Deutscher Bundestag Europäische Benchmarks für die allgemeine und berufliche Bildung Abstimmung zwischen den Ländern und der Bundesregierung im Bereich der Bildungspolitik der Europäischen Union Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 11 – 3000 – 171/10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 171/10 Seite 2 Europäische Benchmarks für die allgemeine und berufliche Bildung Abstimmung zwischen den Ländern und der Bundesregierung im Bereich der Bildungspolitik der Europäischen Union Aktenzeichen: WD 11 – 3000 – 171/10 Abschluss der Arbeit: 11. August 2010 Fachbereich: WD 11: Europa Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 171/10 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Begriffsbestimmung: Europäische Benchmarks für die allgemeine und berufliche Bildung 4 2. Strategischer Rahmen für die europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der allgemeinen und beruflichen Bildung 4 2.1. Hintergrund 4 2.2. Europäische Benchmarks 5 3. Die Wachstums- und Beschäftigungsstrategie Europa 2020 6 3.1. Hintergrund 6 3.2. Inhaltliche Ausgestaltung der Strategie Europa 2020 7 3.3. Ausblick 7 4. Abstimmung zwischen den Ländern und der Bundesregierung im Bereich Bildungspolitik der Europäischen Union 8 4.1. Beteiligung des Bundesrates in Angelegenheiten der Europäischen Union nach dem Grundgesetz 8 4.2. Der Ländervertreter bei Verhandlungen mit Schwerpunkt auf ausschließlichen Gesetzgebungsbefugnissen der Länder auf den Gebieten schulische Bildung und Kultur 9 4.3. Abstimmung des Ländervertreters mit der Bundesregierung bei Verhandlungen mit Schwerpunkt auf ausschließlichen Gesetzgebungsbefugnissen der Länder auf den Gebieten schulische Bildung und Kultur 10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 171/10 Seite 4 1. Begriffsbestimmung: Europäische Benchmarks für die allgemeine und berufliche Bildung Mit dem Begriff „Benchmark“ werden konkrete Zielvorgaben bezeichnet, anhand derer der Fortschritt der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) in verschiedenen Bereichen gemessen werden kann.1 Benchmarks sind lediglich als Empfehlungen zu verstehen. Entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip ist es vor allem Sache der Mitgliedstaaten, Maßnahmen zur Umsetzung vereinbarter Ziele für die allgemeine und berufliche Bildung zu ergreifen, und die Mitgliedstaaten tragen auch die alleinige Verantwortung für die Lehrinhalte und die Gestaltung der Bildungssysteme . 2. Strategischer Rahmen für die europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der allgemeinen und beruflichen Bildung 2.1. Hintergrund Der Europäische Rat hatte auf seiner Tagung in Barcelona im März 2002 das Arbeitsprogramm „Allgemeine und berufliche Bildung 2010“2 gebilligt, mit dem erstmals ein Rahmen für die europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der allgemeinen und beruflichen Bildung festgelegt wurde. Wegen der sehr unterschiedlichen Ausgangsvoraussetzungen in den Mitgliedstaaten wurde die Offene Methode der Koordinierung (OMK) eingesetzt, um mit Hilfe gemeinsamer Indikatoren und Benchmarks eine Reihe von gemeinsamen Zielen zu erreichen.3 Die meisten der in diesem Arbeitsprogramm enthaltenen Zielsetzungen, die der Europäische Rat für das Jahr 2010 festgelegt hatte, konnten nach Auffassung der Europäischen Kommission (Kommission ) bis zum Jahr 2010 nicht erreicht werden.4 Die Kommission unterbreitete deswegen Vorschläge für langfristige strategische Herausforderungen bis 2020 und für kurzfristige Prioritäten für 2009/2010.5 Der Rat der EU (Rat) hat diese Vorschläge auf seiner Tagung am 12. Mai 2009 gebilligt .6 1 Vgl. Mitteilung der Kommission vom 20. November 2002 – Europäische Benchmarks für die allgemeine und berufliche Bildung, KOM (2002) 629 endg., S. 8, Rdnr. 20, online abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUri Serv/LexUriServ.do?uri=COM:2002:0629:FIN:DE:PDF (Stand: 11. August 2010). 