© 2018 Deutscher Bundestag PE 6-3000-159/18 188 Europarechtliche Zuständigkeit für die Regulierung der Fangmöglichkeiten der Freizeitfischerei für bestimmte Fischbestände Sachstand Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Diese Kurzinformation dient lediglich der bundestagsinternen Unterrichtung, von einer Weiterleitung an externe Stellen ist abzusehen. . Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 159/18 Seite 2 Europarechtliche Zuständigkeit für die Regulierung der Fangmöglichkeiten der Freizeitfischerei für bestimmte Fischbestände Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 159/18 Abschluss der Arbeit: 9. November 2018 Fachbereich: Fachbereich PE 6: Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 159/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Beschränkung der Befischung bestimmter Fischarten im Bereich der Freizeitfischerei im europäischen Sekundärrecht 4 3. Zuständigkeit der Europäischen Union zur Festlegung von Höchstfangmengen für die Freizeitfischerei 5 3.1. Zur Auslegung des Art. 43 Abs. 3 AEUV 5 3.2. Zur Auslegung des Art. 3 Abs. 1 lit. d) AEUV 6 Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 159/18 Seite 4 1. Fragestellung Mit Blick auf die Festsetzung von Höchstentnahmemengen für den Dorsch und zeitliche und mengenmäßige Begrenzung der Befischung von Wolfsbarsch im europäischen Sekundärrecht wird der Fachbereich beauftragt zu untersuchen, ob die Europäische Union, soweit derartige Regeln auch für den Bereich der Freizeitfischerei gelten sollen, dazu im Rahmen der Gemeinsamen Agrar- und Fischereipolitik ermächtigt ist. 2. Beschränkung der Befischung bestimmter Fischarten im Bereich der Freizeitfischerei im europäischen Sekundärrecht In Sekundärrechtsakten der Europäischen Union (EU) wird die Befischung bestimmter Fischarten im Bereich der Freizeitfischerei beschränkt. Art. 9 Abs. 4 Verordnung (EU) 2018/120 zur Festsetzung der Fangmöglichkeiten für 2018 für bestimmte Fischbestände und Bestandsgruppen in den Unionsgewässern sowie für Fischereifahrzeuge der Union in bestimmten Nicht-Unionsgewässern1 (nachfolgend: Verordnung 2018/120) sieht Höchstmengen und zeitliche Beschränkungen der Befischung von Wolfsbarsch in der Freizeitfischerei vor. Art. 7 Verordnung (EU) 2017/1970 zur Festsetzung der Fangmöglichkeiten für bestimmte Fischbestände und Bestandsgruppen in der Ostsee für 20182 (nachfolgend: Verordnung 2017/1970) normiert Höchstfangmengen für den Dorsch in der Freizeitfischerei. In beiden Verordnungen wird Freizeitfischerei als nichtgewerbliche Fischerei, bei der biologische Meeresschätze beispielsweise im Rahmen der Freizeitgestaltung, des Fremdenverkehrs oder des Sports gefangen werden, definiert.3 Nachfolgend wird untersucht, ob das EU-Recht für derartige Regelungen eine Zuständigkeit vorsieht . 1 Verordnung (EU) 2018/120 des Rates vom 23. Januar 2018 zur Festsetzung der Fangmöglichkeiten für 2018 für bestimmte Fischbestände und Bestandsgruppen in den Unionsgewässern sowie für Fischereifahrzeuge der Union in bestimmten Nicht-Unionsgewässern und zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/127 vom 28. September 2018, ABl L 244 I/1, abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legalcontent /DE/TXT/?qid=1541411548193&uri=CELEX:32018R0120. 2 Verordnung (EU) 2017/1970 des Rates vom 27. Oktober 2017 zur Festsetzung der Fangmöglichkeiten für bestimmte Fischbestände und Bestandsgruppen in der Ostsee für 2018 und zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/127 vom 27.10.2017, ABl L 281/, abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legalcontent /DE/TXT/?qid=1541411150953&uri=CELEX:32017R1970 . 3 Art. 3 Nr. 4. Verordnung 2017/1970, Art. 3 lit. b) Verordnung 2018/120. Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 159/18 Seite 5 3. Zuständigkeit des Rates zur Festlegung von Höchstfangmengen für die Freizeitfischerei In dem beim Europäischen Gericht (EuG) anhängigen Verfahren in der Rechtssache International Forum for Sustainable Underwater Activities (IFSUA) gegen Rat der Europäischen Union4 beantragt der Kläger die Nichtigkeitserklärung von diversen Vorschriften der Verordnung 2018/120, was u.a., allerdings ohne aus den zugänglichen Prozessdokumenten hervorgehende nähere Begründung , darauf gestützt wird, dass diese Regelungen die Freizeit- und Unterwassersportfischerei des Wolfsbarschs verböte, ohne dass der Rat über die Zuständigkeit dafür verfüge. Soweit ersichtlich , hat die europäische Rechtsprechung diese Kompetenzfrage noch nicht entschieden. Die Kommission stützt ihre ausschließliche Zuständigkeit für diese Rechtsakte, wie aus ihrem Vorschlag der Verordnung (EU) 2017/1970 in COM (2017) 461 endg. Seite 2 unter 2. hervorgeht, auf Art. 3 Abs. 1 lit. d), Art. 43 Abs. 3 AEUV5 und nicht auf ihre geteilte Zuständigkeit im Bereich der Agrar- und Fischereipolitik (Art. 4 Abs. 2 lit. d) AEUV). Nachfolgend wird untersucht, ob auf Art. 43 Abs. 3 AEUV (3.1.) und Art. 3 Abs. 1 lit. d) AEUV (3.2.) die in Frage stehenden Beschränkungen in der Freizeitfischerei im europäischen Sekundärrecht gestützt werden können. 