© 2016 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 158/16 Zum Bestehen einer EU-rechtlichen Notifizierungspflicht für ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Diese Ausarbeitung dient lediglich der bundestagsinternen Unterrichtung, von einer Weiterleitung an externe Stellen ist abzusehen. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 158/16 Seite 2 Zum Bestehen einer EU-rechtlichen Notifizierungspflicht für ein Verbot der Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 158/16 Abschluss der Arbeit: 14. November 2016 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 158/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Zum Bestehen einer beihilferechtlichen Notifizierungspflicht 4 2.1. Begünstigung im Sinne eines Vorteils für niedergelassene Apotheken 6 2.2. Finanzierung aus staatlichen Mitteln 7 2.2.1. Staatlich kontrollierender Einfluss auf die Ressourcen 7 2.2.2. Staatliche Beteiligung an der Umverteilung von Ressourcen 8 2.3. Ergebnis 8 3. Zum Bestehen einer Notifizierungspflicht nach der sog. Informationsrichtlinie 2015/1535 8 3.1. Hintergrund, Verfahren und Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Informationsrichtlinie 9 3.2. Anwendbarkeit der Informationsrichtlinie 10 3.3. Versandhandelsverbot als technische Vorschrift im Sinne der Informationsrichtlinie 11 3.3.1. Technische Spezifikation 12 3.3.2. Vorschrift betreffend Dienste 13 3.3.3. Verbot der Herstellung, Einfuhr, Inverkehrbringen oder Verwendung eines Erzeugnisses oder der Erbringung oder Nutzung eines Dienstes oder der Niederlassung als Erbringer von Diensten 14 3.3.4. Sonstige Vorschrift 15 3.4. Notifizierungspflicht nach Art. 5 Abs. 1 der Informationsrichtlinie 17 3.5. Ergebnis 18 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 158/16 Seite 4 1. Einleitung In seinem Urteil in der Rechtssache Deutsche Parkinson Vereinigung e.V. vom 19. Oktober 2016 (C-148/15) hat der EuGH die nach deutschem Recht bestehende Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel als nicht gerechtfertigten Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit nach Art. 34 AEUV angesehen.1 In der Konsequenz sind die einschlägigen Vorschriften des deutschen Rechts gegenüber EU-ausländischen Versandapotheken unanwendbar, nationale Versand- und nur über ihre Niederlassung tätige Apotheken haben die Preisvorgaben hingegen weiterhin zu beachten .2 Vor diesem Hintergrund wird auf politischer Ebene erwogen, den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in Deutschland gesetzlich zu verbieten.3 Der Fachbereich wird in diesem Zusammenhang um die Beantwortung der Frage ersucht, ob die Einführung eines solchen Versandhandelsverbots einer EU-rechtlichen Notifizierungspflicht unterliegt . Des Weiteren wird um Informationen gebeten, welche verfahrensrechtlichen Voraussetzungen hierbei ggf. zu beachten wären und welche Rechtsfolgen ein Verstoß gegen eine etwaige Notifizierungspflicht nach sich ziehen würde. Das Unionsrecht kennt eine Vielzahl an Notifizierungspflichten, denen die Mitgliedstaaten beim Erlass nationaler Vorschriften nachkommen müssen. Vorliegend ist – soweit ersichtlich – an zwei Fälle zu denken: eine beihilferechtliche Notifizierungspflicht nach Art. 108 Abs. 3 AEUV (2.) sowie eine sekundärrechtliche begründete Notifizierungspflicht nach der sog. Informationsrichtlinie 4 (3.). 2. Zum Bestehen einer beihilferechtlichen Notifizierungspflicht Art. 108 Abs. 3 S. 1 AEUV sieht vor, dass die Kommission von jeder beabsichtigten Einführung oder Umgestaltung von Beihilfen so rechtzeitig unterrichtet wird, dass sie sich dazu äußern kann (sog. Notifizierungspflicht). Nach Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV darf der betreffende Mitgliedstaat 1 EuGH, Urt. v. 19.10.2016, Rs. C-148/15 (Deutsche Parkinson Vereinigung e.V.), Rn. 27, 46. Siehe dazu auch die Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 49/16 „Unionsrechtliche Anforderungen an ein Verbot des Versandhandels mit Arzneimitteln “ vom 27. Oktober 2016 (im Folgenden: Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 49/16), Pkt. 2, S. 4 ff. 2 Vgl. hierzu die Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 49/16 (Fn. 1), Pkt. 2.3., S. 6 f. 3 Siehe etwa die Angaben auf DAZ.online zur Initiative Bayerns im Bundesrat unter https://www.deutsche-apotheker -zeitung.de/news/artikel/2016/11/07/bayern-will-versandverbot-im-amvsg (letztmaliger Abruf am 14.11.16). 4 Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft , online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32015L1535&qid=1478626320336&from=DE (letztmaliger Abruf am 14.11.16). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 158/16 Seite 5 die beabsichtigte Maßnahme nicht durchführen, bevor die Kommission einen abschließenden Beschluss erlassen hat (sog. Durchführungsverbot).5 Verstößt der Mitgliedstaat hiergegen, kann die (formell) rechtswidrig gewährte Beihilfe ausgesetzt und ggf. auch vorläufig zurückgefordert werden .6 Eine endgültige Rückforderung einer unter Verstoß gegen Art.108 Abs. 3 AEUV gewährten Beihilfe ist nur dann möglich, wenn sie auch materiell mit dem Binnenmarkt unvereinbar ist,7 weil eine Rechtfertigung nach Art. 107 Abs. 2 oder Abs. 3 AEUV nicht in Betracht kommt. Voraussetzung für die nach Art. 108 Abs. 3 AEUV bestehende Notifizierungspflicht und das Durchführungsverbot ist vor allem, dass es sich bei der in Frage stehenden staatlichen Maßnahme um eine Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV handelt. Erfüllt eine staatliche Maßnahme alle Beihilfemerkmale nach dieser Vertragsvorschrift, darf zudem kein Fall einer sekundärrechtlich angeordneten Freistellung von der Notifizierungspflicht vorliegen (vgl. Art. 108 Abs. 4 AEUV).8 Derartige Freistellung greifen allerdings eher bei standarisierten Beihilfemaßnahmen. Bei einem Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln stellt sich bereits die Frage, ob es überhaupt als Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV zu qualifizieren ist. 5 Das auf Grundlage des Art. 108 AEUV bestehende Beihilfeverfahren wurde sekundärrechtlich in der Verordnung (EU) Nr. 