2 Vgl. Mitteilung der Kommission vom 16. Dezember 2008 – Ein aktualisierter strategischer Rahmen für die europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der allgemeinen und beruflichen Bildung, KOM(2008) 865 endg., S. 2, online abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2008:0865:FIN:DE:PDF (Stand: 11. August 2010). 3 Vgl. Mitteilung, a.a.O. (Fn. 2), S. 2. 4 Vgl. Mitteilung, a.a.O. (Fn. 2), S. 3. 5 Vgl. Mitteilung, a.a.O. (Fn. 2), S. 6 ff. 6 Schlussfolgerungen des Rates vom 12. Mai 2009 zu einem strategischen Rahmen für die europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der allgemeinen und beruflichen Bildung („ET 2020“), Abl. 2009, C 119/02, online abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:C:2009:119:0002:0010:DE:PDF (Stand: 11. August 2010). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 171/10 Seite 5 Die europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der allgemeinen und beruflichen Bildung soll in der Zeit bis 2020 an folgenden vier strategischen Zielen ausgerichtet werden: 1. Verwirklichung von lebenslangem Lernen und Mobilität; 2. Verbesserung der Qualität und Effizienz der allgemeinen und beruflichen Bildung; 3. Förderung der Gerechtigkeit, des sozialen Zusammenhalts und des aktiven Bürgersinns; 4. Förderung von Innovation und Kreativität – einschließlich unternehmerischen Denkens – auf allen Ebenen der allgemeinen und beruflichen Bildung. 2.2. Europäische Benchmarks Fünf europäische Benchmarks, die der Beobachtung von Fortschritten, der Ermittlung von Herausforderungen und als Beitrag für eine faktengestützte Politik dienen, sollen die vier genannten strategischen Ziele im Zeitraum 2010 bis 2020 unterstützen.7 1. Bis 2020 sollten durchschnittlich 15% der Erwachsenen (statt 12,5%) am lebenslangen Lernen teilnehmen.8 2. Bis 2020 sollte der Anteil der 15-Jährigen mit schlechten Leistungen in den Bereichen Lesen , Mathematik und Naturwissenschaften unter 15% liegen. 3. Bis 2020 sollten mindestens 40% der 30- bis 34-Jährigen einen Hochschulabschluss9 besitzen . 4. Bis 2020 sollte der Anteil frühzeitiger Schul- und Ausbildungsabgänger10 weniger als 10% betragen. 5. Bis 2020 sollten mindestens 95% der Kinder im Alter zwischen vier Jahren und dem gesetzlichen Einschulungsalter in den Genuss einer Vorschulbildung kommen. Zusätzlich ersucht der Rat die Kommission, weitere Arbeiten in folgenden Bereichen vorzunehmen : 7 Vgl. Schlussfolgerungen, a.a.O. (Fn. 6), Anlage 1. 8 Gemeint ist der Prozentsatz der 25- bis 64-Jährigen, die in den vier Wochen vor der Erhebung (Eurostat/Arbeitskräfteerhebung ) an Maßnahmen der allgemeinen und beruflichen Bildung teilgenommen haben. 9 Gemeint ist der prozentuale Anteil der 30- bis 34-Jährigen, die erfolgreich eine tertiäre Ausbildung abgeschlossen haben. 10 Gemeint ist der Anteil der 18- bis 24-Jährigen, dir nur die untere Sekundarstufe besucht und diese eventuell nicht abgeschlossen haben und keine weiterführende Schul- und Berufsausbildung durchlaufen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 171/10 Seite 6 1. Die Kommission wird ersucht, dem Rat bis Ende 2010 einen Vorschlag für eine Benchmark im Bereich Mobilität zu Lernzwecken vorzulegen, der sich zunächst auf die physische Mobilität zwischen Ländern im Bereich der Hochschulbildung konzentriert. Überdies wird die Kommission ersucht zu prüfen, ob diese Benchmark auf die Mobilität in der beruflichen Aus- und Weiterbildung und die Mobilität der Lehrer ausgedehnt werden könnte. 2. Die Kommission wird ersucht, dem Rat bis Ende 2010 eine Benchmark zur Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit durch allgemeine und berufliche Bildung vorzulegen, um den derzeitigen und künftigen Herausforderungen des Arbeitsmarkts gerecht zu werden. 3. Die Kommission wird ersucht, bis Ende 2012 einen Vorschlag für eine Benchmark im Bereich des Erwerbs von zwei Fremdsprachen ab einem frühen Alter vorzulegen, der auf den laufenden Arbeiten zur Sprachenkompetenz aufbaut.11 3. Die Wachstums- und Beschäftigungsstrategie Europa 2020 Die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten der EU haben auf der Tagung des Europäischen Rates am 17. Juni 2010 in Brüssel eine Strategie für Wachstum und Beschäftigung mit dem Titel „Europa 2020“ (EU 2020) angenommen.12 Ziel der Strategie ist die Durchführung zahlreicher Strukturreformen in den Mitgliedstaaten. Diese betreffen auch den Bereich Bildung. Aus diesem Grund wird die Strategie im Folgenden stichwortartig vorgestellt. 