© 2015 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 158/15 Umwelt- und Nachhaltigkeitsbestimmungen im EU-Peru-Kolumbien- Abkommen sowie im Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitungen und andere Informationsangebote des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung P, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 158/15 Seite 2 Umwelt- und Nachhaltigkeitsbestimmungen im EU-Peru-Kolumbien-Abkommen sowie im Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 158/15 Abschluss der Arbeit: 8. Dezember 2015 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 158/15 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Umwelt- und Nachhaltigkeitsbestimmungen im EU-Peru- Kolumbien-Abkommen 4 2.1. Rechtliche Ausgestaltung des Abkommens 4 2.1.1. SPS-Kapitel 4 2.1.2. Handel und nachhaltige Entwicklung 5 2.2. Rechtliche Wirksamkeit des Abkommens 6 2.2.1. Allgemeine Wirkung des Abkommens in der EU 6 2.2.2. Stärkung der praktischen Wirksamkeit durch die Handelspolitik der EU gemäß Art. 207 ff. i.V.m. Art. 21 EUV 7 2.3. Sicherstellung der Wirksamkeit 8 2.3.1. Produktspezifische Bestimmungen – tierische Erzeugnisse 8 2.3.2. Transparenz und Kontrollsysteme 8 2.3.3. Notifikation 9 2.3.4. Koordination 10 2.3.4.1. SPS-Kapitel 10 2.3.4.2. Nachhaltigkeitskapitel 11 2.3.5. Schiedsverfahren 11 2.3.5.1. SPS-Kapitel 11 2.3.5.2. Nachhaltigkeitskapitel 12 3. Umwelt- und Nachhaltigkeitsbestimmungen im CETA 12 3.1. Nachhaltige Entwicklung 13 3.1.1. Ziele, Prinzipien und Kontext 13 3.1.2. Maßnahmen zur Förderung nachhaltiger Entwicklung 13 3.1.3. Institutioneller Rahmen 14 3.1.4. Bindende Wirkung und Sanktionsmechanismen 14 3.2. Ziele, Prinzipien und Kontext – Kapitel 7 CETA 14 3.3. Regulatorische Kooperation 15 3.4. Vorgaben zur regulatorischen Kooperation 15 3.4.1. Harmonisierung 15 3.4.2. Gegenseitige Anerkennung 16 3.4.3. Zusammenfassung 16 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 158/15 Seite 4 1. Fragestellung Die Ausarbeitung geht auf die Frage ein, welche rechtliche und praktische Wirksamkeit Umweltund Nachhaltigkeitskapitel in oder in Begleitung zu Handelsabkommen entfalten. Hierzu nimmt die Ausarbeitung insbesondere Bezug auf das zwischen der Europäischen Union einerseits (EU) und Kolumbien und Peru andererseits abgeschlossene Handelsübereinkommen1 (im Folgenden: Abkommen) sowie entsprechendes WTO-Recht im Verhältnis zu internationalen Umweltabkommen . Zudem geht die Ausarbeitung in einem Ausblick auf die voraussichtliche Ausgestaltung der rechtlichen Wirksamkeit von entsprechenden Umwelt- und Nachhaltigkeitsbestimmungen in dem zwischen der EU und Kanada ausgehandelten Comprehensive Economic and Trade Agreement (im Folgenden: CETA) ein. 2. Umwelt- und Nachhaltigkeitsbestimmungen im EU-Peru-Kolumbien-Abkommen 2.1. Rechtliche Ausgestaltung des Abkommens 2.1.1. SPS-Kapitel Das Abkommen enthält in Kapitel 5 (Gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen ) Bestimmungen, die den in der Fragestellung angesprochenen Bereich der Nachhaltigkeit betreffen. Gemäß Art. 85 des Abkommens bestehen die Ziele der Bestimmungen darin, das Leben und die Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen im Gebiet der Vertragsparteien zu schützen und gleichzeitig den Handel zwischen den Vertragsparteien im Bereich der gesundheitspolitischen und pflanzenschutzrechtlichen Maßnahmen (SPS-Maßnahmen) zu erleichtern. Es soll sichergestellt werden, dass SPS-Maßnahmen keine ungerechtfertigten Hemmnisse für den Handel darstellen. Zudem sollen Mechanismen und Verfahren für die effiziente Lösung von Problemen, die durch die Ausarbeitung und Durchführung von SPS-Maßnahmen entstehen, erarbeitet werden, die Kommunikation und die Zusammenarbeit bei entsprechenden Fragen intensiviert werden und die bestehenden unterschiedlichen Standards der Vertragsparteien einbezogen werden. Gemäß Art. 85 lit. b) des Abkommens besteht ein weiteres Ziel darin, bei der weiteren Durchführung des WTO-Abkommens über Sanitäre und Phytosanitäre Maßnahmen (SPS-Übereinkommen )2 zusammenzuarbeiten. Diesbezüglich sieht Art. 86 des Abkommens vor, dass die Vertragsparteien ihre Rechte und Pflichten aus dem SPS-Übereinkommen bekräftigen. Damit wird die Rechtsbindung zu den Bestimmungen des SPS-Übereinkommens hervorgehoben, der die EU, Peru und Kolumbien als WTO-Mitglieder unterliegen. Zugleich wird in Art. 86 S. 2 des Abkommens klargestellt, dass die Vertragsparteien insoweit auch den Bestimmungen des Kapitels 5 des 1 Handelsübereinkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Kolumbien und Peru andererseits, ABl. 2012 L, 354/3, abrufbar unter http://trade.ec.europa.eu/doclib /docs/2011/march/tradoc_147704.pdf. 2 Übereinkommen über die Anwendung gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen (Agreement on Sanitary and Phytosanitary Measures, SPS-Abkommen), Anhang 1A.4 zum Abkommen vom 15. April 1994 zur Errichtung der Welthandelsorganisation vom 15. April 1994 (SR 0.632.20). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 158/15 Seite 5 Abkommens unterliegen. Nach Art. 87 Abs. 1 und 3 des Abkommens gelten sie für alle SPS-Maßnahmen , die sich mittelbar oder unmittelbar auf den Handel zwischen den Vertragsparteien auswirken können und die Zusammenarbeit bezüglich Tierschutz. Ausgenommen sind gemäß Art. 87 Abs. 2 des Abkommens technische Vorschriften, die dem Übereinkommen über technische Handelshemmnisse (TBT-Übereinkommen)3 unterliegen. Weiterhin wird in Art. 94 Abs. 1 des Abkommens ein Anerkenntnis des Konzepts von schädlings- und krankheitsfreien Gebieten und Gebieten mit geringen Auftreten von Schädlingen und Krankheiten nach dem SPS-Übereinkommen und den Normen, Richtlinien und Empfehlungen der Weltorganisation für Tiergesundheit und des Internationalen Pflanzenschutzübereinkommens ausgesprochen. 