Deutscher Bundestag Der Ankauf von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank im Rahmen ihres Outright Monetary Transactions-Programmes von der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität oder dem Europäischen Stabilisierungsmechanismus Sachstand Wissenschaftliche Dienste WD 11 – 3000 – 155/12 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 11 – 3000 – 155/12 Seite 2 Der Ankauf von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank im Rahmen ihres Outright Monetary Transactions-Programmes von der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität oder dem Europäischen Stabilisierungsmechanismus Aktenzeichen: WD 11 – 3000 – 155/12 Abschluss der Arbeit: 18.10.2012 Fachbereich: WD 11: Europa Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 11 – 3000 – 155/12 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Hintergrund des Programms für Anleihenkäufe 4 2.1. „Securities Market Programm“ 2010 4 2.2. „Outright Monetary Transactions“ 2012 5 3. Grundsätzliche unionsrechtliche Zulässigkeit des Ankaufs von Staatsanleihen 5 3.1. Aufgaben der EZB 5 3.2. Vereinbarkeit des Ankaufs von Staatsanleihen durch die EZB 6 3.2.1. Mandat der EZB 7 3.2.2. Das Verbot monetärer Staatsfinanzierung 7 4. Die unionsrechtliche Vereinbarkeit des Erwerbs von Staatsanleihen durch die EZB von ESM/EFSF im Rahmen des OMT-Programms 9 4.1. Der Einfluss des OMT-Programms auf die Zulässigkeit des Ankaufs von Staatsanleihen 9 4.1.1. Argumente für eine Vereinbarkeit des OMT-Programms mit Art. 123 AEUV 9 4.1.2. Argumente gegen eine Vereinbarkeit des OMT-Programms mit Art. 123 AEUV 10 4.1.3. Einfluss der institutionellen Stellung der EZB und Bewertung 10 4.2. Restriktionen für die Zulässigkeit des Ankaufs von Staatsanleihen aus dem Verhältnis EZB und EFSF/ESM 11 4.2.1. Funktion und unionsrechtliche Eingebundenheit von EFSF/ESM 11 4.2.2. Wortlaut Art. 123 AEUV 12 4.2.3. Normzweck 12 5. Ergebnis 13 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 11 – 3000 – 155/12 Seite 4 1. Einleitung Am 6. September 2012 entschied der EZB-Rat, geldpolitische Outright-Geschäfte (Outright Monetary Transactions – OMTs) an den Sekundärmärkten für Staatsanleihen im Eurogebiet durchzuführen , um Störungen des Preisbildungsprozesses an diesen Märkten durch dem Volumen nach unbegrenzte Anleihenkäufe zu beheben.1 Nachfolgend wird der Frage nachgegangen, ob ein Ankauf von zuvor von der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (ESFS) oder dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM)2 im Rahmen eines Programms für Staatsanleihen von einem Programmland am Sekundär- oder Primärmarkt gekauften Staatsanleihen durch die EZB im Rahmen des OMT-Programms gegen das Verbot der monetären Staatsfinanzierung verstößt. 2. Hintergrund des Programms für Anleihenkäufe 2.1. „Securities Market Programm“ 2010 Ausgangspunkt der Ankäufe von Staatsanleihen durch die EZB in Reaktion auf die Verschuldungskrise ist das „Programm für die Wertpapiermärkte“ (Securities Market Programm – SMP) vom 10. Mai 2010.3 Das Programm wird für einen nicht bestimmten Zeitraum und ohne beabsichtigtes Interventionsvolumen durchgeführt. Das SMP ermächtigt die EZB und die Zentralbanken des Eurosystems, vorübergehend zugelassene marktfähige Schuldtitel, die von den Zentralstaaten oder öffentlichen Stellen der Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, begeben werden, auf dem Sekundärmarkt anzukaufen. Dabei entscheidet der EZB-Rat über den Umfang der Interventionen .4 Die EZB verfolgt mit diesem Programm das Ziel, durch den Ankauf von Staatsanleihen den starken Spannungen insbesondere an den Märkten für Staatsanleihen entgegenzuwirken. Ziel des Programms ist es, Störungen an den Wertpapiermärkten zu beheben und einen angemessenen geldpolitischen Transmissionsmechanismus5 wiederherzustellen. Insgesamt sollen so Tiefe und 1 Zu der bislang nicht veröffentlicht Entscheidung vgl. die Pressemitteilungen der EZB vom 6.9.2012 (Measures to preserve collateral availability, abrufbar unter http://www.ecb.int/press/pr/date/2012/html/pr120906_2.en.html; Technical features of Outright Monetary Transactions, abrufbar unter http://www.ecb.int/press/pr/date/2012/html/pr120906_1.en.html#); Presseerklärung von EZB-Präsident Draghi vom 6. September, abrufbar unter https://www.ecb.int/press/pressconf/2012/html/is120906.en.html 2 EFSF und ESM werden im Folgenden wegen Ihrer weitgehend funktionsgleichen Mechanismen gemeinsam behandelt und als EFSF/ESM bezeichnet. 