WD 11 – 3000 – 165/12 Wissenschaftliche Dienste Deutscher Bundestag Ausarbeitung Zur Bankenunion einschließlich einer europäischen Bankenaufsicht durch die Europäische Zentralbank (EZB) WD 11 – 3000 – 165/12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 2 WD 11 – 3000 – 165/12 Zur Bankenunion einschließlich einer europäischen Bankenaufsicht durch die Europäische Zentralbank (EZB) Aktenzeichen: WD 11 – 3000 – 165/12 Abschluss der Arbeit: 30.11.2012 Fachbereich: WD 11: Europa Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 3 WD 11 – 3000 – 165/12 1 . E i n l e i t u n g 5 2 . Bankenaufsicht durch die EZB – Die aktuellen Vorschläge für eine europäische Bankenaufsicht 7 2.1. Kommissionsvorschlag 7 2.1.1. Verordnungsvorschlag zur Übertragung besonderer Aufsichtsaufgaben auf die EZB 8 2.1.2. Vorschlag zur Änderung der EBA-Verordnung 9 2.2. Europäischer Rat vom18./19. Oktober 2012 10 2.3. Kompromissvorschläge des Vorsitzes des Rates der Europäischen Union 10 2.4. Gegenstand dieser Ausarbeitung 11 3 . Frage 1: Verhältnis der geplanten zu der bestehenden Aufsichtsstruktur 12 3.1. Die bestehende Aufsichtsstruktur: Das Europäische System der Finanzaufsicht (ESFS) 12 3.1.1. Makroprudentielle Aufsicht: ESRB 13 3.1.2. Mikroprudentielle Aufsicht: ESA und nationale Aufsichtsbehörden14 3.1.3. ESZB und EZB im System der Finanzaufsicht 16 3.2. Aufsichtsstruktur nach den Vorschlägen im Verhältnis zur bestehenden Aufsichtsstruktur 18 4 . Frage 2: Welche Institute mit welchen spezifischen Merkmalen der Geschäftstätigkeit wären von der EZB-Aufsicht betroffen? 20 4.1. Kreditinstitute 21 4.1.1. Kommissionsvorschlag 21 4.1.2. Die politische Diskussion über Art und Umfang der zu beaufsichtigenden Unternehmen 23 4.2. Finanzholdinggesellschaften, gemischte Finanzholdinggesellschaften und Finanzkonglomerate 25 4.3. Fazit 26 5 . Frage 3: Verhältnis des neuen Aufsichtsregimes zum Herkunftslandprinzip 26 5.1. Europäischer Pass und Herkunftslandprinzip 27 5.2. Neue Aufsichtsstruktur und Herkunftslandprinzip 28 5.3. Fazit 29 6 . Frage 4: Interessenkonflikt zwischen Zielen der Geldpolitik und der Bankenaufsicht – zu der Diskussion in der Literatur 29 6.1. Überblick über den Meinungsstand in der Literatur 30 6.2. Literaturmeinungen im Einzelnen 32 6.2.1. Zielkonflikt bei Vereinigung von Aufsicht und Geldpolitik in der Zentralbank 32 6.2.2. Zielkonflikt nur bei nicht ausreichender organisatorischer Trennung innerhalb der Zentralbank 35 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 4 WD 11 – 3000 – 165/12 6.2.3. Kein Zielkonflikt bei Vereinigung von Aufsicht und Geldpolitik in einer Einheit 37 6.3. Kommissionsvorschlag 39 6.4. Kompromissvorschläge des Vorsitzes des Rates 40 WD 11 – 3000 – 165/12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 5 WD 11 – 3000 – 165/12 1. Einleitung Die Staats- und Regierungschefs der Eurozone riefen bei ihrem Gipfel am 29. Juni 2012 die Kommission auf, „in Kürze [...] Vorschläge für einen einheitlichen Aufsichtsmechanismus zu unterbreiten.“ 1 Im Bericht des Präsidenten des Europäischen Rates vom 25. Juni 2012 heißt es, dass die derzeitige Architektur der Aufsichtsregeln, Risikoüberwachung und Krisenprävention schnellstmöglich zu einem einheitlichen europäischen Bankenaufsichtssystem mit einer europäischen und einer nationalen Ebene weiterentwickelt werden soll, um die tatsächliche EU-weite Anwendung der Regelungen sicherzustellen.2 Entsprechend hat die Kommission am 12. September 2012 ein Maßnahmenpaket zur Schaffung eines einheitlichen Aufsichtsmechanismus für Banken unter der Führung der Europäischen Zentralbank (EZB) als ersten Schritt in Richtung einer europäischen Bankenunion vorgelegt. Das Paket beinhaltet einen Verordnungsvorschlag zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die EZB3, einen weiteren Verordnungsvorschlag zur Änderung der Verordnung zur Errichtung der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde 4 und zudem eine Mitteilung, die den weiteren Fahrplan für eine Bankenunion beschreibt5. Diese Vorschläge werden in Politik und Wissenschaft kontrovers diskutiert. So werden etwa Zweifel an der Vereinbarkeit der Vorschläge mit dem Unionsrecht6, an der Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips 7, der praktischen Umsetzbarkeit8 etc. geäußert. 1 Euro Area Summit Statement vom 29.06.2012, S. 1 („The Commission will present Proposals ... for a single supervisory mechanism shortly.“ (online abrufbar unter http://consilium.europa.eu/uedocs/cmsdata/docs/pressdata/en/ec/131359.pdf; zuletzt abgerufen am 30.11.2012). 2 Europäischer Rat, Der Präsident, Auf dem Weg zu einer echten Wirtschafts- und Währungsunion, Bericht vom 25. Juni 2012, SN 25/12 LIMITE, S. 4 (abrufbar in Eudox). 3 Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank, Kom (2012) 511, endg., online abrufbar unter: http://ec.europa.eu/internalmarket/finances/docs/committees/reform/20120912-com-2012-511de.pdf (zuletzt abgerufen am 30.11.2012) – im Folgenden: Verordnungsvorschlag EZB. 4 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde) hinsichtlich ihrer Wechselwirkungen mit der Verordnung (EU) Nr. .../... des Rates zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank, Kom (2012) 512, endg., online abrufbar: http://ec.europa.eu/internalmarket/finances/docs/committees/reform/20120912-com-2012-512de.pdf (zuletzt abgerufen am 30.11.2012) – im Folgenden: Vorschlag zur Änderung der EBA-Verordnung . 5 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat Fahrplan für eine Bankenunion, Kom (2012) 510 endg, online abrufbar unter: http://ec.europa.eu/internalmarket/finances/docs/committees/reform/20120912-com-2012-510de.pdf (zuletzt abgerufen am 30.11.2012) – im Folgenden: Fahrplan für eine Bankenunion . 6 Vgl. z.B. Gutachten des Juristischen Dienstes des Rates der Europäischen Union vom 09. Oktober 2012, Ratsdok- Nr.: 14752/12 (limite) (abrufbar in Eudox). 7 Vgl. z.B. Niederschrift der 631. Sitzung des Bundesrates vom 19.10.12, TOP 3, S. 15ff. WD 11 – 3000 – 165/12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 6 WD 11 – 3000 – 165/12 Der Europäische Rat vom 18./19. Oktober hat sich mit den Kommissionsvorschlägen beschäftigt.9 Vom Vorsitz des Rates wurden am 23.10.12, 31.10. 12 und zuletzt am 16.11.12 Kompromissvorschläge zu den Kommissionsvorschlägen vorgelegt.10 Die Vorschläge werden in der zeitweiligen Ad-Hoc-Gruppe „Bankenaufsichtsmechanismus (BSM)“ beim AStV weiter bearbeitet und entwickelt .11 Auch das Europäische Parlament, insbesondere der federführende Ausschuss für Wirtschaft und Währung (ECON) beraten derzeit über die Kommissionsvorschläge. 12 Geplant ist, dass das EP und der Rat nach der Sitzung des ECOFIN am 4. Dezember 2012 in Trilogverhandlungen eintreten, um so noch vor dem Europäischen Rat am 13./14. Dezember 2012 eine Einigung zu erzielen. Vor diesem Hintergrund werden in dieser Ausarbeitung verschiedene Rechtsfragen hinsichtlich der Übertragung von Aufsichtsaufgaben auf die EZB untersucht. Dafür werden zunächst die aktuellen Vorschläge und ihre wesentlichen Inhalte kurz umrissen (2.), um dann im Anschluss zu untersuchen, wie sich die vorgeschlagene Aufsichtsstruktur in die bereits bestehenden europäischen Aufsichtsstrukturen einfügen würde (3. - Frage 1). Danach wird der Frage nachgegangen, welche Institute mit welchen spezifischen Merkmalen der Geschäftstätigkeit nach den aktuellen Vorschlägen der Aufsicht durch die EZB unterworfen wären (4. – Frage 2) und in welchem Verhältnis das neue Aufsichtsregime zum sogenannten Herkunftslandprinzip stünde (5. – Frage 3). Schließlich werden die in der Literatur vertretenen Auffassungen zu einem (etwaigen) Konflikt zwischen dem geldpolitischen Auftrag der EZB und einer von ihr durchgeführten Bankenaufsicht dargestellt (6. – Frage 4). 8 Vgl. z.B. Gutachten des Juristischen Dienstes des Rates vom 9. Oktober 2012, a.a.O. 9 Vgl. Schlussfolgerungen der Tagung des Europäischen Rates vom 18./19. Oktober 2012, EUCO 156/12, S. 7 (online abrufbar unter http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cmsdata/docs/pressdata/de/ec/133025.pdf, zuletzt abgerufen am 30.11.2012). 10 Rat der Europäischen Union, Proposal for a Council Regulation conferring specific tasks on the European Central Bank concerning policies in relation to the prudential supervision of credit institutions – Presidency Compromise , Ratsdok-Nr.: 15336/12; 15718/12 und 16385/12, alle LIMITE; (abrufbar in Eudox). 11 Einsetzung der Ad-Hoc-Arbeitsgruppe beschlossen am 12.09.2012, Bisherige Beratungen am 27./28.09.12; 11./12.10.12; 25./26.10.12 und 5./6.11.12. (Vgl. Orientierungsaussprache, Bericht des Vorsitzes des Rates der Europäischen Union vom 06.11.2012, Ratsdok-Nr.: 15663/12, S. 2, Rn. 6). 12 Vgl. dazu Entschließung des Europäischen Parlaments vom 20. November 2012 mit Empfehlungen an die Kommission zum Bericht der Präsidenten des Europäischen Rates, der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank und der Euro-Gruppe „Auf dem Weg zu einer echten Wirtschafts- und Währungsunion“ (2012/2151(INI), online abrufbar unter http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=- //EP//TEXT+TA+P7-TA-2012-0430+0+DOC+XML+V0//DE&language=DE#title1 (zuletzt abgerufen am 30.11.2012). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 7 WD 11 – 3000 – 165/12 2. Bankenaufsicht durch die EZB – Die aktuellen Vorschläge für eine europäische Bankenaufsicht 2.1. Kommissionsvorschlag Der Fahrplan für eine Bankenunion der Kommission sieht neben der zentralen Bankenaufsicht durch die EZB als „Kernbestandteil“13 der Vision einer Bankenunion14 langfristig auch die Einführung eines gemeinsamen Einlagensicherungssystems und eines integrierten Bankenkrisenmanagements inklusive einer einheitliche Bankenabwicklung vor.15 Das materielle Aufsichtsrecht ist damit zwar Gegenstand der politischen Diskussion, nicht jedoch der von der Kommission konkret vorgelegten und in dieser Ausarbeitung gegenständlichen Verordnungsvorschläge. Nach Einschätzung der Kommission bedarf es keiner wesentlichen Änderungen an den Legislativvorschlägen zum materiellen Aufsichtsrecht: Die Anpassung dieser Instrumente an eine etwaige neue Aufsichtsstruktur soll im laufenden Gesetzgebungsverfahren erfolgen.16 Der Verordnungsvorschlag zur Übertragung von Aufsichtsaufgaben auf die EZB17 enthält entsprechend keine materiellen Aufsichtsstandards, sondern regelt Zuständigkeiten und Instrumente der Bankenaufsicht. Unter Bankenaufsicht ist dabei die durch staatliche Stellen ausgeführte laufende Aufsicht über die Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute in Abgrenzung zu der Wertpapier- und Börsen- sowie der Versicherungsaufsicht zu verstehen.18 Mit dem Verordnungsvorschlag zur Änderung der EBA-Verordnung19 sollen die Verfahrensmodalitäten für die Tätigkeiten der Europäischen Bankaufsichtsbehörde (European Banking Authority – EBA) geändert werden, um der Übertragung von Aufsichtsaufgaben auf die EZB und der geforderten Zusammenarbeit zwischen EZB und EBA Rechnung zu tragen.20 13 Fahrplan für eine Bankenunion, a.a.O., S. 2. 14 http://ec.europa.eu/commission2010-2014/president/news/archives/2012/06/20120626speeches2de.htm (zuletzt abgerufen am 30.11.2012). 15 Vgl. im Einzelnen dazu die Vorschläge der Kommission für eine Capital Requirements Directive (CRD IV-RL) vom 20.07.2011, Kom (2011) 453; für eine Capital Requirementens Regulation (CRD IV-VO) vom 20.07.2011, Kom (2011) 452; für eine Richtlinie zur Harmonisierung der Einlagensicherung vom 12.07.1010, Kom (2010) 368/2; für eine Richtlinie für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, Kom (2012) 280 final/2. (alle online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/de/indexcnt.html). 16 Fahrplan für eine Bankenunion, a.a.O., Rn. 2. 17 Kom (2012) 511 endg., Verordnungsvorschlag EZB, a.a.O. 18 Fischer, in: Schimansky/Bunde/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Auflage 2011, § 125, Rn. 1. 19 Kom (2012) 512 endg., Vorschlag zur Änderung der EBA-VO, a.a.O. 20 Zum Maßnahmepaket der Kommission vgl. den Überblick bei Brandi/Gieseler, Vorschläge der EU-Kommission zur einheitlichen Bankaufsicht in der Eurozone, Betriebs-Berater 2012, 2646ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 8 WD 11 – 3000 – 165/12 2.1.1. Verordnungsvorschlag zur Übertragung besonderer Aufsichtsaufgaben auf die EZB Nach dem Verordnungsvorschlag zur Übertragung besonderer Aufsichtsaufgaben an die EZB21 (im Folgenden bezeichnet als Verordnungsvorschlag EZB) soll die EZB künftig in weiten Bereichen der Bankenaufsicht die Rolle der nationalen Aufsichtsbehörden übernehmen. Es soll ein einheitlicher Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism – SSM) geschaffen werden, um die Einheitlichkeit der Anwendung aufsichtsrechtlicher Bestimmungen sicherzustellen und die Überwachung des Bankensektors und damit die finanzielle Stabilität der EU zu gewährleisten . Die Einführung der neuen Aufsichtsbefugnisse für die EZB soll nach dem Kommissionvorschlag stufenweise erfolgen. In einem ersten Schritt würde die EZB ab dem 01.01.2013 Aufsichtsverantwortung für jedes beliebige Kreditinstitut übernehmen können, insbesondere wenn es öffentliche Unterstützung beantragt hat oder erhält. Zum 01.07.2013 würde dann die Aufsicht über alle systemrelevanten Banken folgen, um in einem dritten Schritt ab dem 01.01.2012 zu einem einheitlichen Aufsichtsmechanismus über alle Banken im Euroraum zu kommen (vgl. Art. 27 Verordnungsvorschlag EZB). Die Kommission möchte der EZB dabei im Ergebnis ein uneingeschränktes Durchgriffsrecht auf alle – nicht nur auf die systemrelevanten – Geldinstitute einräumen. Die EZB erhielte vielfältige Informations- und Ermittlungs- sowie Eingriffs- und Sanktionsbefugnisse (vgl. Art. 9 – 12, 15 Verordnungsvorschlag EZB). Zuständig wäre sie etwa für die Vergabe und den Entzug von Banklizenzen (Art. 4 Abs. 1 lit. a) i.V.m. Art. 13 Verordnungsvorschlag EZB)22, die Bewertung von Erwerb und Veräußerung von Beteiligungen an Kreditinstituten (Art. 4 Abs. 1 lit. b) Verordnungsvorschlag EZB)23, die Überwachung der Einhaltung der Eigenkapitalanforderungen24, der Beschränkungen für Großkredite25, der Liquidität26, des Verschuldungsgrads, der Berichterstattung und Informationsveröffentlichung27 (Art. 4 Abs. 1 lit. c) Verordnungsvorschlag EZB) sowie für die Kontrolle der bankeninternen Risikomanagementsysteme (Art. 4 Abs. 1 lit. g) Verordnungsentwurf EZB) und für die Durchführung aufsichtsrechtlicher Stresstests (Art. 4 Abs. 1 lit. g) Verordnungsentwurf EZB).28 Den nationalen Behörden verbliebe zum einen die Zuständigkeit für alle nicht der EZB übertragenen Aufgaben, etwa für den Verbraucherschutz, die Bekämpfung der Geldwäsche und die Be- 21 Kom (2012) 511 endg., a.a.O. 22 Zur Zulassung von Kreditinstituten vgl. Art. 9ff CRD IV-RL. 23 Zum „Inhaberkontrollverfahren“ vgl. Art. 22 CRD-IV-RL. 24 Vgl. Art. 87 Vorschlag für eine Verordnung über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen vom 20.07.2011, im Folgenden: CRD IV-VO. 25 Art. 376ff. CRD IV-VO. 26 Art. 400ff. CRD IV-VO. 27 Art. 418ff. CRD IV-VO. 28 Für einen Überblick über die zu übertragenden Aufgaben vgl. Brandi/Gieseler, a.a.O., (2647). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 9 WD 11 – 3000 – 165/12 aufsichtigung von Kreditinstituten aus Drittstaaten (Art. 4 Abs. 4 Verordnungsvorschlag EZB).29 Zum anderen sollen sie weiterhin in die Beaufsichtigung der Banken eingebunden werden (Art. 5 Verordnungsvorschlag EZB). So sollen die nationalen Aufsichtsbehörden als Bestandteile des SSM die EZB bei der Durchführung ihrer Aufgaben unterstützen (Art. 5 Abs. 2 Verordnungsvorschlag EZB). Sie unterlägen dabei aber dem vorgegebenen Rechtsrahmen und den Weisungen der EZB (Art. 5 Abs. 3, 4 Verordnungsvorschlag EZB). Details zur Abgrenzung der Aufgaben und Befugnisse zwischen den nationalen Behörden und der EZB enthält der Vorschlag nicht. Die Aufsichtstätigkeiten der EZB sollen nach dem Kommissionsvorschlag streng von den geldpolitischen Aufgaben getrennt werden (Art. 18 Verordnungsvorschlag EZB). Zudem wird eine enge Zusammenarbeit zwischen der EBA und der EZB angestrebt (Art. 3 Verordnungsvorschlag EZB). Um Transparenz zu gewährleisten, soll die EZB dem EP und dem Rat für die Durchführung der Aufsichtsaufgaben rechenschaftpflichtig sein (Art. 17 Verordnungsvorschlag EZB). EU-Mitgliedstaaten, die nicht zum Eurowährungsgebiet gehören, sollen sich dem SSM anschließen können (Art. 6 Verordnungsvorschlag EZB). Die EZB geht dann bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen (vgl. Art. 6 Abs. 2 lit. a) und b) Verordnungsvorschlag EZB) mit Erlass eines Beschlusses eine enge Zusammenarbeit mit der zuständigen nationalen Behörde eines Nicht- Euro-Mitgliedstaates ein. Nach Art. 6 Abs. 6 des Verordnungsvorschlages EZB kann die EZB beschließen , die enge Zusammenarbeit wieder zu beenden. Eine Beendigung der engen Zusammenarbeit durch den betreffenden Mitgliedstaat ist nicht geregelt. 2.1.2. Vorschlag zur Änderung der EBA-Verordnung Mit dem Vorschlag zur Änderung der EBA-Verordnung sollen die Verfahrensmodalitäten für die Tätigkeiten der EBA an die neuen Aufsichtsstrukturen unter Einbindung der EZB als Bankaufsichtsbehörde angepasst werden. Entsprechend wird der Begriff der „zuständigen Behörde“ in Art. 4 Abs. 2 lit. i) EBA-Verordnung um die EZB erweitert. Weiter schlägt die Kommission Änderungen in Bezug auf Art. 18 und 19 der EBA-Verordnung vor, die das Verhältnis zwischen EBA EZB betreffen.30 Zudem soll die Zusammensetzung der Entscheidungsgremien innerhalb der EBA verändert werden , so dass auch Vertreter von nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten hinreichend beteiligt werden (vgl. Art. 1 Abs. 5, 7 und 8 des Vorschlags zur Änderung der EBA-Verordnung): Dies betrifft sowohl die Zusammensetzung der unabhängigen Gremien i.S.d. Art. 17 und 19 der EBA- Verordnung, als auch die Beschlussfassung im Rat der Aufseher nach Art. 44 EBA-Verordnung und die Zusammensetzung des Verwaltungsrates nach Art. 45 Abs. 1 EBA-Verordnung. Ziel ist, ein Übergewicht der Mitgliedstaaten des Euroraums zu vermeiden. 29 Vgl. auch Kom (2012) 511 endg., Erwägungsgrund 22. 30 Teilweise bezeichnet als „Vermittlungsverfahren“, vgl. Brandi/Gieseler, a.a.O., S. 2649. Im Einzelnen vgl. unten 3.2 Aufsichtsstruktur nach den Vorschlägen im Verhältnis zur bestehenden Aufsichtsstruktur, S. 19f. 2.2. Europäischer Rat vom18./19. Oktober 2012 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 10 WD 11 – 3000 – 165/12 In den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 18./.19. Oktober 2012 forderten die Staats- und Regierungschefs in Reaktion auf die Kommissionsvorschläge den Gesetzgeber auf, „die Arbeit an den Gesetzgebungsvorschlägen für einen einheitlichen Aufsichtsmechanismus vorrangig voranzubringen, damit bis zum 01. Januar 2013 Einigung über den rechtlichen Rahmen erzielt werden kann. Die Arbeit zur operativen Umsetzung wird im Laufe des Jahres 2013 stattfinden .“31 Eckpunkte der zu schaffenden Regelungen müssten neben „einer klaren Trennung zwischen den geldpolitischen Aufgaben und den Aufsichtsaufgaben der EZB“ auch eine „ausgewogene Behandlung und Vertretung der Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets und der nicht dem Euro-Währungsgebiet angehörenden Mitgliedstaaten, die am einheitlichen Aufsichtsmechanismus teilnehmen“ sein. Zudem müsse die Rechenschaftspflicht auf der Ebene angesiedelt sein, auf der die Beschlüsse gefasst und umgesetzt werden.32 Die derzeitigen Befugnisse der EBA müssten beibehalten bleiben, um eine nichtdiskriminierende Beschlussfassung innerhalb des Binnenmarktes mit Blick auf am Aufsichtsmechanismus teilnehmende und nicht daran teilnehmende Mitgliedstaaten sicherzustellen. Neben den Anforderungen an die „Organisation“ der Bankenaufsicht betonte der Europäische Rat auch die Bedeutung der Schaffung eines einheitlichen materiellen Regelwerks und insbesondere die Notwendigkeit von Bestimmungen zur Harmonisierung der einzelstaatlichen Rahmen für die Bankensanierung und –abwicklung und die Einlagensicherung.33 2.3. Kompromissvorschläge des Vorsitzes des Rates der Europäischen Union Der Vorsitz des Rates hat zwischenzeitlich mehrere Kompromissvorschläge vorgelegt.34 Der letzte datiert vom 16.11.2012. Mit Blick auf den Verordnungsvorschlag zur Übertragung von Aufsichtsaufgaben auf die EZB hat der Vorsitz in seinem Kompromissvorschlag vom 31.10.201235 unterschiedliche Änderungen vorgeschlagen. So soll eine enge Zusammenarbeit i.S.d. Art. 6 des Verordnungsvorschlags EZB zwischen der EZB und Mitgliedstaaten, deren Währung nicht der Euro ist, diese Staaten zu „teilnehmenden Mitgliedstaaten“ machen (vgl. Art. 2 Abs. 1 Kompromissvorschlag EZB). Entsprechend würden im Aufsichtsgremium auch die nicht dem Euro-Währungsgebiet angehörenden Mitgliedstaaten stimmberechtigt sein (vgl. 19 Abs. 2 Kompromissvorschlag EZB). Ebenfalls im Interesse der nicht dem Euro-Währungsgebiet angehörenden Mitgliedstaaten ist in dem Vorschlag des Vorsitzes weiter vorgesehen, dass der Einfluss des EZB-Rates auf Aufsichtsentscheidungen 31 Schlussfolgerungen der Tagung des Europäischen Rates vom 18./19. Oktober 2012, a.a.O., S. 7, Rn. 7. 32 a.a.O., S. 7, Rn. 7. 33 a.a.O., S. 8, Rn. 9. 34 Bisherige Kompromissvorschläge des Vorsitzes, Ratsdok.-Nr.: 15336/12 und 15338/12, jeweils vom 23.10.2012 ; Ratsdok-Nr. 15718/12 und 15719/12, jeweils vom 31.10.2012 und Ratsdok-Nr. 13685/12 vom 16.11.2012. Vgl. auch Bericht des Vorsitzes vom 06.11.2012, Rat der Europäischen Union, Ratsdok.-Nr. 15663/12, S. 2, Rn. 4 und 13 (alles abrufbar in Eudox). 35 Ratsdok-Nr. 15718/12 LIMITE (im Folgenden Kompromissvorschlag EZB) und Ratsdok-Nr. 15719/12 LIMITE (im Folgenden Kompromissvorschlag Änderung EBA-VO). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 11 WD 11 – 3000 – 165/12 verringert wird, indem die vom Aufsichtsgremium ausgearbeiteten Beschlüsse dann als angenommen gelten, wenn der EZB-Rat nicht innerhalb einer bestimmten Frist schriftlich begründete Einwände dagegen erhebt (vgl. Art. 19 Abs. 3 Kompromissvorschlag EZB). Eine Änderung an den vom Aufsichtsgremium vorgeschlagenen Beschlussentwürfen soll vom EZB-Rat nicht vorgenommen werden können. Im Hinblick auf die Trennung von Geldpolitik und Aufsichtsaufgaben wurde Art. 19 Abs. 2 im Kompromissvorschlag dahingehend ergänzt, dass das die Aufsichtsaufgaben ausführende Personal in organisatorischer Hinsicht von dem übrigen Personal der EZB getrennt arbeiten soll. Zudem soll nach dem Kompromissvorschlag für nicht Euro-Länder die Möglichkeit bestehen, die Beendigung einer engen Zusammenarbeit zu verlangen und nach drei Jahren auch durchzusetzen, während die Kommission eine Beendigungsmöglichkeit nur ausgehend von der EZB vorgesehen hatte (vgl. Art. 6 des Verordnungsvorschlages EZB und Art. 6 Abs. 6a des Kompromissvorschlages EZB). Desweiteren hat der Vorsitz im Zusammenhang mit der Aufgabenteilung zwischen der EZB und den zuständigen nationalen Behörden (vgl. Art. 4 und 5 Verordnungsvorschlag EZB) Änderungsvorschläge unterbreitet. Danach verbliebe es bei dem Grundprinzip der ausschließlichen Zuständigkeit der EZB, das Verhältnis zu den nationalen Behörden würde aber spezifiziert. Offen war zu diesem Zeitpunkt noch, wie die Aufgabenteilung zwischen der EZB und den nationalen Behörden im Zusammenhang mit den makroprudentiellen Instrumenten (vgl. Art. 4 Abs. 1 lit. e) Verordnungsvorschlag EZB) ausgestaltet werden soll und ob die EZB – wie nach Art. 13 des Kommissionsvorschlages angedacht – für die Erteilung und den Entzug von Bankzulassungen zuständig sein soll. Im Kompromissvorschlag vom 16.11.12 wurden in Reaktion auf die Ergebnisse der ad-hoc Arbeitsgruppe weitere Änderungen am Kommissionsvorschlag vorgenommen. U.a. beschäftigt sich ein neuer Artikel 4a) mit makroprudentiellen Aufgaben und Instrumenten. Mit Blick auf Art. 19 des Kommissionsvorschlages EZB wird nunmehr vorgeschlagen, dass nicht die Vorbereitung, sondern die Ausführung der Aufsichtsaufgaben durch das Aufsichtsgremium erfolgt. Dieses soll sich zudem weiterhin aus Vertretern der EZB und der nationalen Aufsichtsbehörden zusammensetzen , jedoch nicht wie zuvor vorgeschlagen vom Direktorium, sondern vom EZB-Rat ernannt werden. Entscheidend dürfte auch sein, dass nunmehr vorgesehen ist, dass der Vorsitzende des Aufsichtsgremiums vom EZB-Rat ernannt, dieser aber nicht aus den Reihen des EZB-Rats kommen soll. Vielmehr soll der Vorsitzende aus dem Kreis von Bank- und Finanzexperten ausgewählt werden und erst nach Anhörung des EP und des Aufsichtsgremiums ernannt werden.36 2.4. Gegenstand dieser Ausarbeitung Diese Ausarbeitung legt angesichts der sich ständig ändernden Vorschlagslage die Vorschläge der Kommission vom 12.09.2012 und die letzten Kompromissvorschläge des Ratsvorsitzes vom 31.10.12 und 16.11.2012 zu Grunde. 36 Vgl. Art. 19 des Kompromissvorschlags des Vorsitzes, Ratsdok.16385/12, S. 61. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 12 WD 11 – 3000 – 165/12 3. Frage 1: Verhältnis der geplanten zu der bestehenden Aufsichtsstruktur Um das Verhältnis zwischen geplanter und bestehender Aufsichtsstruktur zu untersuchen wird zunächst die bestehende Struktur beschrieben (3.1.), um dann vor diesem Hintergrund die Vorschläge einzuordnen (3.2.). 3.1. Die bestehende Aufsichtsstruktur: Das Europäische System der Finanzaufsicht (ESFS) Als Reaktion auf die Finanzkrise wurde im Jahr 2011 das neue Europäische System der Finanzaufsicht (European System of Financial Supervision – ESFS) geschaffen.37 Dieses besteht zum einen aus dem Europäischen Ausschuss für Systemrisiken (European Systemic Risk Board – ESRB) und den drei Europäischen Finanzaufsichtsbehörden (European Supervisory Authorities – ESAs)38, d.h. aus der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (European Banking Authority – EBA), der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (European Securities and Markets Authority – ESMA) und der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (European Insurance and Occupational Pensions Authority – EIOPA), die jeweils aus den zuvor bestehenden Beratergruppen39 hervorgingen. Zum anderen sind auch die Europäische Kommission (Kommission)40 und die nationalen Aufsichtsbehör- 37 Zur Entwicklung der europäischen Finanzaufsicht vgl. Lehmann/Manger-Nestler, Die Vorschläge zur neuen Architektur der europäischen Finanzaufsicht, EuZW 2010, 87. Einen Überblick über die Struktur des ESFS bietet Kämmerer, Das neue Europäische Finanzaufsichtssystem (ESFS) – Modell für eine europäisierte Verwaltungsarchitektur ?, NVwZ 2011, 1281ff.; Siehe auch Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts- Handbuch, 4. Auflage 2011, § 126, Die Aufsichtsbehörden und ihre Instrumente, Rn. 12ff.; Baur/Boegl, Die neue europäische Finanzmarktaufsicht – Der Grundstein ist gelegt, BKR 2011, 177ff.; Ceyssens, Die neue europäische Aufsichtsarchitektur im Finanzbereich, Bonn, 2011. Einen umfassenden Überblick über das System der Bankenaufsicht vor Errichtung des ESFS und die neue Finanzaufsichtsstruktur bietet Kohtamäki, Die Reform der Bankenaufsicht in der Europäischen Union, Tübingen, 2012. 38 Verordnungen des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.11.2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde [sowie zur Änderung und Aufhebung bestimmter Rechtsvorschriften] (ABl. Nr. L 331/12 vom 15.12.2010, 48 ff., 84 ff.): Europäische Bankaufsichtsbehörde – EBA – (Verordnung [EU] Nr. 1093/2010 – im Folgenden EBA-Verordnung), Europäische Wertpapier und Marktaufsichtsbehörde – ESMA – (Verordnung [EU] Nr. 1095/2010), Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung – EIOPA – (Verordnung [EU] Nr. 1095/2010). Das Amtsblatt der EU ist online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/RECHreferencepub.do (zuletzt abgerufen am 30.11.2012). 39 Sogenannte Level-3-Ausschüsse CESR, CEIPS und CEBS, sowie IFCC. Im Einzelnen dazu vgl. Lehmann/Mange- Nestler, a.a.O. (88); Kämmerer, a.a.O. (1282 m.w.N.). 40 So sitzt etwa im Verwaltungsrat des ESRB ein stimmberechtigtes Mitglied der Kommission (Art. 6 Abs. 1 lit. c) ESRB-Verordnung). Nach Art. 15 Abs. 2 EBA-Verordnung arbeiten die ESAs, das ESZB, die Kommission, die nationalen Aufsichtsbehörden und die nationalen Statistikbehörden eng mit dem ESRB zusammen und stellen ihm alle für die Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Informationen gemäß dem Unionsrecht zur Verfügung . Die Kommission steht beispielsweise in enger Beziehung zur EBA dadurch, dass ein Kommissionsvertreter ohne Stimmrecht an den Sitzungen des Rates der Aufseher und des Verwaltungsrates der EBA teilnimmt (vgl. Art. 40 Abs. lit. c) und Art. 45 Abs. 2 UAbs. 2 EBA-Verordnung. Die Kommission ist auch bei der Erstellung der Kanditatenlisten für die Posten des Vorsitzenden und des Exekutivdirektors der EBA beteiligt (vgl. zum Verfahren Kohtamäki, a.a.O., S. 207). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 13 WD 11 – 3000 – 165/12 den am ESFS beteiligt. Das ESFS bildet dabei als Dachkonstrukt ohne eigene Rechtspersönlichkeit die organisatorische Klammer über die ihm zugehörigen Einrichtungen.41 Quelle: Kämmerer, Das neue Europäische Finanzaufsichtssystem (ESFS) – Modell für eine europäisierte Verwaltungsarchitektur ?, NVwZ 2011, 1281 (1282). 