2.1.2. Handel und nachhaltige Entwicklung Jenseits der Bestimmungen des SPS-Kapitels werden die Umweltstandards des Abkommens in einem Nachhaltigkeitskapitel (Title IX) zusammengefasst. Gemäß Art. 270 Abs. 1 des Abkommens erkennen die Vertragsparteien an, „dass eine verantwortungsvolle internationale Umweltpolitik und internationale Umweltübereinkünfte als Antwort der internationalen Gemeinschaft auf globale oder regionale Umweltprobleme von großer Bedeutung sind und betonen, dass die gegenseitige Unterstützung von Handel und Umwelt verstärkt werden muss. In diesem Zusammenhang führen sie Gespräche über handelsbezogene Umweltfragen von beiderseitigem Interesse und arbeiten gegebenenfalls in diesen Fragen zusammen.“ In Art. 270 Abs. 2 des Abkommens bekräftigen die Parteien ihre Absicht, die von ihnen ratifizierten multilateralen Abkommen im betreffenden Bereich effektiv umzusetzen.4 Darüber hinaus bekräftigen die Vertragsparteien in Art. 271 Abs. 1 und 2 des Abkommens, dass der Handel die nachhaltige Entwicklung fördern sollte und sie sich dafür einsetzen, den Handel mit umweltfreundlichen Waren und Dienstleistungen sowie diesbezügliche ausländische Direktinvestitionen zu erleichtern und zu fördern. In diesem Rahmen erkennen die Vertragsparteien einerseits in Art. 271 Abs. 4 des Abkommens an, dass flexible und freiwillige Anreizmechanismen die Kohärenz zwischen Handelspraktiken und den Zielen einer nachhaltigen Entwicklung verbessern können und dass jede Vertragspartei im Einklang mit ihren jeweiligen Gesetzen und Politikvorhaben die Entwicklung und Anwendung solcher Mechanismen unterstützen wird. Andererseits enthält das Abkommen in den Art. 272 (Biologische Vielfalt), Art. 273 (Handel mit forstwirtschaftlichen Erzeugnissen), Art. 274 (Handel mit Fischerzeugnissen) und Art. 275 (Klimawandel ) detaillierte Bestimmungen zu konkreten Bereichen des Umweltschutzes sowie in Bezug auf Fragen der Nachhaltigkeit. Art. 277 Abs. 1 und 2 des Abkommens schreiben fest, dass bestehende Umweltstandards nicht gesenkt werden sollen, um ausländische Investitionen zu erleichtern. Dies wird durch Art. 277 3 ABl. L 336 vom 23. Dezember 1994, S. 86. 4 Hierzu zählen das “Montreal Protocol on Substances that Deplete the Ozone Layer”, die “Basel Convention on the Control of Transboundary Movements of Hazardous Wastes and their Disposal”, die Stockholm Convention on Persistent Organic Pollutants”, die “Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora”, die “Convention on Biological Diversity”, das “Cartagena Protocol on Biosafety”, das “Kyoto Protocol to the United Nations Framework Convention on Climate Change” sowie die “Rotterdam Convention on the Prior Informed Consent Procedure for Certain Hazardous Chemicals and Pesticides in International Trade”. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 158/15 Seite 6 Abs. 3 des Abkommens insoweit eingeschränkt, indem das Ermessen der jeweiligen Staaten hinsichtlich der Umsetzung der Arbeits- und Umweltstandards betont wird. 2.2. Rechtliche Wirksamkeit des Abkommens 2.2.1. Allgemeine Wirkung des Abkommens in der EU Handels- und Assoziierungsabkommen entsprechen einander in ihren Rechtswirkungen insoweit , dass die Vertragsparteien regelmäßig reziproke Verpflichtungen eingehen. Assoziierungsabkommen im Sinne von Art. 217 AEUV begründen regelmäßig über reine Handelsabkommen hinausgehende Beziehungen zwischen der EU und den Assoziierungspartnerstaaten und sind dadurch gekennzeichnet, dass sie besondere und privilegierte Beziehungen zu einem Drittland schaffen, wonach der Assoziierungspartner zumindest teilweise am Unionssystem teilhaben muss.5 Nach Ratifikation des Abkommens durch die Vertragsparteien entsprechend ihren jeweiligen Verfahren (für die EU gemäß Art. 218 Abs. 6 iVm Abs. 8 AEUV), der Notifizierung des Abschlusses dieser Verfahren gegenüber den anderen Parteien und Hinterlegung der Vertragsurkunden, entsteht eine völkerrechtliche Bindungswirkung.6 Bei gemischten, sowohl von der Union als auch von den Mitgliedstaaten der EU ratifizierten internationalen Verträgen sind sowohl die Union als auch die Mitgliedstaaten völkerrechtlich gebunden bzw. den Vertragspartner gegenüber unmittelbar völkerrechtlich verpflichtet.7 Zudem entfalten die Regelungen solcher Verträge Rechtsgeltung in der Unionsrechtsordnung. Für das Binnenverhältnis ordnet Art. 126 Abs. 2 AEUV an, dass die von der Union geschlossenen Übereinkünfte sowohl die Union als auch die Mitgliedstaaten unionsrechtlich binden. Diese unionsrechtliche Bindungswirkung tritt mit völkerrechtlichem Inkrafttreten automatisch ein, ohne 5 EuGH, Rs. 12/86 (Demirel), Rn. 9. 6 Vgl. Schlussanträge Gerneralanwältin Kokott, Rs. C-13/07 (WTO-Beitritt Vietnam), Rn. 76 ff, 88 ff.; St. Rspr., vgl. EuGH, Rs. 181/73 (Heagemann), Rn. 5; EuGH, Rs. 12/86 (Demirel), Rn. 7; EuGH, Rs. C-308/06 (Intertanko), Rn. 53; EuGH, Rs. C-301/08 (Bogiatzi), Rn. 23; EuGH, Gutachten 1/91 (EWR I), Rn. 37. 7 Vgl. EuGH, Rs. C-149/96 (Portugal/Rat). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 158/15 Seite 7 dass es eines gesonderten Transformationsaktes bedürfte.8 Das Abkommen wird mit seinem internationalen Inkrafttreten integraler Bestandteil der Unionsrechtsordnung.9 Bei gemischten Abkommen entfaltet dieses unmittelbare Wirksamkeit für die Mitgliedstaaten im Kompetenzbereich der Mitgliedstaaten unter der Verantwortung der nationalen Rechtsordnung.10 Entsprechend diesem Hintergrund hat der Rat der EU am 31. Mai 2012 den Beschluss zur Unterzeichnung des Abkommens gefasst und das Europäische Parlament hat am 11. Dezember 2012 zugestimmt. Damit wurde die EU gemäß Art. 47 EUV Vertragspartei. Das Abkommen entfaltet damit für die Mitgliedstaaten bereits ab dem Zeitpunkt der vorläufigen Anwendung nach Art. 3 Abs. 3 des Abkommens rechtliche Wirkung.11 Für Peru ist das Abkommen seit dem 1. März 2013 und für Kolumbien seit dem 1. August 2013 vorläufig anwendbar. 2.2.2. Stärkung der praktischen Wirksamkeit durch die Handelspolitik der EU gemäß Art. 207 ff. i.V.m. Art. 21 EUV Die praktische Wirksamkeit von Kapitel 5 des Abkommens wird aus Unionssicht durch die insbesondere in Art. 21 EUV normierten Ziele der Handelspolitik der EU gestärkt. Danach lässt sich die EU gemäß Art. 21 EUV Abs. 1 UAbs. 1 EUV bei ihrem Handeln auf internationaler Ebene von den Grundsätzen leiten, die für ihre eigene Entstehung, Entwicklung und Erweiterung maßgebend waren und denen sie auch weltweit zu stärkerer Geltung verhelfen will.12 Gemäß Art. 21 Abs. 1 EUV führt die EU mit Drittländern, die keine Entwicklungsländer sind, Maßnahmen der wirtschaftlichen, finanziellen und technischen Zusammenarbeit durch, die auch Unterstützung, insbesondere im finanziellen Bereich, einschließen. Diese Maßnahmen stehen mit der Entwicklungspolitik der EU im Einklang und werden im Rahmen der Grundsätze und Ziele ihres auswärtigen Handelns durchgeführt. Während die Ziele gemäß Art. 21 Abs. 1 EUV nicht ausdrücklich den Bereich der Nachhaltigkeit erfassen, wird in Art. 21 Abs. 2 lit. d) EUV die Förderung der nachhaltigen Entwicklung in Bezug auf Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt in den Entwicklungsländern mit dem vorrangigen Ziel, die Armut zu beseitigen, hervorgehoben. Zudem wird in Art. 21 Abs. 2 lit. f) EUV das Ziel aufgegeben , zur Entwicklung von internationalen Maßnahmen zur Erhaltung und Verbesserung der 8 St. Rspr., vgl. EuGH, Rs. 181/73 (Heagemann), Rn. 5; EuGH, Rs. 12/86 (Demirel), Rn. 7; EuGH, Rs. C-301/08 (Bogiatzi ), Rn. 23; EuGH, Gutachten 1/91 (EWR I), Rn. 37. 9 St. Rspr., vgl. EuGH, Rs. 181/73 (Heagemann), Rn. 2, 6; EuGH, Rs. C-161/96 (Racke), Rn. 41. 10 Vgl. EuGH, verb. Rs. C-300/98 und C-392/98 (Parfums Christian Dior), Rn. 48. Für die unmittelbare Wirksamkeit völkerrechtlicher Bestimmungen im ausschließlichen Kompetenzbereich der Mitgliedstaaten in der deutschen Rechtsordnung vgl. Kirsten Schmalenbach, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 216 AEUV, Rn. 44. 11 Für die Ratifikation des Abkommens durch Deutschland vgl. das Gesetz zu dem Handelsübereinkommen vom 26. Juni 2012 zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits sowie Kolumbien und Peru andererseits, BT-Drs. 17/12354 sowie BGBl. II 2013, S. 434. 12 Hierzu zählen Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, die universelle Gültigkeit und Unteilbarkeit der Menschenrechte und Grundfreiheiten, die Achtung der Menschenwürde, der Grundsatz der Gleichheit und der Grundsatz der Solidarität sowie die Achtung der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen und des Völkerrechts. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 158/15 Seite 8 Qualität der Umwelt und der nachhaltigen Bewirtschaftung der weltweiten natürlichen Ressourcen beizutragen, um eine nachhaltige Entwicklung sicherzustellen. Zugleich sollen gemäß Art. 21 Abs. 2 lit. a) EUV die Werte, grundlegenden Interessen, die Sicherheit, die Unabhängigkeit und die Unversehrtheit der EU gewahrt werden, worunter auch die wirtschaftlichen Interessen der EU fallen, die normsystematisch gleichrangig neben den Zielen des Umweltschutzes bzw. der Nachhaltigkeit stehen. 2.3. Sicherstellung der Wirksamkeit Die praktische Wirksamkeit der Bestimmungen aus Kap. 5 des Abkommens wird insbesondere durch die folgenden Regelungen abgesichert: 2.3.1. Produktspezifische Bestimmungen – tierische Erzeugnisse Die praktische Wirksamkeit des Abkommens wird produktspezifisch durch das Einfuhrverfahren für tierische Erzeugnisse näher ausgestaltet. Nach Art. 92 Abs. 2 des Abkommens erkennt die einführende Vertragspartei auf der Grundlage eines mit geeigneten Garantien verbundenen Ersuchens der ausführenden Vertragspartei die im Gebiet der ausführenden Vertragspartei angesiedelten Betriebe an.13 Hierbei erfolgt die Anerkennung ohne vorherige Kontrolle der einzelnen Betriebe und sie ist auf Kategorien von zulässiger Weise einführbaren Erzeugnissen beschränkt. Mit Ausnahme von Fällen, in denen zusätzliche Informationen benötigt werden, erlässt die einführende Vertragspartei nach Art. 92 Abs. 3 des Abkommens nach ihren geltenden gesetzlichen Verfahren innerhalb von 40 Arbeitstagen nach Eingang des Ersuchens die notwendigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften. Der nach Art. 103 des Abkommens eingesetzte Unterausschuss14 kann die Bedingungen und Bestimmungen für die Anerkennung von Betrieben für Erzeugnisse tierischen Ursprungs gemäß Art. 92 Abs. 4 des Abkommens ändern. Die einführende Vertragspartei legt in regelmäßigen Abständen gemäß Art. 92 Abs. 5 des Abkommens eine Aufstellung der zurückgewiesenen Sendungen vor und stellt Informationen über den Grund der Zurückweisung bereit . 