© 2016 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 161/16 Unionsrechtliche Anforderungen an ein Verbot des Versandhandels mit Arzneimitteln Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Diese Ausarbeitung dient lediglich der bundestagsinternen Unterrichtung, von einer Weiterleitung an externe Stellen ist abzusehen. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 161/16 Seite 2 Unionsrechtliche Anforderungen an ein Verbot des Versandhandels mit Arzneimitteln Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 161/16 Abschluss der Arbeit: 23. November 2016 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 161/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Feststellungen des EuGH in der Rs. C-148/15Fehler! Textmarke nicht definiert. 2.1. Hintergründe 4 2.2. Wesentliche Erwägungen des EuGH 4 2.2.1. Eingriff in den Schutzbereich der Warenverkehrsfreiheit 4 2.2.2. Rechtfertigung des Eingriffs 5 2.3. Wirkungen des Urteils 6 3. Anforderungen an ein Verbot des Versandhandels mit Arzneimitteln 7 3.1. Hintergründe 8 3.2. Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit 9 3.2.1. In Deutschland nicht zugelassene Arzneimittel 9 3.2.2. In Deutschland zugelassene Arzneimittel 9 3.3. Rechtfertigung des Eingriffs 9 3.3.1. Maßstäbe 10 3.3.2. Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel 11 3.3.3. Verschreibungspflichtige Arzneimittel 11 3.4. Zusammenfassung 12 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 161/16 Seite 4 1. Einleitung Die Ausarbeitung geht auf die Frage ein, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln (RX-Arzneimittel)1 vor dem Hintergrund der aktuellen EuGH-Rechtsprechung mit dem Unionsrecht vereinbar wäre.2 2. Aktuelle Rechtsprechung des EuGH Im Rahmen der aktuellen Rechtsprechung des EuGH ist insbesondere seine Entscheidung vom 19. Oktober 2016 in der Rs. C-148/15 zur Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel für ein potenzielles Verbot des Versandhandels von besonderer Bedeutung. 2.1. Hintergründe Gemäß § 78 Abs. 2 des Arzneimittelgesetzes (AMG) ist für Arzneimittel, die vom Verkehr außerhalb der Apotheken ausgeschlossen sind, ein einheitlicher Apothekenabgabepreis zu gewährleisten . Hierfür sieht die Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) vor, dass der Hersteller für sein Arzneimittel einen Preis festzusetzen hat (§ 1), auf den dann noch Großhandelszuschläge (§ 2) und Apothekenzuschläge (§ 3) aufgeschlagen werden. Die AMPreisV gilt dabei gemäß § 78 Abs. 1 AMG auch für Arzneimittel, die gemäß § 73 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a AMG, d.h. im Wege des Versandes an den Endverbraucher von einer Apotheke eines EU-Mitgliedstaates oder EWR-Vertragsstaates nach Deutschland verbracht werden. Außerdem enthält § 7 Abs. 1 Nr. 2 des Heilmittelgesetzes ein Verbot von Preisnachlässen auf verschreibungspflichtige Arzneimittel. Die Deutsche Parkinson Vereinigung e.V. (DPV) hat in Kooperation mit der niederländischen Versandapotheke DocMorris ein Bonussystem beworben, das verschiedene Boni für verschreibungspflichtige , nur über Apotheken erhältliche Parkinson-Medikamente bei deren Bezug durch die Mitglieder der DPV von DocMorris vorsieht. Nach Ansicht der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e. V. (ZBW) verstößt das beworbene Bonusmodell in unlauterer Weise (§ 4 Nr. 11 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)) gegen die gesetzliche Festlegung eines einheitlichen Apothekenabgabepreises (§ 78 Abs. 1 S. 4 AMG, §§ 1 und 3 AMPreisV). Das Landgericht Düsseldorf hat der Klage der ZBW erstinstanzlich stattgegeben. Das nunmehr mit der Berufung der DPV befasste Oberlandesgericht Düsseldorf hat dem EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens Fragen vorgelegt, ob und unter welchen Bedingungen die deutsche Preisbindung bei RX-Arzneimitteln mit der primärrechtlichen Warenverkehrsfreiheit vereinbar ist. 2.2. Wesentliche Erwägungen des EuGH 2.2.1. Eingriff in den Schutzbereich der Warenverkehrsfreiheit Der EuGH stellt in seiner Entscheidung zunächst fest, dass die deutsche Preisbindung in den Schutzbereich der Warenverkehrsfreiheit eingreift. Nach Ansicht des Gerichtshofes ist sie als 1 Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel werden als OTC-Arzneimittel (over the counter) bezeichnet. 2 Vgl. hierzu Versandhandel mit Arzneimitteln vor Verbot?, FAZ vom 20. Oktober 2016, S. 15. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 161/16 Seite 5 Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung im Sinne von Art. 34 AEUV anzusehen. Das Verbot des Art. 34 AEUV erfasst jede Maßnahme der Mitgliedstaaten , die geeignet ist, die Einfuhren zwischen Mitgliedstaaten unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern.3 Die Preisbindung gilt zwar für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gleichermaßen, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben. Jedoch berührt sie die Abgabe von Arzneimitteln durch im Inland ansässige Apotheken und die Abgabe von Arzneimitteln durch in anderen Mitgliedstaaten ansässige Apotheken nicht in gleicher Weise.4 Nach Ansicht des Gerichtshofes ist der Preiswettbewerb für Versandapotheken aufgrund ihres eingeschränkten Leistungsangebots ein wichtigerer Wettbewerbsfaktor als für traditionelle Apotheken, weil es von ihm abhänge, ob Versandapotheken einen unmittelbaren Zugang zum deutschen Markt finden und auf diesem konkurrenzfähig bleiben.5 2.2.2. Rechtfertigung des Eingriffs Der Eingriff der deutschen Preisbindung für RX-Arzneimittel in den Schutzbereich der Warenverkehrsfreiheit ist nach Ansicht des EuGH auch nicht gerechtfertigt. Zwar erlaubt Art. 36 AEUV einem Mitgliedstaat die Beibehaltung oder Einführung von Maßnahmen, die den Handelsverkehr verbieten oder beschränken, wenn diese Maßnahmen u. a. zum Schutz der Gesundheit oder des Lebens von Menschen gerechtfertigt sind. Dabei nimmt der Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen den höchsten Rang unter den vom Unionsrecht geschützten Gütern und Interessen ein und die Mitgliedstaaten besitzen einen weiten Wertungsspielraum bei der Entscheidung , auf welchem Niveau sie den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gewährleisten wollen und wie dieses Niveau erreicht werden soll.6 Innerhalb dieses Handlungsspielraums müssen Beschränkungen von Grundfreiheiten, die sich aus staatlichen Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen ergeben, verhältnismäßig sein. Die fragliche Maßnahme muss dazu geeignet sein, die Verwirklichung des verfolgten legitimen Ziels zu gewährleisten, und sie darf nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.7 Dabei setzt die Geeignetheit für die Erreichung des geltend gemachten Ziels voraus, dass die Maßnahme dem Anliegen gerecht wird, dieses Ziel in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen.8 Eine nationale Regelung ist dann nicht erforderlich, wenn die Gesundheit und das Leben von Menschen genauso wirksam durch Maßnahmen geschützt werden können, die den Handelsverkehr in der Union weniger beschränken. 3 EuGH, Rs. C-141/07 (Kommission/Deutschland), ECLI:EU:C:2008:492, Rn. 28. 4 Zu diesen Kriterien vgl. EuGH, verb. Rs. C-267/91 und C-268/91 (Keck und Mithouard), ECLI:EU:C:1993:905, Rn. 16. 5 EuGH, Rs. C-148/15 (Deutsche Parkinson), ECLI:EU:C:2016:776, Rn. 24. 6 EuGH, Rs. C-148/15 (Deutsche Parkinson), ECLI:EU:C:2016:776, Rn. 24. 