© 2016 Deutscher Bundestag PE 6-3000-165/16 188 Zur Vereinbarkeit von § 48 Abs. 4 TGK-E im Rahmen des Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes Sachstand Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitungen und andere Informationsangebote des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung P, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 – 165/16 Seite 2 Zur Vereinbarkeit von § 48 Abs. 4 TGK-E im Rahmen des Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes Aktenzeichen: PE 6 – 3000 – 165/16 Abschluss der Arbeit: 23. Dezember 2016 Fachbereich: Fachbereich PE 6: Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 – 165/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Der Vorschlag des Bundesrats zur Einfügung eines neuen Absatzes 4 in § 48 Telekommunikationsgesetz (TKG) 4 3. Europarechtlicher Pfüfungsmaßstab 5 4. Vereinbarkeit von § 48 Abs. 4 TKG-E mit vorstehenden Regelungen 5 5. Ergebnis 7 Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 – 165/16 Seite 4 1. Fragestellung Der Fachbereich Europa wird gebeten, zu folgender Fragestellung gutachterlich Stellung zu nehmen : „Im Rahmen des laufenden Gesetzgebungsverfahrens zur Änderung des TKG liegt ein Vorschlag des Bundesrates auf dem Tisch: Der Vorschlag des Bundesrates lautet im Rahmen des 3. TKG-ÄndG den § 48 TKG mit dem Ziel zu ergänzen, die Digitalisierung des Hörfunks in Deutschland voranzutreiben, indem eine gesetzliche Pflicht definiert wird, nur noch solche Radioempfangsgeräte auf den Markt zu bringen, die auch den Empfang digitaler Signale ermöglichen (analog zur Anforderung der europäischen Universaldienst-RL zur Interoperabilität von Fernsehgeräten). Wäre eine solche Verpflichtung konform mit geltendem EU-Recht?“ 2. Der Vorschlag des Bundesrats zur Einfügung eines neuen Absatzes 4 in § 48 Telekommunikationsgesetz (TKG) In seiner Stellungnahme vom 9. September 2016 zum Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes1 schlägt der Bundesrat die Einfügung eines neuen Absatzes 4 in § 48 TKG mit folgendem Wortlaut vor: "(4) Ab dem 1. Januar 2019 muss jedes zum Verkauf, zur Miete oder anderweitig angebotene Hörfunkempfangsgerät, das den Programmnamen sowie programmbezogene Zusatzdienste anzeigen kann, zum Empfang digitaler Signale geeignet sein, die einer Norm einer anerkannten europäischen Normenorganisation entsprechen." Mit diesem Vorschlag soll die Digitalisierung des Hörfunks in Deutschland zeitgemäß vorangetrieben werden. Endgerätehersteller und alle Marktteilnehmer, die Radiogeräte vermieten oder anderweitig zur Nutzung überlassen, sollen ab Januar 2019 gesetzlich verpflichtet werden, nur solche Radioempfangsgeräte auf den Markt zu bringen, die auch den Empfang digitaler Signale ermöglichen.2 Die Bundesregierung lehnt in ihrer Gegenäußerung diesen Vorschlag mit folgender Begründung ab: „§ 48 TKG beruht auf einer Anforderung der Universaldiensterichtlinie (RL 2002/22/EG, Art. 24). Diese bezieht sich auf die Interoperabilität von Fernsehgeräten. Eine entsprechende EU-Vorgabe für Radiogeräte besteht nicht. Zu beachten ist auch, dass drahtlose Radios unter die Richtlinie 2014/53/EU zur Bereitstellung von Funkanlagen auf dem Markt fallen, nachdem reine Empfangsanlagen, die nur für den Empfang von Rundfunkund Fernsehsendungen bestimmt sind bislang von den Bestimmungen der Vorläuferrichtlinie ausgenommen waren. Die Richtlinie enthält die grundlegenden Anforderungen, die 1 BR Drs. 436/1/16 S. 6 f. 2 BR Drs. 436/1/16 S. 7, BT-Drs. 18/9951 S. 17. Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 – 165/16 Seite 5 die Anlagen erfüllen müssen, um auf dem Markt bereitgestellt werden zu können. Angesichts der bereits zu beachtenden umfangreichen Anforderungen steht die Bundesregierung weitergehenden Regelungen zurückhaltend gegenüber.