2.3.2. Transparenz und Kontrollsysteme Eine Absicherung der praktischen Wirksamkeit erfolgt prozedural durch Art. 91 Abs. 2 des Abkommens , wonach die in eine andere Vertragspartei ausgeführten Erzeugnisse die gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Bedingungen der einführenden Vertragspartei erfüllen müssen. Dies hat gemäß Art. 90 Abs. 2 lit. a) und b) des Abkommens – ebenso wie alle anderen Verfahren des Kap. 5 – auf transparente Weise und ohne unnötige Verzögerung zu erfolgen. Im Gegenzug hat die einführende Vertragspartei sicherzustellen, dass ihre Einfuhrbedingungen in angemessener und nicht diskriminierender Weise angewandt werden. 13 Vgl. Anhang VI Anlage 2 Abs. 3 des Abkommens, abrufbar unter http://trade.ec.europa.eu/doclib /docs/2011/march/tradoc_147715.pdf. 14 Siehe unten 2.3.4. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 158/15 Seite 9 Bei einer Änderung der Einfuhrbedingungen durch eine Vertragspartei ist, je nach Art der Änderung der Einfuhrbedingungen, ein Übergangszeitraum in Erwägung zu ziehen, um zu gewährleisten , dass der Warenstrom nicht unterbrochen wird und die ausführende Vertragspartei ihre Verfahren entsprechend anpassen kann. Ist in den Einfuhrbedingungen der einführenden Vertragspartei eine Risikobewertung enthalten, so ist diese unverzüglich zu veranlassen und die für die Bewertung erforderliche Zeit der ausführenden Vertragspartei mitzuteilen. Sofern die einführende Vertragspartei zu der Bewertung gelangt, dass die Erzeugnisse der ausführenden Vertragspartei ihre gesundheitspolitischen und pflanzenschutzrechtlichen Einfuhrbedingungen erfüllen, genehmigt sie die Einfuhr der betreffenden Erzeugnisse binnen 90 Arbeitstagen nach der betreffenden Schlussfolgerung. Um gegenseitig sicherzustellen, dass die Bestimmungen über SPS-Maßnahmen eingehalten werden , hat jede Vertragspartei gemäß Art. 93 Abs. 1 lit. a) des Abkommens einen Anspruch darauf, das Kontrollsystem der Behörden einer anderen Vertragspartei einer Prüfung unterziehen. Eine Prüfung ist gemäß Art. 93 Abs. 3 des Abkommens grundsätzlich 60 Arbeitstage im Voraus anzukündigen , es sei denn, es liegt ein dringender Fall vor oder die Vertragsparteien vereinbaren etwas anderes. Die Ergebnisse und Schlussfolgerungen der Prüfung sind nach Abs. 2 der anderen Vertragspartei zu übermitteln. Gemäß Art. 93 lit. b) des Abkommens besteht ein Anspruch darauf, Informationen über das Kontrollsystem und über Ergebnisse der nach diesem System durchgeführten Kontrollen zu erhalten. In Art. 96 des Abkommens werden die Aspekte der Transparenz und des Informationsaustauschs hervorgehoben. Gemäß Art. 96 Abs. 1 lit. a) ist eine gegenseitige Transparenz bei SPS-Maßnahmen im Handelsverkehr und insbesondere für Einfuhren aus den anderen Vertragsparteien geltenden gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Anforderungen zu gewährleisten. Zudem müssen sich die Vertragsparteien gemäß Art. 96 Abs. 1 lit. c) des Abkommens im Hinblick auf Informationen über Angelegenheiten austauschen, die die Ausarbeitung und Anwendung von SPS-Maßnahmen betreffen und die sich auf den Handel zwischen den Vertragsparteien auswirken oder auswirken können. Einer Vertragspartei ist nach Art. 96 lit. d) des Abkommens innerhalb von 15 Arbeitstagen nach Stellung des Ersuchens mitzuteilen, welche Bedingungen für die Einfuhr bestimmter Erzeugnisse gelten und ob eine Risikobewertung erforderlich ist. Nach Art. 96 lit. e) des Abkommens ist der Stand des Verfahrens zur Genehmigung der Einfuhr bestimmter Erzeugnisse mitzuteilen. Dabei ist zu beachten, dass der Informationsaustausch gemäß Art. 96 Abs. 3 des Abkommens schon als erfolgt gilt, wenn die Informationen auf einer amtlichen kostenlos öffentlich zugänglichen Website der betreffenden Vertragspartei bereitgestellt werden.15 2.3.3. Notifikation Besteht eine ernste und erhebliche Gefahr für die öffentliche Gesundheit oder für die Gesundheit von Tieren oder Pflanzen, was auch bei einem Lebensmittelnotfall gilt, ist dies nach Art. 97 Abs. 1 des Abkommens der anderen Vertragspartei bzw. den anderen Vertragsparteien fristgerecht gegenüber den in Anhang VI Anlage 4 des Abkommens genannten Kontaktstellen zu notifi- 15 Vgl. hierzu Anhang VI Anlage 4 des Abkommens, abrufbar unter http://trade.ec.europa.eu/doclib /docs/2011/march/tradoc_147715.pdf. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 158/15 Seite 10 zieren. Beim Bestehen einer ernsten Besorgnis einer Vertragspartei wegen einer Gefahr für die öffentliche Gesundheit oder die Gesundheit von Tieren oder Pflanzen, die sich auf Erzeugnisse im Handelsverkehr auswirkt, kann die andere Vertragspartei nach Art. 97 Abs. 3 des Abkommens um Konsultationen über die Sachlage ersuchen. Jede Vertragspartei bemüht sich dabei, alle Informationen zur Verfügung zu stellen, die erforderlich sind, um Störungen des Handels zu verhindern . Zudem kann die einführende Vertragspartei bei einer ernsten Gefahr für die öffentliche Gesundheit oder die Gesundheit von Tieren oder Pflanzen gemäß Art. 98 Abs. 1 des Abkommens ohne vorherige Notifikation Schutzmaßnahmen ergreifen. Sofern die einführende Vertragspartei Maßnahmen mit Auswirkungen auf den Handel beschließt, haben gemäß Art. 99 Abs. 1 i.V.m. Art. 97 des Abkommens Konsultationen zwischen den Vertragsparteien zu erfolgen, um zusätzliche Einfuhrbedingungen oder Ersatzmaßnahmen zu vereinbaren . Auf Ersuchen der einführenden Vertragspartei sind gemäß Art. 99 Abs. 2 des Abkommens alle relevanten, insbesondere die erforderlichen wissenschaftlichen Informationen zu übermitteln . Wenn auf dieser Grundlage eine Einigung erzielt werden kann, so erlässt die einführende Vertragspartei gemäß Art. 99 Abs. 2 S. 2 des Abkommens die erforderlichen Rechts- oder Verwaltungsvorschriften . In diesem Kontext sieht das Abkommen in Art. 100 eine differenzierte Behandlung der Vertragsparteien