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 AEUV, ABl.EU 2015 Nr. L 248/9, online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32015R1589&from=DE (letztmaliger Abruf am 14.11.16), näher ausgestaltet. 6 Vgl. Art. 1 Buchst. f), Art. 13 Beihilfeverfahrensordnung (Fn. 5). 7 Vgl. Art. 16 Beihilfeverfahrensordnung (Fn. 5). 8 Einschlägig ist etwa in allgemeiner Hinsicht die Verordnung (EU) Nr. 651/2014 der Kommission vom 17. Juni 2014 zur Feststellung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Binnenmarkt in Anwendung der Artikel 107 und 108 AEUV, ABl.EU 2014 Nr. L 187/1 (online abrufbar unter http://eur-lex.europa .eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32014R0651&qid=1417702206558&from=DE – letztmalig abgerufen am 14.11.16). Vgl. dort Art. 3. Siehe zu diesem verfahrensrechtlichen Ansatz der ex-post-Beihilfekontrolle , der im Zuge der 2014 durchgeführten Beihilferechtsreform („State Aid Modernisation“) ausgebaut wurde, Soltész, Das neue europäische Beihilferecht, NJW 2014, S. 3128 (3130), sowie die sog. Transparenzmitteilung der Kommission, ABl.EU 2014 Nr. C 198/30, online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52014XC0627(02)&from=DE (letztmaliger Abruf am 14.11.16), I. Einführung, erster Absatz. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 158/16 Seite 6 Art. 107 Abs. 1 AEUV normiert das grundsätzliche Verbot von Beihilfen.9 Zugleich können der Norm die einzelnen Beihilfemerkmale entnommen werden.10 Danach sind Beihilfen „staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte [Maßnahmen] gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen […], soweit sie den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen.“ Vorliegend könnte das Versandhandelsverbot zwar zu einer Begünstigung für in Deutschland niedergelassene Apotheken führen (2.1.). Zweifelhaft ist jedoch die Finanzierung dieses Vorteils aus staatlichen Mitteln (2.2.). Fehlt es hieran, liegt keine Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV vor. 2.1. Begünstigung im Sinne eines Vorteils für niedergelassene Apotheken Unter einer Begünstigung nach Art. 107 Abs. 1 AEUV versteht man die Gewährung eines Vorteils im Sinne einer wirtschaftlichen Vergünstigung, die ein Unternehmen unter normalen Marktbedingungen , d. h. ohne ein Eingreifen des Staates, nicht erhalten könnte.11 Entscheidend ist dabei allein die Auswirkung der Maßnahme auf das Unternehmen und die Verbesserung seiner finanziellen Lage.12 Würde der Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln verboten, könnten diese nur in niedergelassenen Apotheken erworben werden. Ein solches Vertriebsmonopol würde den mit diesen Arzneimitteln zu erzielenden Umsatz und Gewinn niedergelassener Apotheken erhöhen und im Allgemeinen zu einer Verbesserung ihrer finanziellen Lage beitragen. Ohne ein regulatorisches Eingreifen des Staates in Gestalt des Versandhandelsverbots wäre die dadurch eintretende Verbesserung der finanziellen Situation niedergelassener Apotheken jedenfalls in diesem Umfang nicht möglich. Somit wäre von einer Begünstigung niedergelassener Apotheker durch ein Versandhandelsverbot auszugehen. 9 Das Beihilfeverbot des Art. 107 Abs. 1 AEUV ist nicht absolut. Art. 107 Abs. 2 und vor allem Art. 107Abs. 3 AEUV enthalten Rechtfertigungstatbestände, die von der Kommission in zahlreichen verbindlichen (bei Freistellungen von der Notifizierungspflicht) und unverbindlichen Rechtsakten konkretisiert worden. Die Einhaltung der darin geregelten Voraussetzungen gewährleistet einen positiven Ausgang des Beihilfeverfahrens bzw. eine zulässige Berufung auf die Freistellungsverordnungen. Ein Gesamtüberblick über die verschiedenen Rechtsakte findet sich auf den Seiten der Generaldirektion Wettbewerb der Kommission unter http://ec.europa .eu/competition/state_aid/legislation/compilation/index_de.html (Stand vom 15.04.2014, letztmaliger Abruf am 14.11.16). 10 Siehe hierzu die sog. Beihilfemitteilung der Kommission: Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl.EU 2016 Nr. C 262/1, online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52016XC0719(05)&from=DE (letztmaliger Abruf unter 14.11.16). In dieser Mitteilung erläutert die Kommission unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EuGH, wie sie die einzelnen Merkmale des Beihilfetatbestandes versteht, vgl. Tz. 3. Im Folgenden wird auf die dortigen Erläuterungen Bezug genommen. 11 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 10), Rn. 66, jeweils mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. 12 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 10), Rn. 67. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 158/16 Seite 7 2.2. Finanzierung aus staatlichen Mitteln Fraglich ist jedoch seine Finanzierung aus staatlichen Mitteln im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV. Dieses Beihilfemerkmal weist zwei Komponenten auf: die unmittelbare oder mittelbare Gewährung der Begünstigung aus staatlichen Mitteln und die Zurechnung einer solchen Maßnahme an den Staat.13 Während letzteres mit Blick auf das gesetzgeberische Handeln ohne weiteres zu bejahen wäre, erscheint vorliegend die Gewährung aus staatlichen Mitteln zweifelhaft. Der Regelfall einer Gewährung aus staatlichen Mitteln liegt vor, wenn die Begünstigung durch Übertragung von Haushaltsmitteln des öffentlichen Sektors erfolgt.14 Die aus einem Versandhandelsverbot folgende Begünstigung niedergelassener Apotheken würde hingegen aus privaten Mitteln der Kunden gespeist. Zwar wird auch eine aus privaten Mitteln gewährte Begünstigung unter bestimmten Voraussetzungen (ausnahmsweise) als staatliche Finanzierung im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV angesehen .15 Die für diese Fallgruppen aus Sicht der Kommission bestehenden Voraussetzungen dürften jedoch bei einem Versandhandelsverbot nicht vorliegen (siehe sogleich unter 2.2.1. und 2.2.2.). Allerdings ist zu beachten, dass diese Fallgruppen aufgrund der damit einhergehenden Ausdehnung des Beihilfetatbestandes umstritten und zudem noch nicht