WD 11 – 3000 – 149/12 Wissenschaftliche Dienste Deutscher Bundestag Ausarbeitung Europarechtliche Bedenken gegen eine Bankenaufsicht durch die Europäische Zentralbank (EZB)? Zum Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Rates zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die EZB vom 12. September 2012 WD 11 – 3000 – 149/12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 2 WD 11 – 3000 – 149/12 Europarechtliche Bedenken gegen eine Bankenaufsicht durch die Europäische Zentralbank (EZB)? Zum Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Rates zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die EZB vom 12. September 2012 Aktenzeichen: WD 11 – 3000 – 149/12 Abschluss der Arbeit: 26.10.2012 Fachbereich: WD 11: Europa Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 3 WD 11 – 3000 – 149/12 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 5 2. Hintergrund: Die Europäische Finanzmarktaufsicht und die bisherige Rolle der EZB 5 2.1. ESFS 5 2.2. ESFS und ESZB 8 2.3. EZB 9 3. Bankenaufsicht durch die EZB – Der aktuelle Kommissions- Vorschlag zur Übertragung von Aufsichtsaufgaben auf die EZB 10 4. Europarechtliche Bewertung des Kommissionsvorschlages zur Übertragung von Aufsichtsaufgaben auf die EZB 11 4.1. Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung und Rechtsgrundlage 11 4.1.1. Art. 127 Abs. 6 AEUV 12 4.1.1.1. Übertragung „besonderer Kompetenzen“? 12 4.1.1.2. Einrichtung eines „Aufsichtsgremiums“ zur Erfüllung der Aufsichtsaufgaben auf Basis von Art. 127 Abs. 6 AEUV? 14 4.1.1.3. Zusammenarbeit zwischen EZB und nicht zum Euro- Währungsgebiet gehörenden Mitgliedstaaten 15 4.1.2. Andere denkbare Rechtsgrundlagen? 16 4.1.2.1. Art. 114 AEUV 16 4.1.2.1.1. Art. 114 AEUV und die Errichtung der EBA 17 4.1.2.1.2. Art. 114 und die Übertragung der Bankenaufsicht auf die EZB 19 4.1.2.2. Art. 352 AEUV 19 4.1.3. Ergebnis 21 4.2. Subsidiaritätsprinzip 21 4.2.1. Keine ausschließliche Zuständigkeit der Europäischen Union 22 4.2.2. Keine ausreichende Verwirklichung der Ziele auf der Ebene der Mitgliedstaaten 22 4.2.3. Bessere Verwirklichung der Ziele auf der Ebene der Europäischen Union: Begründungskontrolle 23 4.2.4. Ergebnis 25 4.3. Achtung mitgliedstaatlicher Handlungsspielräume 25 4.4. Interessenkonflikt zwischen Zielen der Geldpolitik und der Bankenaufsicht 26 4.4.1. Zielkonflikt zwischen Geldpolitik und Bankaufsicht? 26 4.4.2. Zielkonflikte durch Trennung von Bankenaufsicht und Geldpolitik? 27 4.4.3. Kommissionsvorschlag 28 4.4.4. Ergebnis 29 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 4 WD 11 – 3000 – 149/12 4.5. Unabhängigkeit der Zentralbank 29 4.5.1. Unabhängigkeit und demokratische Kontrolle 30 4.5.2. Unabhängigkeit und gerichtliche Überprüfung von Aufsichtsentscheidungen der EZB 31 4.6. Unabhängigkeit nationaler Zentralbanken 31 4.7. Ergebnis 32 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 5 WD 11 – 3000 – 149/12 1 . E i n l e i t u n g Am 12. September legte die Europäische Kommission ein Maßnahmenpaket zur Schaffung eines einheitlichen Aufsichtsmechanismus für Banken unter der Führung der Europäische Zentralbank (EZB) als ersten Schritt in Richtung einer europäischen Bankenunion vor. Das Paket beinhaltet einen Verordnungsvorschlag zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die EZB1, einen weiteren Verordnungsvorschlag zur Änderung der Verordnung zur Errichtung der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde2 und zudem eine Mitteilung, die den weiteren Fahrplan für eine Bankenunion beschreibt3. Gegenstand dieser Ausarbeitung ist die Frage, ob europarechtliche Bedenken gegen die Übertragung der Bankenaufsicht auf die EZB bestehen. Zum besseren Verständnis werden in einem ersten Schritt kurz das bisherige Aufsichtssystem und die Rolle der EZB in ihm erörtert (2.). Dann wird der Kommissionsvorschlag im Einzelnen dargestellt (3.), um schließlich eine europarechtliche Bewertung des Kommissionsvorschlages vorzunehmen (4.). 