3.1. Hintergrund Die Strategie EU 2020 löst die sog. Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung (Lissabon Strategie) ab. Mit der auf der Tagung des Europäischen Rates am 23./24. März 2000 in Lissabon verabschiedeten Lissabon Strategie13 hatten sich die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten das Ziel gesetzt, anhand eines Maßnahmenkatalogs die EU innerhalb von zehn Jahren zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensgestützten Wirtschaftsraum der Welt zu machen. In der Halbzeitbilanz des Jahres 2005 stellte sich heraus, dass die Erfolge der Lissabon Strategie hinter den Erwartungen zurückblieben. Die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten beschlossen daher eine Neuausrichtung der Lissabon Strategie auf die vier Handlungsfelder (1) verbesserte Rahmenbedingungen für Unternehmen, (2) Steigerung der Beschäftigungsmöglichkeiten für bestimmte Bevölkerungsgruppen, (3) weitere Förderung der Bereiche Forschung und Entwicklung und (4) eine moderne Energiepolitik. Zugleich verständigten sich die Staats- 11 Schlussfolgerungen des Rates zu dem Europäischen Indikator für Sprachenkompetenz, ABl. 2006, C 172, S. 1, online abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUri- Serv.do?uri=OJ:C:2006:172:0001:0003:DE:PDF (Stand: 11. August 2010. 12 Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates vom 17. Juni 2010, EUCO 13/10, online abrufbar unter : http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pressdata/de/ec/115364.pdf (Stand: 11. August 2010). 13 Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates vom 23./24. März 2000 in Lissabon, online abrufbar unter http://www.europarl.europa.eu/summits/lis1_de.htm (Stand: 11. August 2010). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 171/10 Seite 7 und Regierungschefs auf Leitprinzipien und eine bessere Koordination von Maßnahmen zur Umsetzung der Strategie. 3.2. Inhaltliche Ausgestaltung der Strategie Europa 2020 An die Schwerpunkte des intelligenten, nachhaltigen und integrativen Wachstums anknüpfend formuliert der Rat in der Strategie EU 2020 fünf messbare Kernziele (sog. headline targets): 1) Die Beschäftigungsquote unter den 20- bis 64-jährigen soll bis zum Jahr 2020 auf mindestens 75 % ansteigen. Erreicht werden soll dieses Ziel auch durch die vermehrte Einbeziehung von Jugendlichen, älteren Arbeitnehmern und Geringqualifizierten sowie die bessere Eingliederung von legalen Migranten. 2) 3 % des Bruttoinlandsprodukts der EU soll in die Bereiche Forschung und Entwicklung (FuE) investiert werden. Zugleich soll ein Indikator für die FuE- und Innovationsintensität entwickelt werden. 3) Die Treibhausgasemissionen sollen ausgehend vom Niveau des Jahres 1990 um mindestens 20 % verringert werden.14 Außerdem sollen der Anteil der erneuerbaren Energien am Gesamtenergieverbrauch und die Energieeffizienz um je 20 % gesteigert werden. 4) Die Schulabbrecherquote soll von 15 %15 auf 10 % reduziert werden. Der Bevölkerungsanteil im Alter zwischen 30 und 34 Jahren mit abgeschlossenem Hochschulstudium soll bis zum Jahr 2020 auf 40 % gesteigert werden. 5) Die Zahl der Menschen, die unterhalb der nationalen Armutsgrenze leben, soll um 25 % gesenkt werden. Dies entspricht einer Bevölkerungsanzahl von 20 Millionen. Während sich der ER für die Strategie verantwortlich zeichnet, übernimmt die Kommission die Aufgabe, die Fortschritte auf dem Weg zur Verwirklichung der Ziele anhand von Berichten der Mitgliedstaaten beobachten und überwachen. 