3.1.1. Makroprudentielle Aufsicht: ESRB Im System des ESFS obliegt die ganzheitliche-abstrakte (makroprudentielle42) Aufsicht über alle Finanzmarktbereiche dem ESRB.43 Dieser soll die allgemeine Stabilität des Finanzsystems in Europa als Ganzes überwachen und erforderlichenfalls als eine Art Frühwarnsystem Warnungen und Empfehlungen aussprechen. Der ESRB hat keine verbindlichen Entscheidungskompetenzen. Er ermittelt Systemrisiken44, versorgt die ESAs (EBA, ESMA und EIOPA) mit Informationen darüber 45, gibt Warnungen und gegebenenfalls Empfehlungen für Abhilfemaßnahmen heraus46 und 41 Lehmann/Manger-Nestler, a.a.O. (88). 42 Synonym wird der Begriff der Makroaufsicht verwendet (vgl. Reform von Bankenregulierung und Bankenaufsicht nach der Finanzkrise, Gutachten Nr. 03/10 des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, April 2010, online abrufbar unter http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/Publikationen/Studien/reform-von-bankenregulierung-undbankenaufsicht -wissenschaftlicher-beirat,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf, zuletzt abgerufen am 30.11.2012, S. 37). 43 Vgl. Verordnung (EU) Nr. 1092/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über die Finanzaufsicht der Europäischen Union auf Makroebene und zur Errichtung eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken, ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 1–11 und Verordnung (EU) Nr. 1096/2010 des Rates vom 17. November 2010 zur Betrauung der Europäischen Zentralbank mit besonderen Aufgaben bezüglich der Arbeitsweise des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken, ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 162–16. 44 Art. 3 Abs. 2 lit. a) ff., Art. 15 Verordnung (EU) 1092/2010. 45 Art. 3 Abs. 2 lit. g), 15 Abs. 1 Verordnung (EU) 1092/2010. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 14 WD 11 – 3000 – 165/12 stimmt seine Tätigkeit mit internationalen Finanzorganisationen und Drittlands- Aufsichtsbehörden ab47. Wichtigstes Entscheidungsgremium des ESRB ist der Verwaltungsrat, welcher aus dem EZB- Präsidenten und -Vizepräsidenten sowie den Präsidenten und Vizepräsidenten der nationalen Zentralbanken besteht.48 Zusätzlich ist der Vizepräsident der EZB im Lenkungsausschuss des ESRB vertreten49 und wird ein Vertreter der EZB in den Beratenden Fachausschuss des ESRB entsandt.50 Zudem stellt die EZB für den ESRB ein Sekretariat und leistet ihm dadurch analytische , statistische, logistische und administrative Unterstützung.51 Der Auftrag des Sekretariats umfasst neben der Vorbereitung der Sitzungen des ESRB die Erhebung und Verarbeitung von Informationen, die Vorbereitung der für die Ausführung der ESRB-Aufgaben notwendigen Analysen , die Unterstützung des ESRB bei der Entwicklung einer verwaltungstechnischen Kooperation mit anderen internationalen Gremien in Fragen der Makroaufsicht sowie die Unterstützung der Arbeit der Gremien des ESRB.52 Vorsitzender des ESRB ist für die ersten fünf Jahre der EZB- Präsident. Im Anschluss wird der ESRB-Vorsitz neu und nicht unbedingt an den EZB- Präsidenten vergeben.53 Die EZB ist trotz ihrer Einbindung kein offizieller Bestandteil des ESFS sondern ihm lediglich eng verbunden.54 Da der ESRB keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt, wird er durch die Angliederung an die EZB überhaupt erst handlungsfähig.55 3.1.2. Mikroprudentielle Aufsicht: ESA und nationale Aufsichtsbehörden Die mikroprudentielle Aufsicht56 wird hingegen in einem Zusammenspiel zwischen den ESAs und den nationalen Aufsichtsbehörden ausgeführt. Die Solvenzaufsicht gegenüber den einzelnen Markteilnehmern obliegt dabei den nationalen Aufsichtsbehörden. Unter Solvenzaufsicht ist die Beaufsichtigung der einzelwirtschaftlichen 46 Art. 3 Abs. 2 lit. c) ff., 16 ff. Verordnung (EU) 1092/2010. 47 Art. 3 Abs. 2 lit. i) Verordnung (EU) 1092/2010. 48 Art. 4 und 6 Verordnung (EU) 1092/2010. 49 Art. 11 Abs. 1 lit. b) Verordnung (EU) 1092/2010. 50 Art. 13 Abs. 1 lit. a) Verordnung (EU) 1092/2010. 51 Art. 2 Verordnung (EU) 1096/2010. 52 Vgl. Art. 4 Abs. 4 Verordnung (EU) 1092/2010i.V.m. Art. 15 Abs. 3 ESRB-Geschäftsordnung. 53 Vgl. zur Neubestimmung des ESRB-Vorsitzenden Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EU) 1092/2010. 54 Wymersch, ZGR 2011, 443 (454); vgl. auch Hartig, a.a.O. (775 m.w.N.). 55 Hartig, a.a.O. (776 m.w.N.). 56 oder Mikroaufsicht, vgl. oben Fn. 42. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 15 WD 11 – 3000 – 165/12 Geschäftstätigkeit von Banken, Versicherungen und Wertpapierdienstleistern, um durch deren regelmäßige Überprüfung sicherzustellen, dass die Geschäfte unter Beachtung der Regulierungsvorschriften so geführt werden, dass die betriebswirtschaftlichen Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung der Solvenz erfüllt sind, zu verstehen. Die Koordinierung zwischen den nationalen Aufsichtsbehörden und die Gewährleistung der einheitlichen Anwendung des materiellen Finanzmarktrechts ist Aufgabe der ESAs. Die ESAs sind als Regulierungsbehörden damit betraut, einen Beitrag zur Festlegung einheitlicher Regulierungs- und Aufsichtsstandards zu leisten, indem sie Stellungnahmen, Leitlinien, Empfehlungen und Entwürfe für technische Regulierungs- und Durchführungsstandards ausarbeiten .57 Zudem übernehmen sie die Aufsicht über die zuständigen Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten .58 Wenn die nationalen Aufsichtsbehörden gegen Unionsrecht verstoßen, kommt ein dreistufiger Mechanismus zur Anwendung, der von Untersuchungen durch die jeweilige ESA bis hin zur Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens als ultima ratio durch die Kommission reicht. Die ESAs können im Einzelfall durch verbindliche Beschlüsse gegenüber einzelnen Marktteilnehmern direkt ins Marktgeschehen eingreifen (Durchgriff) oder Einzelfallentscheidungen an nationale Aufsichtsbehörden richten (Weisung).59 Durchgriff bzw. Weisung kommen in Betracht, wenn eine anhaltende Rechtsverletzung einer nationalen Behörde vorliegt (z.B. Art. 17 Abs. 4 und 6 der EBA-VO), wenn der Rat den Krisenfall festgestellt hat (z.B. Art. 18 Abs. 4 der EBA-VO) oder bei Konflikten zwischen nationalen Aufsichtsbehörden (z.B. Art. 19 Abs. 4 der EBA-VO).60 Die ESA haben jedoch keine Möglichkeit, die Durchsetzung der Beschlüsse zu erzwingen . Diese Kompetenz haben ausschließlich die nationalen Aufsichtsbehörden, die von den ESAs entsprechend angewiesen werden können (vgl. etwa Art. 18 Abs. 3 EBA-Verordnung).61 Zusätzlich können die nationalen Aufsichtsbehörden auch freiwillig Aufgaben auf die ESAs übertragen. Die ESAs sind unabhängig: Sie dürfen Weisungen von EU-Organen oder -Einrichtungen, von mitgliedstaatlichen oder sonstigen öffentlichen oder von privaten Stellen weder annehmen noch anfordern.62 Alle drei ESAs sind ähnlich organisiert und verfügen jeweils über einen Vorsitzenden, einen Rat der Aufseher, einen Verwaltungsrat und einen Exekutivdirektor.63 Sie haben grundsätzlich analo- 57 z.B. Art. 8 EBA-Verordnung. Einen umfassenden Überblick über die Aufgaben und Befugnisse der EBA bieten Kohtamäki, a.a.O., S. 173ff. oder Ceyssens, Die neue europäische Aufsichtsarchitektur im Finanzbereich, Bonn 2011. 58 Vgl. z.B. Art. 17 EBA-Verordnung. 59 Kohtamäki, a.a.O., S. 186. 60 Im Einzelnen zu den Weisungs- und Durchgriffsbefugnissen der EBA vgl. Kohtamäki, a.a.O., S. 186ff. 61 Kohtamäki, a.a.O., S. 194 m.w.N. 62 z.B. Art. 42, 46, 49, 59 EBA-Verordnung. 63 Vgl. jeweilige Kapitell III der EBA-, EIOPA- und ESMA-Verordnungen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 16 WD 11 – 3000 – 165/12 ge Kompetenzen in ihrem jeweiligen Tätigkeitsbereich.64 Die ESA verfügen über zwei gemeinsame Organe: den Gemeinsamen Ausschuss, der die Erfüllung von sektorübergreifenden Aufgaben erleichtern soll, und den Beschwerdeausschuss, der über Beschwerden gegen bestimmte einzelne Entscheidungen der EU-Aufsichtsbehörden entscheidet.65 3.1.3. ESZB und EZB im System der Finanzaufsicht Dem ESFS, welches der Sicherung stabiler Finanzmärkte dient, tritt das Europäische System der Zentralbanken (ESZB) gegenüber, welches vorrangig der Preisstabilität verpflichtet ist (vgl. Art. 127 AEUV).66 Das ESZB wird nach Art. 282 Abs. 1 S. 1 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)67 aus der EZB und den nationalen Zentralbanken (NZB) aller Mitgliedstaaten der EU gebildet. Es ist unabhängig, damit es das vorrangige Ziel der Preisstabilität unbeeinflusst verfolgen kann. Die EZB ist nicht nur Teil des ESZB, sondern gemäß Art. 13 Abs. 1 UAbs. 2 6. Gedankenstrich EUV Organ der EU. Die Bestimmungen über die EZB sind gemäß Art. 13 Abs. 3 EUV im AEUV geregelt. Zudem finden sich Rechtsgrundlagen für das ESZB und die EZB auch im Protokoll Nr. 4 über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank (ESZB/EZB-Satzung)68. Gemäß Art. 51 EUV ist dieses Protokoll wie alle Protokolle und Anhänge Bestandteil des Primärrechts. Gemäß Art. 129 Abs. 1 AEUV i.V.m. Art. 9.3. ESZB/EZB-Satzung hat die EZB mit dem Direktorium und dem EZB-Rat zwei Beschlussorgane. Solange nicht alle Mitgliedstaaten der EU den Euro als Währung eingeführt haben, gibt es als drittes Beschlussorgan den Erweiterten Rat gemäß Art. 44 ESZB/EZB-Satzung. Gemäß Art. 12.1 ESZB/EZB-Satzung erlässt der EZB-Rat, bestehend aus den Präsidenten und Vizepräsidenten der NZB der Länder, die den Euro eingeführt haben, und den Mitgliedern des Direktoriums, die Leitlinien und Beschlüsse, die notwendig sind, um die Erfüllung der dem ESZB übertragenen Aufgaben zu gewährleisten. Er ist es demnach, der die Geldpolitik der EU i.S.d. Art. 127 AEUV festlegt.69 Das Direktorium, welches gemäß Art. 283 Abs. 2 UAbs. 1 AEUV aus Präsident, Vizepräsident und vier weiteren Mitgliedern besteht, führt gemäß Art. 11.6 der ESZB/EZB-Satzung die laufenden Geschäfte und ist gemäß Art. 12.1 UAbs. 2 S. 2 der ESZB/EZB-Satzung den NZB gegenüber weisungsbefugt. Zu den Aufgaben des erweiterten EZB-Rates, in dem auch die Präsidenten und Vizepräsidenten der Zentral- 64 Vgl. Art. 37 der jeweiligen Verordnung. Besonderheiten ergeben sich daraus, dass der ESMA spezielle direkte Aufsichtsaufgaben über Ratingagenturen übertragen wurden (vgl. dazu Kohtamäki, a.a.O., S. 146 m.w.N.). 65 Vgl. Art. 54ff. der jeweiligen Verordnungen. (Dazu im Einzelnen Kohtamäki, a.a.O., S. 148ff. m.w.N.). 66 Lehmann/Manger-Nestler, a.a.O. (89). 67 Konsolidierte Fassung des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union i.d.F. des Vertrages von Lissabon vom 9.5.2008 (ABl. C 83/47 vom 30.3.2010). 68 ABl. C 83/230 vom 30.3.2010. 69 Hahn/Häde, a.a.O., S. 148. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 17 WD 11 – 3000 – 165/12 banken der Länder vertreten sind, die den Euro nicht eingeführt haben, gehören vor allem der Informationsaustausch und die Koordination zwischen den Ländern, deren Währung der Euro ist, und den anderen Mitgliedstaaten. Höchster Repräsentant der EZB ist der EZB-Präsident, der zwar keine eigenen Entscheidungsbefugnisse hat, aber Teil aller drei Beschlussorgane ist. Gemäß Art. 282 Abs. 4 AEUV erlässt die EZB durch ihre Beschlussorgane die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Maßnahmen, wobei die Handlungsformen der EZB in Art. 132 AEUV geregelt sind. Danach kann die EZB Verordnungen (1. Gedankenstrich) und Beschlüsse (2. Gedankenstrich) erlassen sowie Empfehlungen und Stellungnahmen abgeben (3. Gedankenstrich). In der ESZB/EZB- Satzung wird konkretisiert, in welchen Bereichen welche Handlungsformen in Betracht kommen. Im Rahmen des ESFS wird die EZB gemäß Art. 127 Abs. 4 AEUV und Art. 4 lit. a) der EZB/ESZB- Satzung im Bereich der Bankenregulierung beratend tätig. Quelle: Kohtamäki, Die Reform der Bankenaufsicht in der Europäischen Union, 2012, S. 87. Über Art. 127 Abs. 5 AEUV und Art. 3.3. der EZB/ESZB-Satzung ist die EZB schon nach geltendem Recht in die europäische Finanzaufsicht einbezogen. So ist das ESZB verpflichtet, die zuständigen nationalen Behörden auf dem Gebiet der Aufsicht über Kreditinstitute und der Stabilität des Finanzsystems zu unterstützen. Es soll zur reibungslosen Durchführung der Maßnahmen Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 18 WD 11 – 3000 – 165/12 zur Aufsicht über die Kreditinstitute und der Stabilität des Finanzsystems beitragen. Das Primärrecht verleiht dem ESZB jedoch keine eigenen Kompetenzen im Bereich der Bankenaufsicht. ESZB und EZB haben allenfalls beratende Funktion.70 Zudem ist die EZB sowohl in den Gremien des ESRB71 als auch im Rat der Aufseher in der EBA72 personell beteiligt. Weiterhin stellt die EZB das Sekretariat des ESRB, welches für die Organisation der ESRB-Tätigkeiten zuständig ist.73 3.2. Aufsichtsstruktur nach den Vorschlägen im Verhältnis zur bestehenden Aufsichtsstruktur Weder die Vorschläge der Kommission noch der Kompromissvorschlag des Vorsitzes ändern das ESFS als Ganzes. Es wird lediglich die EZB als zusätzliche Aufsichtsbehörde etabliert, und das nur im Bereich der Bankenaufsicht. Die Aufgaben der EZB würden um solche im mikroprudentiellen Bereich erweitert. Die EZB würde Aufgaben übernehmen, die bislang nationale Aufsichtsbehörden übernommen haben. Sowohl EBA, EIOPA und ESMA als auch der ESRB bleiben mit ihren bisherigen Aufgaben bestehen. Die Kompetenzen der EBA als Bankaufsichtsbehörde der gesamten Europäischen Union einschließlich der Verteilung ihrer Kompetenzen im Verhältnis zu den nationalen Bankaufsichtsbehörden bleiben durch die Kommissionsvorschläge unberührt.74 Ihre Weisungskompetenzen und Eingriffsbefugnisse, die sie bislang im Fall der Verletzung bzw. Nichtanwendung von EU- Bankenaufsichtsrechts durch nationale Aufseher, im Falle einer vom Rat erklärten Krisensituation sowie in einem grenzüberschreitenden Streitfall zwischen mehreren nationalen Aufsichtsbehörden gegenüber den nationalen Aufsichtsbehörden hatte (vgl. Art. 17, 18, 19ff. EBA- Verordnung)75, soll sie nun im Wesentlichen auch gegenüber der EZB haben. Sollte die EZB als Aufsichtsbehörde etwa das EU-Bankenaufsichtsrecht nicht korrekt anwenden, wäre die EBA befugt , das Verfahren nach Art. 17 EBA-Verordnung in Gang zu setzen, an dessen Ende die Möglichkeit steht, einen direkten Einzelfallbeschluss gegenüber dem betroffenen Finanzinstitut zu erlassen, in dem die EBA dieses verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Auch hier besteht – wie auch bei Durchgriffen der EBA nach geltendem Recht – keine Möglichkeit für die EBA, ihren Beschluss durchzusetzen.76 Leichte Veränderungen zur bestehenden Aufsichtsstruktur sollen sich nach dem Kommissionsvorschlag im Zusammenhang mit der Feststellung des Krisenfalls durch den Rat oder bei Konflikten zwischen verschiedenen Aufsichtsbehörden ergeben. So soll die EZB in diesen Fällen nach 70 Kohtamäki, a.a.O., S. 88 m.w.N. 71 Vgl. oben Fn. 48 und 51. 72 z.B. Art. 40 Abs. 1 lit. d) EBA-Verordnung. 