abschließend durch die Rechtsprechung des EuGH geklärt sind.16 Darüber hinaus handelt es sich bei den durch die Kommission und zum Teil auch die Rechtsprechung des (erstinstanzlichen) Gerichts (EuG) entschiedenen Konstellationen um Einzelfälle, die nur bedingt verallgemeinerungsfähig sind. 2.2.1. Staatlich kontrollierender Einfluss auf die Ressourcen Eine staatliche Herkunft der zur Begünstigung führenden Mittel wird zum einen dann nicht für notwendig erachtet, wenn die Mittel vor direkter oder indirekter Weitergabe an den Empfänger zumindest unter staatlicher Kontrolle und somit den Behörden zur Verfügung standen, auch wenn hier kein staatliches Eigentum begründet war.17 Beispiel hierfür sind parafiskalische Abgaben oder Pflichtabgaben, die vom Staat auferlegt und im Einklang mit nationalen Rechtsvorschriften verwaltet und zugewiesen werden. Eine solche Konstellation würde bei einem Versandhandelsverbot nicht bestehen. Denn die Verwendung der für verschreibungspflichtige Arzneimittel aufgewandten privaten Mittel beruht zum einen auf einer individuellen Entscheidung des Einzelnen. Ferner stehen die Mittel zu keinem Zeitpunkt unter staatlicher Kontrolle und damit den Behörden zur Verfügung. 13 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 10), Rn. 38. 14 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 10), Rn. 48, 51. 15 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 10), Rn. 57 ff. sowie 61 ff. 16 Siehe dazu etwa Schroeder, EU-Beihilfeverbot und Staatlichkeit der Mittel, EuZW 2015, S. 207 ff. 17 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 10), Rn. 57. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 158/16 Seite 8 2.2.2. Staatliche Beteiligung an der Umverteilung von Ressourcen Unter bestimmten Voraussetzungen ist zum anderen auch eine staatliche Beteiligung an der Umverteilung von Finanzmitteln von einer privaten Einheit zu einer anderen als Finanzierung aus staatlichen Mitteln anzusehen.18 Das ist aus Kommissionssicht dann der Fall, wenn die Mittel – etwa in Form von gesetzlich vorgesehenen Abgaben – über eine entsprechend beauftragte öffentliche oder private Einheit an die Empfänger weitergeleitet werden.19 Als Beispiel hierfür kann aus deutscher Sicht auf die EEG-Umlage verwiesen werden.20 Auch dieser Fall läge bei einem Versandhandelsverbot nicht vor. Zwar führt dieses dazu, dass verschreibungspflichtige Arzneimittel nur bei niedergelassenen Apotheken erworben werden können. Die Entscheidung über den Erwerb liegt jedoch allein bei den Kunden und die von ihnen hierfür verwendeten privaten Mittel fließen unmittelbar an die Apotheke, ohne dass sie über eine entsprechend beauftragte öffentliche oder private Einheit weitergeleitet werden. 2.3. Ergebnis Im Ergebnis dürfte es somit an einer Finanzierung aus staatlichen Mitteln im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV fehlen. Auf das Vorliegen der übrigen Beihilfemerkmale kommt es somit nicht mehr an. Eine Notifizierungspflicht nach Art. 108 Abs. 3 S. 1 AEUV würde vorliegend damit bereits dem Grunde nach nicht bestehen. 3. Zum Bestehen einer Notifizierungspflicht nach der sog. Informationsrichtlinie 2015/1535 Eine Notifizierungspflicht könnte jedoch nach Art. 5 Abs. 1 der Informationsrichtlinie21 (im Folgenden auch: Info-RL) bestehen. Danach haben die Mitgliedstaaten der Kommission unverzüglich jeden Entwurf einer technischen Vorschrift zu übermitteln. Nach einer kurzen Beschreibung des Sinn und Zwecks dieser Richtlinie sowie des ihm zugrunde liegenden Verfahrens und der Rechtsfolgen bei Nichtbeachtung (3.1.) ist zu prüfen, ob die Informationsrichtlinie anwendbar ist (3.2.) und ob es sich bei dem Versandhandelsverbot um eine technische Vorschrift im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Info-RL handelt (3.3.), die der Notifizierung unterliegt (3.4.). 18 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 10), Rn. 61 ff. 19 Vgl. Beihilfemitteilung (Fn. 10), Rn. 63 ff. 20 Siehe dazu etwa Stöber, Das Urteil des EuG zum Beihilfecharakter des EEG 2012, EuZW 2016, S. 539 ff. 21 Siehe oben Fn. 4. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 158/16 Seite 9 3.1. Hintergrund, Verfahren und Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Informationsrichtlinie Der Erlass technischer Vorschriften durch die Mitgliedstaaten kann zu Hindernissen für den grenzüberschreitenden Austausch von Waren und Dienstleistungen führen.22 Um derartige Beeinträchtigungen für Binnenmarkt und Wettbewerb bereits in der Entstehung zu vermeiden, verfolgt die Informationsrichtlinie23 das Ziel, in diesem Bereich für eine größere Transparenz zu sorgen.24 Umgesetzt wird dies vor allem durch die in Art. 5 Abs. 1 Info-RL geregelte Informationspflicht.25 Der EuGH formuliert insoweit, dass „die [Informationsrichtlinie] den freien Wettbewerb, der zu den Grundlagen der Europäischen Union gehört, durch eine vorbeugende Kontrolle schützen [soll], die insofern sinnvoll ist, als unter die Richtlinie fallende technische Vorschriften möglicherweise Behinderungen des Warenaustauschs zwischen Mitgliedstaaten darstellen, die nur zugelassen werden können, wenn sie notwendig sind, um zwingenden Erfordernissen zu genügen, die ein im allgemeinen Interesse liegendes Ziel verfolgen.“26 Ist der Anwendungsbereich der Informationsrichtlinie eröffnet und liegt der Entwurf einer technischen Vorschrift vor, der an die Kommission zu übermitteln ist, so knüpft Art. 6 Info-RL an die Übermittlung eine Stillhaltepflicht von zunächst drei Monaten (vgl. Abs. 1). Innerhalb dieser Frist darf der Mitgliedstaat den Entwurf dieser technischen Vorschrift nicht annehmen. Die Kommission und die anderen Mitgliedstaaten, die von der Kommission über diese technische Vorschrift zu unterrichten sind (vgl. Art. 5 Abs. 1 UAbs. 5 Info-RL), haben hingegen die Gelegenheit, gegenüber dem übermittelnden Mitgliedstaat Bemerkungen zu dem Entwurf vorzubringen, die dieser Mitgliedstaat „bei der weiteren Ausarbeitung der technischen Vorschrift so weit wie möglich berücksichtigt“ (vgl. Art. 5 Abs. 2 Info-RL). Die Stillhaltefrist verlängert sich – je nach Art der technischen Vorschrift – zunächst auf vier oder sechs Monate, soweit die Kommission oder ein anderer Mitgliedstaat innerhalb von drei Monaten eine ausführliche Stellungnahme abgibt, der zufolge die geplante Maßnahme Elemente 22 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 4 Informationsrichtlinie (Fn. 4). 