© 2018 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 152/18 Beihilfen für Flughäfen und Luftfahrtgesellschaften Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Diese Ausarbeitung dient lediglich der bundestagsinternen Unterrichtung, von einer Weiterleitung an externe Stellen ist abzusehen. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 152/18 Seite 2 Beihilfen für Flughäfen und Luftfahrtgesellschaften Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 152/18 Abschluss der Arbeit: 06.11.2018 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 152/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Überblick über das EU-Beihilferecht 4 2.1. Materielles EU-Beihilferecht 4 2.2. EU-Beihilfeverfahren 5 2.2.1. Vorabnotifizierung und Beihilfeverfahren 5 2.2.2. Freistellung von der Notifizierung und ex-post-Kontrolle 6 3. Beihilfen für Flughäfen und Luftverkehrsgesellschaften 7 3.1. Zum Beihilfetatbestand im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV bei staatlicher Förderung von Flughäfen und Luftverkehrsgesellschaften 7 3.1.1. Investitionsbeihilfen 7 3.1.2. Betriebsbeihilfen 9 3.1.3. Finanzielle Beziehungen zwischen Flughäfen und Luftverkehrsgesellschaften 9 3.2. Zur Rechtfertigung von Beihilfen für Flughäfen und Luftverkehrsgesellschaften und den hierfür einschlägigen Verfahrensansätzen 10 3.2.1. Flughafenleitlinien – Notifizierung nach Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV 10 3.2.2. Freistellung von der Notifizierung bei Beihilfen für Regionalflughäfen 11 3.2.3. Fazit 11 Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 152/18 Seite 4 1. Fragestellung Der Fachbereich wurde um eine Übersichtsdarstellung zur Beihilferelevanz staatlicher Förderungen für Flughäfen und Luftfahrtgesellschaften gebeten. Im Folgenden wird zunächst ein kurzer Überblick über das EU-Beihilferecht gegeben (2.), bevor dann auf die Beihilferelevanz staatlicher Förderung von Flughäfen und Luftverkehrsgesellschaften unter Berücksichtigung einschlägiger Kommissionsmaßnahmen eingegangen wird (3.). 2. Überblick über das EU-Beihilferecht Das EU-Beihilferecht lässt sich in materielle (2.1.) und formal-verfahrensrechtliche Bestimmungen (2.2.) aufteilen. 2.1. Materielles EU-Beihilferecht Den materiellen Kern des EU-Beihilferechts bildet das an die Mitgliedstaaten gerichtete grundsätzliche Verbot staatlicher Beihilfen. Nach Art. 107 Abs. 1 AEUV sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen . Diesem Normtext werden mehrere Merkmale entnommen, die kumulativ erfüllt sein müssen, um von dem Vorliegen einer Beihilfe ausgehen zu können: Neben der aus staatlichen Mitteln gewährten Begünstigung an Unternehmen gehören hierzu die Selektivität (Begünstigung nur bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige), die Wettbewerbsverfälschung und die Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels.1 Fehlt es nur an einem der Merkmale, so liegt keine Beihilfe nach Art. 107 Abs. 1 AEUV vor und das EU-Beihilferecht findet keine Anwendung .2 Sind die Merkmale des Art. 107 Abs. 1 AEUV hingegen erfüllt, so ist dies nicht gleichbedeutend mit einer Unionsrechtswidrigkeit der betreffenden nationalen Maßnahme. Denn das in dieser Vertragsvorschrift geregelte Beihilfeverbot gilt nicht absolut, sondern nur insoweit, als in den Verträgen nichts anderes bestimmt ist. Zu diesen „anderen Bestimmungen“ zählt vor allem Art. 107 Abs. 3 AEUV und die dort aufgeführten Fallgruppen.3 Danach können Beihilfen unter 1 Siehe zu den einzelnen Merkmalen und der dazu ergangenen Rechtsprechung die sog. Beihilfemitteilung der Kommission: Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl.EU 2016 Nr. C 262/1 (letztmaliger Abruf unter 06.11.18). In dieser Mitteilung erläutert die Kommission unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EuGH die einzelnen Merkmale des Beihilfetatbestandes. 