7 EuGH, Rs. C-333/14 (The Scotch Whisky Association u. a.), ECLI:EU:C:2015:845, Rn. 54. 8 EuGH, Rs. C-28/09 (Kommission/Österreich), ECLI:EU:C:2011:854, Rn. 126; EuGH, verb. Rs. C-171/07 und C-172/07 (Apothekerkammer des Saarlandes u. a.), ECLI:EU:C:2009:316, Rn. 42 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 161/16 Seite 6 Zudem müssen die Rechtfertigungsgründe, auf die sich ein Mitgliedstaat berufen kann, von einer Untersuchung zur Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit der von diesem Mitgliedstaat erlassenen Maßnahme sowie von genauen Angaben zur Stützung seines Vorbringens begleitet sein.9 Dementsprechend muss ein nationales Gericht, wenn es eine nationale Regelung darauf prüft, ob sie zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen nach Art. 36 AEUV gerechtfertigt ist, mit Hilfe statistischer Daten, auf einzelne Punkte beschränkter Daten oder anderer Mittel objektiv prüfen, ob die von dem betreffenden Mitgliedstaat vorgelegten Beweise bei verständiger Würdigung die Einschätzung erlauben, dass die gewählten Mittel zur Verwirklichung der verfolgten Ziele geeignet sind, und ob es möglich ist, diese Ziele durch Maßnahmen zu erreichen, die den freien Warenverkehr weniger einschränken.10 Vor diesem Hintergrund stellt der EuGH fest, dass kein hinreichender Nachweis dafür erbracht worden ist, wonach das Gebot eines einheitlichen Apothekenabgabepreises für RX-Arzneimittel zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen im Sinne von Art. 36 AEUV geeignet ist.11 Dies betrifft die Notwendigkeit der Gewährleistung einer flächendeckenden und gleichmäßigen Versorgung mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in ganz Deutschland,12 die Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen Versorgung der Bevölkerung mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln13 und der Verhinderung der Gefahren eines ruinösen Preis- und Verdrängungswettbewerbs unter Apotheken14 sowie für die menschliche Gesundheit durch Fehl- oder Mehrgebrauchs von Arzneimitteln und einer Überforderung der Patienten.15 Dementsprechend kommt der EuGH zu dem Ergebnis, dass der Eingriff der Preisbindung in die Warenverkehrsfreiheit nicht mit dem Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen im Sinne von Art. 36 AEUV gerechtfertigt werden kann, da die Preisbindung nicht geeignet ist, die angestrebten Ziele zu erreichen . 2.3. Wirkungen des Urteils Die Rolle des Gerichtshofs im Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 267 AEUV besteht darin, das Unionsrecht auszulegen oder über seine Gültigkeit zu entscheiden. Die Anwendung des Unionsrechts auf den dem Ausgangsverfahren zugrundeliegenden Sachverhalt ist hingegen Sache des nationalen Gerichts. Der Gerichtshof entscheidet insbesondere nicht über etwaige Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Auslegung oder Anwendung des nationalen Rechts. Vielmehr 9 EuGH, Rs. C-148/15 (Deutsche Parkinson), ECLI:EU:C:2016:776, Rn. 35 mit Verweis auf EuGH, Rs. C-333/14 (The Scotch Whisky Association u. a.), ECLI:EU:C:2015:845, Rn. 54. 10 EuGH, Rs. C-148/15 (Deutsche Parkinson), ECLI:EU:C:2016:776, Rn. 36 mit Verweis auf EuGH, Rs. C-333/14 (The Scotch Whisky Association u. a.), ECLI:EU:C:2015:845, Rn. 59. 11 Vgl. Generalanwalt Szpunar, Schlussanträge zu Rs. C-148/15 (Deutsche Parkinson), ECLI:EU:C:2016:394, Rn. 44 ff. 12 EuGH, Rs. C-148/15 (Deutsche Parkinson), ECLI:EU:C:2016:776, Rn. 37-38. 13 EuGH, Rs. C-148/15 (Deutsche Parkinson), ECLI:EU:C:2016:776, Rn. 39. 14 EuGH, Rs. C-148/15 (Deutsche Parkinson), ECLI:EU:C:2016:776, Rn. 40, 43. 15 EuGH, Rs. C-148/15 (Deutsche Parkinson), ECLI:EU:C:2016:776, Rn. 42. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 161/16 Seite 7 muss das vorlegende Gericht die konkreten Konsequenzen aus der Antwort des EuGH ziehen, indem es gegebenenfalls die fragliche nationale Bestimmung nicht anwendet. Dementsprechend erläutert das Urteil in der Rs. C-148/15 (Deutsche Parkinson) die Auslegung insbesondere von Art. 36 AEUV mit ex-tunc-Wirkung16 und das vorlegende OLG Düsseldorf muss nunmehr über die – für die Dauer des Vorabentscheidungsverfahrens ausgesetzte – Berufung der DPV entscheiden, wobei es in seiner Entscheidung aufgrund der jedenfalls inter partes17 bindenden Wirkung des EuGH-Urteils (Art. 91 VerfO EuGH) nicht von der Antwort des EuGH abweichen darf. Demnach muss das OLG insbesondere berücksichtigen, dass die Preisbindung für RX- Arzneimittel im Anwendungsbereich der Warenverkehrsfreiheit und mithin bei grenzüberschreitenden Sachverhalten mangels Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht nicht anwendbar ist. Dies folgt aus dem Anwendungsvorrang des Unionsrechts gegenüber nationalem Recht, der keinen Geltungsvorrang umfasst. Danach ist mitgliedstaatliches, dem Unionsrecht widersprechendes Recht der Mitgliedstaaten nicht nichtig, sondern im Anwendungsbereich des Unionsrechts unanwendbar .18 Dementsprechend betrifft das EuGH-Urteil über die Auslegung insbesondere von Art. 36 AEUV nicht die Gültigkeit der gesetzlichen Festlegung eines einheitlichen Apothekenabgabepreises für RX-Arzneimittel in § 78 Abs. 1 S. 4 AMG, §§ 1 und 3 AMPreisV. Somit bleiben die in Deutschland ansässigen (Versand-)Apotheken an die für sie weiterhin geltenden Vorschriften gebunden. Da das Verbot des Art. 34 AEUV nur einfuhrbehindernde Maßnahmen betrifft, kann es somit durch die Nichtanwendbarkeit der Festpreisregelung nur auf EU-ausländische Marktteilnehmer zu einer Benachteiligung inländischer Marktteilnehmer kommen (sog. Inländerdiskriminierung ).19 Darüber hinaus hat das Urteil keine Auswirkungen auf andere nationale Maßnahmen , im Kontext des Vertriebs von Arzneimitteln den Zielen gemäß Art. 36 AEUV dienen.20 3. Anforderungen an ein Verbot des Versandhandels mit Arzneimitteln Vor dem Hintergrund der nicht gerechtfertigten Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit durch die Preisbindung für RX-Arzneimittel wird im Folgenden geprüft, ob und unter welchen Bedingungen ein Verbot des Versandhandels von RX-Arzneimitteln mit dem Unionsrecht vereinbar ist. 16 Vgl. EUGH, verb. Rs. C-10/97 bis C-22/97 (IN.CO.GE.'90 u.a.), ECLI:EU:C:1998:498, Rn. 23; Kokott/Henze, Die Beschränkung der zeitlichen Wirkung von EuGH-Urteilen in Steuersachen, NJW 2006, S. 177 ff. 17 Zu einer Bindungswirkung erga omnes vgl. Gaitanides, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Auflage 2015, Art. 267 AEUV, Rn. 90 ff. 18 EuGH, Rs. 6/64 (Costa/ENEL), ECLI:EU:C:1964:66, S. 1269 f.; EuGH, verb. Rs. C-10/97 bis C-22/97 (IN.CO.GE.), ECLI:EU:C:1998:498, Rn. 21; vgl. auch BVerfG, Urteil v. 21. Juni 2016, 2 BvR 2728/13, Rn. 117 ff. 19 Vgl. Müller-Graff, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Auflage 2015, Art. 34 AEUV, Rn. 319 ff. 20 Beispielsweise betreffend die Anforderungen an den Besitz und den Betrieb von Apotheken (sog. Fremdbesitzverbot , vgl. EuGH, verb. Rs. C-171/07 und C-172/07 (Apothekenkammer des Saarlandes u.a.), ECLI:EU:C:2007:311) oder die Anforderungen an einen Versandhandel mit Arzneimitteln (vgl. EuGH, Rs. C-322/01 (Deutscher Apothekerverband), ECLI:EU:C:2003:664), vgl. Müller-Graff, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Auflage 2015, Art. 34 AEUV, Rn. 174. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 161/16 Seite 8 3.1. Hintergründe Mit Verweis auf die zunehmende Bestellung von RX- und OTC-Arzneimitteln aus dem Ausland durch deutsche Endverbraucher wurde der Versandhandel und elektronische Handel auch mit RX-Arzneimitteln in Deutschland mit Änderung des AMG durch das Gesetz vom 14. November 2003 ermöglicht.21 Dieser bis dahin weder geregelte noch überwachte Versandhandel von RXund OTC-Arzneimitteln sollte mit dem Ziel des besseren Verbraucherschutzes durch die Änderung des AMG geregelt, kontrolliert und überwacht werden.22 Zudem wurde die Neuregelung auch damit begründet, dass sie den Anliegen bestimmter Verbrauchergruppen wie beispielsweise Kunden mit größerer Entfernung zur nächsten Apotheke entspreche. Die Neuregelung durch den Bundesgesetzgeber entspricht dem Urteil des EuGH vom 11. Dezember 2003 in der Rs. C-322/01 (Deutscher Apothekenverband/DocMorris), dem die Vereinbarkeit des bis zur Reform geltenden nationalen Verbots des Versandhandels mit Arzneimitteln (§ 43 AMG a.F.) sowie des Verbots des Inverkehrbringens von nicht in Deutschland zugelassenen Arzneimitteln (§ 73 Abs. 1AMG a.F.) mit dem Primärrecht zugrunde liegt. Dabei musste der im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens angerufene EuGH die Frage entscheiden, ob ein nationales Versandhandelsverbot23 gegen die Grundsätze des freien Warenverkehrs nach Art. 28 ff. EG (nunmehr : Art. 34 ff. AEUV) verstößt.24 Die folgende Darstellung beschränkt sich auf die für ein Verbot des Versandhandels relevanten Feststellungen des EuGH. Hierbei bezeichnet der Begriff des Versandhandels mit Arzneimitteln eine gewerbsmäßige Einfuhr von Humanarzneimitteln, die in dem betreffenden Mitgliedstaat ausschließlich in Apotheken verkauft werden dürfen, durch in anderen Mitgliedstaaten zugelassene Apotheken im Wege des Versandhandels aufgrund individueller, über das Internet aufgegebener Bestellungen von Endverbrauchern.25 21 BGBl. I 2003, S. 2190. Zur Kritik an der Rabattwerbung für apothekenpflichtige, jedoch nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel infolge des Wegfalls der Preisbindung vgl. BT-Plenarprot. 15/125, 11415 C ff. 22 Vgl. BT-Drs. 15/1525, S. 165. 23 Beispielsweise § 43 Abs. 1 AMG a.F.: „Arzneimittel [...], die nicht durch die Vorschriften des § 44 oder der nach § 45 Abs. 1 erlassenen Rechtsverordnung für den Verkehr außerhalb der Apotheken freigegeben sind, dürfen außer in den Fällen des § 47 berufs- oder gewerbsmäßig für den Endverbrauch nur in Apotheken und nicht im Wege des Versandes in den Verkehr gebracht werden. Außerhalb der Apotheken darf [...] mit den nach Satz 1 den Apotheken vorbehaltenen Arzneimitteln kein Handel getrieben werden.“ 24 Zu den Vorlagefragen vgl. EuGH, Rs. C-322/01 (Deutscher Apothekerverband), ECLI:EU:C:2003:664, Rn. 44. 25 EuGH, Rs. C-322/01 (Deutscher Apothekerverband), ECLI:EU:C:2003:664, Rn. 45. Zu der im Folgenden außer Betracht gelassenen Wiedereinfuhr von Arzneimitteln bzw. einem nationalen Verbot der Werbung für den Versandhandel mit Arzneimitteln vgl. die Rn. 125-134 bzw. die Rn. 135-149 des Urteils in der Rs. C-322/01. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 161/16 Seite 9 3.2. Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit Für die Vereinbarkeit eines nationalen Verbots des Versandhandels mit Arzneimitteln ist zunächst danach zu differenzieren, ob sich das Verbot auf in Deutschland nicht zugelassene Arzneimittel (hierzu 3.1.1.) oder auf in Deutschland zugelassene Arzneimittel bezieht (hierzu 3.1.2.). 3.2.1. In Deutschland nicht zugelassene Arzneimittel Ein potenzieller Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit kann sich bereits daraus ergeben, dass Arzneimittel , die der Pflicht zur Zulassung, Genehmigung oder Registrierung unterliegen, in den Geltungsbereich des AMG nur verbracht werden dürfen, wenn sie zum Verkehr im Geltungsbereich dieses Gesetzes zugelassen sind (§ 73 Abs. 1 AMG). Diese Beschränkung des Inverkehrbringens von Arzneimitteln erfolgte in Umsetzung der Richtlinie 2001/83/EG26 und kann daher nicht als Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung und mithin als Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 34 AEUV bewertet werden. 