23 Zu beachten ist, dass die derzeit geltende Informationsrichtlinie der insgesamt dritte Rechtsakt mit dieser Zielsetzung ist. Im Wesentlichen handelt es sich dabei nur um eine Kodifizierung der mehrfach geänderten Richtlinie 98/34/EG (vgl. Erwägungsgrund Nr. 1 der Info-RL), die wiederrum zum großen Teil lediglich eine Kodifizierung der ebenfalls mehrfach geänderten Richtlinie 83/189/EWG darstellt. Die beiden letztgenannten Richtlinien sind abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:01998L0034- 20130101&qid=1478772305612&from=DE (letzte konsolidierte Fassung) bzw. unter http://eur-lex.europa.eu/legal -content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:31983L0189&qid=1478772617978&from=DE (Originalfassung) – letztmaliger Abruf am 14.11.16. Verweisungen auf die aufgehobene Richtlinie 98/34/EG gelten nach Art. 10 Abs. 2 Info- RL als Verweisung auf die geltende Informationsrichtlinie und sind nach Maßgabe der Entsprechungstabelle in Anhang IV der Informationsrichtlinie zu lesen. Daher kann auch die bisher zur Richtlinie 98/34/EG sowie zur Richtlinie 89/189/EWG ergangene Rechtsprechung zu weiterhin gleichlautenden Bestimmungen auf die aktuell geltende Informationsrichtlinie übertragen werden. 24 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 3 Informationsrichtlinie (Fn. 4). 25 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 5 Informationsrichtlinie (Fn. 4). 26 Siehe etwa EuGH, Urt. v. 9.06.2011, Rs. C-361/10 (Intercommunale Intermosane SCRL), Rn. 10. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 158/16 Seite 10 enthält, die den freien Warenverkehr, den Verkehr von Dienstleitungen oder die Niederlassungsfreiheit von Betreibern im Rahmen des Binnenmarktes beeinträchtigen könnten (vgl. Art. 6 Abs. 2 Info-RL). In diesem Fall ist der betreffende Mitgliedstaat verpflichtet, die Kommission über Maßnahmen zu unterrichten, die er aufgrund der ausführlichen Stellungnahmen zu ergreifen beabsichtigt (vgl. Art. 6 Abs. 2 UAbs. 4 Info-RL). Die Kommission äußert sich zu diesen Maßnahmen. Ist die technische Vorschrift oder deren Inhalt zugleich Gegenstand eines Rechtssetzungsvorhabens auf EU-Ebene, kann sich – je nach Verfahrensstufe – die Stillhaltefrist auf bis zu 18 Monate erhöhen (vgl. Art. 6 Abs. 3 bis 5 Info-RL). Die Stillhaltefrist gilt nach Art. 6 Abs. 6 Info-RL nicht, wenn der Mitgliedstaat gezwungen ist, die technische Vorschrift unter den dort näher beschriebenen Umständen aus dringenden Gründen zu erlassen. Unter den in Art. 7 Abs. 1 Buchst. a) bis f) Info-RL genannten Gründen entfallen sowohl die Notifizierungs - als auch die Stillhaltepflicht. Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Notifizierungspflicht sind in der Informationsrichtlinie nicht geregelt. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH führt die Missachtung dieser Pflicht aber zur Unanwendbarkeit der betreffenden technischen Vorschrift; der Einzelne kann dies vor nationalen Gerichten geltend machen, und zwar nicht nur gegenüber dem Staat, sondern auch im Verhältnis zu anderen Privaten.27 Welche Konsequenzen hingegen allein der Verstoß gegen die Stillhaltepflicht nach sich zieht, lässt sich der Rechtsprechung – soweit ersichtlich – nicht entnehmen . Ungeregelt bleibt in der Informationsrichtlinie auch, welche Folgen es hat, wenn der Mitgliedstaat auf die ausführliche Stellungnahme der Kommission oder eines anderen Mitgliedstaates keine Maßnahmen ergreift und die technische Vorschrift ohne Änderungen erlässt. Soweit damit gegen Grundfreiheiten verstoßen wird, bleibt der Kommission (oder einem anderen Mitgliedstaat) in jedem Fall das Instrument des Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 258 ff. AEUV. Erlassen die Mitgliedstaaten schließlich eine technische Vorschrift, so haben sie nach Art. 9 Info- RL in dieser selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug zu nehmen. 3.2. Anwendbarkeit der Informationsrichtlinie Zweifel an der Anwendbarkeit der Informationsrichtlinie können sich vorliegend aus dem Umstand ergeben, dass sich das Versandhandelsverbot auf die Ausübung eines Telekommunikationsdienstes – nämlich des Fernabsatzes von Waren – auswirkt. Denn die Informationsrichtlinie gilt nach Art. 1 Abs. 3 Info-RL nicht für Vorschriften über Angelegenheiten, die einer Regelung der Union im Bereich der Telekommunikationsdienste nach Richtlinie 2002/21/EG über einen 27 Siehe etwa EuGH, Urt. v. 4.02.2016, Rs. C-336/14 (Ince), Rn. 67 f.; Urt. v. 10.07.2014, Rs. C-307/13 (Ivansson), Rn. 48; Urt. v. 26.09.2000, Rs. C-443/98 (Unilever), Rn. 49 ff. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 158/16 Seite 11 gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (Rahmenrichtlinie – im Folgenden auch: Rahmen-RL)28 unterliegen. Bei näherem Hinsehen ist ein Versandhandelsverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel jedoch keine Angelegenheit, die der Rahmenrichtlinie und den in diesem Zusammenhang ebenfalls erlassenen Einzelrichtlinien unterliegt. Denn diese Rechtsakte zielen ausweislich des Erwägungsgrundes Nr. 5 der Rahmenrichtlinie auf die Regulierung der Übertragung, nicht auf die Regulierung von Inhalten, die mittels elektronischer Kommunikationsdiensten übertragen werden. Im normativen Teil der Rahmenrichtlinie folgt diese Differenzierung aus Art. 1 Abs. 3, wonach die „von der Gemeinschaft oder den Mitgliedstaaten im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht getroffenen Maßnahmen zur Verfolgung von Zielen, die im Interesse der Allgemeinheit liegen, insbesondere in Bezug auf die Regulierung von Inhalten [….], von dieser Richtlinie und den Einzelrichtlinien unberührt [bleiben].