© 2016 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 150/16 Stand der Umsetzung des Fahrplans für eine Aufhebung der Visumpflicht für Reisen türkischer Staatsangehöriger in den Schengen- Raum Sachstand Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Die Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten des Fachbereichs Europa geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab der Fachbereichsleitung anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Diese Ausarbeitung dient lediglich der bundestagsinternen Unterrichtung, von einer Weiterleitung an externe Stellen ist abzusehen. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 150/16 Seite 2 Stand der Umsetzung des Fahrplans für eine Aufhebung der Visumpflicht für Reisen türkischer Staatsangehöriger in den Schengen-Raum Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 150/16 Abschluss der Arbeit: 25. Oktober 2016 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 150/16 Seite 3 1. Fahrplan für die Aufhebung der Visumpflicht für türkische Staatsangehörige Die Kommission (KOM) hat am 4. Mai 2016 einen Legislativvorschlag1 zur Aufhebung der Visumpflicht für türkische Staatsangehörige (sog. Visaliberalisierung) vorgelegt. Im parallel dazu veröffentlichten Fortschrittsbericht3 über die Erfüllung der Zielvorgaben für die Visaliberalisierung durch die Türkei erkannte die KOM gute Ergebnisse an, wies aber zugleich auf noch zu ergreifende Maßnahmen u.a. in den Bereichen des Datenschutzes, der justiziellen Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten sowie der Kooperation mit Europol hin.4 Angemahnt wurde auch eine Überprüfung der nationalen Rechtsbestimmungen und Verfahren zur Terrorismusbekämpfung. Insbesondere diese Forderung wurde von türkischer Seite zurückgewiesen. Mit dem Vorschlag für eine Visaliberalisierung für die Türkei ist der Vorschlag zur Überarbeitung des geltenden Aussetzungsmechanismus5 verbunden,6 der eine vorübergehende Aussetzung der Visabefreiung als letztes Mittel auf Initiative eines Mitgliedstaates für einen Zeitraum bis zu sechs Monaten (mit der Möglichkeit einer 12-monatigen Verlängerung) erlaubt. Künftig soll der 1 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (Türkei), KOM(2016)279 endg., abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52016PC0279&qid=1477382509970&from=DE. 3 Dritter Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Fortschritte der Türkei bei der Erfüllung der Vorgaben des Fahrplans für die Visaliberalisierung, KOM(2016)278 endg., abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52016DC0278&qid=1477382618349&from=DE. 4 Eine tabellarische Abbildung der insgesamt 72 durch die Türkei zu erfüllenden Kriterien ist abrufbar unter: http://ec.europa.eu/dgs/home-affairs/what-we-do/policies/european-agenda-migration/backgroundinformation /docs/20160504/turkey_progress_visa_liberalisation_roadmap_en.pdf; zum Verfahren vgl. Referat PE 4 (EU- Verbindungsbüro), Bericht aus Brüssel 10/2016 vom 6. Juni 2016, S. 2 ff., abrufbar unter https://www.bundestag .btg/Wissen/Europa/Berichte/2016_10.pdf. 5 Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates vom 15. März 2001 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind, ABl. L 81 vom 21.3.2001, S. 1, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32001R0539&qid=1477382816706&from=DE. 6 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (Überarbeitung des Mechanismus zur Aussetzung der Visumbefreiung), KOM(2016)290 endg., abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52016PC0290&qid=1477382720016&from=DE. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 150/16 Seite 4 Mechanismus nicht nur als „letztes Mittel in bestimmten Notlagen“8 zur Anwendung kommen, sondern auch in den Fällen, in denen die Visaliberalisierung zu einer erheblichen Steigerung der irregulären Migration, von unbegründeten Asylanträgen oder abgelehnten Rücknahmeersuchen führt. Hiervon werden insbesondere die Fälle erfasst, in denen ein Drittstaat die Rückübernahme von Staatsangehörigen eines anderen Drittstaates verweigert, die durch den betreffenden Drittstaat gereist sind. Die Möglichkeiten einer vorübergehenden Aussetzung der Visaliberalisierung sollen auch durch eine Reduzierung der zu berücksichtigenden Zeiträume modifiziert werden. Der Aussetzungsmechanismus soll auch auf Initiative der KOM angewandt werden können. Schließlich sieht der Vorschlag vor, dass die Aussetzung der Visaliberalisierung durch einen Durchführungsrechtsakt der KOM innerhalb eines Monats (gegenwärtig drei Monate) erlassen werden kann. 2. Stand der Umsetzung Hinsichtlich der Umsetzung des Fahrplans für die Visaliberalisierung zeigt der Bericht der Kommission vom 15. Juni 20169 sieben Vorgaben auf, die noch von der Türkei zu erfüllen sind: Ausstellung biometrischer Reisedokumente, die in vollem Umfang den geltenden EU-Vorschriften entsprechen, Verabschiedung der im Fahrplan vorgesehenen Maßnahmen zur Korruptionsprävention, Abschluss einer Vereinbarung über die operative Zusammenarbeit mit Europol, Überarbeitung der Rechtsvorschriften und praktischen Verfahren zur Terrorismusbekämpfung gemäß den europäischen Standards, Angleichung der Rechtsvorschriften über den Schutz personenbezogener Daten an die EU- Standards, Übermittlung eines Angebots zur wirksamen justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen an alle EU-Mitgliedstaaten, Umsetzung sämtlicher Bestimmungen des Rückübernahmeabkommens zwischen der EU und der Türkei. Gegenwärtig ruht das Verfahren im EP, das über den Verordnungsentwurf mitzuentscheiden hat, nachdem EP-Präsident Schulz den KOM-Vorschlag nicht an den zuständigen Rechtsausschuss überwiesen hat. Die von der KOM am 4. Mai 2016 vorgeschlagene und zunächst von Juni auf Oktober 2016 verschobene Aufhebung der Visumpflicht für türkische Staatsangehörige scheint nach Medienberichten vorerst auf Ende 2016 verschoben zu sein. 8 KOM(2016)290 endg., S. 2. 9 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat, Zweiter Bericht über die Fortschritte bei der Umsetzung der Erklärung EU-Türkei, KOM(2016)349 endg., abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal -content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52016DC0349&qid=1477383815704&from=DE sowie dementsprechend die Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat, Dritter Bericht über die Fortschritte bei der Umsetzung der Erklärung EU-Türkei, KOM(2016)634 endg., abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal -content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52016DC0634&qid=1477383949647&from=DE; vgl. zur Umsetzung des Visaliberalisierungsfahrplans auch die Antwort der Bundesregierum vom 29. Juli 2016 in BT-Drs. 18/9326, S. 7 ff. Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Sachstand PE 6 - 3000 - 150/16 Seite 5 Insbesondere mit Verweis auf den gescheiterten Putsch im Juli 2016 lehnt es die Türkei bisher ab, die angemahnte Überprüfung der nationalen Rechtsbestimmungen und Verfahren zur Terrorismusbekämpfung vorzunehmen. Nachdem die türkische Regierung in den vergangenen Monaten mehrfach die Aufkündigung der EU-Türkei-Erklärung vom März 2016 in Aussicht gestellt hatte, sollte eine Einigung über die Visaliberalisierung bis Oktober 2016 nicht zustande kommen, signalisierte sie laut Medienberichten Anfang September 2016 ihre Bereitschaft, an diesem Termin nicht festzuhalten. - Fachbereich Europa -