73 Im Einzelnen siehe oben 3.1.1 Makroprudentielle Aufsicht: ESRB, S. 14f.; Zur „Gefahr einer Abhängigkeit des ESRB von der EZB“ siehe Kohtamäki, a.a.O., s. 137 m.w.N. 74 Wie hier auch Brandi/Gieseler, a.a.O., S. 2649; Vgl. dazu auch die Begründung des Kommissionsentwurfs (Kom (2012) 512 endg., a.a.O.). 75 Vgl. dazu oben, 3.1.2 Mikroprudentielle Aufsicht: ESA und nationale Aufsichtsbehörden, S. 15ff., insbesondere Fn. 59 76 Siehe oben Fn. 61. WD 11 – 3000 – 165/12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 19 WD 11 – 3000 – 165/12 dem Verordnungsvorschlag zwar verpflichtet sein, der Aufforderung zum Erlass bestimmter Maßnahmen durch die EBA nachzukommen. Sie hätte aber anders als nationale Aufsichtsbehörden die Möglichkeit, einer Aufforderung nicht nachzukommen, wenn sie dafür eine angemessene Begründung vorlegt (vgl. Art. 1 Abs. 2 und 3 des Vorschlags zur Änderung der EBA- Verordnung77). Der Kompromissvorschlag vom 31.10.12 nimmt wie der Kommissionsvorschlag auf das Verfahren nach Art. 17 EBA-Verordnung keinen Bezug und sieht mit Blick auf das Weisungsrecht der EBA im Krisenfall nach Art. 18 EBA-Verordnung auch vor, dass die EBA die EZB verpflichten kann, bestimmte Beschlüsse zu fassen, dass die EZB aber auch innerhalb von 48 Stunden die Beschlussfassung begründet ablehnen kann. Mit Blick auf das Weisungsrecht der EBA nach Art. 19 EBA-Verordnung im Fall des Konflikts zwischen Aufsichtsbehörden werden im Kompromissvorschlag verschiedene Optionen in Betracht gezogen: So wird zum einen auch hier in Anlehnung an den Kommissionsvorschlag die Möglichkeit der EZB vorgesehen, der „Weisung“ der EBA nachzukommen oder die Ausführung innerhalb von 10 Tagen begründet abzulehnen.78 Alternativ wird eine „binding mediation for all“79 oder die Variante vorgeschlagen, dass die betroffenen nationalen Aufsichtsbehörden Adressaten eines bindenden Vermittlungsbeschlusses der EBA sind80. Insgesamt ist es also das Verhältnis zwischen EBA und EZB, für das noch keine politische Einigkeit besteht. Klar ist aber, dass die EZB durch die Zuweisung der Bankenaufsicht erstmals ausdrücklich und direkt in das ESFS eingegliedert würde. Bislang war sie daran nur indirekt dadurch beteiligt, dass sie beratend und unterstützend tätig wird.81 Das oben dargestellte Modell des ESFS würde entsprechend um die EZB anstelle bzw. neben den nationalen Stellen ergänzt werden müssen: 77 Kom (2012) 512 endg., S. 9. 78 Ratsdok. 15719/12, Option 1, S. 5. 79 a.a.O., Option 2, S. 5. 80 a.a.O., Option 3, S. 6. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 20 WD 11 – 3000 – 165/12 81 Siehe oben, 3.1.3 ESZB und EZB im System der Finanzaufsicht, S. 17f. WD 11 – 3000 – 165/12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 21 WD 11 – 3000 – 165/12 Quelle: Kämmerer, Das neue Europäische Finanzaufsichtssystem (ESFS) – Modell für eine europäisierte Verwaltungsarchitektur?, NVwZ 2011, 1281 (1282). Abhängig davon, wie weit die Befugnisse der EZB angelegt sein sollen, würde sie die nationalen Stellen jedenfalls im Bereich der Bankenaufsicht ersetzen oder komplementieren . Im Bereich von Wertpapier- und Versicherungsaufsicht bliebe es bei der Einbindung der nationalen Stellen wie bisher. Dadurch, dass der ESRB schon jetzt an die EZB angegliedert ist, würde die geplante Übertragung von Aufsichtsaufgaben auf die EZB dazu führen, dass diese sowohl in die makroprudentielle als auch in die mikroprudentielle Bankenaufsicht eingebunden wäre. ESMA und EIOPA wären in ihrer Arbeit von den erweiterten Befugnissen der EZB aber nicht berührt, da die EZB mikroprudentielle Aufgaben lediglich im Bereich der Banken-, nicht aber im Bereich der Wertpapier und der Versicherungsaufsicht übernehmen würde. In diesen Bereichen bliebe es bei dem Zusammenspiel aus nationalen Aufsichtsbehörden, Europäischer Aufsichtsbehörde und ESRB. 4. Frage 2: Welche Institute mit welchen spezifischen Merkmalen der Geschäftstätigkeit wären von der EZB-Aufsicht betroffen? Der Verordnungsvorschlag EZB wird von der Kommission auf Art. 127 Abs. 6 AEUV gestützt.82 Auf Grundlage dieser primärrechtlichen Ermächtigung können der EZB besondere Aufsichtsauf- Nach dem Kommissionsvorschlag würden nicht (mehr nur) nationale Stellen sondern (auch) die EZB in die Finanzaufsicht eingebunden . WD 11 – 3000 – 165/12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 22 WD 11 – 3000 – 165/12 gaben über Kreditinstitute und sonstige Finanzinstitute mit Ausnahme von Versicherungsunternehmen übertragen werden. Kreditinstitute im Sinne von Art. 127 Abs. 6 AEUV sind Unternehmen, deren Tätigkeit darin besteht, Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder des Publikums entgegenzunehmen und Kredite für eigene Rechnung zu gewähren.83 Von dem übergreifenden, auch Kreditinstitute umfassenden Begriff der Finanzinstitute werden auch Einrichtungen erfasst, die keine Kreditinstitute sind84 und deren Haupttätigkeit im Erwerb von Beteiligungen besteht sowie Wertpapierfirmen und sonstige Unternehmen oder solche Einrichtungen, deren Tätigkeit diesen Unternehmen entspricht oder deren Haupttätigkeit im Erwerb von Finanzanlagen oder in der Umwandlung von Finanzforderungen besteht.85 Auf dieser primärrechtlichen Grundlage soll sich die EZB-Aufsicht gemäß des Verordnungsvorschlags EZB auf folgende Marktteilnehmer erstrecken: 4.1. Kreditinstitute 4.1.1. Kommissionsvorschlag Der Verordnungsvorschlag EZB betrifft eine Vielzahl von zentralen Aufsichtsbefugnissen (Art. 4 Nr. 1 lit. (a)-(h), (k) Verordnungsvorschlag) in Bezug auf alle Kreditinstitute, die in den am einheitlichen Aufsichtsmechanismus teilnehmenden Mitgliedstaaten ansässig sind, unabhängig von ihrem Geschäftsmodell und ihrer Größe. Bei der letztlich herzustellenden Aufsicht differenziert der Verordnungsvorschlag EZB nicht zwischen den spezifischen Geschäftstätigkeiten der zu beaufsichtigenden Banken. Für die Definition des Begriffs „Kreditinstitut“ nimmt der Kommissionsvorschlag Bezug auf die Begriffsdefinition in Richtlinie 2006/48/EG über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit von Kreditinstituten.86 Danach werden von dem Begriff „Kreditinstitut“ alle Unternehmen erfasst, deren Tätigkeit darin besteht, Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder des Publikums entgegenzunehmen und Kredite für eigene Rechnung zu gewähren (Art. 4 Nr. 1 Richtline 2006/48/EG87). Die in der Richtlinie 2006/48/EG in Bezug auf Kreditinstitute angeleg- 83 Vgl. Art. 1 der Richtlinie 77/780/EWG des Rates vom 12.12.1977 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit des Kreditinstituts, ABl. L 322/30; Art. 4 Nr. 1 der Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.6.2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (Neufassung), ABl. L 177/13. 84 Vgl. 9. Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 3604/93 des Rates vom 13.12.1993 zur Festlegung der Begriffsbestimmungen für die Anwendung des Verbots des bevorrechtigten Zugangs gemäß Art. 104a des Vertrages : „Die Finanzinstitute, insbesondere die Kreditinstitute. [...]“. 85 Vgl. Art. 4 Abs. 1 6. Spiegelstrich der Verordnung (EG) Nr. 3604/93 des Rates vom 13.12.1993 zur Festlegung der Begriffsbestimmungen für die Anwendung des Verbots des bevorrechtigten Zugangs gemäß Art. 104a des Vertrages; Häde, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV-Kommentar, Art. 127, Rn. 57; Art. 4 Nr. 5 der Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.6.2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (Neufassung), ABl. L 177/13. 86 Richtlinie 2006/48/EG, S. 1. 87 Für die Anwendung des Begriffs „Kreditinstitut“ auch auf E-Geld-Institute vgl. Richtlinie 2000/46/EG des Euro- Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 23 WD 11 – 3000 – 165/12 82 Zu der Frage, ob die Übertragung von Aufsichtskompetenzen auf die EZB auf diese Rechtsgrundlage gestützt werden kann vgl. die Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 149/12 von Andrea Eriksson und Hannes Rathke, S. 11-21. päischen Parlaments und des Rates vom 18.September 2000 über die Aufnahme, Ausübung und Beaufsichtigung der Tätigkeit von E-Geld-Instituten, ABl. L 275 v. 27.10.2000, S. 39. WD 11 – 3000 – 165/12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 24 WD 11 – 3000 – 165/12 ten Koordinierungsmaßnahmen sollen zwar objektive Unterschiede in Status und Aufgabenstellung der Kreditinstitute nach den nationalen Vorschriften berücksichtigen, aber gleichwohl für den gesamten Kreditsektor gelten. Soweit Vorschriften des mitgliedstaatlichen Kreditwesens den Begriff des Kreditinstituts weiter definieren, als es in der Richtlinie 2006/48/EG der Fall ist, sollen diese nur nach mitgliedstaatlichem Recht als Kreditinstitut handelnden Marktteilnehmer nicht unter die unionsrechtliche Aufsicht der EZB fallen. Die projektierte Primärzuständigkeit der EZB soll sich sowohl auf die Aufsicht über systemrelevante Kreditinstitute oder solche, die staatliche Unterstützung erhalten oder grenzüberschreitende Aufgaben wahrnehmen, als auch auf kleinere oder lediglich lokal oder regional agierende Kreditinstitute erstrecken. Zentrales Kriterium für die Ausübung der Aufsichtsbefugnisse soll damit primär die Ansässigkeit des Kreditinstituts sein. Von der EZB-Aufsichtsbefugnis für Kreditinstitute erfasst würden dadurch auch solche Kreditinstitute, die zwar in nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten niedergelassen sind, aber in einem teilnehmenden Mitgliedstaat eine Zweigstelle errichtet haben oder grenzübergreifende Dienste anbieten (Art. 4 Abs. 2 Verordnungsvorschlag EZB).88 Daneben könnten auch Mitgliedstaaten, die den Euro nicht eingeführt haben, im Rahmen einer „engen Zusammenarbeit“ an der Bankenunion teilnehmen (Art. 6 Verordnungsvorschlag EZB). Soweit diese Staaten eine enge aufsichtsrechtliche Verbindung mit der EZB eingehen, würde diese ihre neu übertragenen Aufgaben auch in Bezug auf Kreditinstitute ausüben, die in diesen Staaten ansässig (d.h. niedergelassen oder mit einer Zweigstelle oder grenzübergreifenden Diensten gegenwärtig) sind. Die Kommission begründet die geplante umfassende Aufsicht damit, dass die Zuverlässigkeit und der Solidität großer Banken von entscheidenden Bedeutung für die Gewährleistung der Stabilität des Finanzsystems ist.89 Da sich in jüngster Vergangenheit gezeigt habe, dass auch von kleineren Kreditinstituten erhebliche negative Auswirkungen für die Finanzstabilität der Mitgliedstaaten ausgehen können, müsse die EZB ihre Aufsichtsaufgaben in Bezug auf alle Kreditinstitute unabhängig von ihrer Größe der teilnehmenden Mitgliedstaaten unabhängig von ihrer Größe oder Geschäftstätigkeit ausüben können.90 Die einheitliche und umfassende Aufsicht der EZB über alle ansässigen Kreditinstitute bildet den angestrebten Schlusspunkt der Errichtung des „einheitlichen Aufsichtsmechanismus“. Lediglich für die Übergangsphase der Übernahme der Aufsichtsaufgaben sieht der Verordnungsvorschlag EZB eine Differenzierung zwischen „kleinen“ und „großen“ Kreditinstituten vor. Gemäß Art. 27 Abs. 1 Verordnungsvorschlag EZB werden von den EZB-Aufsichtsbefugnissen mit Beginn ihrer Aufsichtstätigkeit zunächst „die bedeutendsten europaweit systemrelevanten Kreditinstitute , Finanzholdinggesellschaften und gemischten Finanzholdinggesellschaften“ sowie solche Kreditinstitute erfasst, die eine öffentliche finanzielle Unterstützung beantragt oder erhalten haben. Die Systemrelevanz soll auf der Grundlage des Gesamtkreditbestands bzw. der Summe der For- 88 KOM (2012) 511 endg., S. 4. 89 KOM (2012) 511 endg., 13. Erwägungsgrund, S. 12. 90 KOM (2012) 511 final, 13. Erwägungsgrund, S. 12; Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat, Fahrplan für eine Bankenunion, S. 8 f. 82 Zu der Frage, ob die Übertragung von Aufsichtskompetenzen auf die EZB auf diese Rechtsgrundlage gestützt werden kann vgl. die Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 149/12 von Andrea Eriksson und Hannes Rathke, S. 11-21. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 25 WD 11 – 3000 – 165/12 derungswerte (Aktiva und außerbilanzliche Verbindlichkeiten) und der grenzübergreifenden Tätigkeiten des Kreditinstituts (bspw. länderübergreifende Forderungen/Verbindlichkeiten) festgestellt werden. Der Gesamtkreditbestand soll anhand der Methoden ermittelt werden, die in den Basel-III-Bestimmungen zur Berechnung des Verschuldungsgrads und zur Festlegung des Kernkapitals (Tier-1-Kapital) definiert sind.91 Die Übergangsphase soll spätestens ein Jahr nach dem Inkrafttreten dieser Verordnung beendet sein und die Zahl der von der EZB beaufsichtigten Kreditinstitute unter Berücksichtigung der Bedeutung der Beaufsichtigung dieser Kreditinstitute für die Gewährleistung der Finanzstabilität schrittweise erhöht werden. 92 Nach Ablauf der Übergangsphase soll die EZB die ihr in Art. 4 Verordnungsvorschlag EZB übertragenen Aufgaben in vollem Umfange für alle Kreditinstitute unabhängig von ihrem Geschäftsmodell und ihrer Größe übernehmen, sofern sie in den teilnehmenden Mitgliedstaaten ansässig sind. 93 4.1.2. Die politische Diskussion über Art und Umfang der zu beaufsichtigenden Unternehmen Auf Grundlage des Vorschlags der Kommission steht die konkrete Ausgestaltung des einheitlichen Aufsichtsmechanismus in der politischen Diskussion, aus der sich bis zur Tagung des Rates (Wirtschaft und Finanzen – ECOFIN) am 4.12.2012 eine Lösung ergeben soll. Derzeit zeichnen sich im Wesentlichen zwei Positionen ab. Im Widerspruch zu dem Verordnungsvorschlag EZB steht der Vorschlag im Raum, dass die EZB keine formale Zuständigkeit für alle Kreditinstitute, sondern lediglich ein Zugriffsrecht erhalten soll.94 Nur auf der Grundlage eines präzise definierten Zugriffs- bzw. Selbsteintrittsrechts (derzeit Art. 8 Verordnungsvorschlag EZB), für welches die Tatbestandsvoraussetzungen in der Verordnung selbst klar definiert sind, soll die EZB auf alle Banken zugreifen können. Infolge entsprechender Informationsrechte müsse erkennbar sein, wann der EZB-Zugriff geboten ist. 95 Die EZBsoll nach dieser Position lediglich die direkte Aufsicht über systemrelevante Banken sowie Banken in Schwierigkeiten erhalten. Eine Bank ist insbesondere dann systemrelevant, wenn zu besorgen ist, dass sich die Bestandsgefährdung des Kreditinstituts in erheblicher Weise negativ auf andere Unternehmen des Finanzsektors, auf die Finanzmärkte oder auf das allgemeine Vertrauen 91 Vgl. Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, Basel III: Ein globaler Regulierungsrahmen für widerstandsfähigere Banken und Bankensysteme, abrufbar unter http://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Kerngeschaeftsfelder/Bankenaufsicht/Basel/BaselerAus schuss/201012basel3einglobalerregulierungsrahmenfuerwiderstandsfaehigerebankenundbankensyste me.pdf?blob=publicationFile; http://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Kerngeschaeftsfelder/Bankenaufsicht/Basel/basel3press emitteilungbiz201103.pdf?blob=publicationFile 92 Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 18./19.10., EUCO 156/12, S. 7; KOM(2012) 511 final, 44. Erwägungsgrund, S. 19. 