3 Beschluss der Europäischen Zentralbank vom 14. Mai 2010 zur Einführung eines Programms für die Wertpapiermärkte , EZB/2010/5, 2010/281/EU, ABl. 2010 L 124/8. 4 4. Erwägungsgrund des Beschlusses der Europäischen Zentralbank vom 14. Mai 2010 zur Einführung eines Programms für die Wertpapiermärkte, EZB/2010/5, 2010/281/EU, ABl. 2010 L 124/8. 5 Vgl. Deutsche Bundesbank, Glossar: „Der Transmissionsmechanismus beschreibt, wie sich die Änderung einer geldpolitischen Handlungsvariablen (z. B. des Leitzinses) auf ökonomische Variablen (wie Preisniveau, Produktion und Beschäftigung) überträgt. Die Transmission geldpolitischer Maßnahmen kann sich über unterschiedli- Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 11 – 3000 – 155/12 Seite 5 Liquidität für den Markt und die Durchführbarkeit der auf Preisstabilität gerichteten Geldpolitik sichergestellt werden.6 2.2. „Outright Monetary Transactions“ 2012 Die Entscheidung vom 9. September 2012 über Outright-Geschäfte7 (OMT) betrifft an sich standardisierte Offenmarktgeschäfte im geldpolitischen Handlungsrahmen des Eurosystems.8 Diese Operationen sind vom Eurosystem grundsätzlich dafür vorgesehen, die strukturelle Liquiditätsposition des Finanzsektors gegenüber dem Eurosystem anzupassen. Im Rahmen seiner krisenbedingten geldpolitischen Sondermaßnahmen hat der EZB-Rat weitergehende geldpolitische Outright-Ankäufe mit veränderter Zielsetzung beschlossen. Zentrales Element der OMTs besteht darin, die Finanzierungsbedingungen der Realwirtschaft besser mit den Leitzinsen der EZB in Einklang zu bringen und zugleich die Staatsanleihenmärkte gegen gravierende Schwierigkeiten abzusichern.9 Das Ankaufprogramm soll auf Anleihen mit ein- bis dreijährigen Laufzeiten beschränkt und im Volumen unbegrenzt, jedenfalls aber ausreichend sein. Notwendige Voraussetzung für die OMTs ist eine den Bedingungen für Stabilitätshilfen der EFSF bzw. des ESM entsprechende strenge Konditionalität eines vollständigen makroökonomischen Anpassungsprogramms oder eines vorsorglichen Programms. Eine OMT soll nur dann erfolgen, wenn sie aus geldpolitischer Sicht geboten und solange die mit dem Programm verbundene Konditionalität erfüllt ist.10 3. Grundsätzliche unionsrechtliche Zulässigkeit des Ankaufs von Staatsanleihen 3.1. Aufgaben der EZB Die EZB verfügt über eigene Rechtspersönlichkeit und verfolgt als solche gemeinsam mit den nationalen Zentralbanken im institutionellen Rahmen des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) die primäre Aufgabe, Preisstabilität zu gewährleisten (Art. 127 Abs. 1 AEUV). Durch che „Kanäle“ vollziehen, wobei sich manche Wirkungen sehr rasch einstellen können, andere hingegen viel Zeit benötigen. Art und Umfang der Wirkungen auf das Endziel sind häufig unsicher.“ 6 2. Erwägungsgrund des Beschlusses der Europäischen Zentralbank vom 14. Mai 2010 zur Einführung eines Programms für die Wertpapiermärkte, EZB/2010/5, 2010/281/EU, ABl. 2010 L 124/8. 7 Hierdurch wird der definitive Kauf oder Verkauf von Vermögenswerten wie beispielsweise Wertpapieren durch eine Zentralbank für eigene Rechnung am offenen Markt (Offenmarktgeschäft) verstanden, vgl. Deutsche Bundesbank , Glossar, Stichwort Outright-Geschäft. 8 Anhang I Nr. 1.3. der Leitlinien der Europäischen Zentralbank vom 20. September 2011 über geldpolitische Instrumente und Verfahren des Eurosystems, EZB/2011/14, 2011/817/EU, ABl. L 331/1. 9 Pressemitteilung der EZB vom 6.9.2012 (Measures to preserve collateral availability), abrufbar unter http://www.ecb.int/press/pr/date/2012/html/pr120906_2.en.html; EZB-Monatsbericht, September 2012, S. 7-10. 10 Pressemitteilung der EZB vom 6.9.2012 (Technical features of Outright Monetary Transactions), abrufbar unter http://www.ecb.int/press/pr/date/2012/html/pr120906_1.en.html#). EZB-Monatsbericht, September 2012, S. 11. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 11 – 3000 – 155/12 Seite 6 den Verweis auf die Grundsätze des Art. 119 AEUV wird das ESZB in Art. 127 Abs. 1 AEUV gleichzeitig verpflichtet, die Grundsätze der liberalen europäischen Wirtschaftsverfassung zu achten. Das Hinwirken auf Preisstabilität muss trotz seiner herausragenden Gewichtung auch mit entgegenstehenden Zielen der EU wie etwa der Sicherstellung eines hohen Beschäftigungsniveaus in Einklang gebracht werden und kann daher nicht im Sinne einer strikten Nullinflationspolitik verstanden werden. Dem Auftrag der Sicherung der Preisstabilität ist daher ein gewisser Beurteilungsspielraum und bezüglich der Erreichung der Zielsetzung ein Einschätzungs- und Prognosespielraum immanent. Dies wird beispielsweise deutlich in der Definition des Begriffs Preisstabilität des EZB-Rates, wonach „mittelfristig eine Preissteigerungsgrenze von nahe 2%“ beibehalten werden soll.11 Um dieses Ziel zu erreichen werden dem ESZB in Art. 127 Abs. 2 AEUV vier grundlegende Aufgabenbereiche zugewiesen. Zu den vorliegend relevanten Aufgaben der EZB gehört nach Art. 127 Abs. 2 AEUV unter anderem die Festlegung und Ausführung der Geldpolitik, welche in Art. 18 ESZB-Satzung präzisiert wird.12 Zudem obliegt dem ESZB gem. Art. 127 Abs. 2 AEUV die Durchführung von Devisengeschäften, die Verwaltung der Währungsreserven der Mitgliedstaaten und die Förderung des reibungslosen Funktionierens der Zahlungssysteme.13 Nach Art. 127 Abs. 5 AEUV trägt die EZB zur reibungslosen Durchführung der von den zuständigen Behörden zur Stabilisierung des Finanzsystems ergriffenen Maßnahmen bei. Schließlich kann der Rat der EU nach Art. 127 Abs. 6 AEUV der EZB einstimmig besondere Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute und sonstige Finanzinstitute mit Ausnahme von Versicherungsunternehmen übertragen. 3.2. Vereinbarkeit des Ankaufs von Staatsanleihen durch die EZB Grundsätzlich – ungeachtet der Wahl des Vertragspartners – ist der Ankauf von Staatsanleihen vom EZB-Mandat mit erfasst. Maßgebliche Vorschrift hierfür ist der Art. 127 ff. AEUV konkretisierende Art. 18 EZB-Satzung14, welcher die sog. Offenmarkt- und Kreditgeschäfte regelt. Danach ist es der EZB zur Erreichung ihrer Ziele und zur Erfüllung ihrer Aufgaben unter anderem gestattet , durch den Kauf und Verkauf von börsengängigen Wertpapieren auf den Finanzmärkten tätig zu werden.15 11 Pressemitteilung der EZB vom 8. Mai 2003, abrufbar unter http://www.ecb.int/press/pr/date/2003/html/pr030508_2.de.html 12 Häde, in: Calliess/Ruffert, Kommentar zum EUV/AEUV, 4. Aufl., Art. 127 AEUV, Rn. 9 ff. 13 Häde, in: Calliess/Ruffert, Kommentar zum EUV/AEUV, 4. Aufl., Art. 127 AEUV, Rn. 9 ff. 14 Protokoll (Nr. 4) über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der EZB, ABl. C 115 v. 9.5.2008, S. 230. 15 Zu der Diskussion um den Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB vgl. Markus C. Kerber/Stefan Städter, Die EZB in der Krise: Unabhängigkeit und Rechtsbindung als Spannungsverhältnis, in: EuZW 2011, S. 536 ff.; Martin Seidel, Der Ankauf nicht markt- und börsengängiger Staatsanleihen, namentlich Griechenlands, durch die Europäische Zentralbank und durch nationale Zentralbanken – rechtlich nur fragwürdig oder Rechtsverstoß?, in: EuZW 2010, S. 521; dagegen Christoph Herrmann, EZB-Programme für die Kapitalmärkte verstößt nicht gegen die Verträge – Erwiderung auf Martin Seidel, EuZW 2010, 521, in: EuZW 2010, S. 645. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 11 – 3000 – 155/12 Seite 7 3.2.1. Mandat der EZB Nach Art. 18 EZB-Satzung darf die EZB zur Erfüllung Ihrer Aufgaben auf den Finanzmärkten tätig werden und bspw. börsengängige Wertpapiere kaufen oder verkaufen oder entsprechende Darlehensgeschäfte abschließen oder Kreditgeschäfte mit anderen Kreditinstituten oder Marktteilnehmern gegen Sicherheiten abschließen. Wesentlich ist hierbei, dass diese Geschäfte „auf den Finanzmärkten“ oder mit „anderen Marktteilnehmern“ und grundsätzlich im Rahmen von Offenmarktgeschäften getätigt werden. Unter Offenmarktgeschäften versteht das Eurosystem fünf verschiedene Instrumente: Rückkaufvereinbarungen in der Form von echten Pensionsgeschäften oder Pfandkrediten, endgültige Geschäfte, Schuldverschreibungen, Devisenswaps und die Hereinnahme von Termineinlagen.16 Erwirbt die EZB in diesem Rahmen Staatsanleihen, so haben sich diese Anleihen jedenfalls bei der Erstemission durch den ausgebenden Staat am Markt behauptet und fallen damit unter