in Form einer Rücksichtnahme auf eventuell bestehende Ungleichgewichte gegenüber Peru oder Kolumbien vor. Sollte einer der Andenstaaten Schwierigkeiten mit einer vorgeschlagenen Maßnahme haben, die von der EU notifiziert wurde, so kann er um Erörterung bitten. Die Vertragsparteien nehmen dann Konsultationen auf, um alternative Einfuhrbedingungen und/oder technische Hilfe nach Art. 101 des Abkommens und/oder einen Übergangszeitraum von sechs Monaten zu vereinbaren, der in Ausnahmefällen auf höchstens sechs Monate verlängert werden kann. Im Rahmen des Nachhaltigkeitskapitels sieht Art. 278 des Abkommens vor, dass Maßnahmen des Umweltschutzes, die Auswirkungen auf den Handel haben können, nach Maßgabe wissenschaftlicher und technischer Informationen sowie der relevanten internationalen Standards, Richtlinien und Empfehlungen durchzuführen sind. Bei drohenden oder irreversiblen Schäden soll mangelnde wissenschaftliche Sicherheit kein Hinderungsgrund für Schutzmaßnahmen sein. 2.3.4. Koordination 2.3.4.1. SPS-Kapitel Die Durchführung von Kapitel 5 des Abkommens wird gemäß Art. 103 Abs. 1 und 3 durch einen Unterausschuss sichergestellt und überwacht.16 Er soll als Forum dienen, um alle Fragen zu erörtern , die die Einhaltung der Bestimmungen des Kapitels 5 betreffen und Lösungsmöglichkeiten erarbeiten. Der Unterausschuss erörtert weiterhin die Notwendigkeit gemeinsamer Studienprogramme , insbesondere in Bezug auf die Festlegung besonderer Grenzwerte, ermittelt den Bedarf an Zusammenarbeit und führt die in Art. 100 des Abkommens vorgesehenen Konsultationen über eine besondere und differenzierte Behandlung durch. Zudem kommt dem Unterausschuss gemäß Art. 104 des Abkommens eine zentrale Funktion als Organ zur Streitbeilegung zu. Sollte eine Vertragspartei der Auffassung sein, dass eine SPS-Maßnahme einer anderen Vertragspartei den Verpflichtungen des Kapitels 5 entgegensteht oder entgegenstehen könnte oder dass eine andere 16 Vgl. hierzu beispielhaft http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2014/february/tradoc_152200.pdf. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 158/15 Seite 11 Vertragspartei gegen eine Verpflichtung aus diesem Kapitel in Bezug auf eine SPS-Maßnahme verstoßen hat, kann diese Vertragspartei um technische Konsultationen im SPS-Untersuchungsausschuss ersuchen. Nach Art. 95 kann der SPS-Unterausschuss Bestimmungen zur Gleichwertigkeit erarbeiten und dem Handelsausschuss entsprechende Empfehlungen vorlegen. 2.3.4.2. Nachhaltigkeitskapitel Im Hinblick auf die Durchführung und Absicherung der Bestimmungen des Nachhaltigkeitskapitels verpflichten sich die Vertragsparteien in Art. 279, die Auswirkungen der Umsetzung des Freihandelsabkommens auf Beschäftigung und Umwelt nach eigenem Ermessen im Rahmen ihrer internen, partizipativen Verfahren zu überprüfen und zu bewerten. Die Parteien verabreden, innerhalb ihrer Verwaltung eine staatliche Kontaktstelle für die Umsetzung der handelsbezogenen Nachhaltigkeitsaspekte einzurichten (Art. 280 Abs. 1). Darüber hinaus wird gem. Abs. 2 ein „Subcommittee on Trade and Sustainable Development“ eingerichtet, das sich aus Vertretern der Verwaltung der beteiligten Länder zusammensetzt und mit der Umsetzung des Nachhaltigkeitskapitels und den in Art. 280 Abs. 6 des Abkommens konkretisierten Aufgaben befasst ist. Er soll in seiner Arbeit Transparenz und Bürgerbeteiligung sicherstellen (Art. 280 Abs. 7), indem beispielsweise lokale Umweltgruppen konsultiert und ggf. eingerichtet werden, welche Empfehlungen aussprechen dürfen Art. 281 des Abkommens). Zudem sieht Art. 282 Abs. 1 des Abkommens vor, den Dialog mit der Zivilgesellschaft (Art. 281 des Abkommens ) auf einem jährlichen Treffen zu führen, an dem alle Interessenträger teilnehmen können (Art. 282 Abs. 2 des Abkommens) und dessen Beratungen öffentlich zugänglich sind. Darüber hinaus sieht Art. 283 Regierungskonsultationen vor, d.h. jede Partei des Abkommens kann durch (schriftliche) Anfrage an die staatliche Kontaktstelle zu Themen des Nachhaltigkeitskapitels Konsultationen verlangen und hat Anspruch auf eine (schnelle) Antwort (Art. 283 Abs. 1 des Abkommens), die dann zu Konsultationen zwischen den Parteien führen soll (Art. 283 Abs. 2 des Abkommens). Ein direkter Anspruch auf Konsultationen besteht jedoch nicht. Der Unterausschuss für Handel und nachhaltige Entwicklung veröffentlicht in periodischen Abständen Berichte über die Ergebnisse abgeschlossener Vorgänge sowie, „soweit angebracht“, auch über laufende Verfahren (Art. 283 Abs. 4 des Abkommens). 2.3.5. Schiedsverfahren 2.3.5.1. SPS-Kapitel Art. 86 des Abkommens enthält ein Bekenntnis der Vertragsparteien zu den Rechten und Pflichten des SPS-Übereinkommens. Diese Regelung verweist auf eine Anwendung des SPS-Übereinkommens , welches in Art. 11 Abs. 1 Bezug auf das Dispute Settlement Understanding des GATT nimmt.17 Durch diesen Verweis sind die Bestimmungen zur Streitbeilegung im Rahmen der WTO unmittelbar anwendbar und sollen dementsprechend auch für die Vertragsparteien des Abkommens als WTO-Mitglieder im Hinblick auf die Rechtsbeziehungen aus dem Abkommen anwendbar sein. Vor diesem Hintergrund sind die Aspekte des Umweltschutzes und insbesondere der 17 Anhang 2 zum Abkommen vom 15. April 1994 zur Errichtung der Welthandelsorganisation vom 15. April 1994 (SR 0.632.20). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 158/15 Seite 12 Nachhaltigkeit bei der Streitschlichtung im Rahmen des Dispute Settlement Understanding einzubeziehen . 