Deutscher Bundestag Austritt aus der Europäischen Atomgemeinschaft und rechtliche Konsequenzen für das Rahmenprogramm Forschung und Innovation „Horizont 2020“ Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 11 – 3000 – 163/12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 163/12 Seite 2 Austritt aus der Europäischen Atomgemeinschaft und rechtliche Konsequenzen für das Rahmenprogramm Forschung und Innovation „Horizont 2020“ Aktenzeichen: WD 11 – 3000 – 163/12 Abschluss der Arbeit: 22.11.12 Fachbereich: WD 11: Fachbereich Europa Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 163/12 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Unionsarchitektur und Möglichkeit eines Austritts aus der Europäischen Atomgemeinschaft (EAG) 5 2.1. Unionsarchitektur 5 2.2. Zur Möglichkeit und den Rechtsfolgen eines Austritts 6 3. Zur Struktur des Rahmenprogramms 7 3.1. Die einzelnen Rechtsakte 7 3.2. Kompetentielle Verortung der Rechtsakte 7 3.3. Rechtsakte und Regelungsgegenstände 8 4. Rechtliche Konsequenzen eines mitgliedsstaatlichen Austritts aus der EAG für das Rahmenprogramm 9 4.1. AEUV-Rahmenprogrammteil 9 4.2. EAG-Rahmenprogrammteil 10 4.2.1. Rechtliche Konsequenzen für die EAG-Programmverordnung 10 4.2.2. Folgen für den und in dem austretenden Mitgliedstaat 11 4.3. Fazit 12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 163/12 Seite 4 1. Einleitung Seit 1984 findet die EU-Forschungspolitik ihren formalrechtlichen Ausdruck in mehrjährigen Forschungsrahmenprogrammen. Das derzeitige, seit 2007 laufende 7. Forschungsrahmenprogramm läuft Ende 2013 aus. Bereits zum 30.11.2011 hat die Kommission – kurz nach dem Beginn der Verhandlungen über den mehrjährigen Finanzrahmen der EU für die kommenden Haushaltsperioden 1 – einen Vorschlag für das Nachfolgeinstrument vorgelegt, das Rahmenprogramm für Forschung und Innovation „Horizont 2020“ (im Folgenden: Rahmenprogramm), welches für den Zeitraum 2014 bis 2020 gelten soll2. Mit diesem Programm sollen erstmals sämtliche bestehenden und bisher getrennt behandelten Fördermaßnahmen der EU für die Bereiche Forschung (in Gestalt von Forschungsrahmenprogrammen) einerseits und Innovation (in Gestalt von Rahmenprogrammen für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation3) andererseits gebündelt werden4. In der derzeitigen Vorschlagsfassung ist für das Rahmenprogramm ein Budget in Höhe von insgesamt fast 90 Mrd. EUR vorgesehen5. Im Folgenden soll der Frage nachgegangen werden, welche rechtlichen Konsequenzen der Austritt eines Mitgliedsstaates aus der Europäischen Atomgemeinschaft (EAG) für das Rahmenprogramm nach sich ziehen würde. Hierzu sind zunächst auf Grundlage der derzeitige Unionsarchitektur kurz die Möglichkeit eines mitgliedsstaatlichen Austritts aus der EAG und seine Rechtsfolgen darzustellen (siehe unter 2.). Im Anschluss daran werden die (formale) Struktur des Rahmenprogramms vorgestellt (siehe unter 3.) und hierauf aufbauend die rechtlichen Konsequenzen eines Austritts aus der EAG für das Rahmenprogramm erörtert (siehe unter 4.). 1 Der Kommissionsvorschlag zum mehrjährigen Finanzrahmen datiert vom 29.06.2011, siehe Mitteilung der Kommission , Ein Haushalt für „Europe 2020“, KOM(2011) 500 endg. Teil I, online abrufbar unter http://ec.europa .eu/health/programme/docs/maff-2020_de.pdf (Stand: 22.11.2012). 2 Siehe zum Gesamtvorhaben, Mitteilung der Kommission, Horizont 2020 – das Rahmenprogramm für Forschung und Innovation, KOM(2011) 808 endg. (im Folgenden: Kommissionsmitteilung). 3 Vgl. etwa Beschluss Nr. 1639/2006/EG zur Errichtung eines Rahmenprogramms für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation (2007-2013), ABl.EU 2006 Nr. L 310/15. 