2 . Hintergrund: Die Europäische Finanzmarktaufsicht und die bisherige Rolle der EZB 2.1. ESFS Als Reaktion auf die Finanzkrise wurde 2011 das neue Europäische System der Finanzaufsicht (European System of Financial Supervision – ESFS) geschaffen.4 Dieses besteht zum einen aus 1 Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank, Kom (2012) 511, endg., online abrufbar unter: http://ec.europa.eu/internalmarket/finances/docs/committees/reform/20120912-com-2012-511de.pdf (zuletzt abgerufen am 26.10.2012) – im Folgenden: Verordnungsvorschlag zur Übertragung von Aufsichtsaufgaben. 2 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde) hinsichtlich ihrer Wechselwirkungen mit der Verordnung (EU) Nr. .../... des Rates zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank, Kom (2012) 512, endg., online abrufbar: http://ec.europa.eu/internalmarket/finances/docs/committees/reform/20120912-com-2012-512de.pdf (zuletzt abgerufen am 26.10.2012) – im Folgenden: Verordnungsvorschlag zur Änderung der EBA-Verordnung. 3 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat Fahrplan für eine Bankenunion, Kom (2012) 510 endg, online abrufbar unter: http://ec.europa.eu/internalmarket/finances/docs/committees/reform/20120912-com-2012-510de.pdf (zuletzt abgerufen am 26.10.2012) – im Folgenden: Kom (2012) 510. 4 Zur Entwicklung der europäischen Finanzaufsicht vgl. Lehmann/Manger-Nestler, Die Vorschläge zur neuen Architektur der europäischen Finanzaufsicht, EuZW 2010, 87. Einen Überblick über die Struktur des ESFS bietet Kämmerer, Das neue Europäische Finanzaufsichtssystem (ESFS) – Modell für eine europäisierte Verwaltungsarchitektur ?, NVwZ 2011, 1281ff.; Siehe auch Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts- Handbuch, 4. Auflage 2011, § 126, Die Aufsichtsbehörden und ihre Instrumente, Rn. 12ff.; Baur/Boegl, Die neue europäische Finanzmarktaufsicht – Der Grundstein ist gelegt, BKR 2011, 177ff.; Ceyssens, Die neue europäische Aufsichtsarchitektur im Finanzbereich, Bonn, 2011. Einen umfassenden Überblick über die bestehende Finanzaufsichtsstruktur bietet Kohtamäki, Die Reform der Bankenaufsicht in der Europäischen Union, Tübingen, 2012. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 6 WD 11 – 3000 – 149/12 dem Europäischen Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) und den drei Europäischen Finanzaufsichtsbehörden (ESA)5, d.h. aus der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA), der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) und der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA), die jeweils aus den zuvor bestehenden Beratergruppen6 hervorgingen. Zum anderen sind auch die Europäische Kommission (Kommission) und die nationalen Aufsichtsbehörden am ESFS beteiligt. Das ESFS bildet dabei als Dachkonstrukt ohne eigene Rechtspersönlichkeit die organisatorische Klammer über die ihm zugehörigen Einrichtungen.7 Quelle: Kämmerer, Das neue Europäische Finanzaufsichtssystem (ESFS) – Modell für eine europäisierte Verwaltungsarchitektur ?, NVwZ 2011, 1281 (1282). 