2.3.5.2. Nachhaltigkeitskapitel Eine Partei, welche die Konsultationen angeregt und somit die Verletzung von Umweltstandards durch eine andere Partei anspricht, kann 90 Tage nach Eingang der Anfrage verlangen, dass eine „ad hoc“ gebildete Expertengruppe eingesetzt wird, die den Vorfall untersucht (Art. 284 Abs. 1 des Abkommens) und feststellt, ob eine Vertragsverletzung vorliegt (Art. 284 Abs. 2 des Abkommens ), es sei denn, die Parteien einigen sich auf eine andere Vorgehensweise. Die Expertengruppe bezieht für ihre Arbeit Informationen der oben genannten Organisationen und Institutionen ein (Art. 284 Abs. 5 des Abkommens). Nach einem zeitlich und prozedural bestimmten Verfahren legt die Expertengruppe einen Bericht über die Vertragsverletzung sowie über eventuelle Umsetzungsempfehlungen vor (Art. 285 Abs. 1 bis 3 des Abkommens). Die betroffene Partei ist verpflichtet, einen Aktionsplan zu entwickeln und dem „Subcommittee on Trade and Sustainable Development“ mitzuteilen, wie sie die Empfehlungen der Expertengruppen umsetzen wird (Art. 285 Abs. 4 des Abkommens). Der Unterausschuss überprüft dann, ob dieses eingehalten wurde. Die Anwendung des Titels XII (Streitbeilegung) des Abkommens wird für Streitigkeiten aus dem Nachhaltigkeitskapitel in Art. 285 Abs. 5 des Abkommens explizit ausgeschlossen. Da der Titel XII über den Streitbeilegungsmechanismus auch das Kapitel zu vorübergehenden Maßnahmen im Fall einer Nichtdurchführung der Entscheidung enthält (Art. 310), sind diese bei Verletzungen aus Standards des Nachhaltigkeitskapitels ebenfalls nicht zulässig. 3. Umwelt- und Nachhaltigkeitsbestimmungen im CETA Mit den Nachhaltigkeitsbestimmungen des EU-Peru-Kolumbien-Abkommens korrespondieren insbesondere die Bestimmungen des Kapitels 7 (Sanitary and phytosanitary Measures (SPS)) sowie des Kapitels 23 des CETA18 mit der Überschrift „Nachhaltige Entwicklung“, das sich in seinem Untertitel auch auf den Handel („trade and sustainable development“) bezieht. Nachfolgend werden zunächst das Kapitel 23 CETA und anschließend die weiteren Bestimmungen betreffend den Umweltschutz, insbesondere aus Kapitel 7 CETA, dargestellt.19 18 Soweit nicht anders angegeben sind die folgenden Artikel solche des Kapitel 23 des Entwurfs für einen Vertragstext des CETA, konsolidierte Fassung vom 26. September 2014 abrufbar unter http://trade.ec.europa.eu/doclib /docs/2014/september/tradoc_152806.pdf. Zum Vorschlag für diesbezügliche Regelungen im Rahmen der Verhandlungen über ein umfassendes Handels- und Investitionsabkommen (Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP)) zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika vgl. Ausschuss für Handelspolitik, TTIP - Draft EU textual proposal for a Chapter on Trade and Sustainable Development , 6. November 2015, Dok. 354/15, abrufbar unter http://eudoxap01.bundestag.btg:8080/eudox/dokumentInhalt ?id=125393. 19 Für einen Überblick über die Regelungen des CETA in den Bereichen Nachhaltigkeit und Umweltschutz vgl. die Ausarbeitung PE6 – 3000 – 59/14 vom 11. März 2014. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 158/15 Seite 13 3.1. Nachhaltige Entwicklung Der Schwerpunkt des Kapitels liegt in der Unterstützung einer nachhaltigen Entwicklung, die die Bereiche wirtschaftliche Entwicklung, soziale Entwicklung und Umweltschutz umfassen soll. Der internationale Handel soll sich dabei an diesen Grundsätzen orientieren, um das Wohlergehen der jetzigen und zukünftigen Generationen zu sichern. Um diese Punkte umzusetzen, werden Arbeits-, Umwelt- und Handelspolitiken mit den Kapiteln X+1 und X+2 berücksichtigt und koordiniert, damit auch in diesen Bereichen eine Kooperation stattfinden kann. Hier spielen zusätzlich Standards und nationale Gesetze eine Rolle, aber auch internationale Abkommen werden bedacht. Vom Aufbau her folgt das Kapitel einem Dreischritt, in dem es zunächst die allgemeinen Ziele und Prinzipien in Bezug auf nachhaltige Entwicklung darstellt und diese in den Kontext bestehender internationaler Erklärungen zur nachhaltigen Entwicklung setzt (Art. XX.1 – XX.2). Dann wird auf die einzelnen Maßnahmen zur nachhaltigen Entwicklung eingegangen (Art. XX.3) um abschließend einen institutionellen Rahmen zu etablieren (Art. XX.4 – XX.5). 3.1.1. Ziele, Prinzipien und Kontext Art. XX.1 verweist zunächst unter anderem auf die Rio-Erklärung über Umwelt und Entwicklung und auf die Agenda 21 (ein Leitpapier der UN zur nachhaltigen Entwicklung) um das CETA-Kapitel in den Kontext der internationalen Erklärungen zur nachhaltigen Entwicklung zu setzen und zu bekräftigen, dass die dort niedergelegten Standards und Ziele auch von den CETA-Vertragsparteien berücksichtigt werden. Des Weiteren setzt der CETA-Vertragstext die nachhaltige Entwicklung in den Zusammenhang der Arbeits-, Umwelt- und Handelspolitik im CETA („labour, environment and trade“) und gibt als Zielsetzung vor, in diesen Bereichen die nachhaltige Entwicklung voranzutreiben und zu integrieren . Dazu wollen die Parteien ihr Vorgehen koordinieren und aufeinander abstimmen. Auch die Bedeutung der Zusammenarbeit mit Interessengruppen (NGOs) und der Zivilgesellschaft wird hervorgehoben. In Art. XX.2 wird das Transparenzprinzip erläutert; die Parteien bekräftigen darin ihr Bestreben, Informationsfreiheit in Bereich der nachhaltigen Entwicklung vollumfassend zu gewährleisten um Bürgerbeteiligung zu fördern. 