3.3. Ausblick Nachdem bei der Tagung des Europäischen Rates im Juni 2010 die EU-weiten Ziele beschlossen wurden, geht es jetzt um die Umsetzung und zum Teil noch um die Definition der nationalen Ziele. Die Kommission wird voraussichtlich noch in diesem Jahr Mitteilungen herausgeben, die die in der Strategie EU 2020 verankerten Leitinitiativen inhaltlich konkretisieren. Die Senkung der Schulabbrecherquote ist eines der Hauptziele der Strategie Europa 2020 und der OMK für Bildung und Ausbildung. Die Kommission hat im Jahr 2008 schon eine Mitteilung „Bessere Kompetenzen für das 21. Jahrhundert: eine Agenda für europäische Zusammenarbeit im 14 Das Ziel kann auf 30 % erhöht werden, sofern andere Industrieländer außerhalb der EU zu vergleichbaren Emissionsreduzierungen verpflichten und die Entwicklungsländer einen ihren Fähigkeiten entsprechenden Beitrag leisten. 15 Stand: März 2010. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 171/10 Seite 8 Schulwesen“ vorgelegt.16 Darauf aufbauend schlägt die Kommission eine Empfehlung des Rates zu diesem Thema vor. Sie soll den Mitgliedstaaten ein politisches Instrumentarium an die Hand geben, das zur Bekämpfung des Problems eingesetzt und zu schnelleren Verbesserungen in der EU beitragen könnte.17 4. Abstimmung zwischen den Ländern und der Bundesregierung im Bereich Bildungspolitik der Europäischen Union 4.1. Beteiligung des Bundesrates in Angelegenheiten der Europäischen Union nach dem Grundgesetz Art. 23 Grundgesetz (GG) gibt vor, in welchen Angelegenheiten der EU die Länder, vermittelt durch den Bundesrat, zu beteiligen sind. Eine nähere Ausgestaltung erfährt diese Vorschrift durch das Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZBLG)18. Bei der Übertragung von Hoheitsrechten auf die EU ist ein Zustimmungsgesetz erforderlich (Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG); der Bundesrat nimmt an der Willensbildung des Bundes teil, soweit er an einer entsprechenden nationalen Maßnahme mitwirken müsste oder die Länder innerstaatlich zuständig wären (Art. 23 Abs. 4 GG); die Bundesregierung muss die Stellungnahme des Bundesrates berücksichtigen, wenn bei ausschließlicher Bundeskompetenz Interessen der Länder berührt sind und soweit der Bund im Übrigen gesetzgebungsbefugt ist (Art. 23 Abs. 5 S. 1 GG); sie muss sie maßgeblich berücksichtigen, wenn schwerpunktmäßig das Gesetzgebungsrecht der Länder, die Einrichtung von Landesbehörden oder das Landesverwaltungsverfahren betroffen sind (Art. 23 Abs. 5 S. 2 GG). Wenn im Schwerpunkt ausschließliche Gesetzgebungsbefugnisse der Länder auf den Gebieten der schulischen Bildung und der Kultur betroffen sind, wird die Wahrnehmung der Rechte, die der Union zustehen, vom Bund auf einen vom Bundesrat benannten Vertreter der Länder übertragen (Art 23 Abs. 6 S. 1 GG). Mit Kultur sind dabei die Bereiche Wissenschaft, Bildung und Kunst gemeint.19 Die Wahrnehmung der Rechte erfolgt unter Beteiligung und in Abstimmung mit der Bundesregierung; dabei ist die gesamthänderische Verantwortung des Bundes zu wahren (Art. 23 Abs. 6 S. 2 GG). 16 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, Bessere Kompetenzen für das 21. Jahrhundert: eine Agenda für die europäische Zusammenarbeit im Schulwesen, KOM(2008) 425 endg., online abrufbar unter: http://eur-lex.europa .eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2008:0425:FIN:DE:PDF (Stand: 11. August 2010). 17 Vgl. Deutscher Bundestag (Hrsg.), Europapolitische Vorausschau 2010 für den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, S. 21 (Stand der Vorausschau: 7. Juni 2010). 18 Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZ- BLG) vom 12. März 1993, BGBl. I S. 313, zuletzt geändert durch das Gesetz vom 22. September 2009, BGBl. 2009, S. 3031. 19 Jarass, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 10. Auflage 2009, Art. 23 GG, Rdnr. 62. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 171/10 Seite 9 4.2. Der Ländervertreter bei Verhandlungen mit Schwerpunkt auf ausschließlichen Gesetzgebungsbefugnissen der Länder auf den Gebieten schulische Bildung und Kultur Wenn im Schwerpunkt ausschließliche Gesetzgebungsbefugnisse der Länder auf den Gebieten der schulischen Bildung und der Kultur betroffen sind, überträgt die Bundesregierung die Verhandlungsführung in den Beratungsgremien der Europäischen Kommission und des Rates und bei Ratstagungen in der Zusammensetzung der Minister auf einen Vertreter der Länder. Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass es sich um einen „Vertreter der Länder“ und nicht um einen solchen des Bundesrates handelt. Dem Bundesrat steht lediglich das Benennungsrecht zu.20 Gem. § 6 Abs. 2 S. 2 EUZBLG kann für die Ratstagungen nur ein Mitglied einer Landesregierung im Ministerrang benannt werden. Der zur Mitwirkung berechtigte Vertreter der Länder wird vom Bundesrat gem. Art. 52 Abs. 3 S. 1 GG nach dem Mehrheitsprinzip ernannt.21 Eine Übersicht über die jeweils zur Vertretung des Bundesrates in Gremien der EU benannten Minister aus verschiedenen Bundesländern findet sich auf der Homepage des Bundesrates.22 Für den Bereich Bildung, Jugend, Kultur (einschließlich audiovisueller Bereich) sind beispielsweise Kurt Beck und Peter Harry Carstensen vertretungsberechtigt. Im Verhältnis zur EU ist der betreffende Ländervertreter Vertreter der Bundesrepublik Deutschland ; folgerichtig verlangt Art. 16 Abs. 2 des Vertrags über die Europäische Union (EUV), dass jeder Vertreter eines Mitgliedstaats „befugt ist, für die Regierung des Mitgliedstaats verbindlich zu handeln“.23 Dem Ländervertreter obliegt damit die selbstverantwortliche Führung der Verhandlungen in der Sache; die Delegationsleitung bleibt indes bei einem Vertreter der Bundesregierung .24 Die Ländervertreter sind inhaltlich an die Beschlüsse des Bundesrates gebunden (§ 45l Geschäftsordnung Bundesrat - GOBR)25. Dies bedeutet, dass die Verhandlungsposition des Ländervertreters im Bundesrat abgestimmt und diese Abstimmung in den Ausschüssen mittels Beschlussempfehlungen vorbereitet werden kann. Im Eilfall kann die Europakammer des Bundesrates gem. Art. 52 Abs. 3a GG plenarersetzend tätig werden. Das den Vertreter stellende Land soll darüber hinaus auf weitere Beschlüsse hinwirken, sofern im Hinblick auf den Fortgang der Verhandlungen hierzu Anlass besteht (§ 45l Abs. 1 S. 2 GOBR). Auch jedes andere Land kann Beschlüsse , die den Ländervertreter binden, beantragen (§ 45l Abs. 1 S. 3 GOBR). Das gleiche kann 20 Scholz, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz, 57. Auflage 2010, Art. 23 GG, Rdnr. 179; vgl. Pernice, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar, Band II, 2. Auflage 2006, Art. 23, Rdnr. 116. 21 Jarass, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 10. Auflage 2009, Art. 23 GG, Rdnr. 62. 22 Übersicht online abrufbar unter: http://www.bundesrat.de/cln_179/nn_8754/DE/gremien-konf/interparl/gremien -eu/gremien-eu-node.html?__nnn=true (Stand: 11. August 2010). 23 Scholz, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz, 57. Auflage 2010, Art. 23 GG, Rdnr. 179. 24 Pernice, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar, Band II, 2. Auflage 2006, Art. 23, Rdnr. 118. 25 Geschäftsordnung des Bundesrates, in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. November 1993, BGBl. 1993 I S. 2007. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 171/10 Seite 10 ein Ausschuss empfehlen, dem der entsprechende Beratungsgegenstand zugewiesen ist (§ 45l Abs. 1 S. 4 GOBR). Die Ländervertreter müssen unverzüglich im Anschluss an eine Sitzung des jeweiligen Gremiums über die die Länder interessierenden Gesichtspunkte dem Bundesrat in der Regel schriftlich berichten (§ 45l Abs. 2 S. 1 GOBR). Die Ländervertreter berichten darüber hinaus, wenn im Hinblick auf die Verhandlungen erneuter Beratungsbedarf besteht, oder wenn ein Land oder ein beteiligter Ausschuss dies verlangen (§ 45l Abs. 2 S. 3 GOBR). 