2 Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 24.07.2003, Rs. C-280/00 (Altmark Trans), Rn. 74, mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung. 3 Weitere primärrechtliche Vorschriften in diesem Zusammenhang sind Art. 107 Abs. 2 AEUV (zwingende Legalausnahmen ) oder Art. 106 Abs. 2 AEUV für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind oder den Charakter eines Finanzmonopols haben. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 152/18 Seite 5 bestimmten Voraussetzungen als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen und insoweit gerechtfertigt bzw. als unionsrechtlich zulässig angesehen werden. 2.2. EU-Beihilfeverfahren Der Vollzug des EU-Beihilferechts obliegt auf Grundlage von Art. 108 AEUV vor allem der Kommission .4 In verfahrenstechnischer Hinsicht sind dabei zwei Ansätze zu unterscheiden: eine primärrechtlich vorgesehene ex-ante-Prüfung (siehe unter 2.2.1.) und eine sekundärrechtlich geprägte ex-post-Kontrolle (siehe unter 2.2.2.). 2.2.1. Vorabnotifizierung und Beihilfeverfahren Nach Art. 108 Abs. 2 und 3 AEUV sowie der sekundärrechtlichen Konkretisierung dieser Bestimmungen in Gestalt der Beihilfenverfahrensordnung (Beihilfe-VerfO)5 können mitgliedstaatliche Vorhaben zum einen vorab (präventiv) überprüft werden. Verfahrensrechtlicher Ausgangspunkt ist hierbei die Pflicht der Mitgliedstaaten, Beihilfen vor ihrer Einführung bei der Kommission anzumelden (Notifizierungspflicht, vgl. Art. 108 Abs. 3 S. 1 AEUV6). Diese prüft sodann, ob eine Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV vorliegt und – wenn das der Fall ist – ob sie insbesondere nach Art. 107 Abs. 3 AEUV gerechtfertigt werden kann.7 Erst im Anschluss hieran darf der betreffende Mitgliedstaat die Beihilfe gewähren (sog. Durchführungsverbot, vgl. Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV8). Von hoher praktischer Bedeutung sind an dieser Stelle zahlreiche Sekundärrechtsakte, in denen die Kommission einerseits ihre Ermessenspraxis u. a. zur Auslegung des Art. 107 Abs. 3 AEUV und andererseits die beihilferechtliche Rechtsprechung der Unionsgerichte zum Beihilfetatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV verschriftlicht hat, um die Rechtssicherheit (Vorhersehbarkeit) und Transparenz ihres Entscheidungsprozesses zu erhöhen.9 Zu diesen Rechtsakten gehören überwiegend nicht verbindliche Maßnahmen, die – ähnlich wie nationale Verwaltungsvorschriften – zumindest eine Selbstbindung der Kommission begründen.10 Diese nichtverbindlichen Maßnahmen werden in Form von (zum Teil bereichsspezifischen) Leitlinien, Unionsrahmen und 4 Zu den wenigen, zum Teil auf Ausnahmesituationen beschränkten Kompetenzen des Rates im EU-Beihilfenrecht nach Art. 107 Abs. 3 lit. e, Art. 108 Abs. 2 UAbs. 3 sowie Art. 109 AEUV, vgl. allgemein, Frenz, Handbuch Europarecht, Band 3: Beihilfe- und Vergaberecht, 2007, Rn. 1224 ff. 5 Verordnung (EU) Nr. 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 AEUV, ABl.EU 2015 Nr. L 248/9 (letztmaliger Abruf am 06.11.18). 6 Vgl. auch Art. 2 Abs. 1 Beihilfe-VerfO (Fn. 5). 7 Vgl. auch Art. 4, 6, 7 Beihilfe-VerfO (Fn. 5). 8 Vgl. auch Art. 3 Beihilfe-VerfO (Fn. 5). 9 Cremer, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 107 AEUV, Rn. 4. 10 Vgl. bspw. EuGH, Urt. v. 5.10.2000, Rs. C-288/96 (Deutschland/Deutschland), Rn. 62; EuGH, Urt. v. 7.03.2002, Rs. C-310/99 (Italien/Kommission), Rn. 52. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 152/18 Seite 6 Mitteilungen11 erlassen. Beziehen sich die unverbindlichen Vorschriften auf die Rechtfertigungstatbestände etwa des Art. 107 Abs. 3 AEUV, gewährleistet die Einhaltung der in den Vorschriften enthaltenen Vorgaben in der Regel einen positiven Ausgang des Beihilfeverfahrens. Zu erwähnen ist für die tatbestandliche Seite des Art. 107 Abs. 1 AEUV zum einen die 2016 erlassene sog. Beihilfemitteilung, in welcher die Kommission den Beihilfetatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV anhand der bisherigen Rechtsprechung erläutert.12 Im Hinblick auf die Rechtfertigungsebene ist im vorliegenden Kontext auf die Leitlinien für staatliche Beihilfen für Flughäfen und Luftverkehrsgesellschaften13 (im Folgenden: Flughafenleitlinien ; dazu unten mehr) zu verweisen. 2.2.2. Freistellung von der Notifizierung und ex-post-Kontrolle Neben der primärrechtlich vorgegebenen (präventiven) ex-ante Kontrolle eröffnet das Primärrecht die Möglichkeit, Beihilfen auch ohne vorherige Anmeldung und Kommissionsüberprüfung zu gewähren, soweit bestimmte vorab bekannte materielle und formale Anforderungen eingehalten werden.14 Diese Anforderungen ergeben sich v. a. aus sog. Freistellungsverordnungen, die die Kommission u. a. auf Grundlage von Art. 108 Abs. 4 AEUV in Verbindung mit einer sie dazu ermächtigenden Verordnung des Rates im Sinne des Art. 109 AEUV erlassen kann.15 Bei Einhaltung der jeweiligen Vorgaben werden die Mitgliedstaaten von der Pflicht zur (vorherigen) Notifizierung des Beihilfevorhabens und seiner Vorab-Kontrolle nach Art. 108 Abs. 2 und 3 AEUV freigestellt . Die Kommission kann die ihr gleichwohl anzuzeigende Gewährung solcher Beihilfen jedoch nachträglich kontrollieren. 11 Ein Gesamtüberblick über die verschiedenen Rechtsakte findet sich auf den Seiten der Generaldirektion Wettbewerb der Kommission (Stand vom 15.04.2014, letztmaliger Abruf am 06.11.18). Zur Frage der Rechtsverbindlichkeit der ermessenskonkretisierenden Kommissionsakte, vgl. Frenz (Fn. 4), Rn. 747 ff. 12 Siehe oben Fn. 1. 13 Leitlinien für staatliche Beihilfe für Flughäfen und Luftverkehrsgesellschaften, Mitteilung der Kommission, ABl.EU 2014 Nr. C 99/3 (letztmaliger Abruf am 06.11.18). 14 Dieser Bereich des Beihilferechts wurde im Zuge der 2014 durchgeführten Beihilferechtsreform („State Aid Modernisation “) ausgebaut, vgl. Soltész, Das neue europäische Beihilferecht, NJW 2014, S. 3128 (3130). 15 Bei der Verordnung des Rates auf Grundlage von Art. 109 AEUV handelt es sich um die Verordnung (EU) 2015/1588 des Rates vom 13. Juli 2015 über die Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf bestimmte Gruppen horizontaler Beihilfen, ABl.EU 2015 Nr. L 248/1, (letztmaliger Abruf am 06.11.18). Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 152/18 Seite 7 Zu erwähnen ist vorliegend die allgemeine Freistellungsverordnung (im Folgenden: AGVO),16 die seit ihrer Änderung im Jahr 2017 auch Vorgaben für die Freistellung von Beihilfen für Regionalflughäfen enthält (vgl. Art. 56 a AGVO; dazu unten mehr).17 3. Beihilfen für Flughäfen und Luftverkehrsgesellschaften Im Zusammenhang mit Beihilfen für Flughäfen und Luftverkehrsgesellschaften ist – wie in allen Beihilfefällen – zwischen dem Beihilfetatbestand (3.1.) und der Rechtfertigung etwaiger Beihilfen (3.2.) zu differenzieren. 