5 Verordnungen des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.11.2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde [sowie zur Änderung und Aufhebung bestimmter Rechtsvorschriften] (ABl. Nr. L 331/12 vom 15.12.2010, 48 ff., 84 ff.): Europäische Bankaufsichtsbehörde – EBA – (Verordnung [EU] Nr. 1093/2010 – im Folgenden EBA-Verordnung), Europäische Wertpapier und Marktaufsichtsbehörde – ESMA – (Verordnung [EU] Nr. 1095/2010), Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung – EIOPA – (Verordnung [EU] Nr. 1095/2010). Das Amtsblatt der EU ist online abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/RECHreferencepub.do (zuletzt abgerufen am 26.10.2012). 6 Sogenannte Level-3-Ausschüsse CESR, CEIPS und CEBS, sowie IFCC. Im Einzelnen dazu vgl. Lehmann/Mange- Nestler, a.a.O. (88); Kämmerer, a.a.O. (1282 m.w.N.). 7 Lehmann/Manger-Nestler, a.a.O. (88). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 7 WD 11 – 3000 – 149/12 Im System des ESFS obliegt die ganzheitliche-abstrakte (makroprudentielle8) Aufsicht über alle Finanzmarktbereiche dem schon jetzt an die Europäische Zentralbank angegliederten ESRB.9 Dieser soll die allgemeine Stabilität des Finanzsystems in Europa als Ganzes überwachen und erforderlichenfalls als eine Art Frühwarnsystem Warnungen und Empfehlungen aussprechen. Der ESRB hat keine verbindlichen Entscheidungskompetenzen. Er ermittelt Systemrisiken10, versorgt die ESA mit Informationen darüber11, gibt Warnungen und gegebenenfalls Empfehlungen für Abhilfemaßnahmen heraus12 und stimmt seine Tätigkeit mit internationalen Finanzorganisationen und Drittlands-Aufsichtsbehörden ab13. Wichtigstes Entscheidungsgremium des ESRB ist der Verwaltungsrat, welcher aus dem EZB-Präsidenten und -Vizepräsidenten sowie den Präsidenten und Vizepräsidenten der nationalen Zentralbanken besteht.14 Zudem stellt die EZB für den ESRB ein Sekretariat und leistet ihm dadurch analytische, statistische, logistische und administrative Unterstützung.15 Die mikroprudentielle Aufsicht16 wird hingegen in einem Zusammenspiel zwischen der ESA und den nationalen Aufsichtsbehörden ausgeführt. Die Solvenzaufsicht gegenüber den einzelnen Markteilnehmern, also die Beaufsichtigung der einzelwirtschaftlichen Geschäftstätigkeit von Banken, Versicherungen und Wertpapierdienstleistern, um durch deren regelmäßige Überprüfung sicherzustellen, dass die Geschäfte unter Beachtung der Regulierungsvorschriften so geführt werden, dass die betriebswirtschaftlichen Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung der Solvenz erfüllt sind, obliegt dabei den nationalen Aufsichtsbehörden. Die ESA sind als Regulierungsbehörden damit betraut, einen Beitrag zur Festlegung einheitlicher Regulierungs- und Aufsichtsstandards zu leisten, indem sie Stellungnahmen, Leitlinien, Empfehlungen und Entwürfe für technische Regulierungs- und Durchführungsstandards ausarbeiten.17 Zudem übernehmen sie 8 Synonym wird der Begriff der Makroaufsicht verwendet (vgl. Reform von Bankenregulierung und Bankenaufsicht nach der Finanzkrise, Gutachten Nr. 03/10 des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, April 2010, online abrufbar unter http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/Publikationen/Studien/reform-von-bankenregulierung-undbankenaufsicht -wissenschaftlicher-beirat,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf, zuletzt abgerufen am 26.10.2012, S. 37). 9 Vgl. Verordnung (EU) Nr. 1092/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über die Finanzaufsicht der Europäischen Union auf Makroebene und zur Errichtung eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken, ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 1–11 und Verordnung (EU) Nr. 1096/2010 des Rates vom 17. November 2010 zur Betrauung der Europäischen Zentralbank mit besonderen Aufgaben bezüglich der Arbeitsweise des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken, ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 162–16. 