“3 3. Europarechtliche Prüfungsmaßstäbe Die Richtlinie 2002/21/EG über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und –dienste (RL 2002/21)4 gibt einen eu-weiten harmonisierten Rahmen für die Regulierung elektronischer Kommunikationsdienste und Kommunikationsnetze vor (Art. 1 Abs. 1 RL 2002/21). Die Richtlinie 2002/22/EG über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten (Universaldienstrichtlinie) (RL 2002/22)5 regelt innerhalb des durch die RL 2002/21 vorgegebenen Rahmens die Bereitstellung elektronischer Kommunikationsnetze - und Dienste für Endnutzer. Ziel der Richtlinie ist die Gewährleistung der Verfügbarkeit gemeinschaftsweiter hochwertiger, öffentlich zugänglicher Dienste durch effektiven Wettbewerb und Angebotsvielfalt. Ein weiteres Ziel ist es, die Fälle zu regeln, in denen die Bedürfnisse der Endnutzer durch den Markt nicht ausreichend befriedigt werden können (Art. 1 Abs. 1 RL 2002/22). Die Richtlinie 2014/53/EU über die Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung von Funkanlagen auf dem Markt (RL 2014/53)6 legt einen Regelungsrahmen für die Bereitstellung auf dem Markt und die Inbetriebnahme von Funkanlagen fest (Art. 1 Abs. 1 RL 2014/53). 4. Vereinbarkeit von § 48 Abs. 4 TKG-E mit vorstehenden Regelungen Die geltende Regelung in § 48 TKG dient der Umsetzung der Vorgaben der RL 2002/21 und der RL 2002/22.7 Mit ihr soll für einen einheitlichen technischen Standard auf dem 3 BT-Drs. 18/9951 S. 22 f. 4 Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und –dienste (Rahmenrichtlinie), ABl L 108/33, abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/legalcontent /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32002L0021&qid=1482412226375&from=DE. 5 Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten (Universaldienstrichtlinie), ABl L 108/58, abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32002L0022&rid=1. 6 Richtlinie 2014/53/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über die Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung von Funkanlagen auf dem Markt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/5/EG, ABl L 153/62, abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/legalcontent /DE/TXT/?qid=1482413441182&uri=CELEX:32014L0053. 7 Janik, Beck’scher TKG-Kommentar, 4. Aufl. 2013, § 48 TKG Rn. 1. Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 – 165/16 Seite 6 TV-Endgerätemarkt Sorge getragen werden.8 § 48 TKG trifft bislang nur Regelungen zur Kompatibilität bzw. Interoperabilität von Fernsehgeräten.9 Die Schaffung von Interoperabilität und Kompatibilität von Endgeräten soll die Konvergenzentwicklung im Mediensektor fördern und damit der Verwirklichung des Binnenmarktes dienen.10 Die RL 2001/22 strebt die Förderung der Interoperabilität von digitalen Fernsehdiensten an, ohne den Hörfunk einzubeziehen. Dies verdeutlicht insb. bereits der Erwägungsgrund 31 RL 2001/21: „Interoperabilität von digitalen interaktiven Fernsehdiensten und erweiterten digitalen Fernsehgeräten auf Ebene der Verbraucher sollten gefördert werden, um den freien Informationsfluss , Medienpluralismus und Zugang zu kultureller Vielfalt zu gewährleisten. Es ist wünschenswert , dass die Verbraucher in der Lage sind, unabhängig vom Übertragungsmodus alle digitalen interaktiven Fernsehdienste zu empfangen, und dazu die technologische Neutralität , die künftige technologische Entwicklung, die Notwendigkeit, dem digitalen Fernsehen zum Durchbruch zu verhelfen, sowie der Stand des Wettbewerbs auf dem Markt für digitale Fernsehdienste im Auge behalten wird….