3.1. Zum Beihilfetatbestand im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV Eine staatliche Förderung von Flughäfen oder Luftverkehrsgesellschaften unterfällt nur dann dem Beihilfetatbestand und bedarf infolge dessen einer Rechtfertigung, um als unionsrechtskonform angesehen zu werden, wenn sie die Merkmale des Art. 107 Abs. 1 AEUV kumulativ erfüllt.18 Ob alle Merkmale vorliegen ist jeweils eine Frage des Einzelfalls und lässt sich daher nicht abstrakt bestimmen. An dieser Stelle soll daher lediglich die grundlegende Differenzierung aufgegriffen werden, die insoweit von Seiten der Kommission in diesem Bereich vorgenommen wird, nämlich die Unterscheidung von Investitions- (3.1.1.) und Betriebsbeihilfen (3.1.2.). Diese betreffen die Relation zwischen der öffentlichen Hand einerseits und den Flughafenbetreibern, an denen die öffentliche Hand in der Regel als Anteilseigner beteiligt ist, anderseits. Daneben ist auch das Verhältnis zwischen den Flughafenbetreibern und den Luftverkehrsgesellschaften beihilferelevant (3.1.3.). 3.1.1. Investitionsbeihilfen Investitionsbeihilfen werden in den Flughafenleitlinien definiert als Beihilfen zur Finanzierung von Anlagevermögen, insbesondere zur Deckung der Kapitalkosten-Finanzierungslücke (vgl. Pkt. 2.2. Nr. 18 der Leitlinien). Unter letzterer ist nach den Flughafenleitlinien „der Kapitalwert der Differenz zwischen den im Laufe der Lebensdauer der Anlageinvestition anfallenden positiven und negativen Zahlungsströmen (einschließlich Investitionskosten)“ zu verstehen (vgl. Pkt. 2.2. Nr. 11 der Leitlinien). 16 Verordnung (EU) Nr. 651/2014 der Kommission vom 17. Juni 2014 zur Feststellung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Binnenmarkt in Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl.EU 2014 Nr. L 187/1 (letztmaliger Abruf am 06.11.18). Eine konsolidierte Fassung mit nachträglichen Änderungen liegt ebenfalls vor (letztmaliger Abruf am 06.11.18). 17 Diese Änderungen wurden eingefügt durch Verordnung (EU) 2017/1084 der Kommission vom 14. Juni 2017 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 651/2014 in Bezug auf Beihilfen für Hafen- und Flughafeninfrastrukturen, in Bezug auf Anmeldeschwellen für Beihilfen für Kultur und die Erhaltung des kulturellen Erbes und für Beihilfen für Sportinfrastrukturen und multifunktionale Freizeitinfrastrukturen sowie in Bezug auf regionale Betriebsbeihilferegelungen für Gebiete in äußerster Randlage und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 702/2014 in Bezug auf die Berechnung der beihilfefähigen Kosten, ABl.EU 2017 Nr. 156/1 (letztmaliger Abruf am 06.11.18). 18 Siehe oben unter 2.1., S. 4 f. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 152/18 Seite 8 Im Mittelpunkt dieser Definition steht die Finanzierung von Anlagevermögen eines Flughafens. In ihrer früheren Praxis hatte die Kommission entsprechende Investitionen der öffentlichen Hand in den Bau von Flughafenanlagen generell nicht als beihilferelevant im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV angesehen, da es ihrer Ansicht nach insoweit an einer wirtschaftlichen Tätigkeit fehlte, es sich vielmehr um eine allgemeine wirtschaftspolitische Maßnahme handelte.19 Hiervon ist die Kommission später infolge einer wandelnden Wirtschafts- und Wettbewerbslage in diesem Sektor abgerückt20 und hat ihrer Entscheidungspraxis Bau und Betrieb von Flughäfen als untrennbar miteinander verbundene Tätigkeiten angesehen, die als wirtschaftliche zu qualifizieren und grundsätzlich am Maßstab des Beihilfetatbestandes zu prüfen sind.21 Diese Praxis wurde vom Gerichtshof bestätigt. 