© 2016 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 168/14 Unionsrechtliche Zulässigkeit einer Inländerdiskriminierung durch die sog. PKW-Maut bzw. Infrastrukturabgabe Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitungen und andere Informationsangebote des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung P, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 168/14 Seite 2 Unionsrechtliche Zulässigkeit einer Inländerdiskriminierung durch die sog. PKW-Maut bzw. Infrastrukturabgabe Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 168/14 Abschluss der Arbeit: 10. Oktober 2014 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 168/14 Seite 3 1. Fragestellung Die Ausarbeitung geht auf die Frage ein, ob inländische Autofahrer gegenüber ausländischen Autofahrern bei der geplanten PKW-Maut (bzw. Infrastrukturabgabe) benachteiligt werden können und ob dies mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Den Hintergrund der Frage bildet die projektierte Ausgestaltung der sog. PKW-Maut. Danach können inländische Autofahrer regelmäßig nur eine Jahresvignette erwerben, während ausländische Autofahrer auch Kurzzeitvignetten erwerben können. Damit ist bei inländischen Autofahrern im Gegensatz zu ausländischen die tatsächliche Dauer der Infrastrukturnutzung pro Jahr nicht maßgeblich. In dem der Ausarbeitung zugrundeliegenden Auftrag wird hinsichtlich der Fragestellung Bezug genommen auf Medienberichte über die Antwort von Verkehrskommissar Kallas vom 29. August 20141 auf eine Parlamentarische Anfrage von MdEP Fabio De Masi.2 In der Antwort legt Kommissar Kallas dar, dass die Entscheidungen über die Höhe der Kraftfahrzeugsteuern einerseits und über die Einführung von Gebühren für alle Straßennutzer andererseits nicht miteinander verbunden werden oder zu einer Diskriminierung auf der Grundlage der Staatsangehörigkeit führen dürften. Zudem dürften Straßennutzungsgebühren nicht mit einer direkten oder indirekten Diskriminierung auf der Grundlage des Mitgliedstaats der Fahrzeugzulassung verbunden sein. Schließlich nimmt der Auftrag Bezug auf die Aussage des Kommissars, wonach die Höhe der Straßennutzungsgebühren generell von der Dauer der Infrastrukturnutzung abhängen sollte. 2. Hintergrund Grundlage der Ausarbeitung ist das vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) am 7. Juli 2014 vorgestellte Konzept für die Einführung einer sog. Pkw-Maut bzw. einer Infrastrukturabgabe3, das auf die Einführung einer Straßennutzungsgebühr in Form einer Infrastrukturabgabe abzielt. Bei Straßenbenutzungsgebühren ist begrifflich zwischen zeitabhängigen Gebühren (Vignette) und entfernungsabhängigen Gebühren (Maut) zu unterscheiden.4 Das Konzept des BMVI umschreibt eine zeitabhängige Zahlungspflicht und sieht damit die Einführung eines Vignettensystems für Kfz mit einem mit einem zulässigen Gesamtgewicht von bis zu 3,5 t vor. Demnach sollen alle Halter von im In- und Ausland zugelassenen Fahrzeugen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von bis zu 3,5 t zur Entrichtung einer Infrastrukturabgabe für die Nut- 1 Abrufbar unter http://www.europarl.europa.eu/sides/getAllAnswers.do?reference=P-2014-006199&language =DE. 2 Abrufbar unter http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+WQ+P-2014- 006199+0+DOC+XML+V0//DE. 3 Für die weiteren Einzelheiten des Konzepts des BMVI zur Einführung einer sog. Pkw-Maut bzw. einer Infrastrukturabgabe wird auf das Infopapier des BMVI zur Pkw-Maut/Infrastrukturabgabe (im Folgenden: BMVI-Infopapier ) Bezug genommen: http://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/VerkehrUndMobilitaet/Strasse/pkwmaut -infrastrukturabgabe-infopapier.pdf?__blob=publicationFile. 4 Vgl. Art. 2 lit. b und lit. c der Richtlinie 1999/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.6.1999 über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge, ABl. 1999 L 187/42, idF ABl. 2011 L 269/1. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 168/14 Seite 4 zung des öffentlichen Straßennetzes in Deutschland verpflichtet werden. Fahrzeuge, die ganz oder teilweise von der Kfz-Steuer befreit sind, sollen wirkungsgleich von der Infrastrukturabgabe befreit werden. Die Infrastrukturabgabe ist in Form einer Vignette zu entrichten. Halter von im Inland zugelassenen Kfz sollen verpflichtet werden, eine Jahresvignette zu erwerben, die ihnen zusammen mit einem Abgabenbescheid automatisch zugestellt wird. Halter von im Ausland zugelassenen Kfz sollen eine Vignette mit unterschiedlicher Geltungsdauer (ein Jahr, zwei Monate oder zehn Tage) im Internet oder an Tankstellen erwerben können. Für die Höhe der zu entrichtenden Infrastrukturabgabe ist eine Staffelung entsprechend der Systematik des KfzSteuergesetzes5 nach der Umweltfreundlichkeit der Fahrzeuge sowie nach Hubraum und Zulassungsjahr vorgesehen. Der durchschnittliche Preis einer Jahresvignette für im Inland zugelassene Kfz soll 88 Euro betragen. Halter von im Ausland zugelassenen Kfz sollen für Jahresvignetten einheitlich 103,04 Euro (Benzin -Kfz) bzw. 112, 35 (Diesel-Kfz) sowie für die Zwei-Monats-Vignette 20 Euro und für die Zehn- Tages-Vignette 10 Euro zahlen; eine Staffelung der Vignettenpreise nach der Umweltfreundlichkeit der Kfz sowie nach Hubraum und Zulassungsjahr ist für im Ausland zugelassene Kfz nur bei dem Erwerb einer Jahresvignette und auch nur bei einem Erwerb im Internet geplant.6 Eine stärkere Belastung von in Deutschland Kfz-steuerpflichtigen Haltern soll dadurch vermieden werden, dass die Ausgaben für die Infrastrukturabgabe über einen Freibetrag in der Kfz- Steuer kompensiert werden; zur Umsetzung dieser Pläne sieht das Konzept des BMVI eine gesetzliche Regelung zur Einführung der Infrastrukturabgabe sowie die Schaffung von Freigrenzen im Kraftfahrzeugsteuergesetz vor.7 3. Antwort Aus dem Konzept des BMVI zur Einführung einer Infrastrukturabgabe ergibt sich, dass lediglich ausländische Kfz-Halter zeitlich gestaffelte Vignetten erwerben können sollen. Sofern inländische Kfz-Halter von der Infrastrukturabgabenpflicht erfasst werden, ist für diese Gruppe ein zeitlich gestaffelter Erwerb nicht vorgesehen. Damit besteht in der Sache eine Ungleichbehandlung zwischen beiden Gruppen. Zur Beantwortung der Frage, ob dies mit dem Unionsrecht vereinbar ist, werden zunächst die allgemeinen Maßstäbe der unionsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsätze dargestellt (hierzu 3.1.), auf deren Grundlage die unionsrechtliche Zulässigkeit der Ungleichbehandlung bewertet wird (hierzu 3.2.). 5 Kraftfahrzeugsteuergesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. September 2002 (BGBl. I S. 3818), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 5. Dezember 2012 (BGBl. I S. 2431). 6 BMVI-Infopapier, S. 3. 7 BMVI-Infopapier, S. 2. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 168/14 Seite 5 3.1. Maßstäbe Art. 18 AEUV untersagt jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Neben der offenen Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit verbietet Art. 18 AEUV auch alle verdeckten Formen der Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer, nicht unmittelbar auf die Staatsangehörigkeit abstellender Unterscheidungsmerkmale, die typischerweise nur Ausländer oder Inländer erfüllen und damit tatsächlich zum gleichen Ergebnis führen.8 Anwendbar ist das Diskriminierungsverbot nach Art. 18 AEUV nur im Anwendungsbereich der Verträge. Dies ist der Fall bei der Ausübung der durch Art. 20 und 21 AEUV verliehenen Freiheit, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zu bewegen und aufzuhalten.9 Darüber hinaus besteht ein entsprechendes