4 Vgl. Kommissionsmitteilung, S. 3. 5 Diese Summe ergibt sich aus der Addition der Budgets in Art. 6 Abs. 1 des Vorschlags einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Rahmenprogramm für Forschung und Innovation „Horizont 2020“ (2014-2020), KOM(2011)809 endg. (87,740 Mrd. EUR), und in Art. 4 des Vorschlags einer Verordnung des Rates über das Programm der Europäischen Atomgemeinschaft für Forschung und Ausbildung (2014-2018) in Ergänzung des Rahmenprogramms für Forschung und Innovation „Horizont 2020“, KOM(2011) 812 endg. (1.788, 889 Mio. EUR). Siehe zur Struktur des Rahmenprogramms unter 3. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 163/12 Seite 5 2. Unionsarchitektur und Möglichkeit eines Austritts aus der Europäischen Atomgemeinschaft (EAG) 2.1. Unionsarchitektur Mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon6 am 01.12.2009 ist die Unionsarchitektur grundlegend umgestaltet worden7. Die bis dahin lediglich als materiell-rechtliche Verklammerung der selbständigen Europäischen Gemeinschaften (EG und EAG) einerseits und der beiden Politikbereiche der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) sowie Polizeilichen und Justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen (PJZS) andererseits angesehene EU8 wurde mit Rechtspersönlichkeit ausgestattet (vgl. Art. 47 EUV) und ist als Rechtsnachfolgerin an die Stelle der EG getreten (vgl. Art. 1 Abs. 3 EUV). Beruhend auf zwei völkerrechtlichen Verträgen – dem Vertrag über die Europäische Union (EUV) und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) –, ist sie als neu gegründete Internationale Organisation nunmehr selbst Trägerin der ihr von den Mitgliedstaaten übertragenen Zuständigkeiten (vgl. Art. 1 Abs. 1 EUV). Von diesem Fusionsprozess wurde die EAG ausgenommen. Sie hat ihre eigene Rechtspersönlichkeit (vgl. Art. 184 EAGV) und damit ihre eigenständige Kompetenzträgerschaft für die ihr durch die Mitgliedstaaten übertragenen Zuständigkeiten beibehalten. Ihre rechtliche Grundlage ist weiterhin der separat neben den EU-Verträgen bestehende Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (EAGV)9. Ungeachtet dieser formalen Trennung bestehen organschaftliche und haushaltsrechtliche Verknüpfungen zwischen der EU und der EAG. Erstere kommen in der gemeinsamen Organstruktur zum Ausdruck: es werden jeweils die gleichen Institutionen für beide Organisationen tätig. Rechtstechnisch erfolgt dies durch eine Geltungsanordnung im EAGV hinsichtlich der organbezogenen Vorschriften im EU- und AEUV (vgl. Art. 106a Abs. 1 EAGV mit Verweis auf Art. 13 bis 19 EUV sowie Art. 223 bis 287 AEUV). Die haushaltsrechtlichen Verknüpfungen liegen in dem Grundsatz des Gesamthaushaltsplans begründet. Danach sind Einnahmen und Ausgaben der EAG grundsätzlich im Haushaltsplan der EU auszuweisen10. Auch insoweit wird im EAGV die Geltung der haushaltsrechtlichen Vorschriften des AEUV angeordnet (vgl. Art. 106a Abs. 1 EAGV mit Verweis auf Art. 310 bis 320 und 322 bis 325 AEUV). 6 Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 13.12.2007, ABl.EU 2007 Nr. C 306/1, online abrufbar unter: http://eurlex .europa.eu/de/treaties/dat/12007L/htm/12007L.html (Stand: 22.11.2012). 7 Dazu siehe Streinz/Ohler/Herrmann, Der Vertrag von Lissabon zur Reform der EU, 3. Auflage 2010, S. 45 f.; Haratsch /Koenig/Pechstein, Europarecht, 7. Aufl. 2010, Rn. 50 ff. 8 Vgl. Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, 7. Aufl. 2010, Rn.50. 9 Konsolidierte Fassung in ABl.EU 2012 Nr. C 327/1, online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUri- Serv/LexUriServ.do?uri=OJ:C:2012:326:FULL:DE:PDF (Stand: 22.11.2012). 