22 Hierdurch wurde der Weg frei, um staatliche Förderung in Form von Kapitalzuschüssen, Darlehen oder anderen Finanzmitteln im Zusammenhang mit dem Bau und dem Betrieb von Flughäfen auf das Vorliegen der (übrigen) Beihilfemerkmale zu untersuchen. Keine Probleme bereitet dabei in der Regel das Merkmal der Staatlichkeit der Mittel, da die Flughäfen für gewöhnlich über Betreibergesellschaften in öffentlichem Eigentum stehen und es die jeweils dahinter stehenden öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaften als Anteilseigner sind, auf die die Förderung zurückgeht.23 Da die staatliche Förderung in der Regel nur einem Flughafen bzw. seinen Betreibern zukommt, bestehen auch keine Zweifel an der Selektivität der Maßnahme.24 Generell keine hohen Anforderungen bestehen auch an die Feststellung einer Wettbewerbsverfälschung sowie einer Beeinträchtigung des Handels, sofern es sich – wie hier – um Tätigkeiten handelt, für die ein wettbewerbsoffener Markt besteht25 und die nicht nur einen reinen lokalen Charakter haben.26 Von (entscheidender) Bedeutung, weil im Einzelnen durchaus fraglich, ist allerdings regelmäßig das Merkmal der Begünstigung. Eine solche liegt in jedem wirtschaftlichen Vorteil, den – in dem hier relevanten Bereich – ein Flughafenbetreiber von seinen öffentlichen Anteilseignern erhält.27 19 Vgl. EuGH, Urt. v. 19.12.2012, Rs. C-288/11 P (Flughafen Leipzig/Halle), Rn. 37. 20 Siehe hierzu die Ausführungen der Kommission in den Flughafenleitlinien (Fn. 13), Rn. 1 bis 20 („1. Einleitung: Beihilfepolitik im Luftverkehrssektor“). 21 Siehe etwa Entscheidung der Kommission vom 23. Juli 2008 (2008/948/EG) über Maßnahmen Deutschlands zugunsten von DHL und Flughafen Leipzig/Halle C 48/06 (ex N 227/06) – im Folgenden: Entscheidung Flughafen Leipzig, ABl. EU 2008 Nr. L 346/1 (letztmaliger Abruf am 06.11.18), Erwägungsgründe Nr. 166 bis 183. 22 Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 19.12.2012, Rs. C-288/11 P (Flughafen Leipzig/Halle), Rn. 38 ff. 23 Vgl. etwa Entscheidung Flughafen Leipzig (Fn. 21), Erwägungsgründe Nr. 184 bis 186; siehe auch Flughafenleitlinien (Fn. 13), Rn. 38 bis 40. 24 Siehe bspw. Entscheidung Flughafen Leipzig (Fn. 21), Erwägungsgrund Nr. 220. 25 Vgl. etwa Entscheidung Flughafen Leipzig (Fn. 21), Erwägungsgründe Nr. 221 bis 223; siehe auch Flughafenleitlinien (Fn. 13), Rn. 41 bis 45. 26 Siehe hierzu die Beihilfemitteilung (Fn. 1), Rn. 185 ff. 27 Siehe allgemein zum Begriff der Begünstigung die Beihilfemitteilung (Fn. 1), Rn. 66 ff. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 152/18 Seite 9 Ob ein solcher gegeben ist, hängt in Konstellationen, in denen die öffentliche Hand als Anteilseigner fungiert, davon ab, ob sie sich dabei wie ein marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber (sog. Private Investor-Test) verhält, der in der vergleichbaren Situation private Mittel aufgewandt hätte, um sie seinem Unternehmen zukommen zu lassen.28 Ist das der Fall, stellt die Förderung der öffentlichen Anteilseigner mangels wirtschaftlichem Vorteil keine Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV dar. Genügen die staatlichen Transfers diesen Anforderungen nicht, ist von einem wirtschaftlichen Vorteil und – zusammen mit den übrigen Merkmalen – von dem Vorliegen des Beihilfetatbestands nach Art. 107 Abs. 1 AEUV auszugehen. Im Einzelnen erfordert diese Prüfung eine betriebswirtschaftliche Untersuchung bzw. Nachweise von Seiten der öffentlichen Anteilseigner, aus denen nachvollzogen werden kann, dass die Förderung aus marktwirtschaftlichen Erwägungen heraus vorgenommen wurde etc.29 3.1.2. Betriebsbeihilfen Unter Betriebsbeihilfen sind nach den Flughafenleitlinien „Beihilfen zur Deckung der ‚operativen Finanzierungslücke‘, sowohl in Form eines vorab gezahlten Beihilfebetrags als auch in der Form einer in regelmäßigen Tranchen ausgezahlte Beihilfe zur Deckung erwarteter Betriebskosten (regelmäßige Pauschalzahlungen)“ zu verstehen (vgl. Rn. 25 Nr. 21 der Leitlinien). Betriebskosten