© 2016 Deutscher Bundestag PE 6 – 3000 – 164/14 EU-Sanktionen gegenüber Russland Rechtsgrundlagen und Rechtmäßigkeit restriktiver Maßnahmen der EU gegenüber dem Vorsitzenden der Staatsduma Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitungen und andere Informationsangebote des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung P, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 164/14 Seite 2 EU-Sanktionen gegenüber Russland Rechtsgrundlagen und Rechtmäßigkeit restriktiver Maßnahmen der EU gegenüber dem Vorsitzenden der Staatsduma Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 164/14 Abschluss der Arbeit: 10.10.2014 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 164/14 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. EU-rechtliche Grundlagen für die Verhängung restriktiver Maßnahmen gegenüber natürlichen und juristischen Personen 5 3. Beurteilung der Rechtmäßigkeit der restriktiven Maßnahmen gegenüber dem Vorsitzenden der Staatsduma 6 3.1. Justiziabilität 6 3.2. Rechtmäßigkeitsmaßstab 7 3.3. Aufnahme des Vorsitzenden der Staatsduma im Lichte der Vorgaben des GASP-Beschlusses 2014/145 und der Verordnung 269/2014 8 3.4. Asset-freezing 9 3.4.1. Verfahrensrechtliche Grundrechtsgewährleistungen 9 3.4.1.1. Begründungspflicht 10 3.4.1.2. Recht auf Stellungnahme 11 3.4.1.3. Rechtsbehelfsbelehrung 12 3.4.1.4. Recht auf vorhergehende Anhörung 13 3.4.1.5. Zwischenergebnis 13 3.4.2. Eigentumsrecht 14 3.4.2.1. Gesetzesvorbehalt 14 3.4.2.2. Vorliegen einer dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzung 14 3.4.2.3. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 15 3.4.2.3.1. In allgemeiner Hinsicht 16 3.4.2.3.2. Im konkreten Fall 17 3.4.2.4. Wahrung des Wesensgehalts 18 3.4.2.5. Zwischenergebnis 19 3.5. Reisebeschränkungen 19 4. Zusammenfassung 20 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 164/14 Seite 4 1. Einleitung Im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise beschloss die Union im März 2014 die Ergreifung restriktiver Maßnahmen (smart sanctions) gegenüber Personen, die u. a. „für Handlungen verantwortlich [sind], die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen […]“.1 Angeordnet wurden zum einen Reisebeschränkungen (Verbot der Ein- und Durchreise) für das Hoheitsgebiet der EU-Mitgliedstaaten und zum anderen das Einfrieren sämtlicher Gelder und wirtschaftlicher Ressourcen (sog. asset-freezing).2 Davon sind Personen betroffen, die auf Beschluss des Rates in einer den einschlägigen EU-Rechtsakten jeweils als Anhang beigefügten Liste namentlich aufgeführt werden (im Folgenden: Sanktionsliste).3 Hierzu zählt auch der Vorsitzende der Staatsduma, Sergei Evgenevich Naryshkin.4 Als Begründung für die Aufnahme seiner Person wird in der Liste darauf verwiesen, dass er die Entsendung russischer Streitkräfte in die Ukraine sowie den Vertrag über die Eingliederung der Krim in die Russische Föderation und das damit verbundene föderale Verfassungsgesetz öffentlich befürwortet habe.5 Der Fachbereich Europa wird vor diesem Hintergrund darum ersucht, die Rechtsgrundlagen im EU-Recht für die einschlägigen Sekundärrechtsakte zu benennen (siehe dazu unter 2.) und zu erörtern , ob die darauf gestützten restriktiven Maßnahmen gegen den Vorsitzenden der Staatsduma rechtsstaatlich und verhältnismäßig sind (siehe dazu unter 3.). 1 Siehe Erwägungsgrund Nr. 4 des Beschlusses 2014/145/GASP v. 17.03.2014 über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen, ABl.EU 2014 Nr. L 78/16 (im Folgenden: Beschlusses 2014/145); konsolidierte Fassung online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/?qid=1412257876999&uri=CELEX:02014D0145-20140512 (letztmaliger Abruf am 15.02.16). Siehe ferner den gleichlautenden Erwägungsgrund Nr. 5 der Verordnung Nr. 269/2014 des Rates vom 17. März 2014 über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen, ABl.EU Nr. L 78/6 (im Folgenden: VO 269/2014); konsolidierte Fassung online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:02014R0269-20140512&rid=4 (letztmaliger Abruf am 15.02.16). 2 Vgl. Art. 1 Abs. 1 Beschluss 2014/145 (Fn. 1). 3 Siehe Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 Beschluss 2014/145 (Fn. 1); vgl. ferner Art. 2 VO 269/2014 (Fn. 1). 4 Siehe jeweils Anhang I, Nr. 25 der beiden unter Fn. 1 angeführten Rechtsakte. Aufgenommen wurde diese Person in die gleichlautenden Listen beider Rechtsakte auf Grundlage des Durchführungsbeschlusses 2014/151/GASP des Rates vom 21. März 2014 zur Durchführung des Beschlusses 2014/145/GASP über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen, ABl.EU 2014 Nr. L 86/30; online abrufbar unter http://eur-lex.europa .eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32014D0151&rid=1 (letztmaliger Abruf am 15.02.16), bzw. der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 284/2014 des Rates vom 21. März 2014 zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit , Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen, ABl.EU 2014 Nr. L 86/27; online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32014R0284&rid=1 (letztmaliger Abruf am 15.02.16), vgl. jeweils Art. 1 in Verbindung mit Anhang I, Nr. 4. 5 Siehe Anhang I, Nr. 25 der beiden unter Fn. 1 angeführten Rechtsakte. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 164/14 Seite 5 2. EU-rechtliche Grundlagen für die Verhängung restriktiver Maßnahmen gegenüber natürlichen und juristischen Personen Bei der Verhängung restriktiver Maßnahmen gegenüber Angehörigen von Drittstaaten handelt es sich in der Regel um außen- und sicherheitspolitische Handlungen, die bei Vornahme seitens der EU zunächst unter die Bestimmungen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP, Art. 23 bis 46 Vertrag über die Europäische Union - EUV) fallen.6 Rechtsgrundlage für die Anordnung restriktiver Maßnahmen sind entweder Art. 28 EUV oder – wie im vorliegenden Fall7 – Art. 29 EUV.8 In beiden Fällen entscheidet der Rat durch Beschluss9, der grundsätzlich einstimmig gefasst wird.10 Der im Rahmen der GASP erlassene Beschluss bedarf sodann der weiteren Durchführung bzw. Umsetzung. Diese obliegt hinsichtlich der Reisebeschränkungen den Mitgliedstaaten.11 Das asset-freezing bedarf dagegen zunächst einer weiteren normativen Regelung auf Ebene der EU, allerdings auf Grundlage von Zuständigkeiten, die im Vertrag über die Arbeitsweise der EU (AEUV) geregelt sind. Einschlägige Rechtsgrundlage hierfür ist Art. 215 Abs. 2 AEUV.12 Danach kann der Rat restriktive Maßnahmen gegen natürliche oder juristische Personen sowie Gruppen oder nichtstaatliche Einheiten erlassen, sofern dies in einem GASP-Ratsbeschluss vorgesehen ist. Der Rat handelt dabei mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag des Hohen Vertreters des Union für Außen- und Sicherheitspolitik und der Kommission; das Parlament wird hiervon (lediglich) 6 Daneben besteht eine weitere, nach innen gerichtete Rechtsgrundlage zum Erlass restriktiver Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung in Art. 75 Vertrag über die Arbeitsweise der EU (AEUV). Diese ist Teil der Bestimmungen des AEUV über den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Siehe zu dieser Vorschrift Röben, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 75 AEUV, Rn. 3 f. Vertieft zu Fragen der kompetenziellen Zuordnung restriktiver Maßnahmen auf der EU- Ebene, Stöckel, Smart Sanctions in der Europäischen Union, 2014, S. 36 ff., S. 205 ff. 7 Siehe die Eingangsformel des Beschlusses 2014/145 (Fn. 1), in der auf Art. 29 EUV Bezug genommen wird. 8 Vgl. zu den beiden in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen allgemein, Kaufmann-Bühler, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 29 EUV, Rn. 2, 5. 