3.2.2. In Deutschland zugelassene Arzneimittel Eine andere Bewertung erfährt das Inverkehrbringen von in Deutschland zugelassenen Arzneimitteln und dessen Beschränkung auf den Vertrieb ausschließlich in Apotheken (vgl. § 43 Abs. 1 AMG a.F.). Der EuGH hat zum deutschen Verbot des Versandhandels mit Arzneimitteln, deren Abgabe ausschließlich Apotheken im Inland vorbehalten ist, entschieden, dass ein solches Verbot außerhalb Deutschlands ansässige Apotheken stärker als Apotheken in Deutschland beeinträchtigt.27 Auch wenn das Verbot den inländischen Apotheken unstreitig ein zusätzliches oder alternatives Mittel des Zugangs zum deutschen Markt der Endverbraucher von Arzneimitteln nimmt, bleibt ihnen doch die Möglichkeit, Arzneimittel in ihren Apotheken zu verkaufen. Dagegen könnte für Apotheken , die nicht im deutschen Hoheitsgebiet ansässig sind, im Internet ein Mittel bereitstehen, das für den unmittelbaren Zugang zu diesem Markt besser geeignet ist. Ein Verbot, das sich auf außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets ansässige Apotheken stärker auswirkt als auf inländische , könnte jedoch geeignet sein, den Marktzugang für Waren aus anderen Mitgliedstaaten stärker zu behindern als für inländische Erzeugnisse und könnte daher eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung im Sinne von Art. 34 AEUV darstellen.28 3.3. Rechtfertigung des Eingriffs Bedeutet ein nationales Verbot des Versandhandels mit in Deutschland zugelassenen Arzneimitteln somit einen Eingriff in den Schutzbereich der Warenverkehrsfreiheit, dann stellt sich die 26 Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel, ABl. L 311 vom 28.11.2001, S. 67, konsolidierte Fassung abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02001L0083- 20121116&qid=1477472412639&from=DE. 27 EuGH, Rs. C-322/01 (Deutscher Apothekerverband), ECLI:EU:C:2003:664, Rn. 66 ff.. 28 EuGH, Rs. C-322/01 (Deutscher Apothekerverband), ECLI:EU:C:2003:664, Rn. 74 f. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 161/16 Seite 10 Frage, ob und unter welchen Anforderungen dieser Eingriff primärrechtlich gerechtfertigt werden kann und ein Verbot damit trotz des Eingriffs mit dem Unionsrecht vereinbar sein kann. 3.3.1. Maßstäbe Wie vorstehend dargelegt, kann ein Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit insbesondere zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen gerechtfertigt sein (Art. 36 AEUV). Mangels einer Vollharmonisierung in diesem Bereich obliegt es den Mitgliedstaaten, in den durch den Vertrag gesetzten Grenzen zu bestimmen, auf welchem Niveau sie deren Schutz gewährleisten wollen und insbesondere wie streng die durchzuführenden Kontrollen sein sollen.29 Hierbei muss die nationale Regelung dazu geeignet sein, die Verwirklichung des Schutzes der Gesundheit und des Lebens von Menschen als legitimes Ziel zu gewährleisten, und sie darf nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.30 Letzteres ist dann nicht der Fall, wenn die Gesundheit oder das Leben von Menschen genauso wirksam durch Maßnahmen geschützt werden können, die den Handel in der Union weniger beschränken.31 Die Möglichkeit einer Rechtfertigung wird auch nicht dadurch eingeschränkt, dass bei Fernabsatzverträgen gemäß Art. 4 Richtlinie 2011/83/EU32 keine strengeren oder weniger strengen Rechtsvorschriften zur Gewährleistung eines anderen Verbraucherschutzniveaus beibehalten oder eingeführt werden dürfen. Die