10 Art. 3 Abs. 2 lit. a) ff., Art. 15 Verordnung (EU) 1092/2010. 11 Art. 3 Abs. 2 lit. g), 15 Abs. 1 Verordnung (EU) 1092/2010. 12 Art. 3 Abs. 2 lit. c) ff., 16 ff. Verordnung (EU) 1092/2010. 13 Art. 3 Abs. 2 lit. i) Verordnung (EU) 1092/2010. 14 Art. 4 und 6 Verordnung (EU) 1092/2010. 15 Art. 2 Verordnung (EU) 1096/2010. 16 oder Mikroaufsicht, vgl. oben Fn. 8. 17 z.B. Art. 8 EBA-Verordnung. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 8 WD 11 – 3000 – 149/12 die Aufsicht über die zuständigen Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten. Wenn die nationalen Aufsichtsbehörden gegen Unionsrecht verstoßen, findet ein dreistufiger Mechanismus Anwendung , der von Untersuchungen durch die jeweilige ESA bis hin zur Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens als ultima ratio durch die Kommission reicht.18 Die ESA können im Einzelfall durch verbindliche Beschlüsse gegenüber einzelnen Marktteilnehmern direkt ins Marktgeschehen eingreifen (Durchgriff) oder Einzelfallentscheidungen an nationale Aufsichtsbehörden richten (Weisung).19 Durchgriff bzw. Weisung kommen in Betracht, wenn eine anhaltende Rechtsverletzung einer nationalen Behörde vorliegt (z.B. Art. 17 Abs. 6 der EBA-VO), wenn der Rat den Krisenfall festgestellt hat (z.B. Art. 18 Abs. 4 der EBA-VO) oder bei Konflikten zwischen nationalen Aufsichtsbehörden (z.B. Art. 19 Abs. 4 der EBA-VO). Die ESA haben jedoch keine Möglichkeit , die Durchsetzung der Beschlüsse zu erzwingen. Diese Kompetenz haben ausschließlich die nationalen Aufsichtsbehörden, die von den ESA entsprechend angewiesen werden können (vgl. etwa Art. 18 Abs. 3 EBA-Verordnung). Zusätzlich können die nationalen Aufsichtsbehörden auch freiwillig Aufgaben auf die ESA übertragen. Die ESA sind unabhängig: Sie dürfen Weisungen weder von EU-Organen oder -Einrichtungen, noch von mitgliedstaatlichen oder sonstigen öffentlichen oder privaten Stellen annehmen noch anfordern.20 Die EZB ist nur insofern „beteiligt“, als dass sie im Rat der Aufseher mit einem nicht stimmberechtigten Mitglied vertreten ist.21 2.2. ESFS und ESZB Dem ESFS, welches der Sicherung stabiler Finanzmärkte dient, tritt das Europäische System der Zentralbanken (ESZB) gegenüber, welches vorrangig der Preisstabilität verpflichtet ist (vgl. Art. 127 AEUV).22 Das ESZB wird nach Art. 282 Abs. 1 S. 1 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)23 aus der EZB und den nationalen Zentralbanken (NZB) aller Mitgliedstaaten der EU gebildet. Es ist unabhängig, damit es das vorrangige Ziel der Preisstabilität unbeeinflusst verfolgen kann. Art. 127 Abs. 5 AEUV verpflichtet das ESZB, die zuständigen nationalen Behörden im Bereich der Kreditwesenaufsicht und der Aufsicht über sonstige Finanzinstitute zu unterstützen . Es soll zur reibungslosen Durchführung der Maßnahmen zur Aufsicht über die Kreditinstitute und der Stabilität des Finanzsystems beitragen. Hinzu kommt die beratende Tätigkeit der EZB (Art. 127 Abs. 4 AEUV). Eigene Kompetenzen für die Bankenaufsicht verleiht das Primärrecht dem ESZB nicht. Die EZB ist jedoch schon jetzt an der Sicherung der Stabilität der Finanzmärkte 18 z.B. Art. 17 EBA-Verordnung. 19 Kohtamäki, a.a.O., S. 186. 20 z.B. Art. 42, 46, 49, 59 EBA-Verordnung. 21 z.B. Art. 40 Abs. 1 lit. d) EBA-Verordnung. 22 Lehmann/Manger-Nestler, a.a.O. (89). 