im Sinne der Flughafenleitlinien sind „die mit der Erbringung von Flughafendienstleistungen verbundenen Kosten eines Flughafens; dazu gehören Kostenkategorien wie Personalkosten, Kosten für fremdvergebene Dienstleistungen, Kommunikation, Abfallentsorgung, Energie, Instandhaltung , Mieten und Verwaltung, jedoch weder Kapitalkosten, Marketingunterstützung bzw. andere Anreize, die der Flughafen den Luftverkehrsgesellschaften bietet, noch Kosten für Aufgaben mit hoheitlichem Bezug“ (vgl. Rn. 25 Nr. 22 der Leitlinien). Ob es sich bei den Maßnahmen zur Deckung erwarteter Betriebskosten um Beihilfen im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV handelt, ist jeweils im Einzelfall zu prüfen. Dabei ist – wie auch im Zusammenhang mit der Finanzierung von Anlagevermögen und der Frage nach dem Vorliegen von Investitionsbeihilfen – zu ermitteln, ob die Maßnahmen der öffentlichen Anteilseigner jeweils für sich genommen die einzelnen Beihilfemerkmale kumulativ erfüllen.30 3.1.3. Finanzielle Beziehungen zwischen Flughäfen und Luftverkehrsgesellschaften Die finanziellen Beziehungen zwischen Flughäfen und Luftverkehrsgesellschaften sind beihilfetatbestandlich dann von Relevanz, wenn einem Flughafen öffentliche Mittel zur Verfügung stehen und nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Luftverkehrsgesellschaften durch deren Einsatz wirtschaftliche Vorteile erlangen. In den Flughafenleitlinien wird die Annahme einer Beihilfe in diesem Verhältnis grundsätzlich nur dann ausgeschlossen, „wenn die Beziehung zwischen dem Flughafen und der Luftverkehrsgesellschaft mit dem Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten im Einklang steht. Der Fall ist dies in der Regel, wenn: (a) 28 Vgl. etwa Entscheidung Flughafen Leipzig (Fn. 21), Erwägungsgründe Nr. 187 bis 219; siehe auch Flughafenleitlinien (Fn. 13), Rn. 46 bis 52. 29 Siehe allgemein zum Private Investor-Test die Beihilfemitteilung (Fn. 1), Rn. 73 ff. Vgl. zur Anwendung der Grundsätze die Entscheidung Flughafen Leipzig (Fn. 21), Erwägungsgründe Nr. 187 bis 219. 30 Siehe oben unter 3.1.1., S. 7 f. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 152/18 Seite 10 der für die Flughafendienstleistungen erhobene Preis dem Marktpreis entspricht […] oder (b) durch eine Ex-ante-Analyse aufgezeigt werden kann, dass die Vereinbarung zwischen Flughafen und Luftverkehrsgesellschaft einen positiven inkrementellen Beitrag zum Gewinn des Flughafens leisten wird […]“ (vgl. Pkt. 53 der Leitlinien). Nähere Ausführungen zu diesen Anforderungen finden sich den Flughafenleitlinien. 3.2. Zur Rechtfertigung von Beihilfen für Flughäfen und Luftverkehrsgesellschaften und den hierfür einschlägigen Verfahrensansätzen Ist nach den obigen Ausführungen von einer Investitions- oder Betriebsbeihilfe auszugehen oder liegt im Verhältnis von Flughafen und Luftverkehrsgesellschaft eine Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV vor, so stellt sich die Frage nach ihrer materiellen Rechtfertigung und den dafür bestehenden Verfahrensanforderungen. Zu unterscheiden ist insoweit zwischen den Flughafenleitlinien (3.2.1.) und der Freistellungsmöglichkeit nach der sog. AGVO31 und ihren Vorgaben zu Beihilfen für Regionalflughäfen (3.2.2.). 