Diskriminierungsverbot im Rahmen der europäischen Grundfreiheiten. Diese gewährleisten die grenzüberschreitende Mobilität von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital als maßgebliche Normen zur Verwirklichung des Binnenmarkts und mit dem Ziel, einen grenzüberschreitenden Wettbewerb zu ermöglichen.10 Demnach sind Marktzugangsbeeinträchtigungen und sonstige Beschränkungen wirtschaftlicher Tätigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten verboten , sofern sie nicht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt und verhältnismäßig ausgestaltet sind. Vor diesem Hintergrund fordert das allgemeine Diskriminierungsverbot gem. Art. 18 AEUV sowie seine entsprechende Anwendung im Rahmen grundfreiheitlicher Tätigkeiten die strikte Gleichbehandlung von inländischen Haltern mit im EU-Ausland ansässigen Haltern sowohl hinsichtlich der Bemessung der Gebühren für die Nutzung deutscher Straßen, der Art und Weise der Erhebung von Straßenbenutzungsgebühren sowie der Verfolgung von Rechtsverstößen gegen Regelungen zur Erhebung von Straßenbenutzungsgebühren. Die Vorschriften über die Gleichbehandlung von Inländern und Ausländern verbieten zunächst Diskriminierungen, die unmittelbar an die Staatsbürgerschaft anknüpfen. Darüber hinaus verbieten sie auch alle versteckten, verschleierten, mittelbaren und indirekten Formen der Diskriminierung , die durch die Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale tatsächlich zu dem gleichen Ergebnis führen.11 Dies trifft insbesondere auf Maßnahmen zu, die eine Unterscheidung anhand solcher Kriterien treffen, die für alle gelten, von Ausländern faktisch aber nicht oder nur schwer erfüllt werden können bzw. sich hauptsächlich zum Nachteil der Angehörigen anderer Mitgliedstaaten auswirken.12 Zudem kann eine Diskriminierung darin bestehen, dass unterschiedliche 8 EuGH, Rs. C-388/01 (Kommission/Italien). 9 EuGH, Rs C-103/08 (Gottwald), Rn. 23 ff.; EuGH, Rs C-382/08 (Neukirchinger), Rn. 32 ff.; EuGH, Rs. C-148/02 (Garcia Avello), Rn. 24; EuGH, Rs. C-209/03 (Bidar), Rn. 33; EuGH, Rs. C-158/07 (Förster), Rn. 37. 10 EuGH, Rs C-28/09 (Kommission/Österreich), Rn. 113; vgl. Müller-Graff, in: Dauses, EU-Wirtschaftsrecht, 2013, A I, Rn. 128. 11 EuGH, Rs. C-279/93 (Schumacker), Rn. 26; EuGH, Rs. C-29/95 (Pastoors und Trans-Cap), Rn. 16; EuGH, Rs. C-224/00 (Kommission/Italien), Rn. 15; EuGH, Rs. C-28/04 (Tod’s und Tod’s France), Rn. 19; EuGH, Rs. C-73/08 (Bressol), Rn. 29. 12 EuGH, Rs. C-224/97 (Ciola), Rn. 14; EuGH, Rs. C-388/01 (Kommission/Italien), Rn. 14. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 168/14 Seite 6 Vorschriften auf vergleichbare Situationen angewandt werden oder dass dieselbe Vorschrift auf unterschiedliche Situationen angewandt wird.13 3.2. Folgerungen Sofern lediglich ausländische Kfz-Halter zeitlich gestaffelte Vignetten erwerben können, während inländische Kfz-Halter zwingend eine Jahresvignette erwerben müssen, läge bei einer solchen Regelung – die unionsrechtskonforme Ausgestaltung der Infrastrukturabgabe im Übrigen vorausgesetzt 14 – keine direkte oder mittelbare Diskriminierung EU-ausländischer Nutzer aus Gründen der Staatsangehörigkeit vor. Vorbehaltlich einer entsprechenden Ausgestaltung der Infrastrukturabgabe könnten EU-ausländische Nutzer gegenüber Inländern durch die erweiterten Möglichkeiten für einen Vignettenerwerb vielmehr besser gestellt werden. Die unionsrechtliche Zulässigkeit einer solchen potenziellen Divergenz bemisst sich primär nach dem Sinn und Zweck der Grundfreiheiten bzw. der allgemeinen Freizügigkeit. Diese zielen darauf ab, Beschränkungen des Zugangs zu bzw. des Austritts aus einem Mitgliedstaat zu wirtschaftlichen und nicht wirtschaftlichen Zwecken zu beseitigen und eine Gleichbehandlung von Inländern und EU-Ausländern zu bewirken. Soweit