23 Konsolidierte Fassung des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union i.d.F. des Vertrages von Lissabon vom 9.5.2008 (ABl. C 83/47 vom 30.3.2010). Das Amtsblatt der EU ist online abrufbar unter http://eurlex .europa.eu/RECHreferencepub.do (zuletzt abgerufen am 29.08.2012). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 9 WD 11 – 3000 – 149/12 dadurch beteiligt, dass ihr Präsident und ihr Vizepräsident dem Verwaltungsrat des ESRB angehören .24 2.3. EZB Gemäß Art. 13 Abs. 1 UAbs. 2 6. Gedankenstrich EUV ist die EZB Organ der EU. Die Bestimmungen über die EZB sind gemäß Art. 13 Abs. 3 EUV im AEUV geregelt. Zudem finden sich Rechtsgrundlagen für das ESZB und die EZB auch im Protokoll Nr. 4 über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank (ESZB/EZB-Satzung)25. Gemäß Art. 51 EUV ist dieses Protokoll wie alle Protokolle und Anhänge Bestandteil des Primärrechts .26 Gemäß Art. 129 Abs. 1 AEUV i.V.m. Art. 9.3. ESZB/EZB-Satzung hat die EZB mit dem Direktorium und dem EZB-Rat zwei Beschlussorgane. Solange nicht alle Mitgliedstaaten der EU den Euro als Währung eingeführt haben, gibt es als drittes Beschlussorgan den Erweiterten Rat gemäß Art. 44 ESZB/EZB-Satzung. Gemäß Art. 12.1 ESZB/EZB-Satzung erlässt der EZB-Rat, bestehend aus den Präsidenten und Vizepräsidenten der NZB der Länder, die den Euro eingeführt haben, und den Mitgliedern des Direktoriums, die Leitlinien und Beschlüsse, die notwendig sind, um die Erfüllung der dem ESZB übertragenen Aufgaben zu gewährleisten. Er ist es demnach, der die Geldpolitik der EU i.S.d. Art. 127 AEUV festlegt.27 Das Direktorium, welches gemäß Art. 283 Abs. 2 UAbs. 1 AEUV aus Präsident, Vizepräsident und vier weiteren Mitgliedern besteht, führt gemäß Art. 11.6 der ESZB/EZB-Satzung die laufenden Geschäfte und ist gemäß Art. 12.1 UAbs. 2 S. 2 der ESZB/EZB-Satzung den NZB gegenüber weisungsbefugt. Zu den Aufgaben des erweiterten EZB-Rates, in dem auch die Präsidenten und Vizepräsidenten der Zentralbanken der Länder vertreten sind, die den Euro nicht eingeführt haben, gehören vor allem der Informationsaustausch und die Koordination zwischen den Ländern, deren Währung der Euro ist, und den anderen Mitgliedstaaten. Höchster Repräsentant der EZB ist der EZB-Präsident, der zwar keine eigenen Entscheidungsbefugnisse hat, aber Teil aller drei Beschlussorgane ist. Gemäß Art. 282 Abs. 4 AEUV erlässt die EZB durch ihre Beschlussorgane die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Maßnahmen, wobei die Handlungsformen der EZB in Art. 132 AEUV geregelt sind. Danach kann die EZB Verordnungen (1. Gedankenstrich) und Beschlüsse (2. Gedankenstrich) erlassen sowie Empfehlungen und Stellungnahmen abgeben (3. Gedankenstrich). In der ESZB/EZB- Satzung wird konkretisiert, in welchen Bereichen welche Handlungsformen in Betracht kommen. 24 Vgl. oben Fn. 14 und 15. 25 ABl. C 83/230 vom 30.3.2010. 26 Hahn/Häde, Währungsrecht, 2. Auflage 2010, S. 138. 27 Hahn/Häde, a.a.O., S. 148. WD 11 – 3000 – 149/12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 10 WD 11 – 3000 – 149/12 3. Bankenaufsicht durch die EZB – Der aktuelle Kommissions-Vorschlag zur Übertragung von Aufsichtsaufgaben auf die EZB Der vorliegende Vorschlag der Kommission zur Übertragung von Aufsichtsaufgaben auf die EZB enthält keine materiellen Aufsichtsstandards, sondern betrifft die Frage nach der Zuständigkeit und den Aufsichtsinstrumenten. Mit Bankenaufsicht ist dabei die durch staatliche Stellen ausgeführte laufende Aufsicht über die Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute in Abgrenzung zu der Wertpapier- und