl. Umweltschutzleitlinien (Fn. 52), Rn. 138. 55 Siehe Fn. 16. 56 Umweltschutzleitlinien (Fn. 52), Rn. 23, 30 bis 106 (Allgemeine Vereinbarkeitskriterien), ab Rn. 107 enthalten die Umweltschutzleitlinien ergänzende Kriterien für bestimmte Beihilfemaßnahmen. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 –200/14 Seite 17 Zu den allgemeinen Vereinbarkeitskriterien gehört zunächst die Anforderung, dass die betreffende Umweltbeihilfe einen Beitrag dazu leisten muss, den Umweltschutz in einem Maße zu verbessern , wie es ohne Beihilfen nicht möglich wäre.57 Die staatliche Maßnahme muss ferner erforderlich und geeignet sein sowie einen Anreizeffekt aufweisen.58 Zulässig sind ferner nur angemessene Beihilfen.59 Zudem ist zu vermeiden, dass von ihr negative Auswirkungen auf Wettbewerb und Handel ausgehen.60 Schließlich sind Anforderungen an die Transparenz einzuhalten.61 Zu jedem der Kriterien finden sich in den Umweltschutzleitlinien umfangreiche Erläuterungen, die in Abhängigkeit von der Art der Umweltschutzbeihilfe ggf. durch gesonderte Anforderungen ergänzt werden.62 Für die Beurteilung von Ausfallbürgschaften soll an dieser Stelle nur auf zwei Aspekte eingegangen werden, aus denen sich ergibt, dass solche Maßnahmen dem Grunde nach als zulässig angesehen werden können: Wie oben bereits ausgeführt, verweisen die Umweltschutzleitlinien im Zusammenhang mit Energieeffizienzmaßnahmen ausdrücklich auf die Energieeffizienzrichtlinie.63 Im Zusammenhang mit besonderen Anforderungen an die Geeignetheit derartiger Maßnahmen findet sich die Aussage, wonach „[b]ei der Prüfung staatlicher Beihilfen insbesondere für die energetische Sanierung von Gebäuden ein von dem Mitgliedstaat für die Finanzierung von Gebäudesanierungen eingerichtetes Finanzinstrument als für die Gewährung staatlicher Beihilfen geeignetes Instrument erachtet werden [könnte]“.64 Hierdurch werden finanzielle Maßnahmen seitens des Staates im Zusammenhang mit der energetischen Gebäudesanierung somit ausdrücklich als potentiell zulässig angesehen. Aussagen zur Art der jeweiligen Umweltbeihilfe finden sich sodann bei den allgemeinen Vereinbarkeitskriterien im Zusammenhang mit dem Aspekt der Geeignetheit von Beihilfeinstrumenten. Danach können „Umwelt- und Energiebeihilfen […] in unterschiedlicher Form gewährt werden. Deshalb sollten die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen, dass Beihilfen in der Form gewährt werden , die den Wettbewerb und den Handel am wenigsten beeinträchtigt. Zu diesem Zweck muss der Mitgliedstaat nachweisen, warum andere, möglicherweise mit geringeren Verfälschungen ver- 57 Umweltschutzleitlinien (Fn. 52), Rn. 30 ff. 58 Umweltschutzleitlinien (Fn. 52), Rn. 34 ff., 40 ff., 49 ff. 59 Umweltschutzleitlinien (Fn. 52), Rn. 69 ff. 60 Umweltschutzleitlinien (Fn. 52), Rn. 88 ff. 61 Umweltschutzleitlinien (Fn. 52), Rn. 104 ff. 62 Vgl. zur Systematik der Umweltschutzleitlinien (Fn. 52), Rn. 25. 63 Umweltschutzleitlinien (Fn. 52), Rn. 138. 64 Umweltschutzleitlinien (Fn. 52), Rn. 147 (Hervorhebung durch Verfasser). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 –200/14 Seite 18 bundene Beihilfeformen — […] z. B. zinsgünstige Kredite oder Zinszuschüsse, staatliche Garantien […] — weniger geeignet sind.