“ Die Unterscheidung von Inhalt- und Übertragungsregulierung wird im Verhältnis zur Informationsrichtlinie auch in der Begriffsbestimmung zum Begriff „elektronische Kommunikationsdienste “ in Art. 2 Buchst. c) Rahmen-RL deutlich. Danach fallen darunter „gewöhnlich gegen Entgelt erbrachte Dienste, die ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über elektronische Kommunikationsnetze bestehen, […], nicht dazu gehören die Dienste der Informationsgesellschaft im Sinne von Artikel 1 der Richtlinie 98/34/EG, die nicht ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über elektronische Kommunikationsnetze bestehen“. Das Versandhandelsverbot verschreibungspflichtiger Arzneimittel würde den (warenbezogenen) Inhalt elektrischer Kommunikationsdienste betreffen, nicht aber die unter die Rahmenrichtlinie fallende Übertragung von Signalen über elektronische Kommunikationsnetze selbst regulieren. Folglich ist die Geltung der Informationsrichtlinie für das hier im Raum stehende Versandhandelsverbot nicht nach Art. 1 Abs. 3 Info-RL ausgeschlossen. Die Anwendungsausschlüsse nach Art. 1 Abs. 2 Info-RL (Hörfunk- und Fernsehdienste) sowie nach Art. 1 Abs. 4 (Auflistung von Finanzdienstleistungen in Anhang II), Abs. 5 (Vorschriften von oder für geregelte Märkte nach der Richtlinie 2004/39/EG) sowie Abs. 6 Info-RL (Arbeitnehmerschutz bei Verwendung von Erzeugnissen) sind vorliegend nicht einschlägig. 3.3. Versandhandelsverbot als technische Vorschrift im Sinne der Informationsrichtlinie Die materiell entscheidende Frage lautet vor diesem Hintergrund, ob das Versandhandelsverbot als technische Vorschrift im Sinne der Informationsrichtlinie anzusehen ist. Der Begriff „technische Vorschrift“ ist im Rahmen der Informationsrichtlinie ein Oberbegriff, der mehrere Kategorien an „technischen“ Vorschriften umfasst. Legaldefiniert ist der Begriff in Art. 1 Abs. 1 Buchst. f) Info-RL. Danach bezeichnet dieser Ausdruck 28 Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002, ABl.EU 2002 Nr. L 108/33, letzte konsolidierte Fassung abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02002L0021-20091219&from=DE (letztmaliger Abruf am 14.11.16). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 158/16 Seite 12 „technische Spezifikationen oder sonstige Vorschriften oder Vorschriften betreffend Dienste, einschließlich der einschlägigen Verwaltungsvorschriften, deren Beachtung rechtlich oder de facto für das Inverkehrbringen, die Erbringung des Dienstes, die Niederlassung eines Erbringers von Diensten oder die Verwendung in einem Mitgliedstaat oder in einem großen Teil dieses Staates verbindlich ist, sowie — vorbehaltlich der in Artikel 7 genannten Bestimmungen — die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, mit denen Herstellung, Einfuhr, Inverkehrbringen oder Verwendung eines Erzeugnisses oder Erbringung oder Nutzung eines Dienstes oder die Niederlassung als Erbringer von Diensten verboten werden.“ Die Rechtsprechung entnimmt dieser Definition vier Unterkategorien an Vorschriften, die zum Teil ebenfalls in der Informationsrichtlinie legaldefiniert werden:29 technische Spezifikationen (3.3.1.), Vorschriften betreffend Dienste (3.3.2.), das Verbot der Herstellung, Einfuhr, des Inverkehrbringens oder der Verwendung eines Erzeugnisses oder der Erbringung oder Nutzung eines Dienstes oder der Niederlassung als Erbringer von Diensten (3.3.3) sowie sonstige Vorschriften (3.3.4.). Im Kontext der Informationsrichtlinie besteht die Besonderheit des hier im Raum stehenden Versandhandelsverbots für verschreibungspflichtige Arzneimittel darin, dass es sich beim Versandhandel an sich um eine Dienstleistung im Sinne der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV handelt, die gegenständlich auf Waren im Sinne der Warenverkehrsfreiheit nach Art. 28 ff., 34 ff. AEUV bezogen ist. Im Folgenden wird geprüft, ob das Versandhandelsverbot einer der vier Unterkategorien technischer Vorschriften entspricht. 3.3.1. Technische Spezifikation Der Begriff der technischen Spezifikation ist in Art. 1 Abs. 1 Buchst. c) Info-RL legaldefiniert und zu verstehen als „eine Spezifikation, die in einem Schriftstück enthalten ist, das Merkmale für ein Erzeugnis vorschreibt, wie Qualitätsstufen, Gebrauchstauglichkeit, Sicherheit oder Abmessungen , einschließlich der Vorschriften über Verkaufsbezeichnung, Terminologie, Symbole, Prüfungen und Prüfverfahren, Verpackung, Kennzeichnung und Beschriftung des Erzeugnisses sowie über Konformitätsbewertungsverfahren.“ Ferner fallen darunter „Herstellungsmethoden und -verfahren für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse gemäß Artikel 38 Absatz 1 Unterabsatz 2 [AEUV], für die Erzeugnisse, die zur menschlichen und tierischen Ernährung bestimmt sind, für die Arzneimittel gemäß Artikel 1 der Richtlinie 2001/83/EG […] sowie die Herstellungsmethoden und -verfahren für andere Erzeugnisse, sofern sie die Merkmale dieser Erzeugnisse beeinflussen“. Das Versandhandelsverbot erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Weder schreibt es die genannten Merkmale für das Erzeugnis „verschreibungspflichtige Arzneimittel“ vor, noch bezieht es sich auf Herstellungsmethoden und -verfahren für Arzneimittel. Es wäre demnach keine technische Spezifikation im Sinne der Informationsrichtlinie. 29 Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 19.07.2012, verb. Rs. C-213/11, C-214/11 und C-217/11 (Fortuna u. a.), Rn. 27. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 158/16 Seite 13 3.3.2. Vorschrift betreffend Dienste Auch die Kategorie der Vorschrift betreffend Dienste ist in der Informationsrichtlinie legaldefiniert und zwar auf mehreren Stufen. Ausgangspunkt ist der Begriff des Dienstes, dessen Definition sich in Art. 1 Abs. 1 Buchst. b) Info-RL findet. Danach ist ein Dienst „eine Dienstleistung der Informationsgesellschaft, d. h. jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung.“ In Art. 1 Abs. 1 Buchst. b) i) bis iii) Info-RL werden sodann die einzelnen Elemente dieser Begriffsbestimmung weiter legaldefiniert . Sie sind vorliegend jedoch nicht von Bedeutung. Die Definition zum Begriff „Vorschrift betreffend Dienste“ findet sich in Art. 1 Abs. 1 Buchst. e) Info-RL. Danach handelt es sich bei dieser Kategorie um „eine allgemein gehaltene Vorschrift über den Zugang zu den Aktivitäten der unter Buchstabe b genannten Dienste und über deren Betreibung, insbesondere Bestimmungen über den Erbringer von Diensten, die Dienste und den Empfänger von Diensten, unter Ausschluss von Regelungen, die nicht speziell auf die unter dieser Nummer definierten Dienste abzielen.“ In Art. 1 Abs. 1 Buchst. e) i) bis ii) Info-RL finden sich noch weitere Begriffsklärungen, auf die es hier ebenfalls nicht ankommt. Entscheidend für die Qualifizierung des Versandhandelsverbots als Vorschrift betreffend Dienste ist, ob es sich auf eine Dienstleistung bezieht, die in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbracht wird. Wie oben ausgeführt, ist der Versandhandel im Fernabsatz selbst eine Dienstleistung. Das hier im Raum stehende Verbot bezieht sich jedoch auf die im Versandhandel zu beziehende Ware – nämlich verschreibungspflichtige Arzneimittel. Der Rechtsprechung des EuGH lässt sich – soweit ersichtlich – entnehmen, dass Verbote in Bezug auf wirtschaftliche Aktivitäten, die über elektronische Kommunikationsdienste erfolgen, nur dann als Vorschriften betreffend Dienste angesehen werden, wenn es sich bei dem Gegenstand des Fernabsatzes selbst um Dienstleistungen handelt .30 Danach würde das Versandhandelsverbot von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln keinen Dienst im Sinne der Informationsrichtlinie betreffen. Es könnte daher auch nicht als Vorschrift betreffend Dienste angesehen werden, ohne dass es darauf ankommt, ob die (weiteren) Voraussetzungen der Legaldefinition in Art. 1 Abs. 1 Buchst. e) Info-RL erfüllt werden. Dieses Ergebnis lässt sich auch aus der primärrechtlichen Perspektive der beiden betroffenen Grundfreiheiten – der Waren- und der Dienstleistungsfreiheit – ableiten. Die Kategorie der Vorschriften betreffend Dienste geht auf die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV zurück und wurde erst durch eine Änderung der früheren Informationsrichtlinie 98/34/EG eingeführt.31 Das ehemals nach deutschem Recht bestehende Versandhandelsverbot für verschreibungspflichtige 30 So etwa im Fall von Glücksspielen, deren Betreiben im Internet gesetzlich verboten wird, EuGH, Urt. v. 4.02.2016, Rs. C-336/14 (Ince), Rn. 75. 31 Vgl. Richtlinie 98/48/EG des Europäischen Parlaments und DES Rates vom 20. Juli 1998 zur Änderung der Richtlinie 98/34/EG über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften, ABl.EU 1998 Nr. L 217/18, online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:31998L0048&qid=1478786950572&from=DE (letztmaliger Abruf am 14.11.16). Siehe dort die Erwägungsgründe Nr. 2, 3 und 8. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 158/16 Seite 14 Arzneimittel hatte der EuGH in seinem Urteil vom 11. Dezember 2003 (DocMorris) ausschließlich am Maßstab der Warenverkehrsfreiheit nach Art. 34, 36 AEUV geprüft.32 Auch vor dem Hintergrund dieser Differenzierung dürfte das derzeit in Erwägung gezogene Versandhandelsverbot daher nicht als Vorschrift betreffend Dienste im Sinne der Informationsrichtlinie zu qualifizieren sein. 3.3.3. Verbot der Herstellung, Einfuhr, Inverkehrbringen oder Verwendung eines Erzeugnisses oder der Erbringung oder Nutzung eines Dienstes oder der Niederlassung als Erbringer von Diensten Die dritte Unterkategorie technischer Vorschriften wird nicht weiter legaldefiniert. Sie erfasst aber sowohl Konstellationen der Warenverkehrsfreiheit (Verbot der Herstellung, Einfuhr, des Inverkehrbringens oder der Verwendung eines Erzeugnisses) als auch der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit (Verbot der der Erbringung oder Nutzung eines Dienstes oder der Niederlassung als Erbringer von Diensten). Da das Versandhandelsverbot eben nicht auf die Erbringung oder Nutzung des Dienstes „Versandhandel “ zielt, sondern auf die auf diesem Wege vertriebenen verschreibungspflichtigen Arzneimittel , kommt allenfalls die erste Konstellation in Betracht. In deren Lichte ist zunächst festzustellen, dass das Versandhandelsverbot weder die Herstellung verschreibungspflichtiger Arzneimittel noch deren Verwendung betrifft. Fraglich ist allein, ob das Verbot nur eines bestimmten Vertriebskanals – nämlich des Fernabsatzes – noch als Verbot der Einfuhr oder des Inverkehrbringens eines Erzeugnisses angesehenen werden kann. Eine solche Auslegung lässt sich zunächst jedenfalls nicht auf den Wortlaut dieser beiden Tatbestandsvarianten stützen. Denn dieser erfasst nur die Einfuhr bzw. das Inverkehrbringen als solches und nicht auch (nur) bestimmte Formen dieser Modalitäten. Gegen eine Qualifizierung des Versandhandelsverbots als Verbot der Einfuhr oder des Inverkehrbringens streitet sodann auch ein Vergleich mit der Tatbestandsvariante des Verwendungsverbots . Nach der Rechtsprechung des EuGH liegt ein Verwendungsverbot dieser Unterkategorie nur dann vor, wenn es sich um Maßnahmen handelt, deren „Tragweite klar über eine Begrenzung bestimmter möglicher Verwendungen des in Rede stehenden Erzeugnisses hinausgehen und seine Verwendung nicht bloß beschränken.“33 Das Verwendungsverbot betrifft „nämlich speziell solche nationalen Maßnahmen, die eine bloß marginale und keine andere Verwendung, wie man sie für das betreffende Erzeugnis vernünftigerweise erwarten kann, zulassen.“34 32 EuGH, Rs. C-322/01, Rn. 64 ff. 33 EuGH, Urt. v. 19.07.2012, verb. Rs. C-213/11, C-214/11 und C-217/11 (Fortuna u. a.), Rn. 31; Urt. v. 21.04.2005, Rs. C-267/03 (Lindberg), Rn. 76. 34 EuGH, Urt. v. 19.07.2012, verb. Rs. C-213/11, C-214/11 und C-217/11 (Fortuna u. a.), Rn. 32; Urt. v. 21.04.2005, Rs. C-267/03 (Lindberg), Rn. 77. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 158/16 Seite 15 Überträgt man dieses enge Verständnis auf die Tatbestandsvarianten des Verbots der Einfuhr und des Inverkehrbringens, so dürften auch diese nur – neben absoluten Verboten – solche Maßnahmen erfassen, die absoluten Verboten in der Wirkung zumindest nahe kommen. Das ist im Hinblick auf das Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneien angesichts der Vertriebsmöglichkeit über niedergelassene Apotheken nicht der Fall. Daher dürfte das Versandhandelsverbot auch nicht als Verbot der Einfuhr oder des Inverkehrbringens anzusehen sein. 3.3.4. Sonstige Vorschrift Übrig bleibt somit nur die Kategorie der sonstigen Vorschriften, die in Art. 1 Abs. 1 Buchst. d) Info-RL legaldefiniert ist. Danach handelt es sich um „eine Vorschrift für ein Erzeugnis, die keine technische Spezifikation ist und insbesondere zum Schutz der Verbraucher oder der Umwelt erlassen wird und den Lebenszyklus des Erzeugnisses nach dem Inverkehrbringen betrifft, wie Vorschriften für Gebrauch, Wiederverwertung, Wiederverwendung oder Beseitigung, sofern diese Vorschriften die Zusammensetzung oder die Art des Erzeugnisses oder seine Vermarktung wesentlich beeinflussen können“. Betrachtet man das Versandhandelsverbot im Lichte dieser Voraussetzungen, so lässt sich zunächst festhalten, dass es sich dabei – wie oben geprüft – um keine technische Spezifikation handelt . Da das Versandhandelsverbot verschreibungspflichtige und damit marktgängige Arzneimittel betrifft, die bereits auf der Ebene des Großhandels in den Verkehr gebracht wurden, bezieht sich das Verbot ferner auch auf den Lebenszyklus von Arzneimitteln nach deren Inverkehrbringen . Dem Vernehmen nach wäre das Versandhandelsverbot v. a. aus Gründen der Sicherstellung einer flächendeckenden Arzneimittelversorgung und damit letztlich des Gesundheitsschutzes eingeführt worden. Verbraucher- und Umweltschutz wären somit nicht betroffen. Beide Erwägungen werden in Art. 1 Abs. 1 Buchst. d) Info-RL jedoch nur beispielhaft erwähnt. Ob bestimmte Erlasserwägungen ausgeschlossen sind, lässt sich der Informationsrichtlinie nicht entnehmen. Die Erwägungsgründe der Änderungsrichtlinie, mit denen diese Kategorie technischer Vorschriften in die Informationsrichtlinie eingeführt wurde, enthalten insoweit überhaupt keine Hinweise .35 Den Erwägungsgründen 2 und 11 ist lediglich zu entnehmen, dass es angebracht sei, den Anwendungsbereich der Informationsrichtlinie zu erweitern, um die Hemmnisse beim reibungslosen Funktionieren des Binnenmarktes zu beseitigen, und, dass Vorschriften, die den Lebenszyklus eines Erzeugnisses nach seinem Inverkehrbringen betreffen, den freien Verkehr dieses Erzeugnisses beeinträchtigen oder Hindernisse beim reibungslosen Funktionieren des Binnenmarktes schaffen können. Dies spricht dafür, dass es auf einen bestimmten Erlassgrund für die sonstige Vorschrift nicht ankommt. Die ggf. für das Versandhandelsverbot angeführten Gründe dürften das Vorliegen dieser Kategorie technischer Vorschriften daher nicht ausschließen. 35 Richtlinie 94/10/EG Des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. März 1994 zur zweiten wesentlichen Änderung der Richtlinie 83/189/EWG über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften, ABl.EG 1994 Nr. L 100/30, online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:31994L0010&qid=1478860077100&from=DE (letztmaliger Abruf unter 14.11.16). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 158/16 Seite 16 Allerdings betrifft das Versandhandelsverbot als Vorschrift nicht den Gebrauch, die Wiederverwertung , die Wiederverwendung oder die Beseitigung, sondern (lediglich) eine Vertriebsmöglichkeit verschreibungspflichtiger Arzneimittel. Doch auch diese Aufzählung in Art. 1 Abs. 1 Buchst. d) Info-RL ist nur eine bespielhafte. Den bisherigen Urteilen, in denen sich hierzu positive Feststellungen finden, handelte es sich jeweils um Vorschriften in Bezug auf die Verwendung von Erzeugnissen.36 Stellt man auch in diesem Zusammenhang auf die eben zitierten Erwägungsgründe ab, so dürfte es vor allem auf die Hinderniswirkung der Vorschrift ankommen und weniger auf ihre formale Ausgestaltung. Darauf deuten auch die Urteile des EuGH hin, in denen er auf diese Kategorie der sonstigen Vorschriften Bezug nimmt und deren Vorliegen prüft. Hierbei beschränkt er sich – mit Ausnahme der ersten Entscheidung, in der er das Vorliegen aller Merkmale untersuchte37 – auf die letztgenannten Merkmale der Definition und formuliert, dass es sich um Vorschriften handeln muss, „die die Zusammensetzung, die Art oder die Vermarktung des betreffenden Erzeugnisses wesentlich beeinflussen können.“38 Hier könnte die Vermarktung betroffen sein. Im Hinblick auf das ehemals nach deutschem Recht bestehende Versandhandelsverbot verschreibungspflichtiger Arzneimittel hat der EuGH in seinem DocMorris-Urteil aus dem Jahre 2003 im Hinblick auf Art. 34 AEUV bereits festgestellt, dass dieses in Bezug auf außerhalb des deutschen Hoheitsgebietes ansässige Apotheken „geeignet sein [könnte], den Marktzugang für Waren aus anderen Mitgliedstaaten stärker zu behindern als für inländische Erzeugnisse. Daher trifft das [Versandhandelsverbot] den Verkauf inländischer Arzneimittel und den Verkauf von Arzneimittelns aus anderen Mitgliedstaaten nicht in gleicher Weise.“39 Obgleich es sich bei dem Versandhandelsverbot nicht um eine schlechthin die Warenverkehrsfreiheit beeinträchtigende Produktmodalität (Merkmale der Ware selbst betreffend), sondern um eine an sich rechtlich neutrale Verkaufsmodalität handelt, gelangt der EuGH daher zur Bejahung eines (im Ergebnis damals allerdings gerechtfertigten) Eingriffs in die Warenverkehrsfreiheit.40 Mit Blick auf dieses Urteil zum einen und das Ziel der Informationsrichtlinie zum anderen, Hindernissen beim reibungslosen Funktionieren des Binnenmarktes präventiv entgegenzuwirken, dürfte folglich davon auszugehen sein, dass das Versandhandelsverbot die Vermarktung mit verschreibungspflichtigen Arzneimittel auch im Sinne der Informationsrichtlinie jedenfalls beeinflusst . 36 EuGH, Urt. v. 19.07.2012, verb. Rs. C-213/11, C-214/11 und C-217/11 (Fortuna u. a.), Rn. 23 f. (Verwendung von Glückspielautomaten); Urt. v. 21.04.2005, Rs. C-267/03 (Lindberg), Rn. 70 (Verbot der Veranstaltung bestimmter Glücksspiele). 