3.1. Zur Auslegung des Art. 43 Abs. 3 AEUV Art. 43 Abs. 3 AEUV eröffnet dem Rat die Kompetenz u.a. zur Festsetzung und Aufteilung der Fangmöglichkeiten in der Fischerei. Mit Blick auf die Eigenständigkeit des Unionsrechts erfolgt die Auslegung unionsrechtlicher Begriffe autonom,6 wobei aber auch im EU-Recht die Auslegung des Wortlauts einer gesetzlichen Regelung ihre Grenze innerhalb des möglichen Wortsinns findet.7 Der Wortlaut des Begriffs „Fischerei “ könnte nahelegen, dass hiervon nur der gewerblich bzw. im Rahmen einer Unternehmensstruktur betriebene Fischfang umfasst ist. Zwingend ist dies nicht. Mit diesem Begriff vereinbar dürfte auch der in den dargestellten Sekundärrechtsakten verwandte Begriff der Freizeitfischerei sein, der dort als nichtgewerbliche Fischerei definiert wird. Da die europäische Recht- 4 Rs. T-251/18, eingereicht am 23.04.2018, abrufbar unter: http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=203380&pageIndex=0&doclang=DE&mode=re q&dir=&occ=first&part=1&cid=1802763. Beim EuG anhängig ist auch eine Klage des European Anglers Alliance gegen den Rat der EU, die die Feststellung der Nichtigkeit des Art. 9 Abs. 4 und 5 Verordnung 2018/120 begehrt , ohne allerding die fehlende Zuständigkeit des Rates vorzutragen. Abrufbar ist diese Klage unter: http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=203866&pageIndex=0&doclang=DE&mode=re q&dir=&occ=first&part=1&cid=1804203. 5 Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Festsetzung der Fangmöglichkeiten für bestimmte Fischbestände und Bestandsgruppen in der Ostsee für 2018, COM(2017) 461 endg. Seite 2, abrufbar unter: http://eudoxap01.bundestag.btg:8080/eudox/dokumentInhalt?id=169819. 6 Neuner, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, 3. Aufl. 2015, § 12 Rn. 4 f. 7 Neuner, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, 3. Aufl. 2015, § 12 Rn. 3, 17. Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 159/18 Seite 6 sprechung mit dieser Auslegungsfrage noch nicht befasst war, muss diese Frage an dieser Stelle offen bleiben. 3.2. Zur Auslegung des Art. 3 Abs. 1 lit. d) AEUV Nach Art. 3 Abs. 1 lit. d) AEUV hat die Union die ausschließliche Zuständigkeit für die Erhaltung der biologischen Meeresschätze im Rahmen der gemeinsamen Fischereipolitik. Der EuGH hat die Festsetzung und Zuteilung von Fangquoten als Maßnahme zur Erhaltung der biologischen Schätze des Meeres qualifiziert und demgemäß auf die dafür seinerzeit einschlägige Kompetenznorm gestützt.8 Er bezieht sich dabei maßgebend auf die im Entscheidungszeitpunkt einschlägigen Zuständigkeitsregelungen EWG-Vertrag sowie auf Artikel 102 der Beitrittsakte9, wonach der Rat spätestens ab dem sechsten Jahr nach dem Beitritt „die Voraussetzungen für die Ausübung des Fischfangs im Hinblick auf den Schutz der Fischbestände und die Erhaltung der biologischen Schätze des Meeres" festlegt.10 Aus einer Gesamtbetrachtung der einschlägigen Rechtsnormen folgerte der EuGH die Befugnis der Gemeinschaft, „alle Maßnahmen zur Erhaltung der biologischen Schätze des Meeres einschließlich der Festsetzung und Zuteilung von Fangquoten an die einzelnen Mitgliedstaaten zu treffen.“11 Anders als bei der hiernach nicht einschlägigen Kompetenzzuweisung in Art. 4 Abs. 2 lit. d) AEUV eröffnet Art. 3 Abs. 1 lit. d) AEUV nicht die Zuständigkeit für die Ausgestaltung der Fischerei im engeren Sinne sondern für Maßnahmen zur Erhaltung der biologischen Meeresschätze im Rahmen einer gemeinsamen Fischereipolitik. Ausgehend von dieser Schutzdimension können Regelungen zum Schutz der Fischbestände sowohl die gewerbsmäßige Fischerei wie die Freizeitfischerei betreffen. - Fachbereich Europa - 8 EuGH, Urt. vom 14.6.1976, verb. Rs. 3/76, 4/76 und 6/76; EuGH, Urt. v. 10.6.1980, Rs. 32/79. 9 Akte über die Beitrittsbedingungen und die Anpassungen der Verträge, ABl. L 073 vom 27/03/1972, S.159, abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legalcontent /DE/TXT/PDF/?uri=OJ:JOL_1972_073_R_0014_028&from=DE . 10 EuGH, Urt. vom 14.6.1976, verb. Rs. 3/76, 4/76 und 6/76 Rn. 29. 11 EuGH, Urt. vom 14.6.1976, verb. Rs. 3/76, 4/76 und 6/76 Rn. 30/33.