den Begriff der börsengängigen Wertpapiere gem. Art. 18.1 1. Spiegelstrich ESZB-Satzung. Der Begriff „börsengängige Wertpapiere“ ist weit auszulegen und umfasst alle Vermögenswerte, die auf den Finanzmärkten gehandelt werden.17 Börsengängige Wertpapiere sind dabei alle Vermögenswerte, die an einem geregelten Markt im Sinne der RL 2004/39/EG zum Handel zugelassen sind und die auf den Finanzmärkten gehandelt werden.18 Hierunter fallen auch marktfähige staatliche Schuldtitel , welche zur Refinanzierung an den Kapitalmärkten emittiert werden.19 Staatsanleihen sind festverzinsliche Wertpapiere, mit denen sich die öffentliche Hand als Emittent am Kapitalmarkt Geld leihen kann. Wie Aktien werden auch Staatsanleihen an der Börse zugelassen und gehandelt . Dementsprechend und ausweislich Art. 18.1 1. Spiegelstrich der EZB-Satzung bleibt der mittelbare Erwerb von Schuldtiteln an den Kapitalmärkten (Sekundärmarktkäufe) durch die EZB im Rahmen ihrer Offenmarktpolitik zulässig.20 3.2.2. Das Verbot monetärer Staatsfinanzierung Ein solcher Ankauf von Staatsanleihen am Sekundärmarkt verstößt nicht gegen das Verbot der monetären Staatsfinanzierung. Art. 123 AEUV untersagt der EZB und den nationalen Zentralbanken eine Gewährung von direkten Krediten an die EU oder die Mitgliedstaaten oder den Erwerb von Staatsanleihen am Sekundärmarkt, der auf von den Kapitalmärkten unabhängige Finanzierung der Haushalte der Mitgliedstaaten abzielt.21 Das Verbot umfasst alle Arten von Krediten ein- 16 Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Auflage 2011, § 134, Rn. 64. 17 Weenink, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), Kommentar zum Vertrag über die Europäische Union und zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, 6. Auflage 2003, Art. 18 Protokoll (Nr. 18) über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank, Rn. 1 ff. 18 ABl. 2004 Nr. L 145/1. 19 Vgl. Leitlinie der Europäischen Zentralbank vom 2. August 2012 über zusätzliche zeitlich befristete Maßnahmen hinsichtlich der Refinanzierungsgeschäfte des Eurosystems und der Notenbankfähigkeit von Sicherheiten und zur Änderung der Leitlinie EZB/2007/9, EZB/2012/18 (2012/476/EU); EZB 20 Vgl. Deutsche Bundesbank, Monatsbericht August 2012, S. 62. 21 BVerfG, Urteil vom 12. September 2012, 2 BvR 1390/12, Rn. 278 sowie Rn. 276 zu dem Normzweck der Sicherung der verfassungsrechtlichen Anforderungen des Demokratiegebots. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 11 – 3000 – 155/12 Seite 8 schließlich Kreditfazilitäten (die Finanzierung von Verbindlichkeiten des öffentlichen Sektors gegenüber Dritten und jede Transaktion mit dem öffentlichen Sektor, die zu einer Forderung an diesen führt oder führen könnte22) und Überziehungsfazilitäten (die Bereitstellung von Mitteln zugunsten des öffentlichen Sektors, deren Verbuchung einen Negativsaldo ergibt oder ergeben könnte).23 Dagegen bleibt der Erwerb von Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt gestattet, solange dadurch dem Staatssektor kein unmittelbarer Vorteil im Sinne von Art. 123 AEUV erwächst. Das ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn am Sekundärmarkt erworbene Anleihen zuvor schon dem Preisbildungsmechanismus des Marktes – insbesondere mit Blick auf die Bonität des Emittenten – ausgesetzt waren. Werden Staatsanleihen nicht direkt von öffentlicheren Emittenten, sondern mittelbar am Kapitalmarkt angekauft, führen Sekundärmarktkäufe nicht zu einer direkten Finanzierungsbeziehung zwischen dem öffentlichen Sektor und den Zentralbanken. Durch das Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung soll eine unmittelbare Refinanzierung der EU oder der Mitgliedstaaten über die EZB oder die jeweilige nationale Zentralbank zu deren – im Vergleich zu den Kapitalmärkten günstigeren – Bedingungen ausgeschlossen werden. Die Mitgliedstaaten sind so für ihren Refinanzierungsbedarf den Kapitalmärkten auf Grundlage der Bewertung ihrer Bonität ausgesetzt und tragen das Risiko für haushalts- und fiskalpolitisches Fehlverhalten . Dieser Druck soll die mitgliedstaatliche Haushaltsdisziplin sicherstellen.24 Das Verbot der monetären Finanzierung ist zudem von entscheidender Bedeutung, um die Gewährleistung von Preisstabilität als das vorrangige Ziel der Geldpolitik