“65 Hieraus folgt, dass Beihilfen in Form von staatlichen Garantien und damit auch (Ausfall-)Bürgschaften Vorrang gegenüber anderen Formen von Beihilfen wie etwa direkten Zuschüssen oder Steuergutschriften eingeräumt wird.66 Obgleich aus den vorstehend zitierten Randnummern der Umweltschutzleitlinien deutlich wird, dass Ausfallbürgschaften im Zusammenhang mit der Förderung der energetischen Gebäudesanierung dem Grunde nach als zulässig angesehen werden können, wäre hinsichtlich der Ausgestaltung im Einzelnen zu beachten, dass auch die übrigen (allgemeinen und besonderen) Vereinbarkeitskriterien eingehalten werden. 4.3. Ausfallbürgschaften im Lichte der Freistellungsverordnung Wie oben ausgeführt, führt eine Anwendung der Freistellungsverordnung (im Folgenden: Freistellungs VO) dazu, dass staatliche Beihilfen bei Einhaltung der darin vorgesehenen Voraussetzungen von der Anmeldepflicht nach Art. 108 Abs. 3 AEUV freigestellt sind. Neben allgemeinen und stets einzuhaltenden Freistellungsvoraussetzungen in Bezug auf Anmeldeschwellen (vgl. Art. 4 FreistellungsVO), Transparenz der Beihilfe (vgl. Art. 5 FreistellungsVO), Anreizeffekt (vgl. Art. 6 FreistellungsVO), Beihilfeintensität und beihilfefähige Kosten (vgl. Art. 7 FreistellungsVO), enthält die Freistellungsverordnung weitere, besondere Vorgaben für verschiedene Arten freistellungsfähiger Beihilfen. Dazu gehören nach Art. 39 FreistellungsVO auch Investitionsbeihilfen für gebäudebezogene Energieeffizienzprojekte. Unter einem Energieeffizienzprojekt wird nach der Begriffsdefinition in Art. 2 Nr. 104 Freistellungs VO ein Investitionsvorhaben zur Steigerung der Energieeffizienz eines Gebäudes verstanden . Von dieser Definition wäre das Eneregieeinspar-Contracting erfasst. Nach Art. 39 Abs. 3 FreistellungsVO sind die Gesamtkosten des Energieeffizienzprojekts beihilfefähig. Den weiteren Absätzen dieses Artikels lässt sich sodann nicht hinreichend klar entnehmen, ob die Gewährung von entsprechenden Beihilfen stets über eigens von den Mitgliedstaaten einzurichtende Energieeffizienzfonds oder andere Finanzintermediäre zu erfolgen hat oder unter Umständen auch auf andere Weise (etwa direkt über den Staat und seine Untergliederungen). Für ersteres spricht Art. 39 Abs. 4 FreistellungsVO, wonach die „Beihilfe […] in Form einer Dotation, Beteiligung, Garantie oder eines Kredits für einen Energieeffizienzfonds oder einen anderen Finanzintermediär gewährt [wird], der sie in voller Höhe an die Endempfänger, d. h. die Gebäudeeigentümer oder Mieter, weitergibt.“67 In Richtung des Letzteren lässt sich Art. 39 Abs. 5 Freistellungs VO deuten, wonach bei „den über einen Energieeffizienzfonds oder einen anderen Finanzintermediär gewährten Beihilfen für beihilfefähige Energieeffizienzprojekte es sich um Kredite 65 Umweltschutzleitlinien (Fn. 52), Rn. 45 (Hervorhebung durch Verfasser). 66 Vgl. Umweltschutzleitlinien (Fn. 52), Rn. 45. 67 Hervorhebung durch Verfasser. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 –200/14 Seite 19 oder Garantien handeln [kann].“68 Danach wären Beihilfen in Form von Dotationen und Beteiligungen ohne Einsatz eines Energieeffizienzfonds möglich. Dessen ungeachtet kann diesen Vorgaben entnommen werden, dass Beihilfen in Form von Garantien und damit auch (Ausfall-)Bürgschaften im Zusammenhang mit der energetischen Sanierung von Gebäuden dem Grunde nach freistellungsfähig wären, soweit auch die übrigen allgemeinen und besonderen Freistellungsvoraussetzungen eingehalten werden. Zu letzteren zählt allerdings auch die Vorgabe in Art. 39 Abs. 7 Satz 1 und Satz 2 Freistellungs VO, wonach die „Energieeffizienzbeihilfe […] zusätzliche Investitionen privater Investoren mobilisieren muss, damit mindestens 30 % der Gesamtfinanzierung eines Energieeffizienzprojekts gewährleistet sind. Wird die Beihilfe von einem Energieeffizienzfonds gewährt, so kann die Mobilisierung privater Investitionen auf der Ebene des Energieeffizienzfonds und/oder auf der Ebene der Energieeffizienzprojekte erfolgen, wobei ein Gesamtbetrag von mindestens 30 % der Gesamtfinanzierung eines Energieeffizienzprojekts erreicht werden muss.