9 Dem jeweiligen Ratsbeschluss können politische Beschlüsse des Europäischen Rates vorausgehen, vgl. Art. 26 Abs. 1 und 2 EUV; siehe Kaufmann-Bühler, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 29 EUV, Rn. 12. In dem hier relevanten Kontext kann insoweit auf die Erklärung der Staats- und Regierungschefs vom 6. März 2014 verwiesen werden, Nr. 4, S. 2 (online abrufbar unter http://www.consilium.europa .eu/uedocs/cms_data/docs/pressdata/de/ec/141381.pdf – letztmaliger Abruf am 15.02.16). 10 Siehe Art. 31 Abs. 1 EUV. Die Ausnahmen hierzu (qualifizierte Mehrheit) finden sich in Art. 32 Abs. 2 EUV. 11 Siehe Art. 1 Beschluss 2014/145 (Fn. 1). 12 Zu dieser Vorschrift allgemein, Schneider/Terhechte, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 215 AEUV, Rn. 1 ff. Individualsanktionen lassen sich daneben auch auf Art. 215 Abs. 1 AEUV stützen , vgl. EuG, Rs. T-202/12 (Bouchra Al Assad), Urt. v. 12.03.2014, Rn. 92. Dies gilt allerdings nur insoweit, als es sich um Personen handelt, die mit dem durch die darauf gestützten Rechtsakte primär betroffenen Drittstaat bzw. seinen Machthabern eng verbunden sind. Die hier betrachteten smart sanctions richten sich allerdings nicht gegen einen bestimmten Drittstaat, sondern ausschließlich gegen natürliche und juristische Personen, so dass Art. 215 Abs. 1 AEUV als Rechtsgrundlage ausscheidet. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 164/14 Seite 6 unterrichtet (Art. 215 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 AEUV). Als Rechtsakt wird dabei regelmäßig – wie auch im vorliegenden Fall – auf eine (unmittelbar anwendbare) Verordnung zurückgegriffen .13 Die dort geregelten Vorgaben zum Einfrieren von Vermögenswerten verpflichten insbesondere in der Union ansässige Finanz- und Kreditinstitute, und zwar in direkter Weise, ohne dass es weiterer mitgliedstaatlicher (Umsetzungs-)Akte bedarf.14 Im Übrigen sind für die Vollstreckung restriktiver Maßnahmen im Einzelfall auch hier mitgliedstaatliche Behörden zuständig.15 Sowohl der GASP-Beschluss als auch die auf Grundlage von Art. 215 Abs. 2 AEUV erlassene Verordnung enthalten – in der Regel an den Rat gerichtete – Ermächtigungen, die Liste mit den von den restriktiven Maßnahmen betroffenen Personen zu ändern oder zu ergänzen.16 3. Beurteilung der Rechtmäßigkeit der restriktiven Maßnahmen gegenüber dem Vorsitzenden der Staatsduma 3.1. Justiziabilität Sowohl der GASP-Beschluss als auch die darauf aufbauende und auf Art. 215 Abs. 2 AEUV gestützte Verordnung über restriktive Maßnahmen unterliegen der Rechtmäßigkeitskontrolle durch den EU-Gerichtshof.17 Für die AEUV-Maßnahme ergibt sich das aus der grundsätzlich beide Verträge umfassenden Zuständigkeit des Gerichtshofs aus Art. 19 Abs. 1, Abs. 3 Buchst. a) EUV in Verbindung mit Art. 263 AEUV18. Die Justiziabilität des GASP-Beschlusses beruht dagegen auf einer Ausnahme zu dem ansonsten geltenden Grundsatz, wonach für GASP-Bestimmungen und die auf dieser Grundlage erlassenen Maßnahmen keine Zuständigkeit des Gerichtshofs besteht, Art. 24 Abs. 1 UAbs. 2 S. 6 EUV und Art. 275 Abs. 1 und 2 AEUV. Die restriktiven Maßnahmen der Ein- und Durchreisebeschränkung sowie des asset-freezing werden im vorliegenden Fall durch den GASP-Beschluss 2014/145 angeordnet und hinsichtlich des 13 Siehe VO 269/2014 (Fn. 1) und dort insbesondere die Eingangsformel, in deren Bezugnahmen das zweiaktige Unionsverfahren deutlich zum Ausdruck kommt. 14 Deutlich wird dies etwa an Art. 7 Abs. 1 sowie Art. 10 VO 269/2014 (Fn. 1). Eine derartige Bindungswirkung kommt Ratsbeschlüssen im Rahmen der GASP nicht zu. Diese binden und verpflichten lediglich die Mitgliedstaaten , vgl. dazu Pechstein, JZ 2010, 425 (427 f.). 15 Vgl. etwa Art. 4 VO 269/2014 (Fn. 1), wonach die zuständigen mitgliedstaatlichen Behörden die Freigabe eingefrorener Vermögenswerte unter bestimmten Voraussetzungen genehmigen können. 16 Siehe Art. 3 Abs. 1 Beschluss 2014/145 (Fn. 1) sowie Art. 14 Abs. 1 VO 269/2014 (Fn. 1). Vgl. etwa die in Fn. 4 genannte Durchführungsverordnung, in welcher u. a. der Vorsitzende der Staatsduma der Liste hinzugefügt wurde. 17 Vgl. EuGH, Rs. C-348/12 P (Rat/Manufactoring Support & Procurement Kala Naft), Urt. v. 28.11.2013, Rn. 65. Dazu Stöckel, Smart Sanctions in der Europäischen Union, 2014, S. 306, wenngleich überwiegend auf Grundlage der Rechtslage vor Inkrafttreten des Lissaboner Vertrags. Schneider/Terhechte, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 215 AEUV, Rn. 26. 18 In dieser Vorschrift ist die sog. Nichtigkeitsklage geregelt, mit welcher Mitgliedstaaten, EU-Organe sowie natürliche und juristische Personen die (Primär-)Rechtmäßigkeit von Organhandlungen überprüfen lassen können. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 164/14 Seite 7 asset-freezing durch die VO 269/2014 lediglich nach den Vorgaben des Beschlusses normativ umgesetzt. Daher können beide Rechtsakte bei der nachfolgenden Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit als Einheit betrachtet werden, soweit keine getrennte Behandlung angezeigt erscheint.19 3.2. Rechtmäßigkeitsmaßstab Die Rechtmäßigkeit unionssekundärrechtlicher Maßnahmen ist vor allem am Maßstab des vertraglichen Primärrechts zu messen.20 Soweit das einschlägige Sekundärrecht einen mehrstufigen Aufbau aufweist – wie etwa hinsichtlich des GASP-Beschlusses 2014/145 und der VO 269/2014 einerseits und der jeweiligen Durchführungsrechtsakte zur Ergänzung der Sanktionsliste21 andererseits – sind die Durchführungsakte zudem im Lichte der Grundakte zu beurteilen.22 Im Hinblick auf die formale Rechtmäßigkeit der hier einschlägigen Rechtsakte in Bezug auf Zuständigkeit , Verfahren und Form bestehen – soweit ersichtlich – keine rechtlichen Zweifel.23 In materieller Hinsicht ist in Bezug auf die Mehrstufigkeit des hier einschlägigen Sekundärrechts zunächst zu prüfen, ob die Aufnahme des Vorsitzenden der Staatsduma in die Sanktionsliste den Anforderungen der insoweit gleichlaufenden Vorgaben des GASP-Beschlusses 2014/145 und der VO 269/2014 entsprochen hat (siehe unter 3.3.). Ist das der Fall, so sind auf Primärrechtsebene vor allem Grundrechte der von den smart sanctions betroffenen Personen zu beachten24, hier des Vorsitzenden der Staatsduma, soweit ihm entsprechende Grundrechtspositionen zustehen. In deren Rahmen kommt es sodann auf die Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit an, vgl. Art. 52 Abs. 1 S. 2 Charta der Grundrechte der EU (GRCh). Zu unterscheiden ist dabei zwischen dem asset-freezing (siehe unter 3.4.) und den Reisebeschränkungen (siehe unter 3.5.). 