Börsen- sowie der Versicherungsaufsicht gemeint.28 Der vorgelegte Fahrplan für eine Bankenunion29 enthält darüber hinausgehende Vorschläge: So ist neben der zentralen Bankenaufsicht durch die EZB, die Gegenstand dieser Ausarbeitung ist, als „Kernbestandteil“30 der längerfristigen Vision einer Bankenunion31 langfristig auch die Einführung eines gemeinsamen Einlagensicherungssystems und eines integrierten Bankenkrisenmanagements inklusive einer einheitliche Bankenabwicklung angedacht. Der von der Kommission anvisierte Zeitplan für das Inkrafttreten des Verordnungsvorschlags ist eng und wird nicht zu halten sein.32 Geplant ist die stufenweise Einführung der neuen Aufsichtsbefugnisse . In einem ersten Schritt soll die EZB Aufsichtsverantwortung für jedes beliebige Kreditinstitut übernehmen können, insbesondere wenn es öffentliche Unterstützung beantragt hat oder erhält. Später soll dann die Aufsicht über alle systemrelevanten Banken folgen, um in einem dritten Schritt zu einem einheitlichen Aufsichtsmechanismus über alle Banken im Euroraum zu kommen. Gegenstand des Kommissionsvorschlags sind neben dem Fahrplan für eine Bankenunion zwei Verordnungsvorschläge. Mit dem Verordnungsvorschlag zur Änderung der EBA-Verordnung33, gestützt auf Art. 114 AEUV, sollen die Verfahrensmodalitäten für die Tätigkeiten der EBA geändert werden, um der Übertragung von Aufsichtsaufgaben auf die EZB und der geforderten Zusammenarbeit zwischen EZB und EBA Rechnung zu tragen. Nach dem hier untersuchten Verordnungsvorschlag zur Übertragung besonderer Aufsichtsaufgaben an die EZB34 (Verordnungs- 28 Fischer, in: Schimansky/Bunde/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Auflage 2011, § 125, Rn. 1. 29 Kom (2012) 510, a.a.O. 30 Kom (2012) 510, a.a.O., S. 2. 31 http://ec.europa.eu/commission2010-2014/president/news/archives/2012/06/20120626speeches2de.htm (zuletzt abgerufen am 26.10.2012). 32 Qualität vor Schnelligkeit wurde von vielen Seiten gefordert. Vgl. z.B. die Äußerung von Angela Merkel „Es geht nicht darum, etwas möglichst schnell zu machen.“, zitiert nach Dams/Eder/Jost, Berlin will Kontrolle zwar der Zentralbank überlassen – aber einem neuen Gremium, Die Welt vom 18.09.12, online abrufbar unter http://www.welt.de/print/diewelt/wirtschaft/article109288849/Bankenaufsicht-Keine-Macht-fuer-den-EZB- Rat.html, zuletzt abgerufen am 26.10.2012). Vgl. auch Schlussfolgerung des Europäischen Rates vom 18./19. Oktober , EUCO 156/12, Ausschussdrucksache 17 (21) 1291, Seite 7. 33 Kom (2012) 512, endg., online abrufbar: http://ec.europa.eu/internalmarket/finances/docs/committees/reform/20120912-com-2012-512de.pdf (zuletzt abgerufen am 26.10.2012). 34 Kom (2012) 511 endg., online abrufbar unter http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2012:0511:FIN:DE:PDF (zuletzt abgerufen am 26.10.2012). WD 11 – 3000 – 149/12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 11 WD 11 – 3000 – 149/12 vorschlag) soll die EZB künftig in weiten Bereichen der Finanzaufsicht die Rolle der nationalen Aufsichtsbehörden übernehmen. Es soll ein einheitlicher Aufsichtsmechanismus geschaffen werden, um die Einheitlichkeit der Anwendung aufsichtsrechtlicher Bestimmungen sicherzustellen und die Überwachung des Bankensektors und damit die finanzielle Stabilität der EU zu gewährleisten . Dafür möchte die Kommission der EZB ein uneingeschränktes Durchgriffsrecht auf alle – nicht nur auf die systemrelevanten – Geldinstitute einräumen. Die EZB erhielte umfassende Informations - und Ermittlungsbefugnisse (Art. 4 Verordnungsvorschlag): Sie wäre etwa zuständig