37 Vgl. EuGH, Urt. v. 21.04.2005, Rs. C-267/03 (Lindberg), Rn. 67 ff. 38 EuGH, Urt. v. 19.07.2012, verb. Rs. C-213/11, C-214/11 und C-217/11 (Fortuna u. a.), Rn. 35; Urt. v. 10.07.2014, Rs. C-307/13 (Ivansson), Rn. 26; Urt. v. 9.06.2011, Rs. C-361/10 (Intercommunale Intermosane SCRL), Rn. 20. 39 EuGH, Urt. v. 11.12.2003, Rs. C-322/01 (DocMorris), Rn. 74 f. 40 EuGH, Urt. v. 11.12.2003, Rs. C_322/01 (DocMorris), Rn. 68, 76. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 158/16 Seite 17 Ob diese Beeinflussung auch wesentlich ist, lässt sich mit Blick auf die wenigen einschlägigen Entscheidungen des EuGH allerdings nicht abschließend beurteilen. In einem der beiden insoweit einschlägigen Urteile (Rs. Fortuna) hatte der Gerichtshof zwar eine Eignung der betreffenden Vorschriften zur Beeinträchtigung der Vermarktung selbst festgestellt.41 Für die Prüfung der wesentlichen Beeinflussung der Vermarktung hat er hingegen auf die Erforderlichkeit einer (tatsachennäheren ) Prüfung durch das nationale Ausgangsgericht verwiesen.42 Letzteres erfolgte im zweiten Urteil ebenfalls, allerdings ohne vorherige Feststellung einer Beeinträchtigungseignung.43 Das Urteil Fortuna lässt sich dahingehend deuten, dass eine strikte Parallelität von Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit nach Art. 34 AEUV und Bejahung einer wesentlichen Beeinflussung der Vermarktung als Voraussetzung für eine sonstige Vorschrift im Sinne der Informationsrichtlinie nicht unbedingt bestehen muss. Denn für den Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit nach Art. 34 AEUV genügt die im Urteil Fortuna bejahte Eignung zur Vermarktung des Erzeugnisses. Das würde in der Konsequenz bedeuten, dass höhere Anforderungen an eine wesentliche Beeinflussung der Vermarktung zu stellen sind als an einen Eingriff in Art. 34 AEUV. Angesichts des geringen Rechtsprechungsfundus sind diese Schlussfolgerungen allerdings nicht zwingend. Würden sie sich bestätigen, wäre weiter zu fragen, ob diese höheren Anforderungen abstrakt oder nur im Hinblick auf den Einzelfall bestimmt werden können. Vor diesem Hintergrund lässt sich an dieser Stelle nicht verbindlich entscheiden, ob das Versandhandelsverbot verschreibungspflichtiger Arzneimittel zu einer wesentlichen Beeinflussung der Vermarktung solcher Erzeugnisse führt und somit eine sonstige und damit technischen Vorschrift im Sinne der Informationsrichtlinie darstellt, deren Entwurf bei der Kommission nach Art. 5 Abs. 1 Info-RL zu notifizieren ist. Angesichts des von Seiten des EuGH bereits festgestellten Eingriffscharakters im Hinblick auf Art. 34 AEUV ist eine Qualifizierung als sonstige und damit technische Vorschrift jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen. 3.4. Notifizierungspflicht nach Art. 5 Abs. 1 der Informationsrichtlinie Unterstellt man eine solche Qualifizierung des Versandhandelsverbots verschreibungspflichtiger Arzneimittel, so wäre der Entwurf einer solchen Vorschrift nach Art. 5 Abs. 1 Info-RL bei der Kommission zu notifizieren. Anschließend würde zunächst die in Art. 6 Abs. 1 Info-RL geregelte dreimonatige Stillhaltefrist laufen. Diese würde nach Art. 6 Abs. 2 Spiegelstrich 2 Info-RL auf sechs Monate erweitert, wenn bis zum Ablauf von drei Monaten die Kommission oder ein anderer Mitgliedstaat eine ausführliche Stellungnahme unterbreitet, der zufolge die geplante Maßnahme Elemente enthält, die den freien Warenverkehr im Rahmen des Binnenmarktes beeinträchtigen könnten. Soweit ersichtlich, bestehen derzeit auf Unionsebene keine Pläne, diesen Bereich einer eigenen Regelung zuzuführen, so dass eine Verlängerung der Stillhaltefrist nach § 6 Abs. 3 bis 5 Info-RL auf bis zu 18 Monate nicht zu erwarten wäre. 41 EuGH, Urt. v. 19.07.2012, verb. Rs. C-213/11, C-214/11 und C-217/11 (Fortuna u. a.), Rn. 36. 42 EuGH, Urt. v. 19.07.2012, verb. Rs. C-213/11, C-214/11 und C-217/11 (Fortuna u. a.), Rn. 37. 43 EuGH, Urt. v. 21.04.2005, Rs. C-267/03 (Lindberg), Rn. 78. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 158/16 Seite 18 Nicht ersichtlich ist ferner, dass die Voraussetzungen der beiden Dringlichkeitstatbestände nach § 6 Abs. 7 Info-RL vorliegen (v. a. nach Buchst. a: dringende Gründe, die durch eine ernste und unvorhergesehene Situation entstanden sind und sich u. a. auf den Schutz der Gesundheit von Menschen beziehen). Im Übrigen würde in diesem Fall nur die Stillhalteverpflichtung entfallen, nicht aber die Notifizierungspflicht nach Art. 5 Abs. 1 Info-RL. Schließlich ist auch kein Fall von Art. 7 Info-RL ersichtlich, der sowohl die Stillhalteverpflichtung als auch die Notifizierungspflicht entfallen lassen würde. 3.5. Ergebnis Es lässt sich aufgrund des nur geringen Rechtsprechungsfundus nicht abschließend feststellen, ob es sich bei dem Versandhandelsverbot verschreibungspflichtiger Arzneimittel um eine sonstige und damit notifizierungspflichtige technische Vorschrift im Sinne der Informationsrichtlinie handelt. Zwar liegt aus der Perspektive der primärrechtlichen Warenverkehrsfreiheit nach Art. 34 AEUV ein Eingriff in diese Grundfreiheit vor. Es ist aber möglich, dass die Bejahung einer wesentlichen Beeinflussung der Vermarktung als Voraussetzung einer sonstigen Vorschrift im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. d) Info-RL höheren Anforderungen unterliegt. Ob diese hier erfüllt werden , lässt sich mangels Vorgaben durch die Rechtsprechung des EuGH ebenfalls nicht abschließend entscheiden. Wäre von einer sonstigen und damit technischen Vorschrift auszugehen, bestünde die Pflicht zur Notifizierung nach Art. 5 Abs. 1 Info-RL. Hieran wäre zunächst eine dreimonatige Stillhaltefrist geknüpft, innerhalb der das Versandhandelsverbot nicht erlassen werden dürfte. Je nach Reaktion der Kommission oder anderer Mitgliedstaaten könnte sich die Stillhaltepflicht auf sechs Monate erhöhen. Die Missachtung der Notifizierungspflicht führt nach der Rechtsprechung des EuGH zur Unanwendbarkeit der technischen Vorschrift – hier ggf. des Versandhandelsverbots . Die hiervon betroffenen natürlichen und juristischen Personen könnten sich vor nationalen Gerichten auf die Unanwendbarkeitsfolge berufen, und zwar auch im Verhältnis unter Privaten. – Fachbereich Europa –