19 In prozessualer Hinsicht liegen dagegen zwei Klagegegenstände einer Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV vor, vgl. etwa EuGH, Rs. C-348/12 P (Rat/Manufactoring Support & Procurement Kala Naft), Urt. v. 28.11.2013, Rn. 1. 20 Vgl. Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 288 AEUV, Rn. 8. 21 Siehe die in Fn. 4 aufgeführten Rechtsakte. 22 Vgl. Schoo, in: Schwarze, EU-Kommentar, 3. Aufl. 2012, Art. 290 AEUV, Rn. 1 („Normenhierarchie“); Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 288 AEUV, Rn. 11; Art. 290 AEUV, Rn. 1. 23 Insbesondere weisen sowohl der Beschluss 2014/145 (Fn. 1) als auch die VO 269/2014 (Fn. 1) – soweit ersichtlich – keine formalen (Verfahrens-)Fehler bezüglich ihres Zustandekommens nach Art. 29, 31 EUV bzw. Art. 215 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 AEUV auf. Gleiches gilt im Ergebnis für die Ergänzung der beiden Listen um die Person des Vorsitzenden der Staatsduma auf Grundlage der in beiden Rechtsakten enthaltenen Ermächtigung . 24 Diese bilden auch in anderen Sachbereichen restriktiver Maßnahmen, etwa im Bereich der Bekämpfung des internationalen Terrorismus, den Prüfungsschwerpunkt, vgl. EuGH, verb. Rs. C-584/10 P, C-593/10 P und C- 595/10 P (Kadi II), Urt. v. 18.07.2013, Rn. 97 f. Siehe im Zusammenhang mit Wirtschaftssanktionen gegen den Iran ferner EuGH, Rs. C-348/12 P (Rat/Manufactoring Support & Procurement Kala Naft), Urt. v. 28.11.2013, Rn. 65; aus dem Schrifttum Stöckel, Smart Sanctions in der Europäischen Union, 2014, S. 306 ff., wenngleich überwiegend auf Grundlage der Rechtslage vor Inkrafttreten des Lissaboner Vertrags. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 164/14 Seite 8 Bei der Beurteilung der materiellen Rechtmäßigkeit wird im Folgenden mangels abweichender Angaben davon ausgegangen, dass die Begründung für die Aufnahme des Vorsitzenden der Staatsduma in die Sanktionsliste in tatsächlicher Hinsicht zutreffend ist. Darüber hinaus wird für die Prüfung insbesondere des asset-freezing unterstellt, dass diese Person über Gelder und wirtschaftliche Ressourcen in der EU verfügt, die diesen restriktiven Maßnahmen unterliegen. 3.3. Aufnahme des Vorsitzenden der Staatsduma im Lichte der Vorgaben des GASP-Beschlusses 2014/145 und der Verordnung 269/2014 Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GASP-Beschluss 2014/145 und nahezu wortgleich auch Art. 3 VO 269/2014 konkretisierten den Kreis der von den restriktiven Maßnahmen erfassten Personen in abstrakter Hinsicht bei ihrem Erlass am 17. März 2014 dahingehend, dass es sich um natürliche Personen handeln muss, „die für Handlungen verantwortlich sind, die die territoriale Unversehrtheit , Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen, und den mit ihnen verbundenen natürlichen Personen.“25 Eine Erweiterung dieses Personenkreises wurde am 12. Mai 2014 beschlossen. Der Änderungsbeschluss bzw. die Änderungsverordnung ergänzten die genannten Artikel u. a. um Personen, die „solche Handlungen oder politische Maßnahmen aktiv unterstützen oder umsetzen“.26 Die Aufnahme des Vorsitzenden der Staatsduma in die Sanktionslisten beider Rechtsakte erfolgte durch Erlass entsprechender Durchführungsakte am 21. März 2014 und damit vor der Erweiterung des abstrakt umschriebenen Personenkreises.27 Diesen Zeitpunkt zugrunde legend, wäre die Aufnahme im Lichte der Vorgaben der Grundakte jedenfalls dann zulässig gewesen, wenn die ihm vorgehaltene öffentliche Befürwortung der Entsendung russischer Streitkräfte, des Vertrages über die Eingliederung der Krim in die Russische Föderation und des damit verbundenen Gesetzes als Handlung anzusehen wäre, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergräbt oder bedroht. An dieser Stelle ergibt sich die Schwierigkeit, dass die beiden Grundakte keine Definition der einzelnen Elemente dieser Personenumschreibung enthalten. Betrachtet man die ursprünglich mit 25 Vgl. die in Fn. 1 genannten Akte in der ursprünglichen Fassung, online abrufbar unter http://eur-lex.europa .eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32014D0145&rid=1 (Beschluss) bzw. http://eur-lex.europa .eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32014R0269&rid=1 (Verordnung – leicht abweichende Formulierung im Wortlaut) – letztmaliger Abruf beider am 15.02.16. Hervorhebung durch Verfasser 26 Siehe Beschluss 2014/265/GASP des Rates vom 12. Mai 2014 zur Änderung des Beschlusses 2014/145/GASP über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen, ABl. EU 2014 Nr. L 137/9, online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32014D0265&rid=1 – letztmaliger Abruf am 15.02.16. Ferner Verordnung (EU) Nr. 476/2014 des Rates vom 12. Mai 2014 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen, ABl. EU 2014 Nr. L 137/1, online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32014R0476&rid=1 – letztmaliger Abruf am 15.02.16. 27 Siehe die Nachweis in Fn. 4. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 164/14 Seite 9 den beiden Grundakten erlassene Sanktionsliste mit den dort aufgeführten Personen als Anhaltspunkt für das Verständnis dieser Umschreibung, so ist von einer weiten Auslegung auszugehen. Denn auf dieser Liste finden sich neben Personen, die auf dem Gebiet der Krim aktiv den Beitritt dieser zur Russischen Föderation betrieben haben, auch verschiedene Amtsträger der Russischen Föderation, darunter Mitglieder der Staatsduma, die diesen Prozess befürworteten.28 Danach lässt sich auch die öffentliche Befürwortung der genannten Maßnahmen durch einen derart hohen Amtsträger wie den Vorsitzenden der Staatsduma - der ersten Kammer des russischen Parlaments – als Handlung ansehen, welche die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergräbt. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf dessen aus der Amtsträgerschaft folgende Nähe zum Gesetzgebungsverfahren in Bezug auf das Eingliederungsgesetz. Eine verbindliche Auslegung dieser Frage kann allerdings nur durch den EuGH erfolgen und muss daher an dieser Stelle offen bleiben. Würde man eine Verantwortlichkeit im Sinne der ursprünglichen Personenumschreibung in den beiden Grundakten in Bezug auf den Vorsitzenden der Staatsduma ablehnen, so stellte sich die Frage, ob dieser nicht als eine mit verantwortlichen Personen verbundene Person oder im Sinne der später vorgenommenen Ergänzung als eine der Personen angesehen werden könnte, die die erfassten Handlungen oder politischen Maßnahmen „aktiv unterstützen oder umsetzen“. Im letzten Fall wäre dann allerdings ferner zu klären, welche Rechtsfolgen der Umstand nach sich ziehen würde, dass diese Ergänzung zeitlich später erfolgte als die in Frage stehende Aufnahme in die Sanktionsliste. Im Folgenden wird jedoch davon ausgegangen, dass die Aufnahme des Vorsitzenden der Staatsduma bereits im Lichte der ursprünglichen Personenumschreibung im Beschluss 2014/145 bzw. der VO 26972014 zulässig gewesen ist. 3.4. Asset-freezing Geht man von der bisherigen Rechtsprechung des EuGH aus, so werden restriktive Maßnahmen in Gestalt des asset-freezing zum einen an verfahrensrechtlichen Grundrechtsgewährleistungen gemessen (siehe unter 3.4.1.) und zum anderen am Eigentumsrecht (siehe unter 3.4.2.).29 Auf beide Grundrechtspositionen könnte sich der Vorsitzende der Staatsduma zumindest in seiner Eigenschaft als betroffene Privatperson berufen. 