93 Vgl. die Bekräftigung in Nr. 11 des Berichts des Vorsitzenden des Rates der Europäischen Union vom 6.11.2012, Dok-Nr. 15663/12. 94 Vgl. den Vorschlag Deutschlands in der ad hoc Ratsarbeitsgruppe zum einheitlichen Aufsichtsmechanismus für Banken am 5. und 6. November 2012, vertraulicher Drahtbericht Nr. 5245 vom 9.11.2012, abrufbar in Eudox, Seite 2. 95 Vgl. BT-Drs. 17/10781 (Antrag Bankenunion – Subsidiaritätsgrundsatz beachten), S. 2 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 26 WD 11 – 3000 – 165/12 der Einleger und anderer Marktteilnehmer in die Funktionsfähigkeit des Finanzsystems auswirkt .96 Nicht systemrelevante oder kleinere Kreditinstitute sollen danach grundsätzlich von den nationalen Aufsichtsbehörden beaufsichtigt werden. Für diese Kreditinstitute bestünde für die EZB dann ein Zugriffsrecht, wenn dies aus Gründen der Finanzstabilität für Europa insgesamt erforderlich wäre. Alternativ könnten die nationalen Aufsichtsbehörden verpflichtet werden, vor wichtigen Entscheidungen verbindliche Weisungen der EZB einzuholen bzw. die EZB könnte als Widerspruchsbehörde für Entscheidungen der nationalen Aufsichtsbehörden fungieren. Die Forderung nach einem differenzierten Aufsichtsmechanismus wird u.a. damit begründet, dass kleinere Banken nicht über die Kapazitäten verfügen, um in einen Aufsichtsdialog mit der EZB eintreten zu können. Außerdem seien kleinere Banken wegen ihrer Größe oder wegen des fehlenden transnationalen Bezug, aus dem systemische Risiken resultieren könnten, nicht systemrelevant . Zudem können sie auf Grund öffentlicher Garantien oder eigenen Einlagensicherungssystemen teilweise erst gar nicht „in Schieflage geraten“ oder ausfallen.97 Dieser Auffassung stehen die Kompromissvorschläge der Ratspräsidentschaft98, welche den Vorschlag der Kommission bezüglich der zu beaufsichtigenden Institute unverändert lassen, gegenüber . Danach soll – wie auch nach dem Kommissionsvorschlag – nicht zwischen verschiedenen Arten oder Geschäftsfeldern der zu beaufsichtigenden Kreditinstitute und der daraus folgenden geteilten Aufsicht zwischen EZB und nationalen Aufsichtsbehörden differenziert werden.99 Vielmehr soll das Aufsichtsmandat der EZB sämtliche Banken ohne Differenzierung zwischen systemrelevanten und anderen Banken umfassen. Es müsse eine einheitliche, wenngleich dem Grundsatz der Subsidiarität entsprechend dezentral organisierte Aufsichtsstruktur für alle Banken der teilnehmenden Mitgliedstaaten unter dem Dach der EZB geschaffen werden (Art. 5 Abs. 3 Verordnungsvorschlag EZB). Auch eine zentrale Aufsichtszuständigkeit der EZB beließe den nationalen Behörden einen hinreichend breiten Bereich eigener Verantwortung, in dem ihnen die operative Durchführung der Aufsichtstätigkeit obläge. Diese Forderung nach einem undifferenzierten, einheitlichen Aufsichtsmechanismus wird u.a. damit begründet, dass umfassende, bei den nationalen Aufsichtsbehörden verbleibende Aufsichtszuständigkeiten eine kohärente unionsweite Aufsicht durch die EZB konterkarierten, eine Aufgabenteilung anhand einer Unterscheidung nach quantitativen Kriterien schwierig und eine Delegation von Aufgaben der EZB an die nationalen Aufsichtsbehörden nicht möglich sei.100 96 Zu der Diskussion des umstrittenen Begriffs der Systemrelevanz vgl. Wolfers/Voland, Sanierung und Insolvenz von Banken unter besonderer Berücksichtigung der Vorgaben des Verfassungs- und Europarechts, in: Hopt/Wohlmannstetter, Handbuch Corporate Governance von Banken, 2011, 2. Teil. 97 Ausdrücklich gegen ein allgemeine Aufsicht durch die EZB auch für nicht systemrelevante, national agierende Kreditinstitute vgl. Bundesrat, Drucksache 546/12 (Beschluss), S. 4 ff. 98 Vgl. oben Fn. 34. 99 Ratsdokument 15718/12, S. 3. 100 Vgl. Ratsdokument 15663/12, S. 6 f. 82 Zu der Frage, ob die Übertragung von Aufsichtskompetenzen auf die EZB auf diese Rechtsgrundlage gestützt werden kann vgl. die Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 149/12 von Andrea Eriksson und Hannes Rathke, S. 11-21. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 27 WD 11 – 3000 – 165/12 4.2. Finanzholdinggesellschaften, gemischte Finanzholdinggesellschaften und Finanzkonglomerate Die projektierte Aufsicht durch die EZB erfasst auch die in einem teilnehmenden Mitgliedstaat niedergelassenen Muttergesellschaften von Kreditinstituten einschließlich der Finanzholdinggesellschaften und der gemischten Finanzholdinggesellschaften sowie die Mitwirkung an der Beaufsichtigung der Muttergesellschaften, die nicht in einem teilnehmenden Mitgliedstaat niedergelassen sind (Art. 4 Nr. 1 lit. (i) VO-Vorschlag). Für die Definition des Begriffs „Finanzholdinggesellschaft“ nimmt der Kommissionsvorschlag wiederum Bezug auf die Begriffsdefinition in Richtlinie 2006/48/EG über die zusätzliche Beaufsichtigung der Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen eines Finanzkonglomerats .101 Danach sind Finanzholdinggesellschaften Finanzunternehmen, E-Geld-Institute und Zahlungsinstitute, deren Tochterunternehmen ausschließlich oder hauptsächlich Institute, Finanzunternehmen, E-Geld-Institute oder Zahlungsinstitute sind und die mindestens ein Einlagenkreditinstitut oder ein Wertpapierhandelsunternehmen zum Tochterunternehmen haben. Dabei müssen unter den Tochterunternehmen der Finanzholding-Gesellschaft Institute und Finanzunternehmen dominieren, die Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder des Publikums entgegennehmen und das Kreditgeschäft betreiben. Eine Dominanz liegt u. a. vor, wenn die Hälfte der Bilanzsumme oder die Hälfte des Eigenkapitals aller Tochterunternehmen auf Institute oder Finanzunternehmen entfällt und die Aktivitäten dieser Unternehmen für die Holdinggruppe charakteristisch sind.102 Für die Definition des Begriffs „gemischte Finanzholdinggesellschaft“ nimmt der Kommissionsvorschlag Bezug auf die Begriffsdefinition in Richtlinie 2002/87/EG über die zusätzliche Beaufsichtigung der Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen eines Finanzkonglomerats .103 Gemäß Art. 2 Nr. 15 der Richtlinie sind gemischte Finanzholdinggesellschaften Mutterunternehmen, die keine beaufsichtigten Finanzkonglomeratsunternehmen sind und die zusammen mit ihren Tochterunternehmen, von denen mindestens ein Unternehmen ein beaufsichtigtes Finanzkonglomeratsunternehmen mit Sitz im Inland oder einem anderen Staat des Europäischen Wirtschaftsraums ist, und anderen Unternehmen ein Finanzkonglomerat bilden. Um eine gemischte Finanzholding-Gesellschaft handelt es sich insbesondere dann, wenn ein Mutterunternehmen – ohne seinerseits beaufsichtigtes Finanzkonglomeratsunternehmen zu sein – Tochterunternehmen hält, die sowohl in der Banken- und Wertpapierdienstleistungsbranche als auch in der Versicherungsbranche tätig sind und bei denen mindestens ein Unternehmen ein beaufsichtigtes Finanzkonglomeratsunternehmen mit Sitz im Inland oder in einem anderen Staat des EWR ist. Von dem Begriff der „gemischten Finanzholdinggesellschaft“ werden nicht die der Aufsicht unterliegende Mutterunternehmen erfasst, die zusammen mit ihren Tochterunternehmen , von denen mindestens eines der beaufsichtigten Unternehmen mit Sitz in der Union ist, 101 Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute, ABl. Nr. L 177/1. 102 Vgl. BT-Drs. 12/6957 (Gesetzesentwurf zur Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen), S. 22. 103 Richtlinie 2002/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die zusätzliche Beaufsichtigung der Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen eines Finanzkonglomerats vom 16. Dezember 2002, ABl. Nr. L 35/1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 28 WD 11 – 3000 – 165/12 und anderen Unternehmen ein „Finanzkonglomerat“ bildet. Mit dem Begriff der gemischten Finanzholding -Gesellschaft als spezieller Ausprägung von Finanzkonglomeraten werden die sektoralen Definitionen der Finanzholding-Gesellschaften und des gemischten Unternehmens voneinander abgegrenzt. Schließlich werden von der projektierten EZB-Aufsicht Bankengruppen oder Finanzkonglomerate als Voraussetzung für eine zusammengefasste, branchenübergreifende Regulierung und Aufsicht dieser Unternehmensgruppe (Art. 4 Abs. 1 lit. (j) Verordnungsvorschlag EZB) erfasst. Für die Definition des Begriffs „Finanzkonglomerat“ nimmt der Kommissionsvorschlag wiederum Bezug auf die Begriffsdefinition in Richtlinie 2002/87/EG. Der Begriff der Finanzkonglomerate bezeichnet Finanzgruppen, die ihre Dienstleistungen und Produkte in verschiedenen Finanzbranchen anbieten. Als Finanzkonglomerat wird grundsätzlich ein sektorübergreifender Finanzkonzern mit Tätigkeit sowohl im Banken- und Investmentbereich als auch im Versicherungswesen angesehen.104 Um das Vorliegen eines Finanzkonglomerats zu bejahen, muss es sich 1. um eine Gruppe von Unternehmen einschließlich deren Beteiligungen105 handeln, 2. das Mutterunternehmen ein beaufsichtigtes Unternehmen oder ein Tochterunternehmen ein Einlagenkreditinstitut , Wertpapierhandelsunternehmen oder Erstversicherungsunternehmen und die Gruppe vorwiegend in der Finanzbranche tätig sein, 3. der Unternehmensgruppe mindestens ein Unternehmen sowohl der Versicherungsbranche als auch ein Unternehmen der Bank-bzw. Wertpapierdienstleistungsbranche angehören und 4. der Anteil der konsolidierten und aggregierten Tätigkeit der Unternehmen bzw. der der Gruppe sowohl in der Versicherungsgruppe als auch in der Banken- und Wertpapierdienstleistungsgruppe erheblich sein.106 4.3. Fazit Von der durch die Kommission vorgeschlagenen EZB-Aufsicht wären nach einer Übergangsphase alle in den teilnehmenden Mitgliedstaaten ansässigen Kreditinstitute unabhängig von ihrem Geschäftsmodell und ihrer Größe sowie Finanzholdinggesellschaften, gemischte Finanzholdinggesellschaften und Finanzkonglomerate erfasst. 5. Frage 3: Verhältnis des neuen Aufsichtsregimes zum Herkunftslandprinzip Fraglich ist, in welchem Verhältnis das projektierte Aufsichtsregime zum Herkunftslandprinzip, wonach (rechtlich unselbständige) Finanzinstitute (mit EU-Pass) grundsätzlich der Aufsicht des 104 KOM(2012) 511 final, 20. Erwägungsgrund, S. 14; 2. Erwägungsgrund der Richtlinie 2002/87/EG; vgl. auch die im Rahmen des Aktionsplans zu Finanzdienstleistungen ergangenen Maßnahmen zur Beaufsichtigung von Finanzkonglomeraten , Richtlinie 2002/87/EG, sowie das die Richtlinie umsetzende Finanzkonglomeraterichtlinie- Umsetzungsgesetz vom 21.12.2004 (BGBl. 2004 I S. 3610). 105 Dies sind Anteile an anderen Unternehmen, die bestimmt sind, dem eigenen Geschäftsbetrieb durch Herstellung einer dauernden Verbindung zu jenen Unternehmen zu dienen. 106 Vgl. eingehend Erdland/Neuburger, in: Hopt/Wohlmannstetter, Handbuch Corporate Governance von Banken, 2011, 4. Teil. 82 Zu der Frage, ob die Übertragung von Aufsichtskompetenzen auf die EZB auf diese Rechtsgrundlage gestützt werden kann vgl. die Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 149/12 von Andrea Eriksson und Hannes Rathke, S. 11-21. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 29 WD 11 – 3000 – 165/12 Mutterlandes unterworfen sind, steht bzw. ob das Herkunftslandprinzip auch weiterhin für Institute mit grenzüberschreitenden Aktivitäten gilt. 5.1. Europäischer Pass und Herkunftslandprinzip Im Wege der Harmonisierung der Zulassungsbedingungen im Kreditwesen wurde der sogenannte „Europäische Pass“ geschaffen, der Wertpapierhandelsunternehmen, E-Geld-Instituten und Kreditinstituten , die Einlagen oder andere rückzahlbaren Gelder des Publikums entgegennehmen und das Kreditgeschäft betreiben, freien Zugang zu den Märkten der Mitgliedstaaten im Wege des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs oder über die Errichtung einer Zweigstelle gewährt .107 Auf Grundlage des „Europäischen Passes“ können diese Institute und Unternehmen innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes ohne das Erfordernis einer zusätzlichen Zulassung in den Aufnahmestaaten Bank- und Wertpapierhandelsgeschäfte betreiben. Voraussetzung hierfür ist, dass die Unternehmen in einem Land des EWR (Herkunftsland) zugelassen sind und der dortigen Aufsicht, die den EU-rechtlichen Anforderungen entspricht, unterliegen. Die Aufsicht und Überwachung über die Zulassung der Aufnahme einer spezifischen Geschäftstätigkeit 108, deren Durchführung sowie die Zulassung von Zweigniederlassungen und grenzüberschreitenden Dienstleistungen obliegt dabei grundsätzlich der zuständigen Heimatlandbehörde (Herkunftslandprinzip).109 Das Herkunftslandprinzip fußt damit auf der gegenseitigen Anerkennung der Aufsichtstätigkeit in den Mitgliedstaaten und dem Vertrauen auf eine wirksame Heimatlandaufsicht durch den Aufnahmestaat.110 Auf Grundlage des „Europäische Passes“ unterliegen Banken, Wertpapierhandelsunternehmen und andere Finanzinstitute unionsweit gleichwertigen und gleichförmigen Aufsichtsregeln. Dies dient der Verwirklichung ihrer unionsprimärrechtlichen Grundfreiheiten (insbesondere der Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit) des europäischen Binnenmarktes. Eine sekundärrechtliche Neuregelung der Aufsicht darf weder die Verwirklichung der Grundfreiheiten der Marktteilnehmer primärrechtswidrig beschränken noch der im „Europäischen Pass“ zum Ausdruck kommende Einheit und Integrität der Verwirklichung des Binnenmarktes entgegenstehen . Entsprechend der bestehenden Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen dem Herkunfts- 107 Follak, Kapitalmarkt-, Börsen- und Investmentrecht, in: Dauses, EU-Wirtschaftsrecht, 31. Ergänzungslieferung 2012, F. III., Rn. 29 ff. 108 Vgl. für die Liste der Tätigkeiten, für die die gegenseitige Anerkennung gilt Anhang I der Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute, ABl. Nr. L 177/1; Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, ABl. Nr. L 145/1, ber. ABl. 2005 Nr. L 45/18. 109 Vgl. Zweite Richtlinie 89/646/EWG des Rates vom 15.12.1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Tätigkeit der Kreditinstitute und zur Änderung der Richtlinie 77/780/EWG, ABl. EG Nr. L 386/1; Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, ABl. EG Nr. L 145/1. 