Richtlinie gilt gemäß Art. 3 Abs. 3 lit. b) Richtlinie 2011/83/EU nicht für Verträge über Gesundheitsdienstleistungen gemäß Art. 3 lit. a) Richtlinie 2011/24/EU33 und lässt somit Unionsregeln u. a. im Bereich der Humanarzneimittel einschließlich der Verschreibung, Abgabe und Bereitstellung von Arzneimitteln entsprechend der Richtlinie 2001/83/EG unberührt. In der Rs. C-322/01 (Deutscher Apothekenverband/DocMorris) bestand eine wirksame Überwachung durch den Sitzstaat der Versandapotheke. Dementsprechend wurde das Verbot des Arzneimittelversandhandels mit Argumenten gerechtfertigt, „die die Erfordernisse der individuellen Beratung des Kunden und seines Schutzes bei der Abgabe von Arzneimitteln sowie der Kontrolle 29 EuGH, Rs. C-215/87 (Schumacher), ECLI:EU:C:1989:111, Rn. 17. 30 EuGH, Rs. C-333/14 (The Scotch Whisky Association u. a.), ECLI:EU:C:2015:845, Rn. 54. 31 EuGH, Rs. C-215/87 (Schumacher), ECLI:EU:C:1989:111, Rn. 17 f.. 32 Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. L 304 vom 22.11.2011, S. 64, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32011L0083&qid=1477479677945&from=DE. 33 Richtlinie 2011/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2011 über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung, ABl. L 88 vom 4.4.2011, S. 45, konsolidierte Fassung abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02011L0024- 20140101&qid=1477480830293&from=DE. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 161/16 Seite 11 der Echtheit von ärztlichen Verschreibungen und der Gewährleistung einer umfassenden und bedarfsgerechten Arzneimittelversorgung betreffen.“34 Indem diese Rechtfertigungsgründe auf potenzielle Gefahren von Arzneimitteln und besondere Sorgfaltsanforderungen beim Arzneimittelvertrieb verweisen, sind bei der Prüfung der Rechtfertigung eines Verbots die einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts zu berücksichtigen. Dies betrifft insbesondere die in Art. 71 und Art. 88 Richtlinie 2001/83/EG mit Blick auf die potenziellen Gefahren eines Arzneimittels vorgenommene Differenzierung zwischen verschreibungspflichtigen und nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Dementsprechend ist für die Rechtfertigung eines Versandhandelsverbots zwischen OTC- und RX-Arzneimittel zu differenzieren. 3.3.2. Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel Für die Kategorie der nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel stellte der EuGH fest, dass insbesondere die Ziele einer hinreichenden Information und Beratung sowie der Verhinderung eines Arzneimittelmissbrauchs nicht geeignet seien, ein absolutes Verbot des Verkaufs im Versandhandel zu rechtfertigen. 3.3.3. Verschreibungspflichtige Arzneimittel Demgegenüber kommt der EuGH zu dem Ergebnis, dass die öffentliche Versorgung mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln eine strengere Kontrolle erfordert, die im Ergebnis ein Versandhandelsverbot von RX-Arzneimitteln rechtfertigt. Dies stützt der Gerichtshof einerseits auf die – auch in Art. 71 Abs. 1 Richtlinie 2001/83/EG zum Ausdruck kommenden – größeren Gefahren, die von diesen Arzneimitteln ausgehen können: „Angesichts der Gefahren, die mit der Verwendung dieser Arzneimittel verbunden sein können, könnte das Erfordernis, die Echtheit der ärztlichen Verschreibungen wirksam und verantwortlich nachprüfen zu können und die Aushändigung des Arzneimittels an den Kunden selbst oder an eine von ihm mit dessen Abholung beauftragte Person zu gewährleisten, ein Verbot des Versandhandels rechtfertigen.