3.4.1. Verfahrensrechtliche Grundrechtsgewährleistungen Hinsichtlich verfahrensrechtlicher Grundrechtsgewährleistungen stellt der EuGH auf das in Art. 47 GRCh verankerte Recht auf wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz sowie auf das Recht 28 Siehe jeweils die Positionen Nr. 1 bis 21 der konsolidierten Sanktionslisten, Mitglieder der Staatsduma finden sich unter Nr. 16 bis 18 (vgl. Fn. 1). 29 Vgl. etwa EuGH, Rs. C-348/12 P (Rat/Manufactoring Support & Procurement Kala Naft), Urt. v. 28.11.2013, Rn. 66 ff. und 119 ff. Mangels praktischer Relevanz mit Blick auf die Amtsträgereigenschaft des Vorsitzenden der Staatsduma bleibt vorliegend das in anderen Fällen ebenfalls in Betracht gezogene Recht auf freie Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit (Art. 15, 16 GRCh) außer Betracht. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 164/14 Seite 10 auf Achtung der Verteidigungsrechte ab, welche er in Art. 41 Abs. 2 GRCh verortet sieht.30 Ohne im Einzelnen immer streng zwischen den beiden Gewährleistungen zu unterscheiden, leitet er aus beiden Grundrechtspositionen verschiedene verfahrensrechtliche Anforderungen ab31, bei deren Einhaltung ein Grundrechtsverstoß nicht vorliegt.32 Zu diesen zählen die Begründungspflicht (siehe unter 3.4.1.1.) sowie ein Recht zur Stellungnahme (siehe unter 3.4.1.2.). Fraglich ist hingegen das Bestehen einer Pflicht zur Rechtsbehelfsbelehrung (siehe unter 3.4.1.3.). Im Fall von restriktiven Maßnahmen ist schließlich das Recht auf Anhörung vor Erlass einer nachteiligen Entscheidung eingeschränkt (siehe unter 3.4.1.4.). 3.4.1.1. Begründungspflicht Das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf aus Art. 47 GrCh setzt voraus, dass der Betroffene die Möglichkeit hat, einen Rechtsakt der Unionsorgane gerichtlich anzugreifen.33 Eine Begründungspflicht hinsichtlich des beschwerenden Rechtsakts (vgl. auch Art. 296 Abs. 2 AEUV) soll zur effektiven Wahrnehmung dieses Rechts beitragen und dient dem Zweck, „den Betroffenen so ausreichend zu unterrichten, dass er erkennen kann, ob der Rechtsakt sachlich richtig oder eventuell mit einem Mangel behaftet ist, der seine Anfechtung vor dem Unionsrichter zulässt“34. Diese Begründungspflicht ist insbesondere auch auf den Erlass restriktiver Maßnahmen aufgrund eines GASP-Beschlusses anwendbar.35 Im Hinblick auf die Detailliertheit und Konkretheit der Begründung hat der EuGH ausgeführt, dass sie „die Überlegungen des Organs, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen [muss], dass der Betroffene ihr die Gründe für die erlassenen Maßnahmen entnehmen und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgaben wahrnehmen kann“.36 Ferner sei erforderlich, „dass in dieser Begründung die einzelfallbezogenen, spezifischen und konkreten 30 EuGH, verb. Rs. C-584/10 P, C-593/10 P und C-595/10 P (Kadi II), Urt. v. 18.07.2013, Rn. 98-100; EuGH, Rs. C- 348/12 P (Rat/Manufactoring Support & Procurement Kala Naft), Urt. v. 28.11.2013, Rn. 66-68. 31 Vgl. EuGH, verb. Rs. C-584/10 P, C-593/10 P und C-595/10 P (Kadi II), Urt. v. 18.07.2013, Rn. 98 ff., 103. 32 Unklar bleibt dabei oft, ob es in diesen Konstellationen bereits an einem Grundrechtseingriff fehlt oder, ob dieser vorliegt, aber im Ergebnis gerechtfertigt ist. 33 Eser, in: Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 4. Aufl. 2014, Art. 47 GRCh, Rn. 13. 34 EuGH, Rs. C-417/11 P (Bamba), Urt. v. 15.11.2012, Rn. 49. Vgl. auch EuGH, Rs. C-348/12 P (Rat/Manufactoring Support & Procurement Kala Naft), Urt. v. 28.11.2013, Rn. 68; EuGH, verb. Rs. C-539/10 und C-550/10 P (Al- Aqsa/Rat und Niederlande/Al-Aqsa), Urt. v. 15.11.2012, Rn. 138. 35 EuGH, verb. Rs. C-584/10 P, C-593/10 P und C-595/10 P (Kadi II), Urt. v. 18.07.2013, Rn. 111. Vgl. auch EuGH, Rs. C-550/09 (E und F), Urt. v. 29.06.2010, Rn. 53f. 36 EuGH, Rs. C-417/11 P (Bamba), Urt. v. 15.11.2012, Rn. 50; EuGH, verb. Rs. C-539/10 und C-550/10 P (Al- Aqsa/Rat und Niederlande/Al-Aqsa), Urt. v. 15.11.2012, Rn. 138. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 164/14 Seite 11 Gründe genannt werden, aus denen die zuständigen Behörden der Auffassung sind, dass gegen die betroffene Person restriktive Maßnahmen verhängt werden müssen“.37 Dabei ist allerdings nicht nur auf die isolierte Begründung der einzelnen restriktiven Maßnahme abzustellen. Vielmehr ist die Begründung im Kontext des Rechtsaktes, insbesondere auch seiner Erwägungsgründe zu sehen.38 Hierzu hat der EuGH ausgeführt, dass in „der Begründung nicht alle tatsächlich und rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden [brauchen], da die Frage, ob eine Begründung ausreichend ist, nicht nur anhand des Wortlauts des Rechtsakts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontextes sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet.“39 Schließlich ist zu beachten, dass es sich bei der Begründungspflicht um ein Formerfordernis handelt. Ob die im Rechtsakt angegeben Tatsachen „als Umstände einzustufen sind, die die Anwendung restriktiver Maßnahmen gegen die betreffende Person rechtfertigen “, ist eine andere. materielle Frage und streng von der Prüfung der Verfahrensrechte zu trennen .40 Vor dem Hintergrund dieser Anforderungen ist die Begründung im Fall des Vorsitzenden der Staatsduma, wonach er die Entsendung russischer Streitkräfte in die Ukraine und den Vertrag über die Eingliederung der Krim in die Russische Föderation und das damit verbundene föderale Verfassungsgesetz „öffentlich befürwortet“ 41 hat, als ausreichend anzusehen. Zwar könnte man kritisieren, dass sich allein aus der zitierten (isolierten) Information möglicherweise noch keine für den EuGH hinreichend konkrete Begründung ergibt. Im Zusammenschau mit den Erwägungsgründen 3 und 4 des Beschlusses und der Verordnung wird jedoch der Kontext und das Ziel der Maßnahmen ausreichend dargestellt, nämlich durch den Erlass restriktiver Maßnahmen Druck auf die davon betroffenen Personen auszuüben, die für Handlungen verantwortlich sind, die die territoriale Unversehrtheit der Ukraine untergraben oder bedrohen, um auf diese Weise die Lösung der Krise zwischen Russland und der Ukraine auf Verhandlungswege zu erreichen. 3.4.1.2. Recht auf Stellungnahme Eine weitere wichtige, aus dem Verteidigungsrecht nach Art. 41 Abs. 2 GRCh folgende Verfahrensanforderung in diesem Zusammenhang ist das Recht auf Abgabe einer Stellungnahme in Bezug 37 EuGH, verb. Rs. C-584/10 P, C-593/10 P und C-595/10 P (Kadi II), Urt. v. 18.07.2013, Rn. 116, 38 EuGH, verb. Rs. C-539/10 und C-550/10 P (Al-Aqsa/Rat und Niederlande/Al-Aqsa), Urt. v. 15.11.2012, Rn. 139- 140; EuGH, Rs. C-417/11 P (Bamba), Urt. v. 15.11.2012, Rn. 53. 