110 Vgl. BT-Drs. 14/8017 (Gesetzesbegründung viertes Finanzmarktförderungsgesetz), S. 121 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 30 WD 11 – 3000 – 165/12 und dem Aufnahmemitgliedstaat muss nach Auffassung der Kommission auch eine Neuregelung ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Herkunfts- und Aufnahmestaat sicherstellen.111 5.2. Neue Aufsichtsstruktur und Herkunftslandprinzip Indem der EZB in Art. 4 Verordnungsvorschlag EZB wesentliche Aufsichtsaufgaben übertragen werden sollen, entfällt in den übertragenen Bereichen grundsätzlich das Bedürfnis für eine Differenzierung zwischen der Aufsicht im Herkunfts- und Aufnahmestaat. Die Differenzierung soll den Marktteilnehmern die Ausübung ihrer Grundfreiheiten in einem einheitlichen Binnenmarkt erleichtern. Nunmehr soll in den der EZB übertragenen Aufgabenbereichen eine einheitliche, gleichförmige Aufsicht durch die EZB erfolgen. Soweit die der EZB übertragenen Aufgaben betroffen sind, übernimmt sie die Rolle der Aufsichtsbehörde über Kreditinstitute, die ihr Niederlassungsrecht und ihr Recht auf freien Dienstleistungsverkehr in anderen teilnehmenden Mitgliedstaaten ausüben.112 Darüber hinaus nimmt die EZB nach Art. 4 Nr. 2 Verordnungsvorschlag EZB ihre Aufsicht auch gegenüber solchen Kreditinstituten mit Sitz in einem nicht teilnehmenden Mitgliedstaat wahr, die in einem teilnehmenden Staat eine Zweigniederlassung gründen oder grenzüberschreitende Dienstleistungen erbringen. Nach Ansicht der Kommission besteht bei Fragen im Zusammenhang mit diesen Aufgaben keine Notwendigkeit, Zuständigkeiten zwischen dem Herkunfts- und dem Aufnahmemitgliedstaat aufzuteilen, weshalb die einschlägigen Bestimmungen zwischen den teilnehmenden Mitgliedstaaten nicht länger Anwendung finden sollen . Der europäische Binnenmarkt wirkt damit als gemeinsames „Herkunftsland“ aller von der EZB-Aufsicht betroffenen Marktteilnehmer. Das Herkunftslandprinzip besteht nach seinem ursprünglichen Verständnis nur in den nicht der EZB übertragenen Aufgabenbereichen fort. Hierzu zählen insbesondere die Befugnis zur Entgegennahme von Mitteilungen von Kreditinstituten hinsichtlich ihres Niederlassungsrechts und der Dienstleistungsfreiheit, die Beaufsichtigung von Einrichtungen, bei denen es sich nicht um Kreditinstitute im Sinne des Unionsrechts handelt, die aber nach nationalem Recht zu beaufsichtigen sind, die Beaufsichtigung von Kreditinstituten aus Drittländern, die in der Union eine Zweigstelle errichten oder grenzübergreifend Dienstleistungen erbringen, die Überwachung von Zahlungsdienstleistungen, die Durchführung der täglichen Überprüfung von Kreditinstituten, die Wahrnehmung der Funktionen der zuständigen Behörde hinsichtlich der Märkte für Finanzinstrumente und die Bekämpfung des Missbrauchs des Finanzsystems für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung .113 Für die teilnehmenden Mitgliedstaaten gelten in Bezug auf Kreditinstitute, die die Errichtung einer Zweigstelle oder die Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs durch Ausübung ihrer Tätigkeit im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats anstreben, die in den Rechtsakten der Union festgelegten Verfahren und die damit verbundenen Befugnisse des Herkunfts - und des Aufnahmemitgliedstaats nur für die Zwecke der Aufgaben, die der EZB nicht mit Artikel 4 übertragen worden sind (Art. 14 Abs. 1 Verordnungsvorschlag EZB). 111 KOM (2012) 511 endg., 32. Erwägungsgrund, S. 17. 112 KOM (2012) 511 endg., S. 6. 113 KOM (2012) 511 endg., 22. Erwägungsgrund, S. 14. 82 Zu der Frage, ob die Übertragung von Aufsichtskompetenzen auf die EZB auf diese Rechtsgrundlage gestützt werden kann vgl. die Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 149/12 von Andrea Eriksson und Hannes Rathke, S. 11-21. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 31 WD 11 – 3000 – 165/12 Im Kontext der bei den Mitgliedstaaten verbleibenden Aufsichtszuständigkeiten ist politisch umstritten , ob von der umfassenden, bereichsspezifisch die Herkunftslandaufsicht ersetzenden EZB- Aufsicht auch der Marktzugang eines Marktteilnehmers (Zulassung der Geschäftstätigkeit bzw. Widerruf der Zulassung) erfasst ist.114 Die Frage der Erteilung und des Entzuges einer Zulassung nach Art. 13 VO-Vorschlag soll nach einer Auffassung als zentrale Frage des Zugangs zum Markt bzw. des Ausschlusses vom Markt eine Zuständigkeit der nationalen Behörden bleiben, insbesondere solange kein einheitlicher Abwicklungsmechanismus auf europäischer Ebene eingerichtet ist.115 Nach dem Kommissionsvorschlag soll die Entscheidung über die Erteilung und den Entzug einer Zulassung (mithin der Zugang oder der Ausschluss vom Markt) jedoch von den nationalen Behörden auf die EZB verlagert werden. Hiergegen wird eingewandt, dass der Entzug einer Zulassung derart eng mit Abwicklungsbefugnissen verknüpft ist, dass dieser solange eine Befugnis der nationalen Behörden bleiben solle, bis ein Abwicklungsmechanismus auf europäischer Ebene eingerichtet sei.116 5.3. Fazit Das Herkunftslandprinzip im Rahmen der europaweiten Finanzmarktaufsicht dient der Verwirklichung des gemeinsamen Binnenmarktes durch eine kohärente, gleichförmige Aufsicht. Mit der Übertragung zentraler Aufsichtsaufgaben auf die EZB erfolgt eine ebensolche Aufsicht und das Herkunftslandprinzip kommt nur noch in solchen Bereichen zum Tragen, in denen Aufsichtsbefugnisse bei den Mitgliedstaaten verbleiben. 6. Frage 4: Interessenkonflikt zwischen Zielen der Geldpolitik und der Bankenaufsicht – zu der Diskussion in der Literatur In der politischen Diskussion wird vielfach eine strikte Trennung von Aufsicht und Geldpolitik gefordert.117 In der Literatur ist umstritten, ob eine Übertragung der Bankenaufsicht auf die EZB mit ihrer vorrangigen Aufgabe aus Art. 127 Abs. 1 AEUV, die Preisstabilität zu gewährleisten, vereinbar wäre, oder ob mögliche Zielkonflikte zwischen Währungspolitik und Aufsichtsaufgaben entgegenstehen.118 114 Vgl. Bundesrat, Drucksache 546/12 (Beschluss), S. 4 ff.; vgl. zu der Diskussion Ratsdokument 15663/12, S. 7. 115 Ratsdokument 15663/12, S. 7. 116 Vgl. Bundesrat, Drucksache 546/12 (Beschluss), S. 4 ff.; vgl. zu der Diskussion Ratsdokumente 15663/12, S. 7. 117 Vgl. Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 18./19. Oktober 2012, a.a.O., Niederschrift der Sitzung des Bundesrates vom 19.10.2012, S. 11 ff.; Siehe auch 3.198 Tagung des Rates Wirtschaft und Finanzen (ECOFIN) am 13.11.2012, TOP 5,vgl. den vertraulichen Drahtbericht Nr. 5331 vom 14.11.2012. 118 Vgl. im neueren Schrifttum u.a. Häde, Rechtliche Vorgaben für die Organisation der Bankenaufsicht, in: Kluth/Müller/Peilert, Wirtschaft-Verwaltung-Recht, Festschrift für Stober, 2008, S. 467 (470 m.w.N.); Wissenschaftlicher Beirat, Reform von Bankenregulierung und Bankenaufsicht in der Finanzkrise, Reform von Bankenregulierung und Bankenaufsicht in der Finanzkrise, online abrufbar unter http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/Publikationen/Studien/reform-von-bankenregulierung-undbankenaufsicht -wissenschaftlicher-beirat,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf (zuletzt abgerufen am 30.11.2012), S. 45 m.w.N., Carmassi/Di Noia/Micossi, Banking Union: A federal model for the Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 32 WD 11 – 3000 – 165/12 6.1. Überblick über den Meinungsstand in der Literatur Mit der Bankenaufsicht, die den Finanzmarktsektor einer staatlichen Kontrolle und Reglementierung unterwirft, werden im Wesentlichen zwei Ziele verfolgt: Zum einen geht es um den Schutz von Gläubigern der Kreditinstitute vor unzumutbaren Vermögensverlusten aus Geldanlagen, zum anderen um die Verhinderung eines Zusammenbruchs des Bankensektors und damit um die Stabilität des Bankensystems.119 Die Geldpolitik einer Zentralbank hingegen ist auf das Ziel der Preisstabilität ausgerichtet. Soweit ersichtlich, wird es in der Literatur in Ansehung dieser verschiedenen Ziele zumeist als problematisch angesehen, Bankenaufsicht und Geldpolitik in einer Einheit zusammenzufassen .120 Dem liegt im Wesentlichen die Argumentation zu Grunde, dass eine Vereinigung beider Aufgaben in der Zentralbank zu einer dauerhaften Verschlechterung der Erfüllung beider Aufgaben führen könne.121 Zudem vertrage sich die Durchführung der Mikroaufsicht nicht mit der garantierten Unabhängigkeit der EZB.122Das Konfliktpotential wird etwa darin gesehen, dass eine European Union with prompt corrective action, CEPS Policy Brief No. 282, 18.9.2012, S. 4 (online abrufbar unter http://www.ceps.eu/book/banking-union-federal-model-european-union-prompt-corrective-action, zuletzt abgerufen am 30.11.2012); Speyer, EU-Bankenunion – besser gründlich als schnell!, EU-Monitor - Europäische Integration, Deutsche Bank DB Resaerch (Hrsg.), 30. August 2012, online abrufbar unter: http://www.dbresearch.de/PROD/DBRINTERNETDE-PROD/PROD0000000000293395/EU- Bankenunion%3A+Besser+gr%C3%BCndlich+als+schnell!.pdf (letzter Abruf: 25.09.2012); Hüther/Jäger/Hellwig/Hartmann-Wendels, Arbeitsweise der Bankenaufsicht vor dem Hintergrund der Finanzmarktkrise , Forschungsvorhaben fe 22/08, Institut der deutschen Wirtschaft Köln – Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern Bonn – Seminar für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Bankbetriebslehre an der Universität zu Köln, online abrufbar unter http://www.iwkoeln.de/de/studien/gutachten/beitrag/63718 (zuletzt abgerufen am 30.11.2012), S. 1 f.; Heun, Finanzaufsicht im Wandel, JZ 2012, 235 (236). 119 Wissenschaftlicher Beirat, Reform von Bankenregulierung und Bankenaufsicht in der Finanzkrise, a.a.O., S. 45; Hüther/Jäger/Hellwig/Hartmann-Wendels, Arbeitsweise der Bankenaufsicht vor dem Hintergrund der Finanzmarktkrise , Forschungsvorhaben fe 22/08, a.a.O., S. 1 f.; Heun, Finanzaufsicht im Wandel, a.a.O. (236); Vgl. auch die Darstellung der Ziele der Bankenaufsichtstätigkeiten in den einzelnen Mitgliedstaaten der EU bei Glatzl, Geldpolitik und Bankenaufsicht im Konflikt – Die Pflicht der Mitgliedstaaten zur Unterstützung der EZB im Bereich der Preisstabilität unter besonderer Berücksichtigung der Bankenaufsicht, Heidelberg, 2009, S. 101ff. Glatzl kommt zu dem Ergebnis, dass grundsätzlich wesentliches Ziel der Bankenaufsicht in allen Mitgliedstaaten die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Bankensektors ist (S. 109). 120 Siehe unten 6.2 Literaturmeinungen im Einzelnen, S. 33. 121 So u.a. Wissenschaftlicher Beirat, Reform von Bankenregulierung und Bankenaufsicht in der Finanzkrise, a.a.O., S. 45 m.w.N., Carmassi/Di Noia/Micossi, Banking Union: A federal model for the European Union with prompt corrective action, CEPS Policy Brief No. 282, 18.9.2012, S. 4; Speyer, EU-Bankenunion – besser gründlich als schnell!, EU-Monitor - Europäische Integration, Deutsche Bank DB Resaerch (Hrsg.), a.a.O. 122 Vgl. z.B. Speyer , EU-Bankenunion – besser gründlich als schnell!, EU-Monitor - Europäische Integration, Deutsche Bank DB Resaerch (Hrsg.), 30. August 2012, online abrufbar unter: http://www.dbresearch.de/PROD/DBRINTERNETDE-PROD/PROD0000000000293395/EU- Bankenunion%3A+Besser+gr%C3%BCndlich+als+schnell!.pdf (letzter Abruf: 30.11.2012); Wissenschaftlicher Beirat, Reform von Bankenregulierung und Bankenaufsicht in der Finanzkrise, online abrufbar unter http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/Publikationen/Studien/reform-von-bankenregulierung-und- 82 Zu der Frage, ob die Übertragung von Aufsichtskompetenzen auf die EZB auf diese Rechtsgrundlage gestützt werden kann vgl. die Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 149/12 von Andrea Eriksson und Hannes Rathke, S. 11-21. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 33 WD 11 – 3000 – 165/12 nachlässige Aufsichtspraxis den Bestand des Bankensystems gefährden könne, es einer Zentralbank aber in gewissen Grenzen möglich sei, durch eine Geldpolitik, die eine höhere Inflationsrate in Kauf nimmt, gegenzusteuern, um den Banken höhere Gewinne zu ermöglichen. Denkbar sei, dass eine Zentralbank, die auch mit der Bankenaufsicht befasst ist, etwa den Leitzins niedrig hält, um schwächere Banken zu stützen, obwohl reine geldpolitische Erwägungen für eine Erhöhung der Leitzinsen sprechen würden. Ebenso sei vorstellbar, dass aus der Aufsichtsperspektive die Schließung und Abwicklung einer Bank angezeigt wäre, dass dies aber angesichts des dadurch entstehenden Vertrauensverlusts innerhalb der Finanzmärkte geldpolitisch nicht gewünscht ist.123 Dies könne zu einer Annäherung der Interessen von Aufsehern und Beaufsichtigten zu Lasten der Bürger führen.124 Ausgehend von dieser Argumentation wird teilweise die Zusammenführung von Aufsichtsaufgaben und Geldpolitik in der EZB als problematisch erachtet und stattdessen die Errichtung einer Aufsichtsbehörde neben der EZB vorgeschlagen.125 Es wird aber auch vertreten, dass es ausreiche, innerhalb der Zentralbank für eine Trennung der beiden Bereiche zu sorgen.126 Nur vereinzelt wird argumentiert, dass die Betrauung der Zentralbank mit Aufsichtsaufgaben nicht zu Zielkonflikten führe bzw. dass es gerade die Trennung von Geldpolitik und Bankenaufsicht sei, die zu Problemen und Konflikten auslöse.127 Wesentliches Argument dafür, die Verantwortung für beide Bereiche in einer Einheit zusammenzuführen, ist, doppelte Arbeit, Reibungsverluste und Verzögerungen zu vermeiden.128 bankenaufsicht-wissenschaftlicher-beirat,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf (letzter Abruf: 30.11.2012). 123 Vgl. Goodhart/Schoenmaker, Should the functions of monetary policy and banking supervision be separated?, Oxford Economic Papers, 1995, 539 (546); Becker, Die Reform der Finanzmarktaufsicht, DÖV 2010, S. 909 (915). 124 Dennoch ist vielen Ländern die Bankenaufsicht (erfolgreich) in den Händen der dortigen Zentralbank. Vgl. dazu Goodhart/Schoenmaker, a.a.O. (540ff.); dort findet sich auch eine Länderübersicht über die Verteilung der Zuständigkeit für die Geldpolitik und für die Aufsicht (S. 558f.). 