10 Siehe Art. 10 des Protokolls Nr. 2 zum Vertrag von Lissabon. Online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/Lex UriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:C:2007:306:0199:0201:DE:PDF (Stand: 22.11.2012). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 163/12 Seite 6 Diese Verknüpfungen rechtfertigen es, die formal selbständige EAG auch weiterhin als Teil der Unionsarchitektur zu begreifen. 2.2. Zur Möglichkeit und den Rechtsfolgen eines Austritts Mit dem Lissabonner Vertrag wurde erstmals ein ausdrückliches Austrittsrechts für die EU geregelt . Das in Art. 50 EUV enthaltene Austrittsverfahren gilt über die Verweisungsnorm des Art. 106a EAGV auch für die EAG. Der hier zu beantwortenden Fragestellung zugrunde liegt die Annahme eines allein die EAG betreffenden und damit partiellen Austritts. Die Möglichkeit eines solchen ist im Schrifttum umstritten . Zu dieser Frage liegt eine ausführliche Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste vor, auf die im Weiteren Bezug genommen wird und die der Ausarbeitung als Anlage beigefügt ist11. Fasst man an dieser Stelle die darin wiedergegebenen wesentlichen (rechtlichen) Argumente für und gegen einen Austritt zusammen, so sprechen vor allem der Wortlaut der Verträge, insbesondere in Gestalt von Art. 50 EUV in Verbindung mit Art. 106a EAGV, sowie die formale Trennung der Rechtskörper für eine solche Option12. Gegen ein partielles Austrittsrecht werden hingegen insbesondere die organschaftlichen und haushaltsrechtlichen Verknüpfungen mit Blick auf die hieraus folgenden Probleme bei der Umsetzung eines solchen Austritts ins Feld geführt13. Unterstellt man im Folgenden die rechtliche Zulässigkeit eines partiellen mitgliedsstaatlichen Austritts aus der EAG, so ist im Weiteren in verfahrensrechtlicher Hinsicht auch von dem Abschluss eines Abkommens über die Einzelheiten eines solchen Austritts und den Rahmen für die künftigen Beziehungen gemäß Art. 50 Abs. 2 EUV in Verbindung mit Art. 106a EAGV zwischen der EAG einerseits und dem austretendem Mitgliedsstaat andererseits auszugehen14. In diesem wäre dann u.a. die organschaftliche und haushaltsrechtliche Entflechtung zu regeln, die – je nach Gestaltung – wiederrum Änderungen an den bestehenden Verträgen nach sich ziehen würde. Da der EAGV hinsichtlich der Organstruktur sowie der grundlegenden haushaltsrechtlichen Bestimmungen keine eigenständigen Vorschriften mehr enthält und eine Generalverweisung auf EUV und AEUV – wie jetzt in Art. 106a EAGV bestehend – aufgrund verschiedener Mitgliederkreise nicht mehr in Betracht käme, bestünde beispielsweise die Notwendigkeit, entsprechende Vorschriften wieder in den EAG-Vertrag aufzunehmen. Darüber hinaus könnten – je nach Bedarf – 11 Möglichkeit eines Austritts aus der Europäischen Atomgemeinschaft, WD 11 – 3000 – 268/10 (im Folgenden: , EAG-Austritt (Anlage). 12 , EAG-Austritt, S. 7 ff. 13 , EAG-Austritt, S. 10 ff. 14 Ein solches Abkommen ist für den Austritt allerdings nicht konstitutiv. Dies ergibt sich aus Art. 50 Abs. 3 Var. 2 EUV. Danach genügt die Austrittsmitteilung, sog. Sunset-Clause, vgl. hierzu Streinz, in: Streinz, EUV/EGV, 2. Aufl. 2012, Art. 50 EUV, Rn. 3. Wirksam wird der Austritt dann aber erst nach Ablauf einer zweijährigen Frist. Im Ergebnis handelt es sich dabei um einen „ungeregelten“ Austritt, soweit sich – im vorliegenden Fall – EAG einerseits und austrittswilliger Mitgliedstaat andererseits nicht auf ein Austrittsabkommen verständigen können. Diese Möglichkeit wird im Folgenden außer Betracht