39 EuGH, Rs. C-417/11 P (Bamba), Urt. v. 15.11.2012, Rn. 53. So auch EuGH, Rs. C-348/12 P (Rat/Manufactoring Support & Procurement Kala Naft), Urt. v. 28.11.2013, Rn. 71. 40 EuGH, Rs. C-548/09 P (Bank Melli/Iran), Urt. v. 16.11. 2011, Rn. 88; EuGH, Rs. C-417/11 P (Bamba), Urt. v. 15.11.2012, Rn. 60-61; EuG, Rs. T-202/12 (Bouchra Al Assad), Urt. v. 12.03.2014, Rn. 53. 41 Siehe jeweils Anhang I, Nr. 25 der beiden in Fn 1 angeführten Rechtsakte. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 164/14 Seite 12 auf die Aufnahme in die Sanktionsliste.42 Ein Stellungnahmerecht sowie sich eine daran knüpfende individuelle Überprüfungspflicht ist in Art. 3 Abs. 2 u. 3 Beschluss 2014/145 bzw. Art. 14 Abs. 2 u. 3 der VO Nr. 269/2014 vorgesehen. Inhaltsgleiche Bestimmungen hat der EuGH in einem ähnlichen Fall nicht beanstandet,43 so dass auch vorliegend von einer Einhaltung dieses Rechts auszugehen ist. Darüber hinaus sieht zumindest die VO 269/2014 in Art. 14 Abs. 4 eine generelle, mindestens einmal jährlich geltende Überprüfungspflicht des Rates im Hinblick auf die Sanktionsliste vor. Eine solche Pflicht enthält der Beschluss 2014/145 zwar nicht explizit. Sie lässt sich jedoch seinem Art. 6 Abs. 2 entnehmen, wonach der Beschluss als Ganzes (und damit auch sein Anhang) fortlaufend überprüft wird. 3.4.1.3. Rechtsbehelfsbelehrung Art. 215 Abs. 3 AEUV schreibt vor, dass u.a. in den auf Grundlage von Art. 215 Abs. 2 AEUV erlassenen Rechtsakten „die erforderlichen Bestimmungen über den Rechtsschutz“ vorgesehen sein müssen. Ob – über die eben erwähnten Aspekte der Begründungspflicht und des Rechts auf Stellungnahme hinaus – dazu auch eine Rechtsbehelfsbelehrung gehört, in der auf den gerichtlichen Rechtsschutz und die in Betracht kommenden Verfahren vor den Unionsgerichten verwiesen wird, ist nach derzeitiger Rechtlage nicht eindeutig zu beantworten. Insbesondere ergibt sich aus der Rechtsprechung nicht, ob hierzu eine Pflicht besteht, die bei Verletzung zugleich einen Grundrechtseingriff begründet.44 Bedeutung hat dieser Aspekt jedenfalls für den Beginn der Klagefrist einer gegen restriktive Maßnahmen gerichteten Individualnichtigkeitsklage nach Art. 263 Abs. 4 u. 6 AEUV. Die Frist läuft nicht schon ab Veröffentlichung der betreffenden Rechtsakte, sondern erst mit Veröffentlichung einer Mitteilung, die (auch) Angaben zu den gerichtlichen Rechtsbehelfen enthält.45 Im vorliegenden Fall wies der Rat in einer am 29.05.2014 veröffentlichten Mitteilung darauf hin, dass die Betroffenen „den Beschluss des Rates unter den in Artikel 275 Absatz 2 und Artikel 263 42 Vgl. EuGH, verb. Rs. C-402/05 P u. C-415/05 P (Kadi I), Urt. v. 03.09.2008, Rn. 368 f., vgl. allgemein auch EuGH Rs. C-49/88 (Al Jubail), Urt. v. 27.06.1991, Rn. 17; Callies/Ruffert Das Verfassungsrecht der Europäischen Union mit Europäischer Grundrechtecharta, 4. Aufl. 2011, Art. 41 GrCh, Rn. 15. 43 EuGH, Rs. C-417/11 P (Bamba), Urt. v. 15.11.2012, Rn. 68-72. 44 Vgl. EuGH, Rs. C-417/11 P (Bamba), Urt. v. 15.11.2012, Rn. 79 ff. Nach früherer Rechtsprechung war eine Rechtsbehelfsbelehrung jedenfalls nicht vorgesehen, vgl. EuGH, Rs. C-153/98 (Guerin Automobiles), Beschluss v. 05.03.1999, Rn. 12 ff. 45 EuGH, verb. Rs. C-478/11 P bis C-482/11 P (Gbagbo u. a.), Urt. v. 23.04.2013, Rn. 59, 61 f., 64. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 164/14 Seite 13 Absätze 4 und 6 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union genannten Voraussetzungen vor dem Gericht der Europäischen Union anfechten können.“ 46 Einen wortgleichen Hinweis ließ der Gerichtshof unbeanstandet.47 Problematisch ist hier allein, dass diese Mitteilung des Rates mehr als zwei Monate nach der Aufnahme von Sergei Evgenevich Naryshkin in die Sanktionsliste erging. Damit begann jedenfalls die Klagefrist erst ab diesem Zeitpunkt zu laufen. Ob darin zugleich ein Grundrechtseingriff zu sehen ist, muss – wie oben ausgeführt – offen bleiben. 3.4.1.4. Recht auf vorhergehende Anhörung Grundsätzlich enthalten die Verteidigungsrechte aus Art. 41 Abs. 2 GrCh auch das Recht einer jeden Person, gehört zu werden, bevor ihr gegenüber eine für sie beschwerende individuelle Maßnahme getroffen wird. Die Aufnahme in eine Liste wie die des Beschlusses 2014/145/GASP bzw. der Verordnung Nr. 269/2014 stellt zwar eine beschwerende Maßnahme dar. Allerdings lässt Art. 52 Abs. 1 GRCh Einschränkungen der Ausübung der in ihr verankerten Rechte zu.48 Laut EuGH ist der Rat weder bei der ursprünglichen Aufnahme in die Liste, noch im Stadium der Überprüfung verpflichtet, den Betroffenen anzuhören.49 Eine Anhörung ist, insbesondere im Vorfeld der Maßnahmen, vom Recht auf effektiven Rechtsschutz also nicht umfasst. Die Einschränkung des Rechts auf rechtliches Gehör wird unter anderem damit begründet, dass restriktive Maßnahmen wie das asset-freezing aufgrund ihrer Natur überraschend kommen müssen, um das verfolgte Ziel zu erreichen.50 Das Recht zur (späteren) Stellungnahme bleibt hiervon allerdings unberührt (s. unter 3.). 3.4.1.5. Zwischenergebnis Im Hinblick auf grundrechtlich begründete Verfahrensanforderungen ist festzuhalten, dass von der Einhaltung der Begründungspflicht auszugehen ist. Auch sehen der Beschluss 2014/145 so- 46 Mitteilung an die Personen, die den restriktiven Maßnahmen nach dem Beschluss 2014/145/GASP des Rates, geändert durch den Beschluss 2014/658/GASP des Rates, und der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 des Rates, durchgeführt durch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 961/2014 des Rates, über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen, unterliegen, ABl.EU 2014 Nr. C 310/1 (online abrufbar unter http://eur-lex.europa .eu/legal-content/DE/TXT/?uri=uriserv:OJ.C_.2014.310.01.0001.01.DEU – letztmaliger Abruf am 15.02.16). 47 EuGH, Rs. C-417/11 P (Bamba), Urt. v. 15.11.2012, Rn. 80 – 81. 48 EuGH, verb. Rs. C-584/10 P, C-593/10 P und C-595/10 P (Kadi II), Urt. v. 18.07.2013, Rn. 101; EuGH, Rs. C- 348/12 P (Rat/Manufactoring Support & Procurement Kala Naft), Urt. v. 28.11.2013, Rn. 68. 49 EuGH, Rs. C-417/11 P (Bamba), Urt. v. 15.11.2012, Rn. 74. Unklar bleibt, ob der EuGH die fehlende Anhörung lediglich rechtfertigt oder schon gar keinen Eingriff in das Anhörungsrecht annimmt. Für letztere Ansicht würde jedenfalls die Formulierung sprechen: „Der Rat war daher nicht verpflichtet Frau Bamba vor ihrer ersten Aufnahme in die fraglichen Listen anzuhören“ (Rn. 74). 50 EuGH, verb. Rs. C-402/05 P und C-415/05 (Kadi I), Urt. v. 03.09.2008, Rn. 340-341; EuGH, Rs. C-27/09 (Mojahedin ) Rn. 61; EuGH, Rs. C-417/11 P (Bamba), Urt. v. 15.11.2012, Rn. 74. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 164/14 Seite 14 wie die VO 269/2014 das grundrechtlich gebotene Recht auf Stellungnahme hinsichtlich der Aufnahme in die Sanktionsliste sowie eine generelle Überprüfungspflicht vor. Grundrechtlich nicht erforderlich ist vorliegend eine Anhörung des Betroffenen vor Aufnahme in die Sanktionsliste. Offen ist jedoch die grundrechtliche Bedeutung der hier erst nachträglich erfolgten Rechtsbehelfsbelehrung . Bedeutung hatte diese jedenfalls für den Beginn der Klagefrist einer möglichen Individualnichtigkeitsklage nach Art. 263 Abs. 4, 6 AEUV. 3.4.2. Eigentumsrecht Nach den bisher einschlägigen Entscheidungen stellt das asset-freezing – obgleich es sich dabei nicht um eine Enteignung handelt – einen Eingriff in das auch unionsrechtlich geschützte Eigentumsrecht dar (vgl. Art. 17 AEUV).51 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs, die auch Eingang in Art. 52 Abs. 1 GRCh gefunden hat, gilt der unionsrechtlich gewährte Grundrechtsschutz nicht absolut, sondern unterliegt Beschränkungen. Diese müssen allerdings gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt des betreffenden Grundrechts achten; zudem dürfen Beschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie verhältnismäßig sind und den von der Union anerkannten, dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen entsprechen.52 3.4.2.1. Gesetzesvorbehalt Der Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage für die Einschränkung des Eigentumsrechts ist hinsichtlich des asset-freezing durch den Erlass der diese Maßnahmen in Art. 2 unmittelbar anordnenden VO 269/2014 genüge getan.53 3.4.2.2. Vorliegen einer dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzung Ausweislich der Erwägungsgründe sowohl des Beschlusses 2014/145 als auch der VO 269/2014 steht das asset-freezing vor allem in Zusammenhang mit der Verletzung der Souveränität und der territorialen Unversehrtheit der Ukraine durch die Russische Föderation anlässlich der Krise um die Krim.54 Deren Lösung soll nach Ansicht der EU durch Verhandlungen zwischen den Regierungen der Ukraine und der Russischen Föderation herbeigeführt werden. Um dies zu erreichen, soll auf die Personen, die für Handlungen verantwortlich sind, die die territoriale Unversehrtheit, 51 Vgl. EuGH, verb. Rs. C-402/05 P und C-415/05 (Kadi I), Urt. v. 03.09.2008, Rn. 358 f.; EuG, Rs. T-202/12 (Bouchra Al Assad), Urt. v. 12.03.2014, Rn. 112, 115. 52 EuGH, verb. Rs. C-402/05 P und C-415/05 (Kadi I), Urt. v. 03.09.2008, Rn. 360; EuGH, Rs. C-348/12 P (Rat/Manufactoring Support & Procurement Kala Naft), Urt. v. 28.11.2013, Rn. 122; EuGH, Rs. C-548/09 P (Bank Melli/Iran), Urt. v. 16.11. 2011, Rn. 114. 53 Vgl. Jarass, Charta der Grundrechte der EU, 2. Auflage 2013, Art. 52 CRCh, Rn. 27, wonach es nicht darauf ankommt , dass der betreffende EU-Rechtsakt in einem Gesetzgebungsverfahren nach Art. 289 AEUV und damit unter Beteiligung des Europäischen Parlaments erlassen wurde. Siehe auch Borowsky, in: Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 4. Aufl. 2014, Art. 52 GRCh, Rn. 20a. 54 Vgl. jeweils Erwägungsgründe Nr. 1 der beiden Rechtsakte (Fn. 1). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 164/14 Seite 15 Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen, u. a. durch das assetfreezing Druck ausgeübt werden.55 Diese Zielsetzung steht zunächst in Übereinstimmung mit den in Art. 21 EUV enthaltenen Grundsätzen und Zielen des auswärtigen Handelns der Union. Nach Absatz 1 dieser Bestimmung lässt sich die Union auf internationaler Ebene u. a. von der Achtung der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen leiten. Nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. c) EUV legt die Union Maßnahmen fest, um nach Maßgabe u. a. der Ziele und Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen, den Frieden zu erhalten, Konflikte zu verhüten und die internationale Sicherheit zu stärken. Zu den in beiden Bestimmungen in Bezug genommenen Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen gehören die friedliche Streitbeilegung (Art. 2 Nr. 3) und das Verbot jeglicher, gegen die die territoriale Unversehrtheit oder politische Unabhängigkeit eines anderen Staates gerichteten Anwendung von Gewalt (Art. 2 Nr. 4). Der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu anderen Sanktionsfällen lässt sich zudem die Akzeptanz vergleichbarer Zielsetzungen entnehmen, wie etwa die vorrangige Bedeutung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit im Zusammenhang mit der Verhinderung der nuklearen Proliferation seitens der Islamischen Republik Iran56 oder der Schutz der Zivilbevölkerung als eines der grundlegenden Ziele der Völkergemeinschaft im Zusammenhang dem Konflikt in Syrien 57. Im Ergebnis bestehen daher an dem Vorliegen einer legitimen Zielsetzung für die Einschränkung des Eigentumsrechts durch das im Beschluss 2014/15 und der VO 269/2014 angeordnete assetfreezing keine Zweifel. 3.4.2.3. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Das asset-freezing als solches muss ferner dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf die soeben dargestellte Zielsetzung genügen. Dieser verlangt, dass die von einer unionsrechtlichen Bestimmung eingesetzten Mittel zur Erreichung der mit der betreffenden Regelung verfolgten Ziele geeignet sind und nicht über das dazu Erforderliche hinausgehen.58 Die rechtliche Beurteilung der Geeignetheit und Erforderlichkeit als Bestandteile des unionalen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfordert die Vornahme von Wertungen, die in diesem Zusam- 55 Vgl. jeweils Erwägungsgründe Nr. 3 und 4 der beiden Rechtsakte (Fn. 1). 56 Siehe EuGH, Rs. C-348/12 P (Rat/Manufactoring Support & Procurement Kala Naft), Urt. v. 28.11.2013, Rn. 124; EuGH, Rs. C-548/09 P (Bank Melli/Iran), Urt. v. 16.11. 2011, Rn. 115. 57 Siehe EuG, Rs. T-202/12 (Bouchra Al Assad), Urt. v. 12.03.2014, Rn. 116. 58 EuG, Rs. T-202/12 (Bouchra Al Assad), Urt. v. 12.03.2014, Rn. 113, mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung . Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 164/14 Seite 16 menhang in verbindlicher Weise alleine dem EU-Gerichtshof obliegen. Aus diesem Grund werden im Folgenden nur die bisherige Rechtsprechung des EuGH zu vergleichbaren Konstellationen nachgezeichnet und allein hieraus Schlussfolgerungen für den vorliegenden Fall gezogen. Danach gilt es zunächst zu unterscheiden zwischen der in Art. 2 VO 269/2014 angeordneten Maßnahme des asset-freezing in allgemeiner Hinsicht (siehe unter 3.4.2.3.1.) und ihrer Anwendung im konkreten Fall auf den Vorsitzenden der Staatsduma (siehe unter 3.4.2.3.2.).59 3.4.2.3.1. In allgemeiner Hinsicht Bei der gerichtlichen Kontrolle des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in Bezug auf die Bestimmung zum asset-freezing als solchem ist zu beachten, dass der EuGH den handelnden Unionsorganen auch in diesem Bereich ein weites Ermessen einräumt, „in denen er politische, wirtschaftliche und soziale Entscheidungen treffen und komplexe Prüfungen vornehmen muss.