3.1.2. Maßnahmen zur Förderung nachhaltiger Entwicklung In Art. XX.3 werden einige Maßnahmen zur Förderung nachhaltiger Entwicklung im Rahmen eines koordinierten Vorgehens erläutert. Dazu gehört die Ermunterung von Unternehmen, freiwillig Praktiken einzuführen, die wirtschaftliche, soziale und ökologische Ziele fördern („corporate social responsibility“). Auch die freiwillige Anwendung einer Öko-Kennzeichnung für Unternehmen soll gefördert werden, sowie die Teilnahme an fair-trade Programmen. Die Parteien verpflichten sich in Art. XX.3 dazu, regelmäßig den Fortschritt der im CETA enthaltenen Ziele für die nachhaltige Entwicklung zu überprüfen und sich gegenseitig darüber zu informieren . Außerdem wird die Möglichkeit von sog. „joint assessments“ (also einer gemeinsamen Bewertung) durch die Vertragsparteien zur Evaluierung der Fortschritte angesprochen. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 158/15 Seite 14 3.1.3. Institutioneller Rahmen Art. XX.4 sieht die Schaffung einer noch nicht näher bezeichneten Institution bzw. eines Ausschusses zur Überwachung der Umsetzung des Kapitels über Handel und nachhaltige Entwicklung vor. Dieser Ausschuss soll von hochrangigen Repräsentanten beider Vertragsparteien besetzt werden. Die Dokumente des Ausschusses sollen grundsätzlich öffentlich zugänglich sein (Ausnahmen sind möglich) und außerdem dem Civil Society Forum zugeleitet werden (s.u.). Pro Zusammenkunft des Ausschusses soll mindestens eine Sitzung unter Beteiligung der Öffentlichkeit stattfinden. Wie oft der Ausschuss zusammentritt, ist noch nicht geklärt. In Art. XX.5 geht es um die Errichtung eines Civil Society Forums bestehend aus Vertretern von kanadischen und europäischen NGOs, Arbeitgebern, Unternehmen, Gewerkschaften und Umweltverbänden . Es sollen Konsultationsmechanismen im Rahmen dieses Forums geschaffen werden, die einen Dialog über die nachhaltige Entwicklung im Rahmen des CETA ermöglichen. 3.1.4. Bindende Wirkung und Sanktionsmechanismen In bisherigen Handelsabkommen hat Kanada Regeln zur nachhaltigen Entwicklung stets lediglich in Nebenvereinbarungen anerkannt.20 In Kapitel 23 CETA ist dieser Regelungsgegenstand demgegenüber im Handelsabkommen selbst integriert. Sämtliche Formulierungen der eben dargestellten Normen sind allerdings unverbindlich und auslegungsfähig ausgestaltet (die Parteien „unterstreichen “ („underline“), „fördern“ („promote“), „erkennen“ („recognise“) usw.). So sind zwar die eingegangenen Verpflichtungen völkerrechtlich bindend, allerdings ist die Verpflichtung selbst meist nicht eindeutig und ihre Umsetzung nicht zwingend messbar (unklar ist beispielsweise , ab wann eine „Förderung“ von Nachhaltigkeitskriterien in Unternehmen als tatsächlich erfolgt anzusehen ist). Eine bindende Verpflichtung könnte sich lediglich aus der Formulierung „each party commits to review, monitor and assess the impact of the implementation of this Agreement on sustainable development in its territory” (Art. XX.3) ergeben. Danach wären die Parteien zumindest dazu verpflichtet, den Stand und Fortschritt nachhaltiger Entwicklung im Lichte der Ziele des CETA zu überwachen und zu bewerten. In welchem Zeitraum oder Umfang diese Bewertungen vorgenommen werden sollen, ist aber ebenfalls nicht geklärt. Außerdem sind für Regelverstöße derzeit keine Sanktionen vorgesehen.21 Etwaige Streitigkeiten sollen wohl vorrangig in den geschaffenen Institutionen (Ausschuss und Civil Society Forum) ausgetragen werden. 3.2. Ziele, Prinzipien und Kontext – Kapitel 7 CETA Ziel des Kapitels ist der Schutz des Lebens und der Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt auch unter der Bedingung von Freihandel. Dabei soll gewährleistet werden, dass die Maßnahmen 20 Europäisches Parlament. Generaldirektion Externe Politikbereich. Eingehende Analyse: Abschluss der Verhandlungen über ein umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) zwischen der EU und Kanada. Oktober 2014, abrufbar unter: http://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes /IDAN/2014/536410/EXPO_IDA%282014%29536410_DE.pdf, S. 13. 21 Europäisches Parlament. Generaldirektion Externe Politikbereich. Eingehende Analyse: Abschluss der Verhandlungen über ein umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) zwischen der EU und Kanada. Oktober 2014, abrufbar unter: http://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes /IDAN/2014/536410/EXPO_IDA%282014%29536410_DE.pdf, S. 13. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 158/15 Seite 15 der Verhandlungsparteien bezüglich Gesundheits- und Pflanzenschutz keine unberechtigten Handelsbarrieren zur Folge haben. Zudem soll das WTO-Agreement “on the Application of Sanitary and Phytosanitary Measures (SPS Agreement)” implementiert werden. Der 7. Teil betrifft dabei jene SPS Maßnahmen, welche den Handel zwischen den Verhandlungsparteien betreffen. 3.3. Regulatorische Kooperation Die praktische Wirksamkeit der Umwelt- und Nachhaltigkeitsbestimmungen des CETA kann schließlich auch durch die regulatorische Kooperation beeinflusst werden, die dem Ziel der Harmonisierung zukünftiger Handelsregulierungen dient. Die Regulierungszusammenarbeit wird nicht nur in Kapitel 26 des CETA-Abkommens geregelt. Wichtige Vorgaben für diesen Bereich finden sich laut Art. X.1 des 26. Kapitels zudem in den Kapiteln über die Zusammenarbeit in den speziellen Bereichen der gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Maßnahmen (SPS), im Bereich der technischen Handelshemmnisse (TBT), im Kapitel zum grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr und in den Abschnitten zu Umwelt, Arbeit und nachhaltiger Entwicklung . Die regulatorische Kooperation betrifft alle Bereiche, in denen eine Harmonisierung der europäischen und kanadischen Regelungen und Standards angestrebt wird. 3.4. Vorgaben zur regulatorischen