Deutscher Bundestag Zur Richtlinie 2006/40/EG über Emissionen aus Klimaanlagen in Kraftfahrzeugen Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Ankündigung der Kommission , keine Vertragsverletzungsverfahren wegen der Nichteinhaltung der Anforderungen der Richtlinie einzuleiten Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 11 – 3000 – 170/12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 170/12 Seite 2 Zur Richtlinie 2006/40/EG über Emissionen aus Klimaanlagen in Kraftfahrzeugen Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Ankündigung der Kommis-sion, keine Vertragsverletzungsverfahren wegen der Nichteinhaltung der Anforderungen der Richtlinie einzuleiten Aktenzeichen: WD 11 – 3000 – 170/12 Abschluss der Arbeit: 12.12.2012 Fachbereich: WD 11: Europa Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 170/12 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 1.1. Tatsächlicher Hintergrund 4 1.2. Gegenstand dieser Ausarbeitung 5 2. Rechtlicher Hintergrund und Wirkung der Kfz-Klimaanlagen-RL (2006/40/EG) 5 2.1. Kfz-Klimaanlagen-RL (2006/40/EG) 5 2.2. Die Genehmigungs-Rahmen-RL (2007/46/EG) 7 2.3. Deutsche Umsetzung 8 2.4. Wirkung der Kfz-Klimaanlagen-RL nach ihrer Umsetzung 9 3. Rechtliche Bewertung der Ankündigung der Kommission (Fragenkomplex 1) 11 3.1. Zum Vertragsverletzungsverfahren 11 3.2. Ermessen der Kommission 12 3.3. Außerkraftsetzung oder Änderung der Richtlinie? 13 3.4. Ergebnis 14 4. Möglichkeit eines erneuten „Moratoriums“? 14 5. Rechtsschutz gegen ein erneutes „Moratorium“? 15 5.1. Nichtigkeitsklage 15 5.1.1. Organklage oder Klage eines Mitgliedstaates 16 5.1.2. Individualklage 17 5.2. Untätigkeitsklage 18 5.3. Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 259 AEUV (Staatenklage) 19 6. Rechtsfolgen für Hersteller nicht richtlinienkonformer Fahrzeuge nach Ende des „Moratoriums“ aus europarechtlicher Sicht 20 7. Möglichkeit einer einseitige Entscheidung Deutschlands, die Anforderungen der Richtlinie nicht durchzusetzen und Rechtsmittel gegen eine solche Entscheidung aus europarechtlicher Sicht 21 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 170/12 Seite 4 1. Einleitung 1.1. Tatsächlicher Hintergrund Bislang wurde in der Automobilindustrie für Klimaanlagen regelmäßig das Kältemittel R134A verwendet. Dieses entspricht nicht den Anforderungen der Richtlinie 2006/40/EG über Emissionen aus Klimaanlagen in Kraftfahrzeugen1 hinsichtlich des GWP-Werts2. Im Jahre 2009 hat sich die Automobilindustrie für die Verwendung des die Anforderungen der Kfz-Klimaanlagen-RL erfüllenden Klimamittels HFO1234yf ausgesprochen. Die einzigen Hersteller des Kühlmittels kündigten Ende 2011 an, dass es bis November 2012 zu Lieferengpässen kommen werde, die auf Probleme an den Produktionsstätten3 zurückzuführen sind. Die verschiedenen nationalen Zulassungsbehörden sind mit diesem Problem auf unterschiedliche Art und Weise umgegangen: Einige haben wegen der Lieferengpässe Typengenehmigungen auch für Kfz erteilt, deren Klimaanlagen die Richtlinienanforderungen nicht erfüllen; andere haben entsprechende Typengenehmigungen verweigert.4 Die Kommission hat daher auf Anfrage des Technischen Komitees für Kraftfahrzeuge (TCMV) am 30. März 2012 beschlossen, befristet bis zum 31. Dezember 2012, allein wegen der Lieferengpässe darauf zu verzichten, Vertragsverletzungsverfahren wegen der Nichteinhaltung der Zulassungsanforderungen für vor dem 31. Dezember 2012 hergestellte Fahrzeuge einzuleiten. Die Nichteinleitung von Vertragsverletzungsverfahren steht dabei unter den Bedingungen, dass erstens weiterhin nur solche Fahrzeugtypen eine Typengenehmigung erhalten, deren Klimaanlagen den Anforderungen der Kfz-Klimaanlagen-RL entsprechen, und zweitens die Hersteller, solange HFO1234yf nicht verfügbar ist, längstens jedoch bis 31. Dezember 2012, neu typengenehmigte Kfz mit R134A befüllen, wenn dies technisch möglich ist. Am 18. April 2012 informierte die Generaldirektion Unternehmen und Industrie der Europäischen Kommission die Mitglieder des TCMV darüber.5 Unabhängig von den Lieferschwierigkeiten gab der Automobilhersteller Daimler AG im September 2012 bekannt, dass Kältemittel HFO1234yf wegen seiner Gefährlichkeit auch nach dem 31. 1 Richtlinie 2006/40/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.05.2006 über Emissionen aus Klimaanlagen in Kraftfahrzeugen und zur Änderung der Richtlinie 70/156/EWG des Rates (ABl. L 161 vom 14.06.2006, S. 12), online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUri- Serv.do?uri=OJ:L:2006:161:0012:0018:DE:PDF (zuletzt abgerufen am 08.02.2016) – im Folgenden: Kfz-Klimaanlagen -RL. 2 GWP steht für Global Warming Potential (Treibhauspotential), vgl. Art. 3 Nr. 8 Kfz-Klimaanlagen-RL. 3 So habe das Erdbeben in Japan Produktionsstätten zerstört und eine neue Produktionsstätte in China sei wider Erwarten einem weiteren Genehmigungsverfahren unterzogen worden. 4 Vgl. Note to the Attention oft the Members of the TCMV, Subject: The supply shortage of an essential component in mobile air conditioning systems and its impact to the application of Directive 2006/40/EC in the automotive industry, 18th April 2012, S. 1. 5 Vgl. Note to the Attention oft the Members of the TCMV, Subject: The supply shortage of an essential component in mobile air conditioning systems and its impact to the application of Directive 2006/40/EC in the automotive industry, 18th April 2012, S. 2. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 170/12 Seite 5 Dezember 2012 nicht verwenden zu wollen6: So habe die Daimler AG das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) im September 2012 über firmeninterne Versuchsergebnisse unterrichtet, wonach sich das bei einigen neuen Fahrzeugtypen des Unternehmens eingesetzte neue Kältemittel R1234yf im Falle bestimmter Crash-Situationen entzünden und zu Fahrzeugbränden führen könne. Die Daimler AG werde das neue Kältemittel daher nicht mehr einsetzen und wolle zunächst das bisher übliche Kältemittel R134a verwenden. Eine schnelle Umstellung auf ein alternatives Kältemittel, das die in der Kfz-Klimaanlagen-RL enthaltenen Anforderungen erfülle, sei nicht möglich. 1.2. Gegenstand dieser Ausarbeitung Zum besseren Verständnis wird vor der Beantwortung der verschiedenen gestellten Rechtsfragen zunächst der rechtliche Hintergrund dargestellt und kurz erläutert, welche Rechtswirkungen die Kfz-Klimaanlagen-RL nach ihrer Umsetzung ins deutsche Recht entfaltet (2.). Dann wird mit Blick auf die aufgeworfenen Fragen erörtert, wie das Schreiben der Kommission mit Blick auf die Verwendung von R134a rechtlich zu werten ist (3. - Frage 1). Im Anschluss wird untersicht, ob die Kommission auch in Zukunft davon absehen kann, wegen der Nichteinhaltung der Anforderungen der Richtlinie Maßnahmen einzuleiten (4. - Frage 2, Teilfragen 1 und 2) und ob es gegen ein solches Vorgehen der Kommission Rechtsmittel gibt (5. – Frage 2, Teilfrage 3). Die Beantwortung der Fragen 3 und 4 wird zuständigkeitshalber im Wesentlichen vom Fachbereich WD 7 übernommen. Gegenstand der hiesigen Ausarbeitung sind lediglich europarechtliche Teilaspekte dieser Fragen: So wird untersucht, welche europarechtlichen Folgen sich für Hersteller , die nach dem 31. Dezember 2012 nicht richtlinienkonforme Kältemittel einsetzen, ergeben können (6 – Frage 3). Weiterhin wird geprüft, ob und gegebenenfalls von wem aus Sicht des Europarechts entschieden werden kann, die Anforderungen der Richtlinie in Deutschland nicht durchzusetzen und ob es gegen eine solche Entscheidung (europarechtliche) Rechtsmittel gibt (3.4. – Frage 4). 2. Rechtlicher Hintergrund und Wirkung der Kfz-Klimaanlagen-RL (2006/40/EG) 2.1. Kfz-Klimaanlagen-RL (2006/40/EG) Vor dem Hintergrund der Verpflichtungen der Union und der Mitgliedstaaten zur Reduktion von Treibhausgasen durch die Regulierung der Verwendung von Klimaanlagen in Kraftfahrzeugen7 und der Gefahr, dass bei einer unkoordinierten Umsetzung dieser Verpflichtung die Gefahr für 6 Vgl. Mercedes in der Klimaschutz-Zwickmühle, FAZ vom 25.09.2012. 