ein Mitgliedstaat Regelungen schafft, die EU-Ausländer gegenüber Inländern potenziell sogar begünstigen, ist dies aus unionsrechtlicher Sicht nicht erheblich. Dies wird deutlich am Beispiel der sogenannten „Inländerdiskriminierung“. Diese besagt, dass eine nationale Regelung, die unter Verstoß gegen Grundfreiheiten marktzugangsbeschränkende Wirkung entfaltet, u.a. aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts im Anwendungsbereich der Grundfreiheiten unangewendet bleiben muss, bei rein inländischen Sachverhalten jedoch weiter zur Anwendung kommt. Ein Beispiel hierzu bildet der sog. Meisterzwang: Deutsche Handwerker dürfen ohne Meisterbrief in Deutschland im Regelfall nicht selbstständig arbeiten. Ausländische Unternehmer dürfen hingegen im Rahmen ihrer Dienstleistungsfreiheit ohne Eintragung in die Handwerksrolle in Deutschland Aufträge permanent ausüben.15 Hierdurch werden inländische Handwerker potenziell gegenüber EU-ausländischen schlechter gestellt. Eine solche Schlechterstellung von Inländern gegenüber EU-Ausländern ist grundsätzlich mit dem Unionsrecht vereinbar. Die Besserstellung von EU-Ausländern beruht auf einer Beseitigung von Zutrittshindernissen im Rahmen der Unionsfreiheiten, auf die sich Inländer bei rein inländischen Sachverhalten regelmäßig nicht berufen können. Denn der sachliche Anwendungsbereich der Grundfreiheiten bzw. der allgemeinen Freizügigkeit erfordert entsprechend dem Sinn und Zweck der Freiheiten grundsätzlich das Vorliegen eines grenzüberschreitenden Sachverhalts.16 Dementsprechend werden nationale, dem Unionsrecht widersprechende Vorschriften auch nur im Hin- 13 EuGH, Rs. C-279/93 (Schumacker), Rn. 30; EuGH, Rs. C-391/97 (Gschwind), Rn. 21; EuGH, Rs. C-147/03 (Kommission /Österreich), Rn. 41 ff.; EuGH, Rs. C-385/12 (Hervis Sport- és Divatkereskedelmi Kft.), Rn. 30. 14 Vgl. hierzu die Ausarbeitung „Vereinbarkeit des Vorschlags für eine PKW-Maut bzw. Infrastrukturabgabe mit dem Unionsrecht“ vom 30. Juli 2014, PE 6 - 3000 - 139/14. 15 EuGH, Rs. C 215/01 (Bruno Schnitzer), Rn. 28 ff. 16 St. Rspr., vgl. EuGH, Rs. 44/84 (Hurd), Rn. 55 ff.; EuGH, Rs. C-332/90 (Steen), Rn. 9 f.; EuGH, Rs. C-459/99 (MRAX), Rn. 39; EuGH, Rs. C-215/01 (Bruno Schnitzer), Rn. 28 ff.; EuGH, Rs. C-427/06 (Bartsch), Rn. 25; EuGH, Rs. C 104/08 (Kurt / Bürgermeister der Stadt Wels), Rn. 13 f. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 168/14 Seite 7 blick auf den grenzüberschreitenden Sachverhalt in ihrer Anwendung beschränkt. Die Anwendungsbeschränkung bezieht sich jedoch nicht auf rein inlandsbezogene Sachverhalte, so dass diese umfassend dem nationalen Recht des betreffenden Mitgliedstaates unterfallen.17 Inländische und ausländische Sachverhalte unterscheiden sich nach dem Vorstehenden durch die Eröffnung des Anwendungsbereichs des Unionsrechts und bilden dadurch zwei unterschiedliche Rechtskreise, die eine Ungleichbehandlung mangels Vergleichbarkeit der zu Grunde liegenden Rechtspositionen zulassen. Die sogenannte „Inländerdiskriminierung“ ist im Bereich der Grundfreiheiten bzw. der allgemeinen Freizügigkeit unionsrechtlich nur insoweit unzulässig, wenn ein Inländer vergleichbar einem EU-Ausländer dem persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich einer Unionsfreiheit unterfällt.18 Eine Ungleichbehandlung von Inländern könnte daher zumindest in den Fällen eine andere Bewertung erfahren, in denen ihr ein grenzüberschreitender Sachverhalt zugrunde liegt. In diesen Fällen müsste bei der Ausgestaltung der Infrastrukturabgabenpflichtigkeit insbesondere darauf geachtet werden, dass die Abgabenpflicht keine diskriminierende Wirkung für im EU-Ausland ansässige Unionsbürger und Grenzgänger (d.h. Personen, die in einem Mitgliedstaat arbeiten, ihren Wohnsitz jedoch in einem anderen Mitgliedstaat haben) bei