4.3. Abstimmung des Ländervertreters mit der Bundesregierung bei Verhandlungen mit Schwerpunkt auf ausschließlichen Gesetzgebungsbefugnissen der Länder auf den Gebieten schulische Bildung und Kultur Die Verhandlungsvollmacht des Ländervertreters ist nach Art. 23 Abs. 6. S. 2 GG dadurch begrenzt , dass die Wahrnehmung der Rechte unter Beteiligung und in Abstimmung mit der Bundesregierung erfolgen muss. § 6 Abs. 2 EUZBLG konkretisiert diese Regelung dahingehend, dass die Ausübung der Rechte durch die Vertreter der Länder unter Teilnahme von und in Abstimmung mit einem Vertreter der Bundesregierung erfolgt. Beteiligung soll bedeuten, dass der Ländervertreter zusammen mit einem Vertreter der Bundesregierung bzw. der Ständigen Vertretung bei der EU auftritt.26 Dies ist bei normalen Ratssitzungen möglich, in der Regel nicht aber in beschränkten („restraint“) Sitzungen bzw. bei Arbeitsessen, während derer bei sensiblen Themen oft erst ein Kompromiss ausgehandelt werden muss. Hier soll dann der Ländervertreter Vorrang haben.27 Die Abstimmung der Verhandlungsposition mit einem Vertreter der Bundesregierung im Hinblick auf eine sich ändernde Verhandlungslage erfolgt entsprechend den für die interne Willensbildung geltenden Regeln und Kriterien (§ 6 Abs. 2 S. 4 EUZBLG). Dies wird so verstanden, dass der Ländervertreter die Bundesregierung nicht nur schlicht über seine Verhandlungsposition und Verhandlungsstrategie unterrichtet und einen ggf. erfolgenden Widerspruch der Bundesregierung als letztlich unmaßgebend betrachten darf.28 Es handelt sich andererseits auch nicht um das Erfordernis eines echten „Einvernehmens“, weshalb ein entsprechender Widerspruch der Bundesregierung für den Ländervertreter auch keine entsprechend verbindliche Wirkung entfalten kann.29 Dies bedeutet, dass für beide Seiten, für die Bundesregierung wie für den Ländervertreter 26 Pernice, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar, Band II, 2. Auflage 2006, Art. 23, Rdnr. 119 m.w.N. 27 Pernice, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar, Band II, 2. Auflage 2006, Art. 23, Rdnr. 119. 28 Scholz, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz, 57. Auflage 2010, Art. 23 GG, Rdnr. 179. 29 Scholz, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz, 57. Auflage 2010, Art. 23 GG, Rdnr. 179; vgl. Pernice, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar, Band II, 2. Auflage 2006, Art. 23, Rdnr. 120. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 171/10 Seite 11 (und den hinter diesem stehenden Bundesrat), die Pflicht vorauszusetzen ist, sich um Einverständlichkeit zu bemühen.30 Der Landesvertreter kann sich grundsätzlich gegen die Bundesregierung durchsetzen; es besteht dann jedoch eine Rechenschaftspflicht.31 Wenn Abstimmungsschwierigkeiten die außen- und europapolitische Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik gefährden würden, wird dieses Verfahren auch in Anbetracht der „gesamtstaatlichen Verantwortung des Bundes“ ggf. aus Praktikabilitätsgründen zu Gunsten der Grundzuständigkeit der Bundesregierung für die Außenvertretung der Bundesrepublik Deutschland abgeändert.32 - Fachbereich Europa - 30 So Scholz, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz, 57. Auflage 2010, Art. 23 GG, Rdnr. 179; Classen, in: von Mangoldt /Klein/Starck (Begr./Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Band 2, 5. Auflage, Art. 23, Rdnr. 95. 31 So Classen, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Begr./Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Band 2, 5. Auflage, Art. 23, Rdnr. 95; Jarass, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz, 10. Auflage 2009, Art. 23, Rdnr. 60, 62; Hillgruber, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein (Begr.), GG Kommentar, 11. Auflage 2008, Art. 23, Rdnr. 47; vgl. Scholz, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz, 57. Auflage 2010, Art. 23 GG, Rdnr. 179; a.A. Pernice, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar, Band II, 2. Auflage 2006, Art. 23, Rdnr. 120. 32 Vgl. hierzu im Detail Scholz, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz, 57. Auflage 2010, Art. 23 GG, Rdnr. 179. Auch Pernice spricht sich dafür aus, dass die Bundesregierung die Übertragung der Verhandlungsführung an den Ländervertreter bei Gefahr für die gesamtstaatlichen Interessen zurücknehmen kann, s. . Pernice, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar, Band II, 2. Auflage 2006, Art. 23, Rdnr. 120.