“60 Folglich ist das asset-freezing vorliegend nur dann als rechtswidrig anzusehen, wenn es zur Erreichung des Ziels, das das zuständige Organ verfolgt, offensichtlich ungeeignet ist.61 In den bisherigen Fällen konnte – soweit ersichtlich – eine solche offensichtliche Ungeeignetheit nicht festgestellt werden. Hierbei wurde regelmäßig auf die hohe Bedeutung des jeweils mit dem asset-freezing verfolgten legitimen Ziels verwiesen, etwa der Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus zur Erhaltung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit62 oder des bereits erwähnten Schutzes der Zivilbevölkerung im Zusammenhang mit dem Konflikt in Syrien63. Insbesondere das erst genannte Ziel rechtfertige im Grundsatz auch „erhebliche negative Konsequenzen für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer […], darunter auch für solche, die für die Situation , die zum Erlass der betreffenden Maßnahmen geführt hat, nicht verantwortlich sind“.64 Im Zusammenhang mit der Erforderlichkeit wurde in den einschlägigen Entscheidungen von Seiten des EuGH zudem hervorgehoben, dass vom asset-freezing auf Antrag des Betroffenen Gelder auszunehmen sind, die für Grundausgaben und -bedürfnissen benötigt werden.65 Im Übrigen be- 59 Vgl. etwa EuGH, verb. Rs. C-402/05 P und C-415/05 (Kadi I), Urt. v. 03.09.2008, Rn. 366 f.; EuGH, verb. Rs. C- 539/10 und C-550/10 P (Al-Aqsa/Rat und Niederlande/Al-Aqsa), Urt. v. 15.11.2012, Rn. 124. 60 EuGH, Rs. C-348/12 P (Rat/Manufactoring Support & Procurement Kala Naft), Urt. v. 28.11.2013, Rn. 120, mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung. 61 EuGH, aaO. 62 Siehe etwa EuGH, verb. Rs. C-539/10 und C-550/10 P (Al-Aqsa/Rat und Niederlande/Al-Aqsa), Urt. v. 15.11.2012, Rn. 124; EuGH, verb. Rs. C-402/05 P und C-415/05 (Kadi I), Urt. v. 03.09.2008, Rn. 363. 63 EuG, Rs. T-202/12 (Bouchra Al Assad), Urt. v. 12.03.2014, Rn. 116. 64 EuGH, verb. Rs. C-402/05 P und C-415/05 (Kadi I), Urt. v. 03.09.2008, Rn. 361. 65 EuG, Rs. T-202/12 (Bouchra Al Assad), Urt. v. 12.03.2014, Rn. 118; EuGH, verb. Rs. C-402/05 P und C-415/05 (Kadi I), Urt. v. 03.09.2008, Rn. 364; EuGH, verb. Rs. C-539/10 und C-550/10 P (Al-Aqsa/Rat und Niederlande /Al-Aqsa), Urt. v. 15.11.2012, Rn. 127. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 164/14 Seite 17 trachtet der Gerichtshof alternative oder weniger belastende Maßnahmen, wie z.B. ein System einer vorherigen Erlaubnis oder einer Verpflichtung, die Verwendung der genutzten Beträge nachträglich zu belegen, in Anbetracht der damit verbundenen Umgehungsmöglichkeiten nicht als ebenso wirksam um das jeweils angestrebte Ziel zu erreichen.66 Diese, für eine Verhältnismäßigkeit streitenden Erwägungen treffen auch auf das hier im Raum stehende asset-freezing nach Art. 2 VO 269/2014 zu. Zunächst besteht eine von der Wertigkeit vergleichbar hohe Zielsetzung (siehe oben unter 3.4.2.2.) wie in den soeben zitierten Fällen. Sodann werden von den Maßnahmen des asset-freezing in erster Linie nur solche Personen erfasst, die sich für Handlungen verantwortlich zeichnen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen. Ferner bestehen auch auf Grundlage der VO 269/2014 in deren Art. 4 und 5 Ausnahmen vom asset-freezing u. a. für die Befriedigung von Grundbedürfnissen der betroffenen Personen. Im Übrigen ist auch hier nicht ersichtlich , welche alternativen und weniger belastenden Maßnahmen einen vergleichbaren Druck auf die handelnden Personen ermöglichen sollen. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung des weiten Ermessens seitens des hier handelnden Rates ist das asset-freezing in grundsätzlicher Hinsicht jedenfalls nicht als „offensichtlich ungeeignet“ anzusehen. 3.4.2.3.2. Im konkreten Fall In Bezug auf die Verhältnismäßigkeitsprüfung im konkreten Fall ist zunächst nicht ersichtlich, dass auch insoweit eine nur eingeschränkte gerichtliche Kontrolle besteht wie dies bei der allgemeinen Bewertung des asset-freezing der Fall ist. Ausgehend von der oben angenommenen Verantwortlichkeit des Vorsitzenden der Staatsduma für eine Handlung, welche die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergräbt (siehe oben 3.3), gilt sodann auch im Hinblick auf die konkrete Anwendung des asset-freezing, dass diese restriktive Maßnahme auf der oben unter 3.4.2.2. geschilderten, von der Wertigkeit her als hoch einzustufenden Zielsetzung beruht, nämlich die Krise um die Verletzung der Souveränität und der territorialen Unversehrtheit der Ukraine auf Verhandlungswege rückgängig zu machen. Des Weiteren ist nicht erkennbar, dass das asset-freezing als konkretes Instrument – eine tatsächliche Betroffenheit unterstellend – nicht geeignet sein sollte, um Druck auf diese Person auszuüben . Mildere Mittel, die in gleicher Weise geeignet wären diesen Effekt hervorzurufen, sind demgegenüber auch im konkreten Fall nicht ersichtlich. Ferner gelten die von asset-freezing bestehenden Ausnahmen auch zu Gunsten des Vorsitzenden der Staatsduma. Ein Anknüpfungspunkt für eventuelle Zweifel an Verhältnismäßigkeit könnte möglichweise allein darin gesehen werden, dass in der Begründung für das asset-freezing lediglich auf die öffentliche Befürwortung der Entsendung russischer Streitkräfte, des Vertrages über die Eingliederung 66 EuGH, verb. Rs. C-539/10 und C-550/10 P (Al-Aqsa/Rat und Niederlande/Al-Aqsa), Urt. v. 15.11.2012, Rn. 125; EuG, Rs. T-202/12 (Bouchra Al Assad), Urt. v. 12.03.2014, Rn. 117. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 164/14 Seite 18 der Krim in die Russische Föderation sowie des damit verbundenen Gesetzes und damit auf eine Meinungsäußerung verwiesen wird. Zwar unterliegen auch Meinungsäußerungen dem EU-Grundrechtsschutz, vgl. Art. 11 GRCh. Aber auch dieser ist nicht absolut, sondern unterliegt Einschränkungen, wenngleich diese angesichts der fundamentalen Bedeutung dieses Grundrechts für eine demokratische Gesellschaft eng auszulegen sind.67 Nach der für die Auslegung des Art. 11 GRCh maßgeblichen Gewährleistung der Meinungsfreiheit in der EMRK in Art. 10 Abs. 2 ist die Ausübung dieser Freiheit „mit Pflichten und Verantwortung verbunden; sie kann daher Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für die nationale Sicherheit, die territoriale Unversehrtheit oder die öffentliche Sicherheit […].68 Vor diesem Hintergrund ist folgendes anzumerken: Den sich in Gestalt des asset-freezing an die Meinungsäußerung des Vorsitzenden der Staatsduma knüpfenden Nachteilen liegt ein außenund sicherheitspolitischer Kontext zugrunde. Die von ihm in seiner Amtsträgerschaft verantwortete öffentliche Befürwortung gilt einem völkerrechtswidrigen Zustand, nämlich der Verletzung der Souveränität und der territorialen Unversehrtheit der Ukraine seitens der Russischen Föderation . Insbesondere die territoriale Unversehrtheit hat als Aspekt in die oben wiedergegebene Aufzählung der Einschränkungsziele des Art. 10 Abs. 2 EMRK Eingang gefunden. Es ist Ziel der EU, diesen Zustand auf Verhandlungswege zu beseitigen und dies auch durch wirtschaftlichen Druck auf entsprechende Verantwortungsträger zu erreichen. Angesichts dieser Zielsetzung erscheint es allemal vertretbar, das asset-freezing bereits an eine derartige Meinungsäußerung eines Verantwortungsträgers zu knüpfen. Ferner ist zu bedenken, dass die mit dem asset-freezing verknüpften Folgen als an die Meinungsäußerung anknüpfende Nachteile den Vorsitzenden der Staatsduma nicht in seinem eigentlichen, auf das Territorium Russlands bezogenen Wirkungsbereich treffen, sondern allein auf dem Gebiet der EU Wirkung zeitigen. Dieser Umstand ist geeignet, das Gewicht des vorliegenden Eingriffs in die Meinungsäußerungsfreiheit als eher gering einzustufen. Insgesamt erscheint es daher gut vertretbar, die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auch im konkreten Fall zu bejahen. 