Wahrnehmung ihrer wirtschaftlichen Freiheiten, im Rahmen des allgemeinen Freizügigkeitsrechts sowie im Hinblick auf das allgemeine Diskriminierungsverbot hat. Diese könnte beispielsweise daraus resultieren, dass eine nationale Regelung zu einer Ungleichbehandlung einer grundsätzlich vergleichbaren Personengruppe führte,19 die nicht durch zwingende Gründe gerechtfertigt werden kann,20 oder dass die nationale Regelung die Unterscheidung aufgrund der Ansässigkeit trifft und Gebietsansässigen bestimmte (steuerliche) Vergünstigungen gewährt , die Gebietsfremden verweigert werden und die sich hauptsächlich zum Nachteil der Angehörigen anderer Mitgliedstaaten auswirken.21 Nach den dieser Ausarbeitung zugrundeliegenden Plänen des BMVI soll die Infrastrukturabgabenpflicht jedoch an den Ort der Kfz-Zulassung anknüpfen und betrifft im Hinblick auf die Pflicht zum Bezug einer Jahresvignette lediglich inländische Halter. Ausgehend von der Prämisse 17 EuGH, Rs C-332/90 (Steen), Rn. 9; BVerwG, Urteil vom 17.12.1992 - 10 C 6/91, in NVwZ 1993, S. 1195 (1196). Vgl. auch eingehend hierzu Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, 1995, S. 343 ff.; Riese/Noll, Europarechtliche und verfassungsrechtliche Aspekte der Inländerdiskriminierung, NVwZ 2007, S. 516 ff. 18 Vgl. EuGH, Rs. C-112/91 (Werner), Rn. 12 ff.; EuGH, Rs. C-60/00 (Carpenter), Rn. 29 f.; EuGH, Rs. C-403/03 (Schempp ); Epiney, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Auflage 2011, Art. 18, Rn. 32. 19 Beispielhaft für die steuerliche Behandlung von Grenzgängern vgl. EuGH, Rs. C-279/93 (Schumacker), Rn. 25 ff.; EuGH, Rs. C-391/97 (Gschwind), Rn. 22 ff.; EuGH, Rs. C-234/01 (Gerritse), Rn. 43 ff.; EuGH, Rs. C-329/05 (Meindl), Rn. 23 ff.; EuGH, Rs. C-440/08 (Gielen), Rn. 37 f. 20 Vgl. EuGH, Rs. C-371/10 (National Grid), Rn. 42; EuGH, Rs. C-269/07 (Kommission/Deutschland), Rn. 62 ff. 21 Vgl. EuGH, Rs. C-279/93 (Schumacker), Rn. 26 ff.; EuGH, Rs. C-103/08 (Gottwald), Rn. 27 ff.; im Hinblick auf den potenziellen Zusammenhang zwischen Infrastrukturabgabe und Kfz-Steuer entsprechend den Plänen des BMVI und den hieraus resultierenden steuerlichen Vergünstigungen für Inländer vgl. EuGH, Rs. C-269/07 (Kommission /Deutschland), Rn. 62 ff. sowie beispielsweise auch Art. 24 Abs. 1 S. 1 des Abkommens vom 24. August 2000 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, BGBl. II 2002, S. 734. Zudem bedürfen Sondersituationen wie beispielsweise die der österreichischen Gemeinden Mittelberg (Kleinwalsertal) oder Jungholz als funktionale Exklaven einer gesonderten Bewertung. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 168/14 Seite 8 der Fragestellung, dass die Möglichkeit zum Erwerb zeitlich gestaffelter Vignetten einen Vorteil für ausländische Kfz-Halter gegenüber inländischen begründet, so knüpft dies für inländische Kfz-Halter mit Blick auf das Kriterium des Zulassungsorts weder an einen grenzüberschreitenden Sachverhalt an, noch werden Gebietsansässigen in diskriminierender Weise Vorteile gegenüber Gebietsfremden gewährt. 3.3. Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass eine Regelung, nach der inländische Autofahrer regelmäßig eine Jahresvignette beziehen müssen, während ausländische Autofahrer zeitlich gestaffelte Vignetten erwerben können, der Sache nach zu einer Ungleichbehandlung zwischen inländischen und ausländischen Kfz-Haltern führte. Soweit ein Mitgliedstaat Regelungen schafft, die EU-Ausländer gegenüber Inländern potenziell sogar begünstigen, ist dies aus unionsrechtlicher Sicht nicht erheblich. Die im BMVI-Infopapier skizzierte Ausgestaltung der Infrastrukturabgabe lässt zudem nicht auf Fälle schließen, in denen eine Ungleichbehandlung von Inländern auf Grund eines grenzüberschreitenden Sachverhalts eine andere Bewertung erfahren würde. - Fachbereich Europa -