Kooperation Eine regulatorische Kooperation ist auf verschiedene Weise möglich. Eine wichtige Unterscheidung besteht zwischen der Möglichkeit, gemeinsame Regeln zu entwickeln bzw. bestehende Regeln einander inhaltlich anzunähern (harmonization), und der Möglichkeit der gegenseitigen Anerkennung verschiedener nationaler Regeln als gleichwertig (mutual recognition).22 3.4.1. Harmonisierung Art. X.4 des 26. Kapitels des CETA-Vertragsentwurfs benennt die Aktivitäten der Vertragsparteien , die zur Weiterentwicklung der regulatorischen Zusammenarbeit dienen sollen. Die Aktivitäten werden den Vertragsstaaten nicht verpflichtend auferlegt, sie werden nur dazu verpflichtet, für die Erreichung der Ziele der regulatorischen Zusammenarbeit Sorge zu tragen („The Parties endeavour to fulfill the objectives set out in Article X.3 by undertaking regulatory co-operation activities. These activities may include […]“). Regelungen und Standards werden nach dem CETA-Abkommen weiterhin durch die nationalen Gesetzgeber gesetzt. Kanada und die EU tauschen sich jedoch stärker als bisher über die Rechtsetzung in Bereichen, die den Handel betreffen , aus. Eine Harmonisierung soll u.a. durch die Teilnahme an laufenden bilateralen Diskussionen , Beratungsgesprächen sowie einen Informationsaustausch im Rahmen der regulatorischen Entwicklungsprozesse, den Austausch nichtöffentlicher Informationen, die Prüfung von Chancen zur Minimierung unnötiger Abweichungen zwischen den nationalen Vorschriften, die Prüfung einer gemeinsamen Datensammlung über Probleme, die potenziell regulatorische Maßnahmen erfordern, und einen Austausch zu der Überprüfung von Vorschriften und Richtlinien nach deren Umsetzung gefördert werden. Der Schwerpunkt der Maßnahmen liegt auf einem unverbindlichen Informationsaustausch der Vertragsparteien. Es fällt auf, dass viele Regelungen im Kapitel zur regulatorischen Kooperation wie auch in den Kapiteln zu TBT- oder SPS-Maßnahmen keine 22 Ausführlich zu den verschiedenen Koordinierungsformen: Maur/Shepherd, Product Standards, S. 197 (203 ff.), in: Chauffour/Maur, Preferential Trade Agreement Policies for Development, 2011. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 158/15 Seite 16 Verpflichtungen der Vertragsparteien zu konkreten Maßnahmen enthalten. Stattdessen finden sich Formulierungen wie „The Parties shall strengthen their cooperation […] This may include promoting and encouraging […]“ (Art. 3 des TBT-Kapitels) oder „The Parties will endeavour to exchange information on other relevant issues“ (Art. 12 Abs. 2 des SPS-Kapitels) oder „The Parties endeavour to fulfill the objectives set out in Article X.3 by undertaking regulatory co-operation activities. These activities may include […]” (Art. X.4 des Kapitels zur regulatorischen Kooperation). 3.4.2. Gegenseitige Anerkennung Die gegenseitige Anerkennung von Standards der Vertragsgegenseite als gleichwertig mit den eigenen Standards wird im Kapitel zur regulatorischen Kooperation in Art. 4 Abs. 7 lit. c) als eine Möglichkeit zur Minimierung unnötiger Abweichungen zwischen den Vorschriften erwähnt. Art. 7 Abs. 1 des SPS-Kapitels regelt diese Kooperationsmöglichkeit für den Bereich der gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Maßnahmen. Art. 4 Abs. 2 des TBT-Kapitels benennt die Möglichkeiten der Vertragsstaaten, gegenseitig eine Anerkennung ihrer technischen Regulierungen zu beantragen. Nur in Art. 7 Abs. 1 des SPS-Kapitels ist die gegenseitige Anerkennung verpflichtend vorgegeben („The importing Party shall accept the SPS measures of the exporting Party as equivalent to its own“). Sie steht jedoch unter dem Vorbehalt, dass die Vorschriften des exportierenden Staates dem Schutzniveau des importierenden Staates entsprechen („if the exporting Party objectively demonstrates to the importing Party that its measure achieves the importing Party’s appropriate level of protection.”). 3.4.3. Zusammenfassung Die Normen zur regulatorischen Kooperation im CETA-Abkommen schreiben in der Regel keine gemeinsame Rechtsetzung oder die Anerkennung unterschiedlicher Standards durch die Vertragspartner vor, sie enthalten stattdessen Verfahrensvorschriften, die zu einer Harmonisierungsentwicklung beitragen sollen, ohne diese verpflichtend vorzugeben. Nach Art. X.2 des 26. Kapitels des CETA-Vertragsentwurfs verpflichten sich Kanada und die EU, ihre Zusammenarbeit im Bereich der Handelsregulierung weiterzuentwickeln, ohne dabei aber die Fähigkeit einer jeden Vertragspartei, ihre regulatorischen, legislativen und politischen Aktivitäten durchzuführen, einzuschränken . Ob und inwieweit eine Pflicht der Vertragsparteien besteht, in Regulierungsfragezusammenzuarbeiten , kann aufgrund der weichen Vertragsformulierungen nicht abschließend beantwortet werden. Einerseits besagt der CETA-Entwurf ausdrücklich in Art. X.2 Abs. 5 des Kapitels zur regulatorischen Kooperation, das keine Vertragspartei verpflichtet sei, irgendwelche bestimmten regulatorischen Kooperationsaktivitäten einzugehen. Andererseits muss der Vertragsstaat bei einer Verweigerung der Zusammenarbeit aber der anderen Vertragspartei eine Begründung dafür geben.23 23 Vgl. Stoll/Holterhus/Gött, Die geplante Regulierungszusammenarbeit zwischen der EU und Kanada sowie den USA nach den Entwürfen von CETA und TTIP, - Rechtsgutachten, S. 6, abrufbar unter http://media.arbeiterkammer .at/wien/PDF/studien/Regulierungszusammenarbeit_ttip_ceta.pdf, die insoweit von einem „politischen Rechtfertigungsdruck“ sprechen. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 158/15 Seite 17 - Fachbereich Europa -