125 Dazu im Einzelnen unten 6.2.1, Zielkonflikt bei Vereinigung von Aufsicht und Geldpolitik, S. 33ff. 126 Dazu im Einzelnen unten 6.2.2 Zielkonflikt nur bei nicht ausreichender organisatorischer Trennung innerhalb der, S. 36ff. 127 Dazu im Einzelnen unten, 6.2.3 Kein Zielkonflikt bei Vereinigung von Aufsicht und Geldpolitik in einer Einheit , S. 38 ff. 128 Vgl. Häde, Rechtliche Vorgaben für die Organisation der Bankenaufsicht, in: Kluth/Mülle/Peilert, Wirtschaft- Verwaltung-Recht, Festschrift für Rolf Stober, 2008, 467, 467 m.w.N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 34 WD 11 – 3000 – 165/12 6.2. Literaturmeinungen im Einzelnen 6.2.1. Zielkonflikt bei Vereinigung von Aufsicht und Geldpolitik in der Zentralbank Goetze129 ging in seiner Dissertation aus dem Jahre 1999 lapidar davon aus, dass mögliche Zielkonflikte zwischen den geldpolitischen Aufgaben einer Zentralbank von vornherein ausgeschlossen wären, würde die Aufsichtstätigkeit nicht durch die Zentralbank ausgeführt.130 Die Konflikte ergäben sich daraus, dass währungspolitische Maßnahmen sich durchaus auf die wirtschaftliche Situation von Banken und damit auf ihre Bonität, die ein Anknüpfungspunkt für Maßnahmen der Bankenaufsicht ist, auswirken könnten. Er wies aber auch darauf, dass zu diesem Zeitpunkt in meisten EG-Mitgliedstaaten die Bankenaufsicht in der Hand der jeweiligen Zentralbank lag.131 Auch Seidel stellte im Jahre 2000 fest, dass die die Betrauung der EZB mit Aufsichtsaufgaben ihre Unabhängigkeit als Währungsbehörde gefährden könne, ohne dies näher zu begründen.132 Thill/Bruckner/Königslehner133 sahen ebenfalls die Gefahr von Zielkonflikten zwischen Aufsichtsaufgaben und Geldpolitik. Diese resultierten vor allem daraus, dass das Ergreifen geldpolitischer Restriktionsmaßnamen die Wahrscheinlichkeit erhöhe, dass die Geschäftsbanken in Liquiditätsprobleme geraten.134 Gegen eine Einbindung von Notenbanken in die Bankenaufsicht spreche, dass demokratische Mechanismen und Anreizstrukturen in der Bankenaufsicht sich anders darstellten als im Bereich der Geldpolitik.135 Bayer136 führte im Rahmen der Diskussion um eine neue Aufsichtsstruktur in Deutschland im Jahr 2002 aus, dass bei einer Verlagerung von Aufsichtsaufgaben auf die Bundesbank die Gefahr von Ziel- und Interessenkonflikten bei der Bewältigung internationaler Finanzkrisen bestehe.137 So sah er es als eine „recht unglückliche Situation“138, wenn aus aufsichtsrechtlicher Perspektive 129 Goetze, Die Tätigkeit der nationalen Zentralbanken in der Wirtschafts- und Währungsunion, 1999. 130 a.a.O., S. 159. 131 a.a.O., S. 158. 132 Seidel, Konstitutionelle Schwächen der Währungsunion, EuR 2000, 861, 877. 133 Thill/Bruckner/Königslehner, Die Notenbank im Spannungsfeld zwischen Geldpolitik und Aufsichtsfunktion, Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen 14/2001, S. 785 – 794. 134 a.a.O., S. 785 unter Verweis auf Haushofer, Möglichkeiten und Grenzen der Bankenaufsicht in Österreich, Wien 1982, S. 38. 135 a.a.O., S. 792. 136 Bayer, Die neue Bankenaufsichtsstruktur in Deutschland, in: Pitschas (Hrsg.), Integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht , Bankensystem und Bankenaufsicht vor den Herausforderungen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion, Berlin, 2002, S. 283ff. 137 a.a.O., S. 295. 138 a.a.O., S. 295. 82 Zu der Frage, ob die Übertragung von Aufsichtskompetenzen auf die EZB auf diese Rechtsgrundlage gestützt werden kann vgl. die Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 149/12 von Andrea Eriksson und Hannes Rathke, S. 11-21. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 35 WD 11 – 3000 – 165/12 etwa vor finanziellen Transaktionen im Krisenbereich gewarnt werden müsste, jene Transaktionen aber aus geldpolitischer Sicht stabilisierende Wirkung hätten. Auch Richter139 beschreibt in ihrer Dissertation aus dem Jahre 2006 einen drohenden Zielkonflikt zwischen Geldpolitik und Aufsicht wenn die EZB zentrale Bankenaufsichtsbehörde würde. So bestehe die Gefahr, dass die EZB zum einen eine „lockere Geldpolitik fahre“140, um negative Auswirkungen auf Bankerträge und Qualität der Kredite zu vermeiden, zum anderen aber zur Lösung akuter Probleme im Bankensektor „Liquidität ins System pumpe“141, so dass die Gefahr der Inflation bestehe. Zu den Vertretern in der neueren Literatur, die bei einer Zusammenführung von Finanzaufsicht und Geldpolitik in einer Einheit Gefahren sehen, zählt Becker.142 Er führt dafür, dass die Zusammenlegung der Aufgaben von Geldpolitik und Bankenaufsicht kontraproduktiv sein kann, Beispiele an: So sei denkbar, dass eine auch für die Bankenaufsicht zuständige Zentralbank den Leitzinssatz niedrig hält um schwächere Banken zu schonen, obwohl aus geldpolitischer Sicht eine Erhöhung erforderlich wäre143 oder, dass die Schließung eines Instituts aus Aufsichtsperspektive zwar geboten wäre, aber wegen des erwarteten Vertrauensverlustes innerhalb der Finanzmärkte aus geldpolitischer Sicht abzulehnen sei. Zudem sieht er die Gefahr, dass die (legitime ) politische Einflussnahme auf die Bankenaufsicht zu einer Gefährdung des Ziels der Preisstabilität führen kann, die unabhängig von staatlicher Einflussnahem durchgeführt werden muss. Heun144 hält eine einheitliche Wahrnehmung von Finanzaufsicht und Geldpolitik jedenfalls verfassungsrechtlich für bedenklich, da die notwendige Weisungsgebundenheit der Finanzaufsicht mit der geld-/ währungspolitischen Unabhängigkeit einer Zentralbank kollidiere. Eine separate Führung der beiden Bereiche sei unabdingbar.145 Auch Speyer146 lehnt eine Übertragung von Aufsichtsaufgaben auf die EZB grundsätzlich ab, und führt zur Begründung an, dass zwischen Mandaten und Zielen der Geldpolitik und denen der Finanzaufsicht Interessenskonflikte entstehen können.147 So wäre die EZB, wenn sie zusätzlich 139 Richter, eine zentrale europäische Bankenaufsichtsbehörde, Zielvorgaben und Gestaltungsvorschläge, Hamburg, 2006, S. 109f. im Wesentlichen unter Hinweis auf Goodhart/Schoenmaker, siehe unten Fn. 156. 140 a.a.O., S. 110. 141 a.a.O., S. 110. 142 Becker, Die Reform der Finanzmarktaufsicht, DÖV 2010, S. 909ff. 143 Becker, a.a.O., 916. 144 Heun, Finanzaufsicht im Wandel, JZ 2012, S. 235ff. 145 a.a.O., S. 240. 146 Speyer , EU-Bankenunion – besser gründlich als schnell!, EU-Monitor - Europäische Integration, Deutsche Bank DB Resaerch (Hrsg.), 30. August 2012, online abrufbar unter: http://www.dbresearch.de/PROD/DBRINTERNETDE-PROD/PROD0000000000293395/EU- Bankenunion%3A+Besser+gr%C3%BCndlich+als+schnell!.pdf (letzter Abruf: 30.11.2012). 147 a.a.O., S. 5. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 36 WD 11 – 3000 – 165/12 mit der Bankenaufsicht betraut würde, in den drei miteinander verflochtenen Bereichen Geldpolitik , mikroprudentielle Bankenaufsicht und makroprudentielle Aufsicht im Rahmen des ESRB intensiv involviert. Dies würde nicht nur eine enorme Konzentration von Befugnissen darstellen, sondern auch bedeuten, dass die EZB letztlich die Auswirkungen ihrer eigenen Politik kontrollierte . Zudem bestehe für Zentralbanken, die auch Bankenaufsichtsfunktionen ausüben, ein Reputationsrisiko : Versagen sie in ihrer Rolle als Aufseher, wird dies letztlich auch ihre Glaubwürdigkeit in der Gestaltung der Geldpolitik unterminieren. Die Rollen und Mandate dieser Institutionen sollten daher klar definiert sein, so dass eine eindeutige Rechenschaftspflicht gegenüber Parlament und Öffentlichkeit definiert ist. Dies gilt insbesondere für Institutionen, die – aus gutem Grund – ein so großes Maß an Unabhängigkeit genießen wie Zentralbanken. Des Weiteren sei das Risiko politischer Einflussnahme umso größer, je vielfältiger und politischer die Aufgabe der Zentralbank (was bei der Bankenaufsicht im Vergleich mit der Geldpolitik zweifellos der Fall ist). Die europäische Finanzmarktgesetzgebung verleiht den Bankaufsichtsbehörden – d.h. derzeit der EBA – erhebliche Kompetenzen im Bereich der Übertragung der Rechtssetzungstätigkeit. Diese Regulierungskompetenzen waren politisch immer umstritten, werden aber akzeptiert, da die EBA der parlamentarischen Kontrolle unterliegt. Dagegen würde sich das Konzept einer unabhängigen Zentralbank mit derartigen Kompetenzen nicht leicht vereinbaren lassen. Und schließlich müssen Finanzinstitute, die den Entscheidungen einer Bankenaufsichtsbehörde unterworfen sind, diese vor einem Verwaltungsgericht anfechten können. Auch die Vorstellung, dass Entscheidungen der EZB in ihrer Rolle als Bankenaufseher vor Gericht angefochten werden, scheint mit dem Konzept der unabhängigen Zentralbank nicht vereinbar, selbst wenn diese beiden Aufgaben innerhalb der EZB organisatorisch getrennt wären. Aus diesen Gründen bevorzugt Speyer die Übertragung von Aufsichtskompetenzen auf die EBA und die unterstützende Einbeziehung der EZB. Der Wissenschaftliche Beirat148 befürchtet eine dauerhafte Verschlechterung der Erfüllung der Bankenaufsicht und der Geldpolitik, wenn einer Zentralbank zusätzlich zu ihrer Aufgabe, für eine auf das Ziel der Preisstabilität ausgerichtete Geldpolitik zu sorgen, als zweite Aufgabe die Bankenaufsicht und damit eine Verantwortung für die Stabilität des Bankensystems übertragen würde. Zu erwartende Folge sei eine Annäherung der Interessen von Banken und Zentralbank zu Lasten der Bürger. So könne die Zentralbank etwa der Gefährdung des Bestandes des Bankensystems durch eine nachlässige Aufsichtspraxis durch eine ebenfalls weiche Geldpolitik des leichten Geldes unter Inkaufnahme einer höheren Inflationsrate entgegengewirken, um den Banken so höhere Gewinne zu ermöglichen.149 Der Wissenschaftliche Beirat regt an, die gesamten Mikroaufsicht , d.h. nicht nur die Banken-, sondern auch die Versicherungs- und Wertpapierdienstleistungsaufsicht , in einem eigenständigen Aufsichtsamt zu konzentrieren, weil dies die Unabhängigkeit der Notenbank nicht beeinträchtigen würde. 148 Wissenschaftlicher Beirat, Reform von Bankenregulierung und Bankenaufsicht in der Finanzkrise, online abrufbar unter http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/Publikationen/Studien/reform-von-bankenregulierungundbankenaufsicht -wissenschaftlicher-beirat,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf (letzter Abruf: 30.11.2012). 149 a.a.O., S. 45. 82 Zu der Frage, ob die Übertragung von Aufsichtskompetenzen auf die EZB auf diese Rechtsgrundlage gestützt werden kann vgl. die Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 149/12 von Andrea Eriksson und Hannes Rathke, S. 11-21. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 37 WD 11 – 3000 – 165/12 Der Sachverständigenrat plädiert in seinem Jahresgutachten 2012/2013150 zwar dafür, makround mikropudentielle Aufsicht zentral auf derselben Ebene anzusiedeln, da diese nicht scharf zu trennen seien.151 Es sei empirisch nachgewiesen, dass nationale Aufseher wirtschaftspolitischem Druck weniger gut widerstehen könnten als supranationale Aufseher. Die Kreditvergabepolitik stehe im engen Zusammenhang mit der Fiskalpolitik der Regierungen, im Gegensatz zur nationalen Ebene stehe der EZB aber keine direkte fiskalische Institution gegenüber. Eine Beauftragung der EZB mit der zentralen Aufsicht sei aber nicht die beste Lösung, da die Gefahr bestehe, dass die Geldpolitik für Aufsichtsziele und damit fiskalische Zwecke instrumentalisiert werde.152 Eine zentralisierte Aufsicht sollte daher nicht an die die Geldpolitik ausführende Zentralbank sondern an eine andere zentrale Aufsichtsbehörde delegiert werden. Brandi/Gieseler153 sehen zwischen aufsichtsrechtlichen und geldpolitischen Aufgaben einen potentiellen Interessenkonflikt innerhalb der EZB, etwa dadurch „dass die Änderung von Zinssätzen durch die EZB als geldpolitische Steuerungsmaßnahme nachteilige Auswirkungen auf die von der EZB beaufsichtigten Kreditinstitute haben kann.“154 Mit Blick auf den aktuellen Kommissionsvorschlag sei es zweifelhaft, ob der Interessenkonflikt zwischen Aufsicht und Geldpolitik vermieden oder gelöst werden könne. Auch der Präsident der Deutschen Bundesbank Weidmann155 sieht die Gefahr von Interessenkonflikten bei einer Zusammenführung von Geldpolitik und Bankenaufsicht innerhalb der EZB und argumentiert damit, dass es in Deutschland nicht gelungen sei, diesen Konflikt aufzulösen. Man habe sich daher dagegen entschieden, der Bundesbank die Aufsicht über die deutschen Banken zu übertragen. 6.2.2. Zielkonflikt nur bei nicht ausreichender organisatorischer Trennung innerhalb der Zentralbank Goodhart/Schoenmaker 156 formulierten im Jahr 1995 einen denkbaren Konflikt bei Vereinigung von Aufsichts- und geldpolitischen Befugnissen: die Schließung einer Einrichtung könne aus Aufsichtsperspektive geboten gleichzeitig aber mit Blick auf die Stabilität des Finanzmarktes aus 150 Sachverständigenrat Jahresgutachten 2012/13, "Stabile Architektur für Europa – Handlungsbedarf im Inland", online abrufbar unter http://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/jahresgutachten-2012-2013.html, zuletzt abgerufen am 30.11.2012, Rn. 301 ff., S. 173ff.; 151 a.a.O., Rn. 302. 152 a.a.O., Rn. 304. 153 Brandi/Gieseler, Vorschläge der EU-Kommission zur einheitlichen Bankaufsicht in der Eurozone, BB 2012, 2646 154 a.a.O., S. 2649. 155 F.A.Z. vom 27.09.2012, online abrufbar unter http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/bundesbank-praesidentweidmann -macht-front-gegen-bankenaufsicht-unter-dach-der-ezb-11906411.html (zuletzt abgerufen am 30.11.2012). 156 Goodhart/Schoenmaker, Should the functions of monetary policy and banking supervision be separated?, Oxford Economic Papers, 1995, 539 (546). WD 11 – 3000 – 165/12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 38 WD 11 – 3000 – 165/12 geldpolitischer Sicht unerwünscht sein.157 Sie hielten aber klare Richtlinien zur Trennung von geldpolitischen und Aufsichtsaufgaben für die jeweils Verantwortlichen für vorteilhafter als eine institutionelle Trennung. Sie führten aus, dass die Tatsache, dass es weltweit sowohl (funktionierende ) Systeme gebe, in denen die beiden Funktionen getrennt seien, als auch solche, in denen beide Funktionen in einer Einheit verbunden seien, spreche dafür, dass keines der Modelle vorzugswürdig sei.158 Auch Hüther/Jäger/Hellwig/Hartmann-Wendels 159 warfen im Jahr 2008 die Frage auf, ob Zielkonflikte zwischen Preisstabilität und Finanzsystemstabilität entstehen können. Sie hielten eine Zusammenführung der Bereiche nicht für ausgeschlossen, forderten aber entsprechende organisatorische Vorkehrungen, um die stabilitätsorientierte Geldpolitik nicht zu kompromittieren.160 In der aktuellen Debatte halten Carmassi/Di Noia/Micossi161 eine effektive Trennung von Geldpolitik und Aufsicht für erforderlich, um die Integrität beider Bereiche zu erhalten.162 Auch sie arbeiten mit Beispielen und halten es für denkbar, dass eine Zentralbank, die zugleich auch Bankenaufsichtsbehörde ist, abgeneigt sein könnte, erforderliche strengere geldpolitische Maßnahmen vorzunehmen, um ein schwächelndes Bankeninstitut vor dem Ruin zu bewahren.163 Sie schlagen daher vor, in der EZB ein getrenntes und unabhängiges Gremium für die Bankenaufsicht ähnlich dem EZB-Rat einzurichten, sodass es zwar eine institutionelle Verbindung aber keine Unterordnung gäbe. Der Vize-Präsident der EZB sollte diesem Gremium angehören und dem EZB-Rat Bericht erstatten, um so den Informationsfluss zu gewährleisten. Herdegen164 sieht auch die Möglichkeit eines Konflikts zwischen den Zielen der Geldpolitik und denen der Aufsicht. Daraus folgt nach seiner Auffassung aber nicht zwingend, dass eine Übertragung der Bankenaufsicht auf die EZB durch einen Sekundärrechtsakt ausgeschlossen sei. Vielmehr müsse lediglich dafür Sorge getragen werden, dass mögliche Konflikte immer zu Gunsten der Preisstabilität aufgelöst würden.165 So sei hinsichtlich der Entscheidungsstrukturen erforder- 157 a.a.O., S. 547. 158 a.a.O., S. 556. 