gelassen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 163/12 Seite 7 Übergangsregelungen hinsichtlich des gemeinsamen rechtlichen EAG-Besitzstandes vereinbart werden15. Ausgehend von Art. 50 Abs. 3 EUV in Verbindung mit Art. 106a EAGV würde der EAG-Vertrag – vorbehaltlich der Ausgestaltung der Einzelheiten im Austrittsabkommen – mit dem Tag des Inkrafttretens eines solchen Abkommens nicht mehr auf den betroffenen Mitgliedsstaat anwendbar sein. 3. Zur Struktur des Rahmenprogramms 3.1. Die einzelnen Rechtsakte Das Rahmenprogramm beruht in der von der Kommission vorgeschlagenen Fassung auf insgesamt vier Rechtsakten: 1. Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Rahmenprogramm für Forschung und Innovation „Horizont 2020“ (2014-2020)16 – im Folgenden: Rahmenprogrammverordnung ; 2. Beschluss des Rates über das spezifische Programm zur Durchführung des Rahmenprogramms für Forschung und Innovation „Horizont 2020“ (2014-2020)17 – im Folgenden: Durchführungsbeschluss; 3. Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Regeln für die Beteiligung am Rahmenprogramm für Forschung und Innovation „Horizont 2020“ (2014-2020) sowie für die Verbreitung der Ergebnisse18 – im Folgenden: Beteiligungsverordnung; 4. Verordnung des Rates über das Programm der Europäischen Atomgemeinschaft für Forschung und Ausbildung (2014-2018) in Ergänzung des Rahmenprogramms für Forschung und Innovation „Horizont 2020“19 – im Folgenden: EAG-Programmverordnung. 3.2. Kompetentielle Verortung der Rechtsakte Von Bedeutung für die hier erörterte Fragestellung sind zunächst die Rechtsgrundlagen dieser Rechtsakte und damit ihre kompetentielle Verortung innerhalb der Unionsarchitektur. Während die drei erst genannten Rechtsaktvorschläge auf Rechtsgrundlagen im AEUV gestützt werden 15 Vgl. Dörr, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 50 EUV, Rn. 29 (Stand: August 2011); Streinz, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 50 EUV, Rn. 8. 16 KOM(2011)809 endg., online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUri- Serv.do?uri=COM:2011:0809:FIN:de:PDF (Stand: 21.11.2012). 17 KOM(2011)811 endg., online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUri- Serv.do?uri=COM:2011:0811:FIN:de:PDF (Stand: 21.11.2012). 18 KOM(2011)810 endg., online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUri- Serv.do?uri=COM:2011:0810:FIN:de:PDF (Stand: 21.11.2012). 19 KOM(2011)812 endg., online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUri- Serv.do?uri=COM:2011:0812:FIN:de:PDF (Stand: 21.11.2012). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 163/12 Seite 8 (Art. 173 Abs. 3, 182 Abs. 1 und Abs. 4, 183 und 188 Abs. 2 AEUV)20, beruht das EAG-Programm auf Art. 7 Abs. 1 EAGV21. Die Verortung eines Teils des Rahmenprogramms im EAGV trägt dem Umstand Rechnung, dass die mit diesem Vorschlag verfolgten Forschungs- und Innovationsziele – Förderung der Kernenergie und des Strahlenschutzes22 – inhaltlich dem Zuständigkeitsbereich der Europäischen Atomgemeinschaft und nicht der Europäischen Union zugeordnet sind. Innerhalb des Rahmenprogramms kann somit in kompetentieller Hinsicht zwischen einem AEUV- und einem EAG-Programmteil unterschieden werden. 