7 Vgl. Entscheidung 2002/358/EG des Rates vom 25.04.2002 über die Genehmigung des Protokolls von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen im Namen der Europäischen Gemeinschaft (ABl. L 130 vom 15.05.2002, S. 1), online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUri- Serv.do?uri=CELEX:32002D0358:DE:HTML, zuletzt abgerufen am 06.12.2012. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 170/12 Seite 6 eine Behinderung des freien Verkehrs von Kfz in der Union besteht, wurde die Kfz-Klimaanlagen -RL erlassen.8 Diese Richtlinie stellt Anforderungen für die Typengenehmigung und für die Betriebserlaubnis einzelstaatlicher Geltung für Kraftfahrzeuge9 im Hinblick auf Emissionen aus Klimaanlagen in Fahrzeugen und an die Nachrüstung sowie das Be- und Nachfüllen solcher Anlagen (Art. 1 Kfz-Klimaanlagen-RL). Art. 5 Abs. 4 Kfz-Klimaanlagen-RL fordert entsprechend, dass die Mitgliedstaaten seit dem 1. Januar 2011 keine Typengenehmigungen mehr für Fahrzeugtypen erteilen, deren Klimaanlagen darauf ausgelegt sind, Kältemittel mit einem GWP-Wert von mehr als 15010 zu enthalten. In Abs. 5 der Vorschrift wird den Mitgliedstaaten aufgegeben, ab dem 01. Januar 2017 neuen Fahrzeugen, deren Klimaanlage GWP>150 benötigen, die Zulassung zu verweigern und Verkauf und Inbetriebnahme zu verbieten. Zudem regelt Art. 6 Kfz-Klimaanlagen-RL, dass in ab dem 01. Januar 2011 typengenehmigte Fahrzeuge weder nachträglich Klimaanlagen eingebaut werden dürfen, die GWP>150 benötigen, noch vorhandene Klimaanlagen mit GWP>150 befüllt werden dürfen (vgl. Art. 6 Abs. 1 S. 1, 6 Abs. 2 S. 1 Kfz-Klimaanlagen-RL). In Fahrzeuge mit einer vor dem 01.Januar 2011 erteilten Typengenehmigung dürfen erst ab 01. Januar 2017 nachträglich keine Klimaanlagen mehr eingebaut werden, die GWP>150 benötigen (Art. 6 Abs. 1 S. 2 Kfz-Klimaanlagen-RL). Ab diesem Zeitpunkt dürfen auch Klimaanlagen in vor dem 01. Januar 2011 typengenehmigten Fahrzeugen nicht mehr mit GWP>150 befüllt werden. Das Nachfüllen mit GWP>150 von Klimaanlagen, die bereits mit GWP>150 befüllt sind und die vor dem 01. Januar 2017 eingebaut wurden, bleibt aber möglich (Art. 6 Abs. 2 S. 2 2. Hs. Kfz-Klimaanlagen-RL). Die Richtlinie schreibt nicht die Verwendung eines speziellen Kältemittels sondern lediglich vor, dass die verwendeten Kühlmittel den GWP-Wert von 150 nicht übersteigen dürfen. Gemäß Art. 7 der Kfz-Klimaanlagen-RL erlässt die Kommission die notwendigen Durchführungsmaßnahmen . Gestützt auf diese Vorschrift wurde die Verordnung (EG) 706/2007 zur Festlegung von Verwaltungsvorschriften für die EG-Typengenehmigung von Kfz und eines harmonisierten Verfahrens für die Messung von Leckagen aus bestimmten Klimaanlagen11 erlassen. Dort enthält Art. 6 Verwaltungsvorschriften für die Typengenehmigung eines Fahrzeugs hinsichtlich 8 Vgl. insbesondere Erwägungsgrund 2. 9 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Folgenden von dem Begriff der Typengenehmigung auch der der Betriebserlaubnis einzelstaatlicher Geltung erfasst. 10 Im Folgenden bezeichnet als GWP>150. 11 Verordnung (EG) Nr. 706/2007 der Kommission vom 21. Juni 2007 zur Festlegung von Verwaltungsvorschriften für die EG-Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen und eines harmonisierten Verfahrens für die Messung von Leckagen aus bestimmten Klimaanlagen nach der Richtlinie 2006/40/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 161 vom 22.6.2007, S. 33), online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUri- Serv.do?uri=OJ:L:2007:161:0033:0052:DE:PDF (zuletzt abgerufen am 08.02.2016) – im Folgenden Typengenehmigungs VO. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 170/12 Seite 7 der Emissionen aus seiner Klimaanlage. Nach Art. 6 Abs. 3 der Verordnung wird die Typengenehmigung erteilt, wenn die einschlägigen Anforderungen – also auch die der Kfz-Klimaanlagen- RL – erfüllt sind. 2.2. Die Genehmigungs-Rahmen-RL (2007/46/EG) Die Anforderungen der Kfz-Klimaanlagen-RL sind nach Art. 9 i.V.m. Art. 11 Abs. 1 Genehmigungs -Rahmen-RL von den Mitgliedstaaten bei der Erteilung von Typengenehmigungen zu beachten . Danach erteilen die Mitgliedstaaten eine Genehmigung dann, wenn u.a. die Einhaltung der in der Kfz-Klimaanlagen-RL (die im Anhang IV, Ziffer 61 der Genehmigungs-Rahmen-RL aufgeführt ist) nachgewiesen ist und ein Fahrzeugtyp den Anforderungen dieser Richtlinie entspricht . Die Genehmigungs-Rahmen-RL verpflichtet die Mitgliedstaaten in Art. 12 zudem, geeignete Maßnahmen für die Überprüfung, ob geeignete Vorkehrungen zur Sicherstellung, dass hergestellte Kfz mit der erteilten Genehmigung übereinstimmen, getroffen wurden, zu erlassen. Außerdem müssen die Mitgliedstaaten „die erforderlichen Maßnahmen – einschließlich des Entzugs der Typengenehmigung “ ergreifen, um die Einhaltung jener Vorkehrungen sicherzustellen (Art. 12. Abs. 3 Genehmigungs-Rahmen-RL). Art. 29 Abs. 1 Genehmigungs-Rahmen-RL gestattet den Mitgliedstaaten die Zulassung von solchen Fahrzeugen zu untersagen, die zwar den Genehmigungsvoraussetzungen der Richtlinien entsprechen, die aber ein erhebliches Risiko für die Sicherheit im Straßenverkehr darstellen oder die Umwelt oder die öffentliche Gesundheit ernsthaft gefährden. Sollte sich die Gefährdung aus Mängeln des zu Grunde liegenden Rechtsaktes ergeben, ist die Kommission nach Art. 29 Abs. 3 i.V.m. Art. 40 Abs. 2 Genehmigungs-Rahmen-RL aufgerufen, diesen Rechtsakt im Regelungsverfahren mit Kontrolle nach Art. 5a des Ratsbeschlusses 1999/468/EG12 unter Beteiligung des Regelungskontrollausschusses sowie des Europäischen Parlaments und des Rats zu ändern. Die Mitgliedstaaten sind nach Art. 30 Abs. 1 Genehmigungs-Rahmen-RL außerdem verpflichtet, „die notwendigen Maßnahmen, einschließlich erforderlichenfalls eines Entzugs der Typengenehmigung “ für den Fall zu ergreifen, dass festgestellt wird, dass neue Fahrzeuge nicht mit der erteilten Genehmigung übereinstimmen. Gemäß Art. 30 Abs. 3, 4 Genehmigungs-Rahmen-RL können andere Mitgliedstaaten einen genehmigenden Mitgliedstaat auffordern, die Übereinstimmung neuer Fahrzeuge mit der erteilten Typengenehmigung zu überprüfen und gegebenenfalls notwendige Maßnahmen zu ergreifen. Art. 33 Genehmigungs-Rahmen-RL ordnet an, dass die 12 Beschluss des Rates vom 28.06.1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse, Abl. L 184 vom 17.7.1999, S. 23, zuletzt geändert durch Beschluss des Rates 2006/512/EG vom 17.07.2006, ABl. L 200 vom 22.07.2006, S. 11 (konsolidierte Fassung abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CONSLEG:1999D0468:20060723:DE:PDF, zuletzt abgerufen am 08.02.2016), aufgehoben durch Verordnung (EU) 182/2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren, ABl. L 55 vom 28.02.2011, S. 13 (online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUri- Serv/LexUriServ.do?uri=CELEX:32011R0182:DE:HTML, zuletzt abgerufen am 08.02.2016). Nach Erwägungsgrund 21) der VO (EU) 182/2011 behält aber Art. 5a) des Beschlusses 1999/468/EG für die Zwecke bestehender Basisrechtsakte, in denen auf jenen Artikel verwiesen wird, vorläufig weiterhin seine Wirkung. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 170/12 Seite 8 Verweigerung und der Entzug einer Typengenehmigung zu begründen und den Beteiligten unter Angabe der im nationalen Recht vorgesehenen Rechtsbehelfe bekannt zu geben sind. Art. 39 Genehmigungs-Rahmen-RL ermächtigt die Kommission unter bestimmten Voraussetzungen und unter Einhaltung bestimmter Verfahren zum Erlass von Durchführungsmaßnahmen. So ist dies nach Abs. 1 möglich, wenn der betreffende Rechtsakt selbst den Erlass von Durchführungsmaßnahmen anordnet. Nach Abs. 2 kommen Änderungen der Kfz-Klimaanlagen-RL durch die Kommission in Betracht, wenn diese erforderlich sind, um u.a. eine Anpassung an den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis oder der technischen Entwicklung vorzunehmen. Nach Art. 46 Genehmigungs-Rahmen-RL legen die Mitgliedstaaten wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen fest, die bei Verstößen gegen die Genehmigungs-Rahmen-RL anzuwenden sind und ergreifen alle für die Durchführung der Richtlinie erforderlichen Maßnahmen . 