159 Hüther/Jäger/Hellwig/Hartmann-Wendels, Arbeitsweise der Bankenaufsicht vor dem Hintergrund der Finanzmarktkrise , Forschungsvorhaben fe 22/08, Institut der deutschen Wirtschaft Köln – Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern Bonn – Seminar für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Bankbetriebslehre an der Universität zu Köln, online abrufbar unter http://www.iwkoeln.de/de/studien/gutachten/beitrag/63718 (letzter Abruf: 07.11.2012), 160 a.a.O., S. 114. 161 Carmassi/Di Noia/Micossi , Banking Union: A federal model for the European Union with prompt corrective action, CEPS Policy Brief No. 282, 18.9.2012 (online abrufbar unter http://www.ceps.eu/book/banking-unionfederal -model-european-union-prompt-corrective-action, letzter Abruf: 07.11.2012). 162 a.a.O, S. 3/4. 163 a.a.O., S. 3/4. 164 Herdegen, Europäische Bankenunion: Wege zu einer einheitlichen Bankenaufsicht, WM 2012, S. 1889ff. 165 a.a.O., S. 1894. WD 11 – 3000 – 165/12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 39 WD 11 – 3000 – 165/12 lich, dass beide Bereiche durch eine „firewall“166 (etwa durch getrennte Entscheidungsgremien) voneinander getrennt funktionierten. Der Kommissionsvorschlag sei nicht ausreichend, um das Spannungsverhältnis zu entschärfen Häde167 lässt erkennen, dass er jedenfalls Interessenkonflikte nicht für ausgeschlossen hält. Nach seiner Auffassung ist aber sowohl die Übertragung der Bankenaufsicht auf die EZB als auch die Schaffung einer neuen europäischen Aufsichtsbehörde denkbar.168 Er hält aber die generelle Betrauung der EZB mit der Bankenaufsicht aus kompetenziellen Gründen nur im Wege Vertragsänderung für möglich, da Art. 127 Abs. 6 AEUV nur die Übertragung besonderer Aufgaben ermögliche.169 Auch Hartig170 beschäftigt sich, wenn auch nur am Rande, mit der Möglichkeit eines Zielkonfliktes zwischen Preis- und Finanzsystemstabilität. Nach seiner Auffassung trägt der Vorschlag der Kommission nicht zur Lösung des Problems bei.171 6.2.3. Kein Zielkonflikt bei Vereinigung von Aufsicht und Geldpolitik in einer Einheit Teilweise wird argumentiert, dass eine Zentralbank schon deshalb in die mikroprudentielle Aufsicht eingebunden werden müsse, da sie ein starkes Interesse daran habe, nicht als „lender of last resort“ eingreifen zu müssen und daher in der Bankenaufsicht besonders aktiv und gewissenhaft vorgehen würde.172 Zudem würde eine Zentralbank, die in der Bankenaufsicht tätig ist, in diesem Zusammenhang umfangreiche Informationen erwerben, welche anstehenden geldpolitischen Entscheidungen zu Grunde gelegt werden könnten. Kösters/Paul/Süchting173 betonten im Zusammenhang mit Überlegungen zur einer Zentralisierung der deutschen Bankenaufsicht in der Deutschen Bundesbank, dass sich daraus erhebliche Synergieeffekte ergeben könnten. Zielkonflikte zwischen Aufsichtsaufgaben und Geldpolitik sahen sie jedenfalls mit Blick auf die Deutsche Bundesbank nicht.174 166 a.a.O., S. 1895. 167 Häde, Rechtliche Vorgaben für die Organisation der Bankenaufsicht, in: Kluth/Müller/Peilert, Wirtschaft- Verwaltung-Recht, Festschrift für Stober, 2008, S. 467 (470). Siehe auch Hahn/Häde, Währungsrecht, 2. Auflage, 2010, S. 186f., Rn. 98f. 168 a.a.O., S. 470. 169 a.a.O., s. 471. 170 Hartig, Die Befugnisse von EZB und ESRB auf dem Gebiet der Finanzsystemstabilität, EuZW 2012, 775ff. 171 a.a.O., S. 778. 172 Vgl. Thill/Bruckner/Königslehner unter Hinweis auf Spranz, Elemente des Funktions- und Systemschutzes im Bankenaufsichtsrecht aus der Sicht der Österreichischen Nationalbank, in: Stanzel/Raab/Schmoll, DAS BWG im Bankbetrieb, Wien, 1994, S. 89. 173 Kösters/Paul/Süchting, Ein Effizienzmodell zur Strukturreform der Deutschen Bundesbank, Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, 2001, S. 457ff. 174 a.a.O., S. 462. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 40 WD 11 – 3000 – 165/12 Jörgens175 hat in seiner Dissertation aus dem Jahr 2002 die Auffassung vertreten, dass Bankenaufsicht und Zentralbankpolitik gemeinsam koordiniert werden müssten, da beide Bereiche letztlich dasselbe Ziel – nämlich die Stabilität der Finanz- und Zahlungssysteme – verfolgten.176 Eine exklusive Abgrenzung beider Funktionen sei nicht möglich177 Durch eine dezentrale Bankenaufsicht bestehe vielmehr die Gefahr der Aushebelung der Zentralbankpolitik. Insofern hält er einerseits eine Zentralisierung der Bankenaufsicht unter „Führung der EZB“ für notwendig, um die Einheitlichkeit der Zentralbankpolitik zu sichern.178 Er schlägt aber andererseits auch vor, der EZB eine zentrale Institution als Kooperationspartner auf Gemeinschaftsebene gegenüber zu stellen , da sich eine umfassende zentrale Koordinierung der Aufsicht durch die EZB aus den gegebenen Befugnissen nicht herleiten lasse.179 Jedenfalls scheint Jörgens es aber nicht für problematisch zu halten, Geldpolitik und Aufsicht in einer Einheit zusammenzufassen – er sieht allenfalls kompetenzielle Probleme. Glatzl argumentiert in seiner Dissertation aus dem Jahre 2009 ausgehend von den Thesen Jörgens ,dass gerade eine Trennung der Bankenaufsicht von der Geldpolitik zu Zielkonflikten führe und dass als Lösung nur eine Übertragung der Bankaufsicht auf die Europäische Union in Betracht komme.180 Die Kompetenzverteilung im Bereich der Geldpolitik und der Bankenaufsicht auf zwei unterschiedliche Akteure könne – weil die Wirkungsweise der Bankenaufsichtspraxis in Teilen den Wirkmechanismen der geldpolitischen Transmission gleiche – dazu führen, dass die Geldpolitik nicht mehr ihrer geldwertstabilisierenden Aufgabe gerecht werden kann.181 Da sich die Maßnahmen der nationalen Bankenaufsichtsbehörden als geldpolitisch relevant erwiesen hätten, müsse die Bankenaufsicht insgesamt von den Mitgliedstaaten auf die EZB übertragen werden, jedenfalls aber sei die Einrichtung eines Koordinierungsgremiums zwingend. Dies folge aus Art. 4 Abs. 3 EUV (ex-Art. 10 EGV), der die Mitgliedstaaten u.a. zu einer Beachtung der Preisstabilität verpflichte und ihnen verbiete, Maßnahmen umzusetzen, die die Preisstabilität in der Gemeinschaft gefährden. Insofern gebe es sehr weitgehende Koordinierungspflichten der mitgliedstaatlichen Bankenaufsicht mit der europäischen Geldpolitik, die eine institutionelle Absicherung der notwendigen Abstimmungen erforderlich mache.182 Wegen des Zusammenspiels von Bankenaufsicht und Geldpolitik seien die Mitgliedstaaten gar verpflichtet, die Bankenaufsicht insgesamt auf die EZB zu übertragen, damit die möglichen Zielkonflikte durch die Vereinigung der Kompetenzen aufgelöst werden könnten.183 Die tatsächliche Übertragung der Kompe- 175 Jörgens, Die koordinierte Aufsicht über europaweit tätige Bankengruppen, Baden-Baden, 2002, S. 119ff. 176 a.a.O., S. 119. 177 a.a.O., S. 120. 178 a.a.O., S. 121 m.w.N. 179 a.a.O., S. 123. 180 Glatzl, Geldpolitik und Bankenaufsicht im Konflikt – Die Pflicht der Mitgliedstaaten zur Unterstützung der EZB im Bereich der Preisstabilität unter besonderer Berücksichtigung der Bankenaufsicht, Heidelberg, 2009, insbesondere S. 183ff. 181 a.a.O., S. 193ff., 212. 182 a.a.O., S. 245. 183 a.a.O., S. 245/246. 82 Zu der Frage, ob die Übertragung von Aufsichtskompetenzen auf die EZB auf diese Rechtsgrundlage gestützt werden kann vgl. die Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 149/12 von Andrea Eriksson und Hannes Rathke, S. 11-21. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 41 WD 11 – 3000 – 165/12 tenz auf die EZB lasse sich jedoch nicht auf Art. 4 Abs. 3 EUV stützen. Es bedürfe vielmehr einer Ermächtigungsgrundlage. Dafür kämen grundsätzlich Art. 127 Abs. 6, 114 oder 352 AEUV in Betracht , letztlich sei aber nur Art. 352 AEUV denkbar.184 Eine Übertragung von Aufsichtskompetenzen an die EZB nach Art. 127 Abs. 6 AEUV scheitere zum einen daran, dass die Bankenaufsicht im Rahmen dieser Vorschrift nicht in ihrer Gesamtheit auf die EZB überführt werden könne , und zum anderen daran, dass der Zielkonflikt zwischen Geldpolitik und Bankenaufsicht lediglich von den Euro-Ländern auf die Nichtteilnehmerstaaten der Währungsunion verlagert würde .185 Auch Art. 114 AEUV könne nicht herangezogen werden, da dieser nicht die Kompetenz zur Übertragung von Kompetenzen einräume.186 Möglich und „letztlich zwingend“ sei aber eine Übertragung der Bankenaufsicht auf die Union auf Grundlage des Art. 352 AEUV. Hinsichtlich der Frage, ob Bankenaufsichtsbehörde dann die EZB oder eine neu zu schaffende Institution sein könne, habe der Rat Ermessen.187 6.3. Kommissionsvorschlag Auch die Kommission sieht einen Konflikt zwischen Geldpolitik und Bankenaufsicht. Die EZB soll daher ausdrücklich für eine vollständige Trennung der beiden Funktionen Sorge tragen.188 Der Verordnungsvorschlag EZB ordnet entsprechend in Art. 18 an, dass die EZB die Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht getrennt von denen der Geldpolitik wahrnimmt. Nach Art. 19 soll ein Aufsichtsgremium eingerichtet werden, dass für die Planung und Ausführung von Beschlüssen in aufsichtsrechtlichen Angelegenheiten zuständig ist.189 Dieses Gremium soll sich aber aus vom Direktorium der EZB ernannten Vertretern der EZB und Vertretern der nationalen Aufsichtsbehörden zusammensetzen. Die Mitglieder des EZB-Rates sollen dazu zum einen den Vorsitzenden des Aufsichtsgremiums aus den Reihen des EZB- Direktoriums, und zum anderen den stellvertretenden Vorsitzenden aus den Reihen des EZB- Rates wählen (Art. 19 Abs. 1 und 2 Verordnungsvorschlag EZB). Auffällig ist, dass damit ein Mitglied des EZB-Rats, der die Geldpolitik der Union festlegt190 (vgl. Art. 12.1 ESZB-Satzung), auch im Aufsichtsgremium der Bankenaufsicht beteiligt werden soll. Zudem soll der EZB-Rat Aufsichtsaufgaben an das Aufsichtsgremium delegieren können und die Überwachung und Verantwortung übernehmen (Art. 19 Abs. 3 Verordnungsvorschlag EZB). Während von mancher Seite sogar gefordert wird, dass die Aufsichtsabteilung zwar getrennt von 184 a.a.O., S. 259-267. 185 a.a.O., S. 257f. 186 a.a.O., S. 258f. 187 a.a.O., S. 267 und 274. 188 Vgl. Erwägungsgrund 35, Verordnungsvorschlag EZB. 189 Vgl. auch Erwägungsgrund 36, Verordnungsvorschlag EZB. 190 Hahn/Häde, Währungsrecht, 2. Auflage 2010, S. 148, Rn. 64. Siehe auch oben 3.1.3 ESZB und EZB, S. 17ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 42 WD 11 – 3000 – 165/12 der Geldpolitik der EZB operieren, die letzte Entscheidung aber beim EZB-Rat liegen solle191, ist schon bei der hier vorgeschlagenen Variante fraglich, ob dadurch eine Trennung von Geldpolitik und Bankenaufsicht bewirkt werden kann.192 Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass dadurch, dass ein Mitglied des EZB-Rats sowohl in diesem als auch im Aufsichtsgremium sitzen soll, die oben beschriebenen Interessenkonflikte auftreten könnten.193 Denn eine unabhängige Beratung über die Geldpolitik scheint in der Praxis nur schwer vorstellbar und durchzuhalten, wenn die gleiche Person in anderen Fragen der Aufsicht unterliegt.194 6.4. Kompromissvorschläge des Vorsitzes des Rates Der Europäische Rat hatte unter anderem gefordert, für eine klare Trennung zwischen Geldpolitik und Aufsichtsaufgaben innerhalb der EZB zu sorgen. Im Kompromissvorschlag ist daher die noch von der Kommission vorgeschlagene Zusammensetzung des Aufsichtsgremiums verändert worden . So soll nach Art. 19 Abs. 2 des aktuellen Kompromissvorschlages vom 16.11.12 der Vorsitzende des Aufsichtsgremiums nicht mehr aus den Reihen des EZB-Rates sondern aus den Reihen von Bank- und Finanzmarktexperten gewählt werden. Zuvor war noch vorgeschlagen worden , dass Vorsitzender und Stellvertreter aus den Reihen des Aufsichtsgremiums gewählt werden .195 Zudem ist für den Vorsitzenden des Aufsichtsgremiums nach dem Kompromiss vorgesehen , dass dieser nach seiner Wahl „a full-time independent professional“ sein soll und keine weiteren Aufgaben in nationalen Aufsichtsbehörden mehr ausführen darf. Ebenso war schon im Kompromissvorschlag vom 31.10.12 nicht mehr vorgesehen, dass der die Geldpolitik ausführende EZB-Rat Aufgaben an das Aufsichtsgremium delegiert und ihre Ausführung überwacht und verantwortet. Vielmehr sollte das Aufsichtsgremium sämtliche vorbereitende Arbeiten mit Blick auf die Aufsichtsaufgaben der EZB durchführen und dem EZB-Rat vollständige Beschlussentwürfe vorlegen, die von diesem angenommen werden können oder ohne Reaktion des EZB-Rates 3 Wochen nach Vorlage als angenommen gelten sollen. Zudem sollte es zwar möglich sein, dass der EZB-Rat einen vom Aufsichtsgremium erarbeiteten und ihm vorgelegten Aufsichtsbeschluss nicht annimmt. Dies sollte aber der schriftlichen Begründung bedürfen . Außerdem sind Veränderungen am vorgeschlagenen Beschluss durch den EZB-Rat nach dem Kompromissvorschlag nicht möglich. Dennoch sollte die Beschlussfassung über Aufsichtsentscheidungen letztendlich beim EZB-Rat bleiben, so dass fraglich blieb, ob eine hinreichende 191 So die Forderung von EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier, zitiert nach Die Welt online, Bankenaufsicht: keine Macht für den EZB-Rat, online abrufbar unter: http://www.welt.de/print/diewelt/wirtschaft/article109288849/Bankenaufsicht-Keine-Macht-fuer-den-EZB- Rat.html (zuletzt abgerufen am 30.11.2012). Siehe auch Ratsdok.-Nr. 14752/12, Rn. 11. 192 Vgl. auch Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Stabile Architektur für Europa – Handlungsbedarf im Inland, Jahresgutachten 2012/13, November 2012, vorläufige Fassung online abrufbar unter http://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/jahresgutachten-2012-2013.html?&L=0 (zuletzt abgerufen am 30.11.2012), S. 175 f., Rn. 305. 193 So auch Carmassi/Di Noia/Micossi, a.a.O., S. 4. 194 So auch im Zusammenhang mit der Erörterung der Frage, ob eine Übertragung der Bankenaufsicht weg von der BAfin auf die Deutsche Bundesbank denkbar wäre, der Wissenschaftliche Beirat, Gutachten 03/10, a.a.O., S. 46; Vgl. auch Heun, Finanzaufsicht im Wandel, JZ 2012, 235 (240). 195 Ratsdok. 15718/12, Art. 19 lit. 2) auf Seite 34. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 43 WD 11 – 3000 – 165/12 196 Ratsdok. 16385/12, Art. 19 lit. 3), auf Seite 62. Trennung von Aufsicht und Geldpolitik gewährleistet gewesen wäre. Nach dem neuen Kompromissvorschlag vom 16.11.12 ist nunmehr vorgesehen, dass das Aufsichtsgremium innerhalb der EZB die Aufsichtsentscheidungen vorbereitet und dem EZB-Rat zur Entscheidung vorlegt. Die Aufsichtsentscheidung soll als beschlossen gelten, wenn der EZB-Rat nicht innerhalb einer festgelegten Frist (2 Wochen) widerspricht. Der Widerspruch soll schriftlich begründet werden und auf geldpolitische Bedenken rekurrieren.196 Auch bezüglich der Kompromissvorschläge bestehen Zweifel, ob die in der Literatur angesprochenen Zielkonflikte zwischen Geldpolitik und Aufsicht vermieden bzw. angemessen gelöst sind, da die Beschlussfassung über Aufsichtsentscheidungen weiterhin letztlich beim EZB-Rat verbliebe.