“35 Andererseits verweist der EuGH auf die für diese Kategorie von Arzneimitteln geltende Festpreisregelung , die Teil des deutschen Gesundheitswesens sei.36 In diesem Rahmen stellt das Gericht fest, dass jedenfalls nicht ausgeschlossen werden könne, „dass eine erhebliche Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen kann, der eine derartige Beschränkung rechtfertigen kann.“37 Mangels eines dementsprechenden, substantiierten Vortrags konnte der Gerichtshof jedoch nicht feststellen, dass das Versandhandelsverbot durch Gründe des finanziellen Gleichgewichts des 34 EuGH, Rs. C-322/01 (Deutscher Apothekerverband), ECLI:EU:C:2003:664, Rn. 106. 35 EuGH, Rs. C-322/01 (Deutscher Apothekerverband), ECLI:EU:C:2003:664, Rn. 119. 36 EuGH, Rs. C-322/01 (Deutscher Apothekerverband), ECLI:EU:C:2003:664, Rn. 117. 37 EuGH, Rs. C-322/01 (Deutscher Apothekerverband), ECLI:EU:C:2003:664, Rn. 122 mwN. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 161/16 Seite 12 Systems der sozialen Sicherheit oder der Intaktheit des nationalen Gesundheitswesens tatsächlich gerechtfertigt werden kann.38 Ergänzend ist anzumerken, dass der EuGH in seiner Entscheidung vom 19. Oktober 2016 in der Rs. C-148/15 (Deutsche Parkinson) keine Feststellungen zu der Frage trifft, ob die Festpreisbindung für RX-Arzneimittel durch die Sicherung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit als zwingender Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein kann.39 3.4. Zusammenfassung Die vom EuGH im Urteil zur Rs. C-322/01 (Deutscher Apothekenverband/DocMorris) dargelegten Maßstäbe dürften – mit Blick auf das insoweit unveränderte Primärrecht und mangels einer erkennbaren Änderung der Rechtsprechung – weiterhin maßgeblich für die (erneute) Einführung eines vollständigen oder auf RX-Arzneimittel beschränkten nationalen Verbots des Versandhandels mit Arzneimitteln sein. Dabei erfasst der Begriff des Versandhandels mit Arzneimitteln situativ die gewerbsmäßige Einfuhr von Humanarzneimitteln, die in dem betreffenden Mitgliedstaat ausschließlich in Apotheken verkauft werden dürfen, durch in anderen Mitgliedstaaten zugelassene Apotheken im Wege des Versandhandels aufgrund individueller, über das Internet aufgegebener Bestellungen von Endverbrauchern.40 Ausgehend von diesen Prämissen ergibt sich ein Bild, wonach – vorbehaltlich der konkreten gesetzlichen Ausgestaltung – jedenfalls ein nationales Verbot des Versandhandels mit Arzneimitteln, die in dem betreffenden Mitgliedstaat ausschließlich in Apotheken verkauft werden dürfen, im Rahmen von Art. 36 AEUV gerechtfertigt werden kann, soweit dieses Verbot RX-Arzneimittel betrifft. Dagegen kann Art. 36 AEUV nicht geltend gemacht werden, um ein absolutes Verbot des Versandhandels auch mit OTC-Arzneimitteln zu rechtfertigen. Eine Rückkehr zu einem Verbot des Versandhandels muss zudem verhältnismäßig sein gemäß den oben genannten Anforderungen des Unionsrechts. Hierbei scheint aus hiesiger Sicht insbesondere eine Begründung dafür erforderlich, inwiefern Änderungen gegenüber der Bewertung des Gesetzgebers im Jahr 2003 betreffend die Zulassung eines Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln bestehen bzw. eingetreten sind, die nunmehr die Einführung einer Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 36 AEUV rechtfertigen können. - Fachbereich Europa - 38 EuGH, Rs. C-322/01 (Deutscher Apothekerverband), ECLI:EU:C:2003:664, Rn. 123, vgl. hierzu Mand, Anmerkungen zu EuGH: DocMorris, MMR 2004, S. 149, 157 sowie EuGH, Rs. C-141/07 (Kommission/Deutschland), ECLI:EU:C:2008:492, Rn. 22, 60 f.; EuGH, verb. Rs. C-171/07 und C-172/07 (Apothekenkammer des Saarlandes u.a.), ECLI:EU:C:2007:311, Rn. 33 ff. 39 Vgl. Generalanwalt Szpunar, Schlussanträge zu Rs. C-148/15 (Deutsche Parkinson), ECLI:EU:C:2016:394, Rn. 41 f. 40 EuGH, Rs. C-322/01 (Deutscher Apothekerverband), ECLI:EU:C:2003:664, Rn. 45.