der Zentralbanken sowie die Unabhängigkeit der EZB und des Eurosystems sicherzustellen.25 Eine Refinanzierung der Mitgliedstaaten unter Umgehung der Kapitalmärkte bei einer Zentralbank könnte inflationsfördernd wirken.26 Vor dem Hintergrund des Normzwecks von Art. 123 AEUV muss das Verbot weit ausgelegt werden , um seine strikte Anwendung zu gewährleisten.27 Daher umfasst das Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung des Art. 123 AEUV jegliche Finanzierung der Verpflichtung des öffentlichen Sektors gegenüber Dritten sowie – allgemeiner – jede Form der Finanzierung der öffentlichen Haushalte durch die EZB und die nationalen Zentralbanken.28 22 Art. 1 Abs. 1 lit. b VO (EG) 3603/93, ABl. 1993 Nr. L 332/1. 23 Art. 1 Abs. 1 lit. a VO (EG) 3603/93, ABl. 1993 Nr. L 332/1. 24 Vgl. Häde, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Kommentar zum EUV/AEUV, 4. Auflage 2012, Art. 123 AEUV, Rn. 3. 25 Stellungnahme der EZB vom 17.3.2011 (CON/2011/24, ABl. EG C 140 v. 11.5.2011, S. 8, Anm. 9). 26 Vgl. Gaitanides, Das Recht der Europäischen Zentralbank, 2005, S. 98; Kempen, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 1. Auflage 2003, Art. 101 EGV, Rn. 1; Hattenberger, in: Schwarze (Hrsg.), EU Kommentar, 2. Auflage 2009, Art. 101 EGV, Rn. 1. 27 EZB Konvergenzbericht Mai 2012, S. 32. 28 VO (EG) Nr. 3603/93 des Rates vom 13. Dezember 1993; EZB Konvergenzbericht Mai 2012, S. 32. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 11 – 3000 – 155/12 Seite 9 4. Die unionsrechtliche Vereinbarkeit des Erwerbs von Staatsanleihen durch die EZB von ESM/EFSF im Rahmen des OMT-Programms Fraglich bleibt, ob ein Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB von ESM/EFSF im Rahmen des OMT-Programms gegen das Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung verstößt. 4.1. Der Einfluss des OMT-Programms auf die Zulässigkeit des Ankaufs von Staatsanleihen Der Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB von ESM/EFSF im Rahmen des OMT-Programms würde bereits dann gegen das Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung verstoßen, wenn das OMT-Programm selber gegen das Verbot gemäß Art. 123 AEUV verstieße. Das neue OMT unterscheidet sich quantitativ von dem bisherigen SMP dadurch, dass der Umfang von Anleihenkäufen im neuen Programm nicht von weiteren Entscheidungen des EZB-Rates abhängig ist, sondern vielmehr anfänglich „unbegrenzt, jedenfalls aber ausreichend“ sein soll. Damit stellt sich die Frage, ob das neue OMT vom Handlungsauftrag der EZB erfasst wird.29 Als Organ der EU werden die Handlungsbefugnisse der EZB dabei nicht allein durch ihre Kompetenzen , sondern durch das Recht der EU insgesamt determiniert. Damit bemisst sich die Bewertung sowohl nach den dem ESZB und insbesondere der EZB zugewiesenen Kompetenzen (Art. 127 AEUV) als auch nach dem allgemeinen unionsrechtlichen Rahmen der Währungsunion (insbesondere Art. 123, 125 AEUV). 4.1.1. Argumente für eine Vereinbarkeit des OMT-Programms mit Art. 123 AEUV Das Instrument der Offenmarktpolitik darf nicht zur Umgehung des Verbotsziels nach Art. 123 Abs. 1 AEUV eingesetzt werden.30 Insbesondere darf der Erwerb von Staatsanleihen hochverschuldeter Länder am Sekundärmarkt keinen Finanzierungscharakter annehmen. Der geldpolitische Steuerungscharakter eines an sich zulässigen Anleihenkaufs schlägt dann in einen Finanzierungscharakter um, wenn Anleihen zu einem Wert erworben oder als Sicherheiten akzeptiert werden, die sie am Markt nicht mehr erzielen würden und der Kauf ausschließlich der Stützung eines Mitgliedstaates dient.31 Ausweislich seiner Zielvorgaben dient das OMT-Programm jedoch nicht dem Zweck einer unmittelbaren Finanzierung öffentlicher Haushalte. Obzwar die Zusicherung , Schuldtitel minderer Bonität zu kaufen, mittelfristig eine marktgerechte Verbesserung der Konditionen einzelner mitgliedstaatlicher Kreditaufnahmen erwarten lässt, ist dies lediglich zwangsläufige Nebenfolge der Primärziele, u.a. die Refinanzierungsbedingungen der Realwirtschaft mit den Leitzinsen der EZB in Einklang zu bringen und die Finanzierungsbedingungen 29 Vergleiche die eingehenden Ausführungen in der Ausarbeitung von Alexander Hoffmann, Der Ankauf von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank, WD11 – 3000 – 121/11. 