“ Art. 24 RL 2002/22, umgesetzt in § 48 TKG, verpflichtet die Mitgliedstaaten zur Sicherstellung der Interoperabilität der für Verbraucher bestimmten Digitalfernsehgeräte nach Maßgabe der in RL 2002/22 Anhang VI spezifizierten Vorgaben. Regelungen, die eine Sicherstellung der Interoperabilität von Radiogeräten fordern, lassen sich dieser Richtlinie nicht entnehmen. Eine entsprechende Verpflichtung im Recht der Mitgliedstaaten würde diese Richtlinie – soweit ersichtlich – aber auch nicht ausschließen. (Drahtlose) Radios unterfallen dem Anwendungsbereich der RL 2014/53, die in der Union einen Regelungsrahmen für die Bereitstellung auf dem Markt und die Inbetriebnahme von Funkanlagen festlegt (Art. 1 RL 2014/53), da sie als „Funkanlagen“ i.S.d. Art. 2 Abs. 1 Nr. 1. RL 2014/53 gelten dürften: „(1) Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck 1. „Funkanlage“ ein elektrisches oder elektronisches Erzeugnis, das zum Zweck der Funkkommunikation und/oder der Funkortung bestimmungsgemäß Funkwellen ausstrahlt und/oder empfängt, oder ein elektrisches oder elektronisches Erzeugnis, das Zubehör, etwa eine Antenne, benötigt, damit es zum Zweck der Funkkommunikation und/oder der Funkortung bestimmungsgemäß Funkwellen ausstrahlen und/oder empfangen kann;“ Die sehr detaillierten Anforderungen an Funkanlagen in Art. 3 ff. RL 2014/53 gewährleisten noch nicht ihre Interoperabilität, so wie dies mit der vorgeschlagenen Regelung in § 48 Abs. 4 TGK-E angestrebt wird. 8 So die Gesetzesbegründung, vgl. BT-Drs. 15/2316, S. 73 9 Dazu näher Gersdorf, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 3. Aufl. 2015, § 48 TKG, Rn. 1. 10 Janik (Fußn. 7) Rn. 3. Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 – 165/16 Seite 7 Zu Interoperabilität von Funkanlagen finden sich vereinzelt Hinweise in den Erwägungsgründen dieser Richtlinie: In Erwägungsgrund 12 wird ausgeführt: „In einigen Fällen ist die Kommunikation mit anderen Funkanlagen über Netze und die Verbindung mit Schnittstellen des geeigneten Typs in der gesamten Union notwendig. Durch die Interoperabilität von Funkanlagen und Zubehör wie Ladegeräten wird die Nutzung von Funkanlagen vereinfacht und zur Verringerung unnötigen Abfalls und zur Senkung von Kosten beigetragen.“ In Erwägungsgrund 18 heißt es: „Um dem Bedarf in den Bereichen Interoperabilität, Schutz personenbezogener Daten und der Privatsphäre der Nutzer und Teilnehmer, Schutz vor Betrug, Zugang zu Notdiensten, Nutzung durch Menschen mit Behinderungen oder Verhinderung nicht konformer Kombinationen aus Funkanlagen und Software tatsächlich gerecht zu werden, sollte der Kommission die Befugnis übertragen werden, Rechtsakte gemäß Artikel 290 des Vertrags über die AEUV hinsichtlich der Festlegung von Kategorien oder Klassen von Funkanlagen zu erlassen, die eine oder mehrere der zusätzlichen grundlegenden und in dieser Richtlinie festgelegten Anforderungen im Zusammenhang mit diesem Bedarf zu erfüllen haben.“ Der RL 2014/53 lassen sich verpflichtende Vorgaben zur Gewährleistung der Interoperabilität von Funkanlagen nicht entnehmen; diese Richtlinie schließt entsprechende Regelungen der Mitgliedstaaten aber auch nicht aus. 5. Ergebnis Der Vorschlag des Bundesrats, § 48 TKG mit dem Ziel zu ergänzen, die Digitalisierung des Hörfunks in Deutschland voranzutreiben, indem eine gesetzliche Pflicht definiert wird, entsprechend zur Anforderung der europäischen Universaldienst-Richtlinie 2002/22/EG zur Interoperabilität von Fernsehgeräten nur noch solche Radioempfangsgeräte auf den Markt zu bringen, die auch den Empfang digitaler Signale ermöglichen, wäre nach hiesiger Einschätzung mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar. - Fachbereich Europa -