2.3. Deutsche Umsetzung Die Regelungen der Genehmigungs-Rahmen-RL wurden in Deutschland durch die Verordnung zur Neuordnung des Rechts der Erteilung von EG-Typgenehmigungen für Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger sowie für Systeme, Bauteile und selbständige technische Einheiten für diese Fahrzeuge 13 umgesetzt. Die Regelungen der Kfz-Klimaanlagen-RL waren von den Mitgliedstaaten bis zum 04. Januar 2008 umzusetzen (Art. 10 Kfz-Klimaanlagen-RL). In Deutschland erfolgte die Umsetzung verspätet durch die Siebenundvierzigste Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 10. Mai 2012.14 Mit Wirkung vom 01. Juni 2012 wurden §§ 47 e, 72 Abs. 2 Nr. 6 Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO)15 erlassen: § 47e StVZO (Genehmigung, Nachrüstung und Nachfüllen von Klimaanlagen) „Kraftfahrzeuge mit Klimaanlage, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2006/40/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 über Emissionen aus Klimaanlagen in Kraftfahrzeugen und zur Änderung der Richtlinie 70/156/EWG (ABl. L 161 vom 14. 6. 2006, S. 12) und der Verordnung (EG) Nr. 706/2007 der Kommission vom 21. Juni 2007 zur Festlegung von Verwaltungsvorschriften für die EG-Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen und eines harmonisierten Verfahrens für die Messung von Leckagen aus bestimmten Klimaanlagen nach der Richtlinie 2006/40/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 161 vom 22. Juni 2007, S. 33) fallen, haben mit Wirkung vom 1. Juni 2012 den Vorschriften dieser Verordnung zu entsprechen.“ 13 BGBl. I vom 27.04.2009, S. 872. 14 BGBl. I vom 16.05.2012 S. 1086. 15 Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) vom 26. April 2012 (BGBl. I S. 679), zuletzt geändert durch Art. 2 Erste VO zur Änd. der Fahrzeug-ZulassungsVO und and. straßenverkehrsrechtl. Vorschriften vom 19. 10. 2012 (BGBl. I S. 2232). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 170/12 Seite 9 § 72 Abs. 2 Nr. 6 StVZO „§ 47e (Genehmigung, Nachrüstung und Nachfüllen von Klimaanlagen)ist wie folgt anzuwenden: a) In Fahrzeuge, für die eine Typgenehmigung ab dem 1. Januar 2011 erteilt wurde, darf ab dem 1. Juni 2012 eine Klimaanlage, die darauf ausgelegt ist, fluorierte Treibhausgase mit einem global warming potential-Wert (GWP-Wert) über 150 zu enthalten, nicht mehr nachträglich eingebaut werden. b) Klimaanlagen, die in Fahrzeuge eingebaut sind, für die ab dem 1. Januar 2011 eine Typgenehmigung erteilt wurde, dürfen nicht mit fluorierten Treibhausgasen mit einem GWP-Wert von über 150 befüllt werden. Mit Wirkung vom 1. Januar 2017 dürfen Klimaanlagen in sämtlichen Fahrzeugen nicht mehr mit fluorierten Treibhausgasen mit einem GWP-Wert über 150 befüllt werden; hiervon ausgenommen ist das Nachfüllen von diese Gase enthaltenden Klimaanlagen, die vor diesem Zeitpunkt in Fahrzeuge eingebaut worden sind. c) Fahrzeuge mit einer Einzelgenehmigung, die ab dem 1. Januar 2017 erstmals in den Verkehr gebracht werden sollen, ist die Zulassung zu verweigern, wenn deren Klimaanlagen mit einem fluorierten Treibhausgas mit einem GWP-Wert über 150 befüllt sind. Bei Fahrzeugen mit einer Einzelgenehmigung, die vor dem 1. Januar 2017 erstmals in den Verkehr kommen sollen und deren Klimaanlagen mit einem fluorierten Treibhausgas mit einem GWP-Wert über 150 befüllt sind, findet der Nachweis der Leckagerate gemäß Artikel 7 der Verordnung (EG) Nr. 706/2007 keine Anwendung.“ 2.4. Wirkung der Kfz-Klimaanlagen-RL nach ihrer Umsetzung Eine Richtlinie ist nach Art. 288 Abs. 3 AEUV für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet ist, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich. Sie überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl und Form der Mittel der Umsetzung. Insofern sieht das Unionsrecht ein zweistufiges Verfahren vor, in welchem die Unionsorgane mit der Richtlinie eine Rahmenregelung erlassen und die Mitgliedstaaten die erforderlichen Umsetzungsmaßnahmen vornehmen. Aus der Loyalitätspflicht nach Art. 4 Abs. 3 EUV ergibt sich, dass die Mitgliedstaaten zur vollständigen , genauen und fristgemäßen Umsetzung von Richtlinien verpflichtet sind. Neben der formalen Umsetzung müssen sie den Vorgaben der Richtlinien auch tatsächlich volle Wirksamkeit verleihen . Die Mitgliedstaaten haben dabei die Umsetzungsformen und -mittel zu ergreifen, welche die praktische Wirksamkeit der Richtlinie am besten gewährleisten.16 Die Pflicht, die Richtlinienziele im nationalen Recht zu verwirklichen, erstreckt sich auf den Mitgliedstaat insgesamt und damit auf alle mitgliedstaatlichen Organe einschließlich der Judikative. Ausnahmsweise kommt auch die unmittelbare Wirkung von Richtlinien in Betracht. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Umsetzungsfrist ohne korrekte Umsetzung abgelaufen ist und die Richtlinie hinreichend bestimmt 16 EuGH, Rs. 48/75 (Royer), Slg. 1976, S. 497, Rn. 69/73. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 170/12 Seite 10 und unbedingt ist, sie also den Mitgliedstaaten in Bezug auf die betreffende Vorschrift keinen Umsetzungsspielraum belässt.17 Vor dem geschilderten tatsächlichen Hintergrund sind vorliegend Art. 5 Abs. 4, Art. 6 Abs. 1 S. 1 und Art. 6 Abs. 2 S. 1 Kfz-Klimaanlagen-RL und ihre Umsetzung in nationales Recht relevant. Die Richtlinie gibt darin letztendlich vor, dass ab dem 01. Januar 2011 - keine Typengenehmigungen mehr für Kfz erteilt werden dürfen, deren Klimaanlagen GWP>150 benötigen (Art. 5 Abs. 4 Kfz-KlimaanlagenRL) - in Fahrzeuge, die ab dem 01. Januar 2011 eine Typengenehmigung erhalten, nachträglich keine Klimaanlagen eingebaut werden dürfen, die GWP>150 benötigen (Art. 6 Abs. 1 Kfz-KlimaanlagenRL) - dass Klimaanlagen in Kfz, die ab dem 01. Januar 2011 typengenehmigt werden, nicht mit GWP>150 befüllt werden dürfen (Art. 6 Abs. 2 S. 1 Kfz-Klimaanlagen RL). Eben diese Anforderungen sind in §§ 47e, 72 Abs. 2 Nr. 6 StVZO – wenn auch verspätet – in deutsches Recht umgesetzt worden. Insbesondere enthalten § 72 Abs. 2 Nr. 6 lit. a) und lit. b) StVZO die Vorgaben der Richtlinie bezüglich des nachträglichen Einbaus und der Befüllung von Klimaanlagen. Das Verbot, Typengenehmigung für Kfz zu erteilen, deren Klimaanlagen GWP>150 benötigen, ergibt sich für das deutsche Recht aus § 47e i.V.m. mit der Verordnung 706/2007 i.V.m. Kfz-Klimaanlagen-RL. Umsetzungsdefizite ergeben sich vor allem mit Blick auf den Umsetzungszeitpunkt . So darf nach der StVZO erst ab dem 01. Juni 2012 kein Einbau von Klimaanlagen , die GWP>150 benötigen, in nach dem 01. Januar 2011 typengenehmigten Fahrzeugen mehr erfolgen. Ebenso ist erst ab diesem Datum die Befüllung von Klimaanlagen mit GWP>150 untersagt . Dieses Umsetzungsdefizit hat aber keine Auswirkungen auf die hier gestellten Rechtsfragen . Insofern kommt es vorliegend nicht darauf an, ob die Richtlinie bis zu ihrer Umsetzung in Deutschland unmittelbar anwendbar war, so dass auch schon vor dem 01. Juni 2012 ihre Anforderungen einzuhalten gewesen wären. Jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt entspricht das deutsche Recht den Vorgaben der KfZ-Klimaanlagen -RL. Nationale Kfz-Hersteller müssen sich an das nationale Recht halten. Das Kraftfahrzeugbundesamt muss die Vorschriften der StVZO anwenden. Die Kfz-Klimaanlagen-RL entfaltet in Deutschland (jedenfalls) seit erfolgter Umsetzung keine unmittelbare Wirkung. Nationales Recht muss aber gegebenenfalls richtlinienkonform ausgelegt werden.18 Dies muss bei Beantwortung der gestellten Fragen berücksichtigt werden. 