30 7. Erwägungsgrund VO (EG) Nr. 3603/93 des Rates vom 13. Dezember 1993; vgl. EZB Monatsbericht Oktober 2012, S. 7 ff. 31 Vgl. Hattenberger, in: Schwarze, EU-Kommentar, 3. Aufl., Art., 123, Rn. 6; Frenz/Ehlenz, Der Euro ist gefährdet: Hilfsmöglichkeiten bei drohendem Staatsbankrott?, Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (EWS) 2010, S. 65 (67). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 11 – 3000 – 155/12 Seite 10 von Banken zu verbessern.32 Damit verstieße das OMT-Programm nicht gegen das Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung. 4.1.2. Argumente gegen eine Vereinbarkeit des OMT-Programms mit Art. 123 AEUV Mit Blick auf die Wirkungen des OMT-Programms ließe sich jedoch auch dessen Verstoß gegen das Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung begründen: Das – an sich unionsrechtlich zulässige – Ziel der Verbesserung der Sicherungsfunktion von Staatsanleihen impliziert, dass durch Anleihenkäufe die Anleihenzinsen der betroffenen Staaten und damit auch ihre Refinanzierungskosten gesenkt werden. Mit dem OMT-Programm fungierte die EZB faktisch als „Lender of last Resort“, und ihr Handeln wirkte als besondere „Kreditausfallversicherung“ für die Käufer auf dem Primärmarkt . Denn das Ankaufversprechen der EZB und die zugrundeliegende Selbstverpflichtung zur Kursstabilisierung führte zu einer Monetarisierungsgarantie für staatliche Schuldtitel, durch welche die privaten Inhaber staatlicher Anleihen von ihren Risiken befreit werden. Die Anleihenzinsen sinken infolge der Risikominimierung. Die so erleichterte Emission von Anleihen trüge auf diese Weise wiederum zur mittelbaren Finanzierung der Haushalte der betreffenden Staaten bei, wobei die Spanne der Zinshöhen mit und ohne „EZB-Kreditausfallversicherung“ letztlich der Betrag ist, der den emittierenden Staaten unmittelbar zugutekommt. 4.1.3. Einfluss der institutionellen Stellung der EZB und Bewertung Diese für und wider die Unionsrechtmäßigkeit des OPT-Programms streitenden Argumente müssen wiederum im Lichte der Unabhängigkeit und des weiten Einschätzungs- und Prognosespielraums der EZB bezüglich der Erreichung des Primärziels „Preisstabilität“ betrachtet werden. In ihrer Unabhängigkeit (Art. 282 Abs. 3 S. 3 AEUV) besitzt die EZB bei der Wahl der Instrumente und Maßnahmen für die Steuerung der Geldpolitik ein weites währungspolitisches Ermessen.33 Dieses umfasst auch die Entscheidung, auf welche Weise sie auf die Preisstabilität Einfluss nehmen und ihrer Aufgabe, die Stabilität des Finanzsystems zu gewährleisten, insgesamt gerecht werden will. Ohne eine neue politische Entscheidung34 über den Zuschnitt des Handlungsrahmens der EZB sind ihre Entscheidungen wegen ihres weiten Handlungsspielraums hinzunehmen , solange diese nicht unter keinem vertretbaren Gesichtspunkt mit dem primärrechtlich festgelegten Handlungsspielraum der EZB vereinbar sind und diese nicht evident gegen primärrechtliche Grenzen verstoßen.35 Dies ist jedoch – soweit aus dem vorliegenden OMT-Programm ersichtlich – nicht der Fall: Mit o.g. Begründung ist das OMT-Programm Teil der Steuerung der Geldpolitik im Sinne von Art. 127 AEUV. Es wird nicht evident von einer „in Kauf genommenen Nebenfolge“ monetärer Haushaltsfinanzierung dominiert, und die projektierten Anleihenkäufe haben auch wegen der Konditionierung durch die EFSF/ESM-Programme keine primäre Finanzierungsfunktion. Zudem sollen 32 Vgl. EZB Monatsbericht September 2012, S. 7 ff. 33 Potacs, in: Schwarze, EU-Kommentar, 3. Aufl., Art. 127, Rn. 5; Gaitanides, Das Recht der Europäischen Zentralbank , 2005, S. 102 ff. 34 Vgl. BVerfG, Urteil vom 12. September 2012, 2BvR 1390/12, Rn. 222. 