3.3. Rechtsakte und Regelungsgegenstände Diese Differenzierung spiegelt sich sodann auch in der Aufteilung der Regelungsgegenstände in den Rechtsakten wieder: Die den AEUV-Programmteil bildenden Rechtsakte bauen aufeinander auf: Die Rahmenprogrammverordnung regelt die allgemeinen Ziele, Schwerpunkte und Erläuterungen zu den förderungsfähigen Einzelzielen des Programms (Art. 5, z.T. mit Verweis auf Anhang I zu den Erläuterungen der Einzelziele), die grundlegenden Begriffsbestimmungen (Art. 2), das Budget (Art. 6), Regeln über Assoziierung von Drittländern (Art. 7) sowie grundlegende Bestimmungen zur Durchführung des Rahmenprogramms (jeweils Titel II, Kapitel I), einschließlich der Programmplanung (Kapitel II), der Kontrolle (Kapitel III) und der Überwachung und Bewertung durch die Kommission (Kapitel IV). Hierauf aufbauend enthält der Durchführungsbeschluss des Rates nähere Vorschriften zur Umsetzung des Rahmenprogramms durch Festlegung der Einzelziele (Art. 3), durch Vorgaben hinsichtlich des Erlasses von Arbeitsprogrammen durch die Kommission (Art. 5) und durch Einrichtung eines Europäischen Forschungsrates (Art. 6 bis 8). Die Beteiligungsverordnung ergänzt diese beiden Rechtsakte um Vorschriften u.a. über die Förderformen (Art. 5), die zur Teilnahme berechtigten Rechtspersonen (Art. 6), das Gewährungsverfahren (Art. 8 bis 18) und die Regeln über Eigentum an sowie Nutzung und Verbreitung von Ergebnissen (Art. 38 bis 47). Zusammengenommen bilden diese Rechtsakte in regelungstechnischer Hinsicht somit ein formal vollständiges Programm ab, welches zudem keine relevanten inhaltlichen Bezugnahmen auf den EAG-Programmteil enthält. Die EAG-Programmverordnung fasst hingegen all die eben erwähnten Regelungsgegenstände in nur einem Rechtsakt zusammen (vgl. Art. 1). Festgelegt werden etwa die spezifischen Ziele des EAG-Programmteils, ohne Bezugnahme auf die Rahmenprogrammverordnung (Art. 3), Begriffsbestimmungen (Art. 2), obgleich diese mit den Begriffsbestimmungen der Rahmenprogrammverordnung identisch sind, das Budget (Art. 4), mit der Rahmenprogrammverordnung gleichlautende Voraussetzungen für die Assoziierung von Drittländern (Art. 5) und die Kompetenz der Kommission zur Verabschiedung von Arbeitsprogrammen zwecks Durchführung des EAG-Programmteils 20 Vgl. jeweils die Präambeln der Rechtsaktvorschläge sowie Pkt. 3.1 der Begründung des Rahmenprogrammvorschlags . 21 Siehe Präambel EAG-Programmverordnung. 22 Siehe ausführlich Art. 3 EAG-Programmverordnung sowie deren Anhang I. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 163/12 Seite 9 (Art. 11). Geregelt werden ferner auch Kontroll- (Kapitel III) sowie Überwachungs- und Bewertungsanforderungen (Kapitel IV). In formaler Hinsicht kommt darin die grundsätzliche Selbstständigkeit des EAG-Rahmenprogrammteils zum Ausdruck. Diese Selbständigkeit wird allerdings materiell durch verschiedene Bezugnahmen auf und Querverbindungen zu den auf Grundlage des AEUV zu erlassenden Rechtsakten in der EAG-Programmverordnung eingeschränkt. So dient der EAG-Programmteil ausweislich des Titels des ihm zugrunde liegenden Rechtaktes der Ergänzung des Rahmenprogramms. Entsprechend können etwa Fördermaßnahmen auf Grundlage beider Programmteile gemeinsam durchgeführt werden (vgl. Art. 1, 8 Abs. 1), wobei sich die auf dieser Grundlage gewährten Finanzbeiträge jeweils aus beiden Budgets zusammensetzen können (vgl. Art. 8 Abs. 2). Des Weiteren kann die Kommission bei der Durchführung des EAG-Programms auf Stellen zurückgreifen, die durch den AEUV-Programmteil geschaffen wurden oder darin erwähnt werden (vgl. Art. 6 Abs. 2 UAbs. 2). Ferner finden die in der Beteiligungsverordnung enthaltenen Beteiligungsregeln einschließlich der Regeln über den gemeinsamen Teilnehmer-Garantiefonds weitgehende Anwendung im Rahmen des EAG-Programmteils (Art. 7 Abs. 1 und 3). Schließlich gibt es auch (geringfügige) haushaltsrechtliche Überschneidungen, soweit es um die Inanspruchnahme der Gemeinsamen Forschungsstelle bei der Umsetzung des EAG-Programmteils (vgl. Erwägungsgründe Nr. 8 und 9) geht23. 