17 Grundlegend EuGH, Rs. 148/78 (Ratti), Slg. 1979, S. 1629, Rn. 18ff; m.w.N.; Ruffert in Callies/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Auflage 2011, Art. 288 AEUV, Rn. 48f. 18 Zur richtlinienkonformen Auslegung vgl. statt vieler Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Auflage, 2011, Art. 288 AEUV, Rn. 77ff. m.w.N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 170/12 Seite 11 3. Rechtliche Bewertung der Ankündigung der Kommission (Fragenkomplex 1) In ihrer Mitteilung an die Mitglieder des TCMV hat die Kommission angekündigt, keine Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten, wenn wegen der Lieferengpässe in Bezug auf HFO1234yf bis zum 31. Dezember 2012 Kfz hergestellt werden, die den Anforderungen der Kfz-Klimaanlagen-RL nicht entsprechen. Bedingung dafür ist, dass nur solche Kfz typengenehmigt werden, deren Klimaanlagen mit HFO-1234yf betrieben werden können und dass die Fahrzeughersteller die Klimaanlagen solcher Kfz soweit technisch möglich bis zum 31. Dezember 2012 mit R134A befüllen. Nach der Richtlinie sind die Mitgliedstaaten aber wie oben gezeigt verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Klimaanlagen in nach dem 01. Januar 2011 typengenehmigten Fahrzeugen nicht mit GWP>150 befüllt werden. Wenn seitens eines Mitgliedstaates geduldet wird, dass Hersteller weiterhin R134a verwenden, setzten sie sich in Widerspruch zu ihren Verpflichtungen aus der Richtlinie und verletzen damit letztendlich die Verträge. Entscheidender Inhalt des „Moratoriums“ ist damit, dass die Kommission trotz dieser Vertragsverletzung durch einen Mitgliedstaat ein Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 ff. AEUV wegen Nichteinhaltung der Anforderungen der Richtlinie bis zum 31.12.2012 nicht einleiten wird. 3.1. Zum Vertragsverletzungsverfahren Gemäß Art. 17 Abs. 1, S. 2 und 3 Vertrag über die Europäische Union (EUV) hat die Kommission die Aufgabe, für die einheitliche Beachtung und Durchsetzung des Unionsrechts zu sorgen. Entsprechend ermöglicht ihr Art. 258 AEUV, mitgliedstaatliche Vertragsverstöße zu rügen und der gerichtlichen Kontrolle zu unterwerfen. Gemäß Art. 259 AEUV kann ein Vertragsverletzungsverfahren auch auf Betreiben eines anderen Mitgliedstaates eröffnet werden. Eine Klagemöglichkeit natürlicher oder juristischer Personen zur Feststellung von staatlichen Vertragsverletzungen durch die Unionsgerichte ist in den Verträgen jedoch nicht vorgesehen. Ebenso wenig können Verletzungshandlungen Privater Gegenstand eines Vertragsverletzungsverfahrens sein, selbst wenn der Einzelne direkt aus der betreffenden Norm heraus verpflichtet ist. Unionsrechtsverstöße Privater werden vielmehr nach nationalem Recht durch die nationalen Gerichte sanktioniert .19 Treten dabei unionsrechtliche Auslegungsprobleme auf, kann das nationale Gericht diese dem EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV vorlegen. Anknüpfungspunkt für ein Einschreiten der Kommission kann nur eine staatliche Vertragsverletzung – etwa die verspätete oder fehlerhafte Umsetzung einer Richtlinie oder die unzureichende Durchsetzung der Regelungen einer Richtlinie – sein. Das Vertragsverletzungsverfahren erfüllt eine ausschließlich objektiv-rechtliche Funktion und dient dem Allgemeininteresse der gleichförmigen Durchsetzung und Sicherstellung des Unionsrechts.20 Bei dem Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 AEUV handelt es sich um ein dreistufiges Verfahren. Zunächst richtet die Kommission ein Mahnschreiben an den jeweiligen Mitgliedstaat und räumt diesem die Möglichkeit einer Stellungnahme ein. Dies dient dazu dem Mitgliedstaat 19 Zum Ganzen vgl. Pechstein, EU-Prozessrecht, 4. Auflage, 2011, S. 132f., Rn. 253ff. m.w.N. 20 Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV, AEUV, 4. Auflage, 2011, Art. 258 AEUV, Rn. 2 m.w.N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 170/12 Seite 12 rechtliches Gehör zu verschaffen und ihm die Möglichkeit zu geben, die Angelegenheit zu bereinigen . Geht die Kommission weiterhin von einem Unionsrechtsverstoß aus, übermittelt sie dem Mitgliedstaat eine begründete Stellungnahme. Hierbei handelt es sich nicht um eine Stellungnahme im Sinne von Art. 288 AEUV sondern um eine Handlungsform sui generis, die dazu dient dem Mitgliedstaat noch einmal die Möglichkeit zu geben, seinen Verpflichtungen nachzukommen oder sein Verhalten zu rechtfertigen. Diese Stellungnahme ist ebenso wie das Mahnschreiben notwendige Voraussetzung dafür, dass sich die Kommission auf dritter Stufe mit einer Klage an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) wenden kann. 3.2. Ermessen der Kommission Nach ständiger und gefestigter Rechtsprechung des EuGH hat die Kommission entsprechend dem Wortlaut von Art. 258 Abs. 2 AEUV sowohl für die Frage, ob sie ein Vertragsverletzungsverfahren einleitet21, als auch dafür, wann sie Klage vor dem EuGH erhebt22, Ermessen.23 Sie ist danach nicht verpflichtet, bei Kenntnis von einer möglichen Verletzung des Unionsrechts entsprechende Verfahren einzuleiten. Die vorliegende Entscheidung der Kommission, wegen der Lieferengpässe keine Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten, ist Ausdruck dieses Ermessens. Einer besonderen Rechtsgrundlage bedarf es für dieses Vorgehen nicht. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Entscheidung der Kommission hier ermessensmissbräuchlich ergangen wäre. Der Gerichtshof definiert Ermessensmissbrauch „als Vornahme einer Rechtshandlung durch ein Gemeinschaftsorgan ausschließlich oder zumindest überwiegend zu anderen als den angegebenen Zwecken oder mit dem Ziel, ein Verfahren zu umgehen, das der Vertrag speziell vorsieht, um die konkrete Sachlage zu bewältigen“.24 Die im deutschen Verwaltungsrecht entwickelte differenzierte Ermessenfehlerlehre kommt im Rahmen des Unionsrechts nicht zur Anwendung.25 Die Nachprüfung des Ermessens wird vielmehr auf Fälle beschränkt, in 21 EuGH, Rs. C-87/89 (Sonito u.a.), Slg. 1990, I-1981, Rn. 6; Rs. C-84/98 (Kommission ./. Portugal), Slg. 2000, I-5215, Rn. 46; Rs. C-236/99 (Kommission ./. Belgien), Slg. 2000, I-5657, Rn. 28; Rs. C-456/05, (Kommission ./. Deutschland ), Slg. 2007, I-10517, Rn. 22. 22 EuGH, Rs. C-317/92 (Kommission ./. Bundesrepublik Deutschland), Slg. 1994, I-2039, Rn. 4; Rs. C-422/92 (Kommission ./. Bundesrepublik Deutschland), Slg. 1995, I-1097, Rn. 18; Rs. C-456/05, (Kommission ./. Deutschland), Slg. 2007, I-10517, Rn. 22. 23 a.A. teilweise in der Literatur, vgl. u.a. Gaitanides, in v. der Groeben/Schwarze, Kommentar zum Vertrag über die Europäische Union und zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften, 6. Auflage 2003, Art. 226 EG, Rn. 71ff.; Karpenstein, in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 2012, Band 1, Art. 258 AEUV, Rn. 34 m.w.N.; Krück, in v. der Groeben/Thiesing/Ehlermann, Kommentar zum EU-/EG-Vertrag, 5. Auflage 1997, Band 4, Art. 169 Rn. 65. Wie der EuGH Burgi, in: Rengeling/Middeke/Gellermann, Handbuch des Rechtsschutzes in der Europäischen Union, § 6, Rn. 24; Cremer, in Callies/Ruffert, EUV/AEUV Kommentar, 4. Auflage 2011, Art. 258, Rn. 42. 24 EuGH, Rs. C-156/93 (Parlament ./. Kommission), Slg. 1995, I-2019, Rn. 31. 25 Pechstein, a.a.O., S. 276, Rn. 560. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 170/12 Seite 13 denen aufgrund objektiver und schlüssiger Indizien anzunehmen ist, dass der Rechtsakt zu anderen als den in seiner Begründung angegebenen Zwecken erlassen wurde.26 Dafür, dass die Kommissionsentscheidung in Bezug auf die Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren wegen der Nichtdurchsetzung der Anforderungen der Kfz-Klimaanlagen-RL in diesem Sinne ermessensmissbräuchlich war, ist nichts ersichtlich. Vielmehr stimmt die Entscheidung der Kommission mit höherrangigen Rechtsvorschriften und den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts überein .27 Darüber hinaus sind an die Begründung der Entscheidung keine qualifizierten Anforderungen zu stellen. Insofern kommt es auch nicht darauf an, ob und wie die Kommission die Nichteinleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens - hier mit „force majeure“ – begründet hat. Es liegt – jedenfalls nach der Rechtsprechung des EuGH – nicht nur in ihrem Ermessen, ob sie ein Verfahren einleitet, sondern auch aus welchen Gründen sie dies tut. Die Kommission kann insofern völlig frei über ein Tätigwerden entscheiden.28 3.3. Außerkraftsetzung oder Änderung der Richtlinie? In der Entscheidung der Kommission, keine Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten, liegt – anders als durch die Fragestellung impliziert – keine (rechtliche) Außerkraftsetzung der Kfz-Klimaanlagen -RL -. Die Richtlinie entfaltet als Gesetzgebungsakt der Union selbstverständlich solange Gültigkeit, bis sie im ordnungsgemäßen Verfahren geändert oder aufgehoben wurde. Die Ankündigung der Kommission ist vorliegend insbesondere auch nicht als Änderung der Richtlinie zu verstehen. So handelt es sich nicht um eine Änderung der Kfz-Klimaanlagen-RL nach Art. 29 Abs. 3 i.V.m. Art. 40 Abs. 2 Genehmigungs-Rahmen-RL, da weder die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Vorschrift vorliegen, noch das vorgegebene Verfahren eingehalten wurde: Zum Zeitpunkt der Kommissionsankündigung war die von den Herstellern nunmehr vorgetragene Gefährlichkeit des Kühlmittel HFO1234yf nicht bekannt. Die Kommission hat ihre Ankündigung entsprechend auch nicht damit begründet. Zudem schreibt die Kfz-Klimaanlagen-RL nicht den Einsatz von HFO1234yf, sondern lediglich den Einsatz von GWP>150 vor. Es ist soweit ersichtlich von den Herstellern nicht vorgetragen worden, dass jedes GWP>150 gefährliche Eigenschaften habe. Insofern liegt eine etwaige Gefährlichkeit nicht in einem Mangel an der KfZ-Klimaanlagen-RL i.S.d. Art. 29 Abs. 1 erster Gedankenstrich Genehmigungs-Rahmen-RL sondern in der Absprache der Hersteller, HFO1234yf zu verwenden, begründet. Zudem sind weder Parlament noch Rat an der Kommissionsentscheidung beteiligt worden, so dass eine Änderung der Kfz-Klimaanlagen-RL in den genannten Vorschriften ausscheidet. Auch dass es sich um eine Änderung der Kfz-Klimaanlagen-RL mit dem Ziel ihrer Anpassung an den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis und der technischen Entwicklung nach Art. 39 Abs. 2 Genehmigungs-Rahmen-RL oder als Reaktion auf erhebliche Risiken für Verkehrsteilnehmer oder die Umwelt, die dringliche Maßnahmen erfordern, nach Art. 39 Abs. 4 Genehmigungs- 26 EuGH, Rs. 18 u. 35/66 (Gutman ./. Kommission), Slg. 1966, 153, 176. 27 Zu den Anforderungen an die Ausübung des Ermessens s. Karpenstein, in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 2012, Band 1, Art. 258 AEUV, Rn. 36. 28 Pechstein, a.a.O., S. 320, Rn. 648. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 170/12 Seite 14 Rahmen-RL handelt, kommt vorliegend mangels der Erfüllung der Voraussetzung und der Einhaltung des Verfahrens nicht in Betracht. 3.4. Ergebnis Die Kfz-Klimaanlagen-RL entfaltet entsprechend seit Ihrem Inkrafttreten und trotz der Entscheidung der Kommission weiterhin Gültigkeit. Konsequenz der Kommissionsankündigung ist, dass Mitgliedstaaten, die den Einsatz von R134a bis 31. Dezember 2012 durch ihre Kfz-Hersteller in nach dem 01. Januar 2011 typengenehmigten Kfz richtlinienwidrig nicht unterbinden, nicht mit der Eröffnung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen sie rechnen müssen. Damit mag die Kfz- Klimaanlagen-RL tatsächlich für den Zeitraum des Moratoriums „außer Kraft gesetzt sein“ – rechtlich gilt sie aber uneingeschränkt weiter. 4. Möglichkeit eines erneuten „Moratoriums“? Da die Entscheidung, ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten, im freien Ermessen der Kommission liegt, kann sie auch in Zukunft davon absehen, gegen Mitgliedstaaten vorzugehen, die sich nicht richtlinienkonform verhalten. Bislang begründete die Kommission ihr Vorgehen mit den Lieferengpässen hinsichtlich des Kältemittels HFO134yf. Da die Hersteller dieser Kältemittel nunmehr bekannt gegeben haben, dass Lieferschwierigkeiten nicht mehr bestehen, ist nicht davon auszugehen, dass die Entscheidung der Kommission vom 30. März 2012 über den 31.12.2012 verlängert wird. Es ist aber wegen des freien Ermessens der Kommission durchaus rechtlich möglich , dass sie gestützt auf andere Gründe weiterhin von der Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren absieht. Diesbezüglich kommt es rechtlich nicht darauf an, ob es ein Versäumnis der Kfz-Industrie ist, ein richtlinienkonformes, ungefährliches Kältemittel zu entwickeln und ob dies „höhere Gewalt“ bzw. den Lieferschwierigkeiten im Sommer diesen Jahres vergleichbar oder gleichzustellen ist. Wie bereits oben ausgeführt, ist die Kommission auch hinsichtlich der Begründung ihrer Entscheidung frei. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass die Genehmigungs-Rahmen-RL der Kommission Befugnisse mit Blick auf die Änderung der Kfz-Klimaanlagen-RL, die unter Ziffer 61 in Anhang IV Teil 1 der Genehmigungs-Rahmen-RL aufgeführt ist, einräumt (vgl. Art. 29 Abs. 3 erster Gedankenstrich, 39 Genehmigungs-Rahmen-RL). Eine solche Änderung ist aber nicht im Alleingang der Kommission möglich, sondern an das Verfahren nach Art. 40 Abs. 2 Genehmigungs- Rahmen-RL i.V.m. Art. 5a des Ratsbeschlusses 1999/468/EG29, welches auch die Beteiligung von 29 Beschluss des Rates vom 28.06.1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse, Abl. L 184 vom 17.7.1999, S. 23, zuletzt geändert durch Beschluss des Rates 2006/512/EG vom 17.07.2006, ABl. L 200 vom 22.07.2006, S. 11 (konsolidierte Fassung abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CONSLEG:1999D0468:20060723:DE:PDF, zuletzt abgerufen am 08.02.2016), aufgehoben durch Verordnung (EU) 182/2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren, ABl. L 55 vom 28.02.2011, S. 13 (online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUri- Serv/LexUriServ.do?uri=CELEX:32011R0182:DE:HTML, zuletzt abgerufen am 08.02.2016). Nach Erwägungsgrund 21) der VO (EU) 182/2011 behält aber Art. 5a) des Beschlusses 1999/468/EG für die Zwecke bestehender Basisrechtsakte, in denen auf jenen Artikel verwiesen wird, vorläufig weiterhin seine Wirkung. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 170/12 Seite 15 Rat und Europäischen Parlament vorsieht, gebunden. Da aber die KfZ-Klimaanlagen-RL nicht den Einsatz von HFO1234yf vorschreibt, sondern nur Grenzwerte für Kältemittel festlegt, dürften die Voraussetzungen – soweit ersichtlich – selbst bei einer nachgewiesenen Gefährlichkeit von HFO1234yf nicht vorliegen (vgl. Art. 39 Abs. 4 Genehmigungs-Rahmen-RL). 5. Rechtsschutz gegen ein erneutes „Moratorium“? Fraglich ist, ob gegen eine weitere Ankündigung der Kommission, kein Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 AEUV einzuleiten, (gerichtlich) vorgegangen werden kann, und wem eine solche Befugnis gegebenenfalls zustünde. Zwar kann „jede natürliche oder juristische Person wegen Praktiken oder Maßnahmen, die ihres Erachtens einer Unionsvorschrift zuwiderlaufen, bei der Kommission Beschwerde einlegen“30. Diese Beschwerde dient aber lediglich dazu, die Kommission auf mitgliedstaatliche Vertragsverletzungen aufmerksam zu machen. Ein subjektives Recht des Beschwerdeführers auf Einleitung und Durchführung des Vertragsverletzungsverfahrens beinhaltet das Beschwerderecht nicht.31 Die Beschwerde stellt damit keinen Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung der Kommission, ein Vertragsverletzungsverfahren nicht zu eröffnen, dar. Fraglich ist, ob es andere Möglichkeiten gibt, gegen das „Moratorium“ vor europäischen Gerichten vorzugehen. Der Gerichtshof der Europäischen Union, bestehend aus dem Gerichtshof (EuGH), dem Gericht (EuG) und Fachgerichten, hat grundsätzlich jene Zuständigkeiten, die ihm in Konkretisierung von Art. 19 Abs. 3 EUV ausdrücklich im AEUV oder in auf dessen Grundlage erlassenen Vorschriften eingeräumt wurden. Vorliegend könnten eine Nichtigkeitsklage nach Art. 263, 264 AEUV gegen die Entscheidung der Kommission, kein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten, oder die Untätigkeitsklage nach Art. 265 AEUV wegen der Untätigkeit der Kommission in Bezug auf die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens in Betracht kommen. 