35 Vgl. EuGH, Rs. C-11/00 (Europäische Kommission/Europäische Zentralbank), Rn. 114 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 11 – 3000 – 155/12 Seite 11 die Käufe von Maßnahmen zur Verhinderung einer Ausweitung der Geldmenge begleitet werden. Die EZB besitzt weiterhin rechtlich das alleinige Letztentscheidungsrecht über die Durchführung einer OMT. Vor dem Hintergrund der Unabhängigkeit und des weiten Einschätzungs- und Prognosespielraums der EZB verstößt das OMT-Programm nicht evident gegen das Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung. 4.2. Restriktionen für die Zulässigkeit des Ankaufs von Staatsanleihen aus dem Verhältnis EZB und EFSF/ESM Verstößt das OMT-Programm für sich genommen nicht gegen das Verbot der monetären Staatsfinanzierung , könnte sich ein Verstoß aus den konkreten Verkaufs- bzw. Ankaufsmodalitäten ergeben . Denn auch wenn die EZB grundsätzlich auf dem Sekundärmarkt auch in unbegrenztem Umfang Staatsanleihen aufkaufen darf, so darf sie dies nicht in einem Vertragsverhältnis, das nicht mehr den Kriterien eines Offenmarktgeschäftes entspricht. Das an sich zulässige Offenmarktgeschäft darf auch nicht infolge der konkreten Vertragsbedingungen (Wahl des Vertragspartners ) in eine verbotene monetäre Staatsfinanzierung umschlagen. 4.2.1. Funktion und unionsrechtliche Eingebundenheit von EFSF/ESM Grundaufgabe von EFSF/ESM ist die Mobilisierung von Finanzmitteln, um ihren Mitgliedern bei drohenden oder aktuellen schwerwiegenden Finanzierungsbedingungen unter strikten Auflagen Finanz- bzw. Stabilitätshilfen bereitzustellen.36 Neben der Emission von eigenen Anleihen ist ein Weg zur Mobilisierung von Finanzmitteln, die zuvor von EFSF/ESM auf dem Primärmarkt37 oder dem Sekundärmarkt38 gekauften Anleihen eines EFSF/ESM-Mitgliedes unter bestimmten Bedingungen wieder zu verkaufen.39 Alternativ kann der ESM zur Erfüllung seiner Aufgaben zudem an den Kapitalmärkten, bei Banken oder sonstigen Personen und Institutionen Kapital aufnehmen.40 ESM/EFSF ist es sowohl unionsrechtlich als auch verfassungsrechtlich untersagt, hierbei „zum Vehikel einer verfassungswidrigen Staatsfinanzierung durch die EZB“41 zu werden. Denn zum einen bleiben EFSF/ESM unionsrechtlich auch als zwischenstaatliche Vereinbarungen der Kohärenz mit dem Unionsrecht verpflichtet, und der ESMV bzw. der EFSF-Rahmenvertrag sind unionsrechtskonform auszulegen.42 Auch von Verfassung wegen darf sich die Bundesrepublik 36 Nr. 2 a, 4 EFSF-Rahmenvertrag, Art. 3 ESMV. 37 Für die EFSF: EFSF Guideline on Primary Market Purchases,v. 19.11.2011; für den ESM: Art. 17 ESMV iVm Guideline on the Primary Market Support Facility v. 20.9.2012. 38 Für die EFSF: EFSF Guideline on Secondary Market Purchases,v. 19.11.2011; für den ESM: Art. 18 ESMV iVm Guideline on the SecondaryMarket Support Facility v. 20.9.2012. 39 Art. 21 iVm Art. 12, 17, 18 ESMV. 40 Art. 21 ESMV iVm ESM-Leitlinien für Anleihenoperationen. 41 BVerfG, Urteil vom 12.9.2012, 2BvR 1390/12, Rn. 276 ff. 42 BVerfG, Urteil vom 12.9.2012, 2BvR 1390/12, Rn. 276, 276 mit Verweis auf BT-Drs. 17/9045, S. 29 und EuGH, Rs. C-235/87 (Matteucci), Rsn. 19; vgl. Christian Calliess/ Christopher Schönfleisch, Auf dem Weg in die europäische "Fiskalunion"? : Europa- und verfassungsrechtliche Fragen einer Reform der Wirtschafts- und Wäh- Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 11 – 3000 – 155/12 Seite 12 Deutschland in einer das Integrationsprogramm der Wirtschafts- und Währungsunion außervertraglich modifizierenden Regelung nur verpflichten, wenn diese Regelung konform ist mit solchen Vorschriften, welche die wesentlichen verfassungsrechtlichen Anforderungen der Deutschen Beteiligung an einer Währungsunion als Stabilitätsgemeinschaft unionsrechtlich absichern .43 Grundlegend für die deutsche Zustimmung ist, dass EFSF/ESM das Verbot monetärer Staatsfinanzierung als wesentliches Element zur unionsrechtlichen Sicherung der verfassungsrechtlichen Anforderungen des Demokratiegebots nicht verletzen.44 4.2.2. Wortlaut Art. 123 AEUV Art. 123 Abs. 1 AEUV verbietet lediglich einen unmittelbaren Erwerb von Staatsanleihen durch die EZB und eine Vergabe von Überziehungs- oder Kreditfazilitäten an die dem öffentlichen Sektor zugehörigen Finanzinstitutionen im Sinne von Art. 123 Abs. 1 AEUV. Nach der Feststellung des BVerfG ist auch der ESM eine dem öffentlichen Sektor zugehörige Finanzinstitution, für die auch nicht die Befreiung gem. Art. 123 Abs. 2 AEUV45 gilt. Daher ist es im Verhältnis von EFSF/ESM und EZB untersagt, dass EFSF/ESM Kredite von der EZB erhalten, die wiederum mit zuvor erworbenen Staatsanleihen besichert werden. Dieses Verständnis eines solchen „Geschäftsverbindungsverbotes “ zwischen EFSF/ESM und EZB liegt auch der deutschen Zustimmung zu den Handlungsgrundlagen von EFSF/ESM zugrunde. Grundlage der Arbeit von EFSF/ESM ist das Handlungsverbot, die