“ Wie diese Vorgabe mit Art. 39 Abs. 3 FreistellungsVO zu vereinbaren ist, wonach die Gesamtkosten des Energieeffizienzprojekts beihilfefähig sind, ist unklar. Ferner wird nicht näher erläutert, auf welche Art und Weise diese Mobilisierung erfolgen kann. Eine entsprechende freistellungsfähige Ausgestaltung der Ausfallbürgschaften müsste diesen Aspekt jedenfalls berücksichtigen. 5. Beihilfeverfahrensrechtliche Aspekte Wie sich aus den vorangehenden Ausführungen unter 3. und 4. ergibt, bestehen sowohl auf der Ebene des Beihilfetatbestandes nach Art. 107 Abs. 1 AEUV als auch auf der Ebene der Zulässigkeit nach Art. 107 Abs. 3 AEUV verschiedene Optionen, die jeweils unterschiedliche Konsequenzen für das Beihilfeverfahren nach sich ziehen. Mit Blick auf den Beihilfetatbestand ist eine Anmeldung (Notifizierung) bei der Kommission nach Art. 108 Abs. 3 AEUV überhaupt nur dann erforderlich, wenn die in der Garantiemitteilung aufgeführten beihilfeausschließenden Umstände bei der Ausgestaltung der Ausfallbürgschaften nicht berücksichtigt werden, also insbesondere kein marktübliches Entgelt für die Bürgschaft vorgesehen wird. Ist das der Fall, könnte eine Anmeldepflicht gleichwohl entfallen, wenn die Anforderungen der De-minimis-Verordnung beachtet werden, insbesondere die Beihilfehöhe der Bürgschaft für ein einzelnes Unternehmen in einem Zeitraum von drei Steuerjahren einen Gesamtbetrag von 200.000 € nicht übersteigt. Wird dieser Betrag überschritten und ist von einer Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV auszugehen, kommt eine ausnahmsweise Zulässigkeit von Ausfallbürgschaften zunächst auf Grundlage der Umweltschutzleitlinien in Betracht. Diese entbinden allerdings nicht von einer Anmeldung bei der Kommission nach Art. 108 Abs. 3 AEUV und der sich daran anschließenden Durchführung eines Beihilfeverfahrens. Eine Freistellung hiervon kommt nur in Betracht, wenn die Ausfallbürgschaften in Übereinstimmung mit den besonderen Anforderungen des 68 Hervorhebung durch Verfasser. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 –200/14 Seite 20 Art. 39 FreistellungsVO für Investitionsbeihilfen für gebäudebezogene Energieeffizienzprojekte sowie den allgemeinen Freistellungsvoraussetzungen ausgestaltet werden können. In ihrem Verhaltenskodex für die Durchführung von Beihilfeverfahren verweist die Kommission auf die Möglichkeit von Vorabkontakten vor der Anmeldung und der anschließenden Durchführung eines Beihilfeverfahrens.69 Hierzu wird ausgeführt: „Vorabkontakte geben den Kommissionsdienststellen und dem anmeldenden Mitgliedstaat die Möglichkeit, die rechtlichen und wirtschaftlichen Aspekte eines geplanten Beihilfevorhabens im Vorfeld der Anmeldung auf vertrauensvoller Grundlage informell zu erörtern, was sich auf Qualität und Vollständigkeit der förmlichen Anmeldungen positiv auswirkt. In diesem Rahmen können der betreffende Mitgliedstaat und die Kommissionsdienststellen auch gemeinsam konstruktive Vorschläge zur Änderung problematischer Aspekte einer geplanten Beihilfemaßnahme ausarbeiten. Die Voranmeldephase schafft somit die Voraussetzungen für eine beschleunigte Prüfung der Anmeldungen nach ihrer förmlichen Übermittlung an die Kommission.