5.1. Nichtigkeitsklage Die Nichtigkeitsklage dient der Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Handlungen der Unionsorgane vor den Unionsgerichten. Die Rechtmäßigkeitskontrolle kann dabei zwei verschiedene Zielrichtungen haben: zum einen kann sie den objektiven Schutz der Rechtsordnung bezwecken (so die Nichtigkeitsklagen der privilegierten Kläger), zum anderen kann sie dem Individualrechtsschutz dienen (so die Klagen der natürlichen und juristischen Personen). 30 Formblatt der Kommission für Beschwerden wegen Nichteinhaltung der Rechtsvorschriften der Gemeinschaft (89/C 26/07), ABl. 1989, C 26, S. 6. 31 EuGH, Rs. 247/87 (Star Fruit ./. Kommission), Slg. 1989, S. 291, Rn. 11-13; EuG, RS. T-479/93 u. T-559/93 (Bernadi ./. Kommission), Slg. 1994, II-1115, Rn. 31. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 170/12 Seite 16 5.1.1. Organklage oder Klage eines Mitgliedstaates Nach Art. 263 Abs. 2 AEUV können neben dem einzelnen Mitgliedstaat auch das Europäische Parlament oder der Rat ohne das Vorliegen einer Klagebefugnis32 Nichtigkeitsklage gegen Handlungen der Kommission erheben. Als Klagegegenstand kommen sowohl Verordnungen, Richtlinien und Beschlüsse als auch alle anderen Handlungen, soweit sie dazu bestimmt sind, Rechtswirkungen nach außen zu erzeugen, in Betracht. Sollte sich die Kommission für ein weiteres „Moratorium“ in der gleichen Form wie das zum 31. Dezember 2012 auslaufende, entscheiden, kommt als Klagegegenstand eben diese Entscheidung der Kommission in Betracht. Fraglich ist aber, ob ein Beschluss wie der vom 30. März 2012 bzw. eine weitere Mitteilung an das TCMV dazu bestimmt sind, Rechtswirkungen nach außen zu erzeugen . Außenwirkung liegt dann vor, wenn es sich nicht um eine rein verwaltungsinterne Maßnahme handelt.33 Die Maßnahme ist dann nicht mehr verwaltungsintern, wenn sich das handelnde Organ Dritten gegenüber auf eine bestimmte Haltung festlegt.34 Die Mitteilung der Kommission vom 18. April 2012 war an die Mitglieder des TCMV zur Kenntnisnahme gerichtet und geht auf einen Beschluss der Kommission vom 30. März 2012 zurück. Bei dem TCMV handelt es sich um einen Ausschuss, der die Kommission bei der Durchführung der Regelungen der Richtlinie unterstützen soll (vgl. Art. 40 Abs. 1 Genehmigungs-Rahmen-RL). Dieser Ausschuss setzt sich zusammen aus Vertretern der Mitgliedstaaten und einem Vertreter der Kommission als Vorsitzenden (Art. 5a Abs. 1 Beschluss des Rates 1999/468/EG35 i.V.m Art. 39 Abs. 9, 40 Abs. 2 Genehmigungs-Rahmen -RL). Der Vorsitzende ist nach Art. 5a) Abs. 2 S. 5 des Ratsbeschlusses im Falle von Abstimmungen nicht stimmberechtigt. Der Ausschuss stellt insofern kein der Kommission untergeordnetes Gremium dar, sondern wird vom Rat zur Unterstützung der Kommission eingesetzt.36 Das TCMV ist nicht Teil des Organs Kommission. Insofern handelt sich daher bei der Mitteilung der Kommission nicht um eine rein interne Maßnahme. Die Außenwirkung könnte also unabhängig davon, ob die Kommission ihren Beschluss auch gegenüber den Mitgliedstaaten kommunizieren würde bejaht werden. Ein Organhandeln ist dann als rechtsverbindlich zu qualifizieren, wenn es die Rechtsstellung des Adressaten entweder rechtsgestaltend oder durch rechtsverbindliche Feststellung ändert.37 Somit 32 Eine Klage des Rechnungshofes, der EZB und des Ausschusses der Regionen ist nur zulässig, wenn die Verletzung eigener organschaftlicher Rechte geltend gemacht werden kann. Dies ist vorliegend ausgeschlossen. (Art. 263 Abs. 3 AEUV). 33 Cremer in Callies/Ruffert, EUV/AEUV Kommentar, 4. Auflage 2011, Art. 263 AEUV, Rn. 20. 34 Pechstein, a.a.O. S. 204, Rn. 398. 35 In der geänderten Fassung durch Beschluss des Rates vom 17. Juni 2006 (2006/512/EG) zur Änderung des Beschlusses 1999/468/EG zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse, Abl.2006, L 200/11. Vgl. Fn. 29. 36 Grünwald/Brühann in v. der Groeben/Schwarze, Kommentar zum EU-/EG-Vertrag, 6. Auflage 2003, Art. 287 EG, Rn.6. 37 Pechstein, a.a.O. S. 202, Rn. 394. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 170/12 Seite 17 kommen als Klagegegenstand weder Empfehlungen noch Stellungnahmen i.S.v. Art. 288 Abs. 5 AEUV in Betracht. Dementsprechend scheiden Mitteilungen wie Meinungsäußerungen, (Rechts- )Auskünfte und Verhaltensempfehlungen aus, da diese Empfehlungen und Stellungnahmen gleichgestellt werden, als tauglicher Klagegegenstand aus.38 In einer Entscheidung aus dem Jahre 2002 hat der EuGH festgestellt, dass auch eine direkt an eine Unternehmen gerichtete Mitteilung der Kommission, dass sie ein Vertragsverletzungsverfahren gegen einen Mitgliedstaat nicht einleiten werde, keine rechtsverbindliche Handlung darstellt, die mit der Nichtigkeitsklage angegriffen werden könne.39 Entsprechend ist auch die Rechtsverbindlichkeit einer etwaigen weiteren Entscheidung der Kommission zu verneinen. Entsprechend würde die Zulässigkeit einer Organklage an der fehlenden Rechtsverbindlichkeit der Mitteilung der Kommission scheitern. Eine Ankündigung der Kommission wie die vom 18.April 2012 und ihr zu Grunde liegender Beschluss kommen folglich schon als Klagegegenstand einer Nichtigkeitsklage nicht in Betracht. Im Übrigen hätte selbst eine zulässige Organklage keine Aussicht auf Erfolg. Die Nichtigkeitsklage ist nämlich dann begründet, wenn der angefochtene Rechtsakt des beklagten Unionsorgans mit einem der in Art. 263 Abs. 2 AEUV genannten Nichtigkeitsgründe behaftet ist. Die abschließenden Nichtigkeitsgründe sind Unzuständigkeit, Verletzung wesentlicher Formvorschriften, Verletzung der Verträge oder einer bei ihrer Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm, Ermessensmissbrauch. Vorliegend wäre allenfalls der Nichtigkeitsgrund des Ermessensmissbrauchs in Betracht zu ziehen. Dafür, dass die Kommission ihr Ermessen im oben beschriebenen Sinn40 missbrauchen würde, ist nichts ersichtlich. Im Ergebnis wäre eine Nichtigkeitsklage eines Mitgliedstaates, des Rates oder des Parlaments schon unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. 5.1.2. Individualklage Gemäß Art. 263 Abs. 4 AEUV können grundsätzlich auch natürliche oder juristische Personen Kläger einer Nichtigkeitsklage vor dem Europäischen Gerichtshof, im konkreten vor dem Gericht (EuG) sein. Als Klagegegenstand kommen hier an den Kläger gerichtete Handlungen, sonstige Handlungen, die den Kläger unmittelbar und individuell betreffen und Rechtsakte mit Verordnungscharakter , die keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen, in Betracht. Die Zulässigkeit einer Individualklage scheitert auch hier schon an der fehlenden Rechtsverbindlichkeit des „Moratoriums“. Zusätzlich ist auch das Erfordernis der Klagebefugnis gemäß Art. 263 Abs. 4 AEUV nicht erfüllt. Die vorliegende Ankündigung der Kommission ist nämlich weder an einen einzelnen Beschwerdeführer als Adressat der Maßnahme zu richten (Art. 263 Abs. 4 1. Alt. AEUV), noch wäre ein einzelner Beschwerdeführer unmittelbar und individuell im 38 Cremer in Callies/Ruffert, EUV/AEUV Kommentar, 4. Auflage 2011, Art. 263 AEUV, Rn. 15. 39 EuGH, Rs. C-141/02 P (Kommission ./. T-Mobile), Slg. 2005, I-1283, Rn. 70. 40 Siehe oben, 3.2 Ermessen der Kommission, S. 12f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 170/12 Seite 18 Sinne der vom EuGH trotz Kritik41 in der Literatur weiter angewandten Plaumann-Formel42 betroffen (Art. 263 Abs. 4 2. Alt. AEUV). Danach läge unmittelbare Betroffenheit dann vor, wenn ein Rechtsakt den Kläger wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, ihn aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und ihn daher in ähnlicher Weise individualisiert wie einen Adressaten. Ein Einzelner wäre auch nicht nach Art. 263 Abs. 4 3. Alt. AEUV klagebefugt. Selbst wenn es sich bei dem „Moratorium“ um einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter, also um einen nicht-legislativen Akt allgemeiner Geltung, im Gegensatz zu Gesetzgebungsakten i.S.d. Art. 289 Abs. 3 AEUV43, handelte, so wäre doch der Einzelne davon jedenfalls nicht unmittelbar betroffen. Damit hätte auch die Nichtigkeitsklage eines Einzelnen keine Aussicht auf Erfolg. 