3.4.2.4. Wahrung des Wesensgehalts Hinsichtlich der Wahrung des Wesensgehalts69 des Eigentumsrechts genügt an dieser Stelle der Hinweis, dass das asset-freezing sowohl im Allgemeinen als auch im konkreten Fall – anders als etwa eine Enteignung – nicht zu einem dauerhaften Verlust der betroffenen Eigentumspositionen führt, sondern zu einer vorübergehenden Einschränkung der Verfügungsbefugnis, die zudem – 67 Siehe EuGH, Rs. C-274/99 P (Connolly), Urt. v. 06.03.2001, Rn. 39, 41. 68 EuGH, aaO., Rn. 40; vgl. ferner die Erläuterungen zu Art. 11 GRCh, die nach Art. 52 Abs. 7GRCh sowie nach Art. 6 Abs. 1 UAbs. 3 EUV, bei der Auslegung der GRCh gebührend zu berücksichtigen sind. 69 Zur Eigenständigkeit dieser Voraussetzung und ihrer problematischen Bestimmung im Einzelfall, siehe Jarass, Charta der Grundrechte der EU, 2. Auflage 2013, Art. 52 CRCh, Rn. 45 f. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 164/14 Seite 19 wie oben dargestellt – nicht ausnahmslos gilt. Des Weiteren besteht die Möglichkeit, gegen eine ungerechtfertigte Aufnahme in die Sanktionsliste durch Einreichung einer Stellungnahme beim Rat sowie durch Rechtsmittel vor Unionsgerichten vorzugehen. Eine Beeinträchtigung des Wesensgehalts des Eigentumsrechts ist daher als fernliegend zu betrachten. 3.4.2.5. Zwischenergebnis Hinsichtlich der eigentumsrechtlichen Relevanz des asset-freezing ist festzuhalten, dass den entsprechenden Maßnahmen im Lichte der bisherigen Rechtsprechung keine rechtlichen Bedenken jedenfalls in allgemeiner Hinsicht begegnen. Die damit verbundenen Eingriffe genereller Natur in das Grundrecht auf Eigentum nach Art. 17 GRCh können als verhältnismäßig angesehen werden. Dies lässt sich auch im Hinblick auf die konkrete Anwendung des asset-freezing gegenüber dem Vorsitzenden der Staatsduma vertreten. Eine verbindliche Entscheidung dieser, auf Wertung beruhenden Fragen obliegt jedoch dem EU-Gerichtshof. 3.5. Reisebeschränkungen Hinsichtlich der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Reisebeschränkungen stellt sich zunächst die Frage nach dem einschlägigen grundrechtlichen Prüfungsmaßstab. Ein Freizügigkeitsrecht, welches auch die Einreise in das Hoheitsgebiet der EU-Mitgliedstaaten erfasst70, besteht nur als Recht der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten, vgl. Art. 45 Abs. 1 GRCh, Art. 21 Abs. 1 AEUV.71 Eine Verletzung dieses Grundrechts in der Person des Vorsitzenden der Staatsduma scheidet daher aus. Das Europäische Gericht (EuG)72 hat in einem vergleichbaren Fall allerdings auf das in Art. 7 GRCh verankerte (Jedermanns-)Recht auf Achtung der Privatsphäre rekurriert und es zusammen mit dem durch das asset-freezing betroffene Eigentumsrecht geprüft.73 Dies ist im Hinblick auf die hier vor allem relevante Ebene der Rechtfertigung konsequent, da Art. 52 Abs. 1 GRCh insoweit die gleichen Anforderungen an alle Grundrechtseingriffe aufstellt. Zugleich bedeutet dies im Ergebnis, dass bei der Einschränkung dieses Grundrechts durch restriktive Maßnahmen in Gestalt von Reisebeschränkungen die gleichen Maßstäbe anzulegen sind wie im Fall der Eigentumsbeeinträchtigung durch das asset-freezing. Vor diesem Hintergrund kann hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der gegenüber dem Vorsitzenden der Staatsduma verhängten Reisebeschränkungen auf die obigen Ausführungen zur Rechtmäßigkeit des asset-freezing verwiesen werden. 70 Jarass, Charta der Grundrechte der EU, 2. Auflage 2013, Art. 45 CRCh, Rn. 9. 71 Jarass, Charta der Grundrechte der EU, 2. Auflage 2013, Art. 45 CRCh, Rn. 7. 72 Dieses ist in erster Instanz für Individualnichtigkeitsklagen nach Art. 263 Abs. 4 AEUV zuständig. 73 Siehe EuG, Rs. T-202/12 (Bouchra Al Assad), Urt. v. 12.03.2014, Rn. 112 ff. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 164/14 Seite 20 Ergänzend sei hinsichtlich der Erforderlichkeit angemerkt, dass die durch Art. 1 Abs. 1 GASP- Beschluss 2014/145 angeordneten Reisebeschränkungen nicht absolut gelten, sondern in Art. 1 Abs. 3, 4 und 6 Ausnahmen vorsehen, die sich u.a. aus völkerrechtlichen Verpflichtungen der betreffenden Mitgliedstaaten74 oder aus einer humanitären Notlage ergeben. 4. Zusammenfassung Die Rechtsgrundlagen für die Verhängung der sog. smart sanctions durch die EU im Falle des Vorsitzenden der Staatsduma finden sich zum einen in Art. 29 EUV für den Beschluss 2014/145 und zum anderen in Art. 215 Abs. 2 AEUV für die VO 269/2014. Mit dem ersten, der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik zuzurechnenden Sekundärrechtsakt werden Reisebeschränkungen und das Einfrieren von Geldern und anderen wirtschaftlichen Ressourcen dem Grunde nach angeordnet. Während die Reisebeschränkungen sodann durch die Mitgliedstaaten vollzogen werden, wird mit der VO 269/2014 das asset-freezing in Gestalt unionsweit unmittelbar anwendbarer Rechtsvorschriften EU-seits umgesetzt. Die konkrete Aufnahme des Vorsitzenden der Staatsduma in die gleichlautenden Sanktionslisten der beiden Rechtsakte, in der die von restriktiven Maßnahmen betroffenen Personen aufgelistet werden, erfolgte sodann durch zwei Durchführungsakte , die jeweils auf Grundlage des Beschluss 2014/145 bzw. der VO 269/2014 ergangen sind. Alle der genannten Maßnahmen unterliegen der Justiziabilität des EU-Gerichtshofs. Im Hinblick auf ihre hier allein relevante materielle Rechtmäßigkeit kam es insbesondere auf die Vereinbarkeit mit Grundrechtspositionen des Betroffenen an. Insbesondere bei der Verhängung restriktiver Maßnahmen in Gestalt des asset-freezing sind verfahrensrechtliche Grundrechte einerseits und das Recht auf Eigentum andererseits zu beachten. Während vorliegend von der Einhaltung wesentlicher verfahrensrechtlichen Grundrechtspositionen auszugehen ist – offen blieb lediglich die grundrechtliche Bedeutung des Fehlens einer Rechtsmittelbelehrung –, erfordert die Beurteilung des Eigentumseingriffs im Rahmen der Rechtfertigung die Vornahme von Wertungen, die verbindlich nur seitens des EU-Gerichtshofs vorgenommen werden können. Im Lichte der bisherigen Rechtsprechung erscheint es im Ergebnis jedoch gut vertretbar, das asset-freezing als gerechtfertigten , insbesondere verhältnismäßigen Eingriff in das Eigentumsrecht anzusehen. - Fachbereich Europa - 74 So etwa für den Fall eines Gastlandstatus für internationale zwischenstaatliche Organisationen, vgl. Art. 1 Abs. 3 Buchst. a) GASP-Beschluss 2014/145.