4. Rechtliche Konsequenzen eines mitgliedsstaatlichen Austritts aus der EAG für das Rahmenprogramm Einen mitgliedsstaatlichen Austritt aus der EAG unterstellend, gilt es hinsichtlich der damit verbundenen rechtlichen Konsequenzen im Folgenden zwischen dem AEUV-Rahmenprogrammteil einerseits (siehe 4.1) und dem EAG-Teil andererseits (4.2) zu unterscheiden. 4.1. AEUV-Rahmenprogrammteil Für den AEUV-Rahmenprogrammteil ergeben sich aus einem mitgliedsstaatlichen Austritt aus der EAG keine rechtlichen Konsequenzen. Ausgehend von der rechtlichen Zulässigkeit eines partiellen Austritts besteht seine Besonderheit gerade darin, dass alle sich aus der Mitgliedschaft in der EU ergebenden rechtlichen Wirkungen unberührt bleiben. Dies betrifft grundsätzlich auch und gerade die auf Grundlage der EU-Verträge erlassenen und noch zu erlassenden Rechtsakte wie die Maßnahmen des AEUV-Rahmenprogrammteils . Ausnahmen hiervon könnten sich allenfalls dann ergeben, wenn EU-Rechtsakte in formal- oder materiell-rechtlicher Hinsicht auf Maßnahmen verweisen, die auf den EAG-Vertrag gestützt werden . Wie oben unter 3.2. und 3.3. dargestellt, beinhalten die Rechtsakte der AEUV-Programmteile jedoch keine derartigen Verweise auf die EAG-Programmverordnung. 23 Insoweit verweisen sowohl die Vorschläge zur Rahmenprogrammverordnung als auch zur EAG-Programmverordnung auf den S. 118 f. bzw. S. 51 auf die gleichen Haushaltslinien des mehrjährigen Finanzrahmens (10 01 05 01 bis 10 01 05 04). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 163/12 Seite 10 4.2. EAG-Rahmenprogrammteil In Bezug auf die rechtlichen Konsequenzen eines mitgliedsstaatlichen Austritts aus der EAG für den EAG-Rahmenprogrammteil ist der Übersicht halber zwischen den Auswirkungen auf die EAG-Programmverordnung einerseits (4.2.1.) und den Folgen für den und in dem austretenden Mitgliedstaat andererseits (4.2.2.) zu unterscheiden. 4.2.1. Rechtliche Konsequenzen für die EAG-Programmverordnung Die EAG wird in ihrem Bestand durch den Austritt eines Mitgliedstaates nicht berührt. Gleiches gilt im Grundsatz auch für die auf Grundlage des EAG-Vertrags erlassenen und in Zukunft zu erlassenden Rechtsakte wie hier die EAG-Programmverordnung. Konsequenzen rechtlicher Art ergeben sich jedoch zunächst aus den organschaftlichen und haushaltrechtlichen Verflechtungen zwischen EAG und EU. Diese betreffen nicht nur die Ebene des Primärrechts (vgl. oben 2.2.), sondern auch die des Sekundärrechts. Die EAG-Programmverordnung kann insoweit als paradigmatisch angesehen werden, etwa im Hinblick auf die Rolle der Kommission für den Erlass von Arbeitsprogrammen zur Durchführung des EAG-Rahmenprogrammteils (vgl. Art. 11 EAG-Programmverordnung), die rechtsaktsbezogenen Überschneidungen im Haushaltsbereich (vgl. oben 3.3.) oder die gemeinsame Nutzung des Teilnehmer-Garantiefonds (vgl. Art. 7 Abs. 3 EAG-Programmverordnung). Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Entflechtung dieser Bereiche als Gegenstand eines Austrittsabkommens gemäß Art. 50 Abs. 2 EUV (vgl. oben 2.2.) auch die hiervon betroffenen sekundärrechtlichen Maßnahmen umfassen würde. Hinsichtlich der Gestaltung im Einzelnen, einschließlich der Vereinbarung von Übergangsregelungen bezüglich der Anwendung einzelner Rechtsakte, bieten sich zahlreiche Optionen , die im politischen Ermessen der EAG und des austrittswilligen Mitgliedsstaates stehen. Eine weitere Folge der haushaltsrechtlichen Entflechtung beträfe wohl auch das Budget für den EAG-Rahmenprogrammteil. Der Austritt eines Mitgliedstaates aus der EAG würde in faktischer Hinsicht mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer Absenkung des dann eigenständigen EAG-Budgets führen. Dies könnte – je nach Aufteilung des dann verbleibenden Betrags – auch zu einer Kürzung des Budgets für den EAG-Programmteil führen. Neben der organschaftlichen und haushaltsrechtlichen Verflechtung bestehen jedenfalls im Rahmen der EAG-Programmverordnung weitere Bezugnahmen auf das EU-Recht in Gestalt des AEUV-Programmteils. So wird etwa in Art. 7 Abs. 1 EAG-Programmverordnung eine weitgehende Anwendung der (EU-)Beteiligungsverordnung angeordnet. Eine solche Verweisung auf EU-Recht ist in rechtlicher Hinsicht allerdings unproblematisch, soweit es nur um eine Anwendung materiellen EU-Rechts im Rahmen des EAG geht, die zudem ihren Geltungsgrund im EAG- Recht findet. Von Bedeutung in diesem Zusammenhang ist auch die Frage, wie die Verweisung insbesondere auf die Beteiligungsverordnung hinsichtlich ihrer Anwendung im Rahmen des EAG auszulegen wäre. Soweit darin – etwa hinsichtlich der Teilnahme- und Förderfähigkeitsbedingungen (Art. 8 und 9 Beteiligungsverordnung) – an den Sitz oder die Niederlassung in einem „Mitgliedsstaat“ angeknüpft wird, wären aufgrund der unterschiedlichen Mitgliederkreise darunter allein die Mitgliedstaaten der EAG zu verstehen, soweit eine solche Auslegung nicht ohnehin aufgrund der formalen Trennung beider Rechtskörper geboten ist. Um rechtliche Zweifel zu beseitigen, könnten Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 163/12 Seite 11 auch diese Aspekte Gegenstand eines Austrittsabkommens sein. Als Vorbild für eine solche Regelung könnte Art. 106a Abs. 2 EAGV dienen, der genau diese Frage für Verweisungen des EAG- Vertrags auf die EU-Verträge regelt24. 4.2.2. Folgen für den und in dem austretenden Mitgliedstaat Wie oben unter 2.2. dargestellt, fände der EAG-Vertrag mit Inkrafttreten des Austrittsabkommens keine Anwendung mehr auf den austretenden Mitgliedstaat (vgl. Art. 50 Abs. 3 EUV in Verbindung mit Art. 106a Abs. 1 EAGV). Dies würde ebenso für das bereits geltende und auch zukünftige EAG-Sekundärrecht gelten, soweit hierzu keine abweichenden (Übergangs-)Vereinbarungen im Austrittsabkommen getroffen werden. Der räumliche Geltungsbereich des gesamten EAG- Rechts und damit auch der EAG-Programmverordnung reduzierte sich um das Hoheitsgebiet des austretenden Mitgliedstaates25. Dieser wäre dann – gegenüber der EAG sowie den verbleibenden Mitgliedstaaten – weder berechtigt noch verpflichtet aus diesem Rechtsakt. Auswirkungen hätte dies indes fast ausschließlich auf die aus diesem Mitgliedstaat stammenden, potentiellen Teilnehmer der EAG-Rahmenprogrammteils. Diese sollen im Weiteren auf Grundlage der geltenden Vorschlagsfassung beleuchtet werden. Die Voraussetzungen des Zugangs zum EAG-Rahmenprogrammteil ergeben sich aus der Beteiligungsverordnung , auf die in der EAG-Programmverordnung verwiesen wird (Art. 7 Abs. 1). Nach der Beteiligungsverordnung besteht ein Zugang zum Rahmenprogramm hinsichtlich der Teilnahme und Förderfähigkeit zunächst für Rechtspersonen mit Sitz bzw. Niederlassung in einem „Mitgliedstaat“ (vgl. Art. 8 Abs. 1 Buchst. b, Art. 9 Abs. 1 Buchst. a Beteiligungsverordnung), worunter – wie oben unter 4.2.1. ausgeführt – EAG-Mitgliedstaaten zu verstehen wären. Hiernach wären Rechtspersonen aus dem austretenden Mitgliedstaat nicht zur Teilnahme am EAG-Rahmenprogrammteil berechtigt. Problematisch hinsichtlich des Zugang dieses Kreises potentieller Teilnehmer wäre auch eine weitere Option, die in der EAG-Programmverordnung in Art. 5 vorgesehen und auf die in der Beteiligungsverordnung in Art. 8 und 9 Bezug genommen wird: die Assoziierung von Drittländern. Danach steht der EAG-Programmteil auch ausgewählten Drittländern offen, die bestimmte, in Art. 5 Abs. 1 Buchst. b (i) bis (iv) EAG-Programmverordnung aufgeführte Kriterien erfüllen. Zu diesen Kriterien gehört allerdings entweder die Mitgliedschaft in der Europäischen Freihandelszone (EFTA) oder die Nennung in einer noch zu erlassenden EU-Verordnung (vgl. Art. 5 Abs. 1 Buchst. b (iv) EAG-Programmverordnung). Würde der austrittswillige Mitgliedstaat eines dieser Kriterien nach Austritt erfüllen, bestünde die weitere Voraussetzung des Abschlusses eines internationalen Abkommens gemäß Art. 5 Abs. 2 EAG-Programmverordnung, in welchem die besonderen Bedingungen der Beteiligung einschließlich des zu leistenden Finanzbeitrags zu regeln wären . Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung wäre dieses Ankommen allerdings mit der Union zu schließen. Für den geltenden Rechtszustand ist diese Vorgabe unschädlich, da die EU und die EAG den gleichen Bestand an Mitgliedstaaten aufweisen und eine Assoziierung in praktischer Hinsicht wohl ohnehin nur in Bezug auf das gesamte Rahmenprogramm angestrebt werden 24 , EAG-Austritt, S. 7. 25 Vgl. Dörr, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 50 EUV, Rn. 38, 41 (Stand: August 2011), für die Situation eines Austritts aus der EU. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 11 – 3000 – 163/12 Seite 12 würde. Im Fall eines partiellen Austritts müsste die Regelung – ihre Anwendung auf einen ausgetretenen Mitgliedstaat vorausgesetzt – dahingehen verstanden werden, dass das Assoziationsabkommen allein mit der EAG geschlossen wird. Eine letzte, ebenfalls problematische Zugangsoption bietet sich über die durch Art. 7 Abs. 1 EAG- Programmverordnung in Bezug genommene Beteiligungsverordnung in deren Art. 9 Abs. 1 Buchst. c. Danach können auch Rechtspersonen, die in einem im Arbeitsprogramm der Kommission genannten Drittland niedergelassen sind, Fördermittel erhalten. Dies setzt allerdings nach Art. 8 Abs. 1 Beteiligungsverordnung voraus, dass sie an einer Maßnahme teilnehmen, die insbesondere folgende Mindestbedingungen erfüllt: Teilnahme von mindestens drei Rechtspersonen, von denen drei Rechtspersonen ihren Sitz in verschiedenen EAG-Mitgliedstaaten oder verschiedenen assoziierten Ländern haben müssen – die Rechtsperson aus dem Drittland könnte insoweit allenfalls die vierte Teilnehmerin sein. Bliebe es danach bei der aktuellen Vorschlagsfassung, wäre der Zugang der potentiellen Teilnehmer aus dem austretendem Mitgliedstaat zum EAG-Rahmenprogrammteil stark eingeschränkt. Abhilfe könnte insoweit allenfalls durch entsprechende Regelung im Austrittsabkommen geschaffen werden. 4.3. Fazit Fasst man die vorstehenden Ausführungen zu den rechtlichen Konsequenzen eines partiellen mitgliedsstaatlichen Austritts aus der EAG – seine rechtliche Zulässigkeit unterstellend – für das Rahmenprogramm zusammen, so lassen sich folgende Punkte festhalten: Auswirkungen hätte ein partieller Austritt allein auf den EAG-Rahmenprogrammteil, im Übrigen bliebe der auf den AEUV gestützte Bestandteil unberührt. Betrachtet man sodann die einzelnen Auswirkungen für die EAG-Programmverordnung einerseits und für den und in dem austretenden Mitgliedstaat anderseits , so lassen sich lediglich die damit verbundenen Problemlagen aufzeigen. Eine verbindliche Lösung dieser wäre hingegen einem Austrittsabkommen nach Art. 50 Abs. 2 EUV in Verbindung mit Art. 106a EAGV vorbehalten, für dessen Aushandlung ein weiter politischer Spielraum der EAG und des austrittswilligen Mitgliedstaates bestünde. - Fachbereich Europa -