5.2. Untätigkeitsklage Die Untätigkeitsklage gemäß Art. 265 AEUV zielt auf die Feststellung einer Vertragsverletzung aufgrund pflichtwidrigen Unterlassens.44 Im Verhältnis zur Nichtigkeitsklage ist sie subsidiär. Die Untätigkeitsklage kann gemäß Art. 265 Abs. 1 S. 1 AEUV u.a. gegen die Kommission gerichtet sein, soweit diese pflichtwidrig untätig geblieben ist. Klagegegenstand einer Klage von Unionsorganen oder Mitgliedstaaten wäre insofern das Unterlassen der Kommission, einen Beschluss zu fassen (Organklage). Ein Beschluss i.S.d. Vorschrift ist dabei nicht ein Beschluss i.S.d. 41 Vgl. u.a. v. Dannwitz, Die Garantie effektiven Rechtsschutzes im Recht der Europäischen Gemeinschaft: Zur Verbesserung des Individualrechtsschutzes vor dem EuGH, NJW 1993, 1108ff.; Calliess, Kohärenz und Konvergenz beim europäischen Individualrechtsschutz - Der Zugang zum Gericht im Lichte des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz, NJW 2002, 3577ff.; Frenz, Handbuch Europarecht, Band 5, Wirkungen und Rechtschutz, S. 844, Rn. 2917; Gaitanides, Das Recht der Europäischen Zentralbank, 2005, S. 263ff. m.w.N. Siehe auch EuG, Rs. T-177/01, (Jégo-Quéré), Slg. 2002, II-2365; Schlussanträge GA Jacobs, EuGH, Rs.C-50/00 (Union de Pequenos Agricultores), Slg. 2002, I-6677 (6698), Rn. 60. Siehe auch Petzold, Was sind „Rechtsakte mit Verordnungscharakter“ (Art. 263 Abs. 4 AEUV)? – Zur Entscheidung des EuG in der Rechtssache Inuit, EuR 2012, 443ff ; Herrmann, Individualrechtsschutz gegen Rechtsakte der EU „mit Verordnungscharakter“ nach dem Vertrag von Lissabon, NVwZ 2011, 1352; Thalmann, Zur Auslegung von Art. 263 Abs. 4 AEUV durch Rechtsprechung und Lehre – Zugleich ein Beitrag zur begrenzten Reichweite von Art. 47 Abs. 1 GRC wie auch zur Rolle der historischen Interpretation primären Unionsrechts, EuR 2012, 452ff. 42 EuGH, Rs. C-25/62 (Plaumann ./. Kommission), Slg. 1963, I-211, Rn. 238f. 43 EuG, Rs. R-18/10 (Inuit Tapirit Kanatami), Slg. 2011, II-0000, online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/Lex UriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:62010TO0018%2804%29:DE:HTML (zuletzt abgerufen am 30.08.2012); EuG, Rs. T-262/10 (Microban), Slg. 2011, II-0000, online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/Lex UriServ.do?uri=CELEX:62010TJ0262:DE:HTML (zuletzt abgerufen am 30.08.2012). Zu dem Meinungsstreit in der Literatur, ob abstrakt-generelle Organhandlungen erfasst oder im Rahmen einer engen Auslegung ausgenommen sein sollen vgl. Herrmann, Individualrechtsschutz gegen Rechtsakte der EU „mit Verordnungscharakter“ nach dem Vertrag von Lissabon, NVwZ 2011, 1352ff.; Thalmann, Zur Auslegung von Art. 263 Abs. 4 AEUV durch Rechtsprechung und Lehre – Zugleich ein Beitrag zur begrenzten Reichweite von Art. 47 Abs. 1 GRCh wie auch zur Rolle der historischen Interpretation primären Unionsrechts, EuR 2012, 452 (455 m.w.N.); Petzold, Was sind „Rechtsakte mit Verordnungscharakter“ (Art. 263 Abs. 4 AEUV)? – Zur Entscheidung des EuG in der Rechtssache Inuit, EuR 2012, 443. 44 Zur Untätigkeitsklage im Allgemeinen vgl. Ehlers, Die Untätigkeitsklage des Europäischen Gemeinschaftsrechts (Art. 232 Abs. 1 EGV), Jura 2009, 366ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 170/12 Seite 19 Art. 288 Abs. 4 AEUV45 sondern jede „Maßnahme, deren Tragweite sich hinreichend bestimmen lässt, so dass sie konkretisiert werden und Gegenstand eines Vollzugs [i.S.d. Art. 266 AEUV] sein kann“46. Eine Individualuntätigkeitsklage gegen die Kommission kann dagegen nur zum Gegenstand haben, dass sie es unterlassen hat, einen verbindlichen Rechtsakt, an den Kläger zu richten. Der begehrte Rechtsakt muss damit individuelle Geltung entfalten und seiner Form oder Rechtsnatur nach an den Einzelnen gerichtet sein. Darüber hinaus muss der Kläger potenzieller Adressat des unterlassenen Rechtsakts oder - wie bei der Nichtigkeitsklage - von seinem Erlass unmittelbar und individuell betroffen sein.47 Bei der Feststellung der Klagebefugnis sind die Plaumann-Formel und die für die Nichtigkeitsklage dargestellten Erwägungen entsprechend heranzuziehen.48 Im Übrigen bedarf es der Geltendmachung einer Verletzung von Primär- oder Sekundärrecht als Folge der Untätigkeit oder wiederum eines Ermessensmissbrauchs. Angesichts des freien Ermessens der Kommission hat jedoch auch eine Untätigkeitsklage wegen der Nichteinleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens keine Aussicht auf Erfolg. 5.3. Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 259 AEUV (Staatenklage) Bleibt noch zu erwähnen, dass Art. 259 AEUV jedem Mitgliedstaat das Recht einräumt, den EuGH anzurufen, wenn er der Auffassung ist, dass ein anderer Mitgliedstaat gegen eine Verpflichtung aus den Verträgen verstoßen hat. Darin läge zwar kein Rechtsbehelf gegen die Entscheidung der Kommission, ein Vertragsverletzungsverfahren nicht zu eröffnen. Das Verfahren bietet aber den anderen Mitgliedstaaten die Möglichkeit, nach Befassung der Kommission vom EuGH feststellen zu lassen, dass in der Nichtbeachtung der Anforderungen der Kfz-Klimaanlagen -RL eine eben solche Vertragsverletzung liegt. Vor Klageerhebung bedarf es der Durchführung eines kontradiktorischen Anhörungsverfahrens zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten, welches durch die Kommission (Art. 259 Abs. 2, 3 AEUV) organisiert wird. So wird diese auf Antrag eines Mitgliedstaates mit dessen Begehren auf Durchführung eines Verfahrens nach Art. 259 AEUV befasst. Dieser Antrag ist zu unterscheiden von einer bloßen Anregung, die Kommission möge ein Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 AEUV einleiten. Nach Eingang des Antrags gibt die Kommission den beteiligten Staaten Gelegenheit zur Äußerung in einem kontradiktorischen Verfahren und erlässt abschließend eine mit Gründen versehene Stellungnahme. Diese hat in einem etwaig folgenden Gerichtsverfahren nur den Stellenwert einer gutachterlichen Äußerung und wirkt sich nicht auf den Streitgegenstand aus, der allein durch den mitgliedstaatlichen Antrag bestimmt wird. Gemäß Art. 259 Abs. 4 AEUV kann der Mitgliedstaat auch ohne Vorliegen der Stellungnahme der Kommission den EuGH anrufen, wenn diese nicht binnen drei Monaten nach Antragseingang vorliegt. 45 Im Einzelnen zu der Problematik der Auslegung des Begriffs „Beschluss“ in Art. 265 AEUV vgl. Frenz, a.a.O., S. 857, Rn. 2970ff. 46 EuGH, Rs. 13/83 (EP ./. Rat), Slg. 1985, 1513 (1593, Rn. 37). 47 EuGH, C-68/95 (T- Port), Slg. 1996, I-6065 (6105, Rn. 59). 48 Siehe oben 5.1.2 Individualklage, S. 17f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 170/12 Seite 20 Daraus folgt, dass es im Rahmen dieses Verfahrens durchaus die rechtliche Möglichkeit gibt, ohne oder sogar gegen den Willen der Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren vor dem EuGH gegen Mitgliedstaaten durchzuführen, die die Anforderungen der Kfz-Klimaanlagen-RL nicht beachten und durchsetzen. Es dürfte aber angesichts der Praxis der Mitgliedstaaten, direkte gerichtliche Konfrontationen zu vermeiden und die Kommission zur Klageerhebung nach Art. 258 AEUV zu veranlassen49, recht unwahrscheinlich sein, dass sich vorliegend ein Kläger findet. 