auf dem Primär- oder Sekundärmarkt erworbenen Staatspapiere der Krisenländer bei der Zentralbank als Pfänder für den Bezug von Refinanzierungskrediten einzureichen bzw. allein oder mittels Hinterlegung von Staatsanleihen als Sicherheit bei der EZB Kredite aufzunehmen.46 Unabhängig davon, ob dies als eine Übernahme von Schuldtiteln direkt vom öffentlichen Emittenten am Primärmarkt oder nach dem Zwischenerwerb durch den ESM als Erwerb am Sekundärmarkt zu deuten wäre, verstieße diese Hinterlegung gegen das Verbot des unmittelbaren Erwerbs von Schuldtiteln öffentlicher Stellen.47 4.2.3. Normzweck Über diese Sicherungsfunktion von Staatsanleihen für Kredite hinaus werden auch Verkäufe von zuvor durch EFSF/ESM erworbenen Staatsanleihen an die EZB von dem Verbot monetärer Staatsfinanzierung vom Normzweck des Art. 123 AEUV erfasst. Ausgehend von dem allgemeinen Firungsunion im Kontext des Fiskalvertrages, in: Juristenzeitung 2012, S. 477 ff.; Hannes Rathke, Von der Stabilitäts - zur Stabilisierungsunion, in: Die Öffentliche Verwaltung 2011, S. 753 (759). 43 BVerfG, Urteil vom 12.9.2012, 2BvR 1390/12, Rn. 219. 44 BVerfG, Urteil vom 12.9.2012, 2BvR 1390/12, Rn. 276. 45 Kreditinstitute in öffentlichem Eigentum, die von der EZB bzgl. der Bereitstellung von Zentralbankgeld wie private Kreditinstitute behandelt werden, vgl. Hattenberger, in: Schwarze, EU-Kommentar, 3. Aufl. 2012, Art. 123 AEUV, Rn. 8. 46 BVerfG, Urteil vom 12.9.2012, 2BvR 1390/12, Rn. 276, 278. 47 BVerfG, Urteil vom 12.9.2012, 2BvR 1390/12, Rn. 276 ff Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 11 – 3000 – 155/12 Seite 13 nanzierungsverbot öffentlicher Haushalte durch die EZB, entspricht der Verkauf von Staatsanleihen an die EZB funktional der Hinterlegung dieser Anleihen zur Besicherung von Krediten. Zwar haben die Anleihen als Gegenstand eines gem. Art. 123 Abs. 1 AEUV grundsätzlich zulässigen Sekundärmarktkaufs in einer solchen Kaufsituation keine sichernde Funktion, und das Geschäft zielt nicht auf das in Art. 123 Abs. 1 AEUV explizit genannte Kreditverbot. Gleichwohl macht es im Ergebnis für die verbotene Finanzierungsfunktion keinen Unterschied, ob die Anleihen durch EFSF/ESM bei der EZB nur zur Besicherung von Krediten hinterlegt werden oder (endgültig) an die EZB verkauft werden. Auch wenn die EZB als Käufer der Anleihen mit dem Ziel handelt, die Verwerfungen an den Staatsanleihemärkten und die hieraus resultierenden ernsthaften Störungen des Preisbildungsprozesses zu beseitigen um so ein Funktionieren des geldpolitischen Transmissionsmechanismus zu sichern:48 Primärziel der Verkäufer EFSF/ESM bleibe die monetäre Staatsfinanzierung im Notfall. Diese Zielsetzung prägt auch das Rechtsgeschäft zwischen EZB und EFSF/ESM insgesamt. Sowohl im Fall einer Kreditvergabe als auch im Fall eines Anleihenverkaufs dient die Vertragsbeziehung zwischen EFSF/ESM und EZB aus Sicht von EFSF/ESM primär dem Zweck, Finanzmittel zu mobilisieren, um diese dann als konditionierte Finanz- bzw. Stabilitätshilfen ihren Mitgliedern bereitzustellen. Ebenso wie die durch Kreditaufnahme erworbenen Finanzmittel kommen auch die durch Anleihenverkauf erlangten Mittel (im Fall einer Refinanzierung von Kreditinstituten zumindest mittelbar) dem jeweiligen Haushalt des Empfängerstaates als eine von den Kapitalmärkten unabhängige Finanzierung zugute. Ein Erwerb von Staatsanleihen durch die EZB, der auf eine von den Kapitalmärkten unabhängige Finanzierung der Haushalte der Mitgliedstaaten abzielt, ist als Umgehung des Verbots monetärer Haushaltsfinanzierung ebenfalls untersagt.49 Im Rahmen einer funktionalen Betrachtung des „Geschäftsbeziehungsverbotes“ zwischen EFSF/ESM und EZB macht es wegen der gleichbleibenden Haushaltsfinanzierungsabsicht auf Verkäuferseite keinen Unterschied, ob der Ankauf von Staatsanleihen von einem solchen Verkäufer im Rahmen des SMP oder OMT- Programms erfolgt. 5. Ergebnis Vom Normzweck des Art. 123 AEUV wird auch der Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB unabhängig davon erfasst, ob dieser Ankauf im Rahmen des SMP oder OMT-Programms erfolgt, wenn dieser unmittelbar dem Zweck der monetären Staatsfinanzierung dient. 48 EZB Monatsbericht Oktober 2012, S. 7 ff. 49 BVerfG, Urteil vom 12.9.2012, 2BvR 1390/12, Rn. 278.