3.2.1. Flughafenleitlinien – Notifizierung nach Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV Die Flughafenleitlinien konkretisieren sektorspezifisch vor allem den Rechtfertigungstatbestand des Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV (Beihilfen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete […]) und kommen zur Anwendung, wenn eine Beihilfemaßnahme nach Art. 108 Abs. 3 S. 1 AEUV notifiziert und erst im Anschluss an eine (positive) Beihilfeprüfung durch die Kommission gewährt werden soll. Die Einhaltung ihrer materiellen Anforderungen in Bezug auf die betreffende staatliche Maßnahme zugunsten von Flughäfen oder Luftverkehrsgesellschaften gewährleistet den Erlass einer genehmigenden Entscheidung durch die Kommission. Welche materiellen Anforderungen im Einzelnen an Investitions- oder Betriebsbeihilfen oder an eine zulässige finanzielle Beziehung zwischen Flughäfen und Luftverkehrsgesellschaften einzuhalten sind, ergibt sich aus den Flughafenleitlinien und soll hier nicht weiter vertieft werden. Hinzuweisen ist lediglich auf den Umstand, dass die Flughafenleitlinien hinsichtlich der materiellen Anforderungen zum Teil zwischen großen und kleinen bzw. regionalen Flughäfen differenzieren .32 Bei der in der Auftragsfrage zitierten Passage zur Einzelanmeldung von Beihilfen handelt es sich um eine verfahrensrechtliche Empfehlung der Kommission in den Flughafenleitlinien,33 die auf die Unterscheidung von Einzelbeihilfen und Beihilferegelungen zurückgeht. Während es sich bei den zweitgenannten nach der Legaldefinition in Art. 1 Buchst. d Beihilfe-VerfO34 um eine „Regelung [handelt], wonach Unternehmen, die in der Regelung in einer allgemeinen und abstrakten 31 Siehe oben Fn. 16. 32 Vgl. Flughafenleitlinien (Fn. 13), Rn. 17, 25 Nr. 26. 33 Vgl. etwa Flughafenleitlinien (Fn. 13), Rn. 136. 34 Siehe oben Fn. 5. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 152/18 Seite 11 Weise definiert werden, ohne nähere Durchführungsmaßnahmen Einzelbeihilfen gewährt werden können […]“, sind Einzelbeihilfen nach Art. 1 Buchst. e Beihilfe-VerfO „Beihilfen, die nicht aufgrund einer Beihilferegelung gewährt werden, und einzelne anmeldungspflichtige Zuwendungen aufgrund einer Beihilferegelung“. Grundsätzlich steht es den Mitgliedstaaten frei, wie sie ihre zu notifizierenden Beihilfemaßnahmen ausgestalten, ob als Einzelbeihilfe oder als Beihilferegelung. Eine Befolgung der Kommissionsempfehlung zur Notifizierung von Einzelbeihilfen gewährleistet jedoch auch hier zumindest eine schnellere Überprüfung der Maßnahme. 3.2.2. Freistellung von der Notifizierung bei Beihilfen für Regionalflughäfen Eine andere verfahrensrechtliche Option bietet die AGVO und ihre Vorgaben zu Beihilfen für Regionalflughäfen in Art. 56a AGVO. Werden die materiellen Anforderungen, die dort für Investitions - oder Betriebsbeihilfen aufgestellt sind, eingehalten, dann sind die entsprechenden staatlichen Maßnahmen von der Notifizierungspflicht freigestellt (vgl. Art. 56 a Abs. 1 und 2 AGVO) und können sofort gewährt werden, unterliegen aber der nachträglichen (ex-post) Kontrolle der Kommission. Im Unterschied zu den Vorgaben der Flughafenleitlinien weist Art. 56a AGVO allerdings einen geringeren Anwendungsbereich auf und dürfte ggf. auch striktere Vorgaben enthalten , so dass den Mitgliedstaaten ein geringerer Ausgestaltungsspielraum zukommt als dies bei den Flughafenleitlinien der Fall ist, die Grundlage für eine individuelle Kommissionsprüfung vor Gewährung der Beihilfemaßnahme sind. 3.2.3. Fazit Erfüllt eine staatliche Fördermaßnahme gegenüber einem Flughafen oder einer Luftverkehrsgesellschaft die Merkmale einer Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV, so hängt der verfahrensrechtliche Weg, der gewählt wird, um eine Beihilfekonformität für die Maßnahme zu gewährleisten , entscheidend von der jeweiligen Ausgestaltung der Förderung ab und steht damit letztlich im Ermessen des jeweiligen Mitgliedstaates bzw. der an der Maßnahme beteiligten öffentlichen Gebietskörperschaften. – Fachbereich Europa –