6. Rechtsfolgen für Hersteller nicht richtlinienkonformer Fahrzeuge nach Ende des „Moratoriums “ aus europarechtlicher Sicht Wenn die Kommission eine Verlängerung ihres Moratoriums nicht für angezeigt hält, ergibt sich daraus die Konsequenz, dass sie ab Januar 2013 nicht mehr von vornherein von der Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren absehen wird, wenn in einem Mitgliedstaat entgegen den Bestimmungen der Richtlinie Fahrzeuge mit R134A befüllt werden und dies durch die nationalen Behörden nicht sanktioniert wird. Es sei noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Kommission keine Möglichkeit hat, direkt gegen die Hersteller, die nicht richtlinienkonforme Fahrzeuge produzieren, Maßnahmen zu erlassen. Es ist vielmehr Aufgabe der Mitgliedstaaten und damit der nationalen Behörden , die Durchsetzung der Anforderungen der Richtlinie sicherzustellen. Damit ist denkbar, dass die Kommission soweit sie ab Januar 2013 Kenntnis von der Nichteinhaltung der Anforderungen der Kfz-Klimaanlagen-RL erhält, ein Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 AEUV gegen jene Mitgliedstaaten einleitet, die etwa richtlinienwidrig Typenzulassungen für Fahrzeuge erteilen , deren Klimaanlage auf die Verwendung von R134a ausgelegt sind, oder die Befüllung von Klimaanlagen in nach dem 01. November 2011 typenzugelassenen Fahrzeugen mit R134A genehmigen oder dulden. Um einem solchen Vertragsverletzungsverfahren zu entgehen, ergibt sich für die Bundesrepublik Deutschland die – nach der Richtlinie sowieso bestehende – Pflicht, ab 01. Januar 2013 dafür zu sorgen, dass insbesondere Art. 5 Abs. 4 und Art. 6 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 Kfz-Klimaanlagen-RL eingehalten und durchgesetzt werden. Dafür müssen verhältnismäßige, wirksame und abschreckende Sanktionen i.S.d. Art. 30, 46 Genehmigungs-Rahmen-RL erlassen werden. Art. 30 Abs. 1 Genehmigungs-Rahmen-RL ordnet dabei an, dass Mitgliedstaaten Typengenehmigungen wieder entziehen, wenn diese erforderlich ist, um sicherzustellen, dass neue Fahrzeuge den erteilten Genehmigungen entsprechen. Wie die Mitgliedstaaten für die Umsetzung der Richtlinie im Konkreten sorgen, ist Sache des nationalen Rechts. Die Richtlinie überlässt den Mitgliedstaaten die Wahl der Mittel. Insofern ist es eine Frage des nationalen Rechts, wie deutsche Behörden etwa auf die Befüllung von nach Januar 2011 typenzugelassenen Fahrzeugen mit nicht richtlinienkonformen R134a reagieren. Um 49 Bislang gab es soweit ersichtlich nur drei Vertragsverletzungsklagen i.S.d. Art. 259 Abs. 1 AEUV: EuGH, Rs. 141/78 (Frankreich ./. Vereinigtes Königreich), Slg. 1979, 2923ff; RS. C-388/95 (Belgien ./. Spanien), Slg. 2000, I- 3123ff; RS. C-145/04 (Spanien ./. Vereinigtes Königreich), Slg. 2006, I-7917ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 170/12 Seite 21 den Vorgaben der Richtlinie zu entsprechen, muss lediglich sichergestellt sein, dass Klimaanlagen in nach Januar 2011 typenzugelassenen Fahrzeugen nicht mehr mit GWP>150 befüllt werden . Im Falle des Verstoßes müssen verhältnismäßige, wirksame und abschreckende Sanktionen, und ultima ratio auch der Entzug der Typengenehmigung drohen. Das Europarecht schreibt insofern weder vor, dass bereits erteilte Typenzulassungen entzogen werden müssen, noch welche anderen Sanktionen konkret in Betracht kommen. Dies richtet sich nach nationalem Recht, welches sich in dem durch die Richtlinien vorgegeben Rahmen halten muss. Schon nach geltendem deutschen Recht (§ 72 Abs. 2 Nr. 6 StVZO) ist es untersagt, Klimaanlagen, die in Fahrzeuge eingebaut werden, für die am 1. Januar 2011 oder danach eine Typengenehmigung erteilt wird, mit GWP>150 zu befüllen. Hersteller, die dies dennoch tun, verhalten sich nicht nur richtlinien- sondern insbesondere auch gesetzeswidrig. Welche Sanktionen Hersteller diesbezüglich zu erwarten haben, richtet sich nach dem nationalem Recht, welches in der Ausarbeitung des Fachbereichs 7 beleuchtet wird. 7. Möglichkeit einer einseitigen Entscheidung Deutschlands, die Anforderungen der Richtlinie nicht durchzusetzen und Rechtsmittel gegen eine solche Entscheidung aus europarechtlicher Sicht Wegen der Pflicht, Richtlinien fristgerecht und vollständig umzusetzen50, kann sich die Bundesrepublik Deutschland den Anforderungen der gültigen KfZ-Klimaanalgen-RL und der Genehmigungs -Rahmen-RL nicht einseitig entziehen. Sollten deutsche Behörden ab Januar 2012 nicht für die Einhaltung der Anforderungen der Richtlinie sorgen, bestünde für die Kommission oder andere Mitgliedstaaten die oben beschriebene Möglichkeit, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einzuleiten. Denkbar ist weiter, dass sich die Bundesrepublik Deutschland in den Gesetzgebungsorganen der Union für eine Aufhebung oder Änderung der Richtlinie einsetzt. Erst mit einem entsprechenden Aufhebungs- oder Änderungsrechtsakt im formellen Gesetzgebungsverfahren unter Beteiligung von Rat und Europäischem Parlament nach Art. 289 AEUV könnte die Wirksamkeit der Richtlinie beseitigt und sie damit auch rechtlich „außer Kraft gesetzt werden“.51 Natürliche und juristische Personen können vor europäischen Gerichten nicht wegen eines etwaigen richtlinienwidrigen Handelns Deutschlands klagen. Diese sind auf das nationale Recht und dort gewährten Rechtsschutzmöglichkeiten verwiesen. Die Richtlinien schreiben insofern lediglich vor, dass Entscheidungen etwa über den Entzug einer Typengenehmigung zu begründen und den Beteiligten unter Angabe der im nationalen Recht vorgesehenen Rechtsbehelfe bekannt zu geben sind (Art. 33 Genehmigungs-Rahmen-RL). Rechtsschutz für Dritte fordert die Richtlinie nicht, und auch der Rechtschutz für Beteiligte richtet sich nach dem nationalen Recht. 50 Siehe oben2.4 Wirkung der Kfz-Klimaanlagen-RL nach ihrer Umsetzung, S. 9. 51 Zu der Möglichkeit einer Änderung der KfZ-Klimaanlagen-RL nach Art. 39 i.V.m. 40 Abs. 2 Genehmigungs-Rahmen -RL siehe oben 2.2 Die Genehmigungs-Rahmen-RL (2007/46/EG), S. 7. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 170/12 Seite 22 So ist etwa zu erwägen, dass ein privater Kläger etwa die einem Kfz-Hersteller in richtlinienwidriger Weise erteilte Typenzulassung für ein Fahrzeug anficht oder von den nationalen Behörden ein ordnungsbehördliches Einschreiten gegen Hersteller, die Klimaanlagen richtlinienwidrig mit R134a befüllen, verlangt. Im Rahmen eines Rechtsstreits vor nationalen Gerichten hätten diese dann das nationale Recht anzuwenden und im Lichte der zu Grunde liegenden Richtlinie auszulegen . Hierbei wäre der Anwendungsvorrang des Europarechts52 zu beachten. Die nationalen Gerichte müssten das nationale Recht richtlinienkonform so auslegen, dass die Richtlinie innerstaatlich volle Wirksamkeit entfalten kann. Richtlinienwidriges nationales Recht wäre danach zwar nicht ungültig, dürfte aber nicht angewandt werden. Ob Klagen vor deutschen Verwaltungsgerichten in diesem Zusammenhang Aussicht auf Erfolg haben, richtet sich nach deutschem Verwaltungsprozessrecht. Problematisch könnte diesbezüglich insbesondere sein, ob private Kläger geltend machen könnten, in eigenen subjektiven Rechten verletzt zu sein oder einen Anspruch auf ordnungsbehördliches Einschreiten zu haben (vgl. etwa § 42 Abs. 2 VwGO). Insofern stellt sich die Frage, ob §§ 47e, 72 Abs. 2 Nr. 6 StVZO und somit letztlich Art. 5 Abs. 4 und 6 Abs. 2 Kfz-Klimaanlagen-RL bezwecken, dem Einzelnen Rechte zu verleihen bzw. ob diese Vorschriften dem Schutz des Einzelnen zu dienen bestimmt sind.53 Da die genannten Vorschriften der Reduzierung von Treibhausgasen und damit dem Klimaschutz als Zweck des Gemeinwohls dienen, ist davon auszugehen, dass ein subjektives Recht für den Einzelnen nicht gewährt wird. Aus diesem Grunde dürften Klagen Privater vor deutschen Verwaltungsgerichten wegen der richtlinien- und damit gesetzeswidrigen Erteilung einer Typenzulassung bzw. auf ordnungsbehördliches Einschreiten gegen Kfz-Hersteller, die ihre Kfz-Klimaanlagen richtlinien- und damit gesetzeswidrig mit R 134 a befüllen, unzulässig sein. Die Einzelheiten zu diesen Fragen werden in einem vom Fachbereichs WD 7 erstellten Gutachten behandelt. 52 Zum Anwendungsvorrang vgl. statt vieler Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Auflage 2011, Art. 1 AEUV, Rn. 16ff. m.w.N. 53 Zur Schutznormtheorie im deutschen Verwaltungsrecht vgl. Wahl, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung , 24. Ergänzungslieferung 2012, Vorb. zu § 42 Abs. 2 VwGO, Rn. 94ff.