“ Vor dem Hintergrund der sich im Zusammenhang mit Ausfallbürgschaften und der Anwendung des Art. 107 Abs. 1 und 3 AEUV stellenden rechtlichen Fragen und der sich daraus ergebenden beihilfeverfahrensrechtlichen Optionen, erscheint eine Nutzung der Möglichkeit zu Vorabkontakten angezeigt. 6. Ergebnis Als Ergebnis und zugleich als Antworten auf die dem Fachbereich gestellten Fragen lässt sich festhalten, dass Ausfallbürgschaften im Zusammenhang mit dem Energieeinspar-Contracting je nach Ausgestaltung sowohl als Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV als auch als staatliche Maßnahmen, die die Voraussetzungen dieser Vertragsbestimmung nicht erfüllen, angesehen werden können. Entscheidend hierfür sind vor allem die Vorgaben der Garantiemitteilung der Kommission, in der diese sowohl beihilfebegründende als auch beihilfeausschließende Umstände für Bürgschaften und andere Garantieformen erläutert. Zu den letztgenannten Umständen zählt vor allem das Kriterium der marktangemessenen Prämie für die Ausfallbürgschaft. Ein weiterer problematischer Aspekt ist die Frage nach dem Begünstigten der Ausfallbürgschaft. Art. 107 Abs. 1 AEUV bezieht sich nur auf Beihilfen zugunsten von Unternehmen oder Produktionszweigen , nicht aber auf Maßnahmen zugunsten Privater. Nach der Garantiemitteilung ist in der Regel der Kreditnehmer, bei Ausfallbürgschaften im Rahmen des Energieeinspar-Contracting entsprechend der Gebäudeeigentümer als Begünstigter anzusehen. Dies dürften in der Regel aber Private und nicht Unternehmen sein. Ob diese Regel allerdings auf das Energieeinspar-Contracting zu übertragen ist, kann nicht mit Sicherheit festgestellt werden. Möglich ist auch, den Contractor entweder ausschließlich oder zumindest als ebenfalls (mittelbar) Begünstigten anzusehen . 69 ABl.EU 2009 Nr. C 136/13, online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUri- Serv.do?uri=OJ:C:2009:136:0013:0020:DE:PDF (letztmaliger Abruf am 15.02.16). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 –200/14 Seite 21 Sind Ausfallbürgschaften in Abhängigkeit von ihrer Ausgestaltung gleichwohl als Beihilfen in Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV anzusehen, kann diese Eigenschaft dennoch auf Grundlage der De-minimis-Verordnung entfallen, wenn die dort aufgestellten Anforderungen eingehalten werden , insbesondere hinsichtlich der Beihilfehöhe der Bürgschaft. Diese darf bezogen auf ein einzelnes Unternehmen in einem Zeitraum von drei Steuerjahren einen Gesamtbetrag von 200.000 € nicht übersteigen. Bei Einhaltung dieser Voraussetzungen bedarf es keiner Anmeldung bei der Kommission und der sich daran anschließenden Beihilfeprüfung. Werden die Voraussetzungen der De-minimis-Verordnung nicht eingehalten, so können Ausfallbürgschaften als Beihilfen im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV dennoch zulässig sein, wenn sie den einschlägigen Anforderungen der Umweltschutzleitlinien entsprechen, die von der Kommission zur Konkretisierung des Ermessenstatbestandes des Art. 107 Abs. 3 Buchst. c) AEUV erlassen wurden. In diesen Fällen ist jedoch eine Anmeldung bei der Kommission nach Art. 108 Abs. 3 AEUV sowie die sich daran anschließende Durchführung eines Beihilfeverfahrens erforderlich . Davon kann abgesehen werden, wenn die Ausfallbürgschaften in Übereinstimmung mit den einschlägigen Vorgaben der Freistellungsverordnung im Hinblick auf Investitionsbeihilfen für gebäudebezogene Energieeffizienzprojekte ausgestaltet werden können. - Fachbereich Europa -