für die Vergabe und den Entzug von Banklizenzen, die Bewertung von Erwerb und Veräußerung von Beteiligungen an Kreditinstituten und die Überwachung der Einhaltung der Eigenkapital-, Leverage- und Liquiditätsanforderungen. Die nationalen Behörden sollen weiterhin in die Beaufsichtigung der Banken eingebunden werden (Art. 5 Verordnungsvorschlag): Zum einen verbliebe ihnen die Zuständigkeit für alle nicht der EZB übertragenen Aufgaben, etwa für den Verbraucherschutz , die Bekämpfung der Geldwäsche und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten aus Drittstaaten. Zum anderen sollen die nationalen Aufsichtsbehörden die alltäglichen Aufgaben und die Vorbereitung und Durchsetzung von EZB-Beschlüssen bearbeiten. Nach Art. 5 Abs. 4 des Verordnungsvorschlags unterliegen die nationalen Aufsichtsbehörden dabei aber den Anweisungen der EZB. Die Aufsichtstätigkeiten der EZB sollen nach dem Kommissionsvorschlag streng von den geldpolitischen Aufgaben getrennt werden (Art. 18 Verordnungsvorschlag). Zudem wird eine enge Zusammenarbeit zwischen der EBA und der EZB angestrebt (Art. 3 Verordnungsvorschlag ). Um Transparenz zu gewährleisten, soll die EZB dem EP und dem Rat für die Durchführung der Aufsichtsaufgaben rechenschaftpflichtig sein (Art. 17 Verordnungsvorschlag). EU- Mitgliedstaaten, die nicht zum Eurowährungsgebiet gehören, sollen sich der Bankenaufsicht durch die EZB anschließen können (Art. 6 Verordnungsvorschlag). 4. Europarechtliche Bewertung des Kommissionsvorschlages zur Übertragung von Aufsichtsaufgaben auf die EZB Europarechtliche Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Verordnungsvorschlags können sich möglicherweise mit Blick auf die Kompetenzgrundlage (4.1.), auf das Subsidiaritätsprinzip (4.2.), auf die notwendige Achtung mitgliedstaatlicher Handlungsspielräume (4.3), auf die Verpflichtung der EZB, Preisstabilität zu gewährleisten (Konflikt zwischen Zielen der Geldpolitik und der Aufsicht - 4.4.), im Zusammenhang mit der Unabhängigkeit der EZB (4.5.) und mit Blick auf die Unabhängigkeit der nationalen Zentralbanken (4.6.) ergeben. 4.1. Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung und Rechtsgrundlage Im Unionsrecht gilt das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 Abs. 1 und 2 EUV), d.h. die Europäische Union hat keine Kompetenz-Kompetenz, sondern nur die ihr von den Mitgliedstaaten übertragenen Kompetenzen. Zum Erlass sekundären Unionsrechts bedürfen die eu- Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 12 WD 11 – 3000 – 149/12 ropäischen Rechtsetzungsorgane daher immer einer ausdrücklichen35 Kompetenzzuweisung in den Verträgen. 4.1.1. Art. 127 Abs. 6 AEUV Der Verordnungsvorschlag zur Übertragung von Aufsichtsaufgaben an die EZB wird von der Kommission auf die Rechtsgrundlage des Art. 127 Abs. 6 AEUV gestützt. Danach kann der Rat einstimmig durch Verordnung und nach Anhörung des Europäischen Parlaments und der EZB selbst besondere Aufgaben36 im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute und sonstige Finanzinstitute mit Ausnahme von Versicherungsunternehmen der EZB übertragen. Gemäß Art. 127 Abs. 5 AEUV trägt das ESZB zur reibungslosen Durchführung der von den zuständigen Behörden auf dem Gebiet der Aufsicht über die Kreditinstitute und der Stabilität des Finanzsystems ergriffenen Maßnahmen bei. Bislang wurde die Vorschrift so verstanden, dass sie das ESZB verpflichtet, die zuständigen nationalen Behörden im Bereich der Kreditwesenaufsicht und der Aufsicht über sonstige Finanzinstitute zu unterstützen.37 Daraus könnte sich ergeben, dass Art. 127 Abs. 5 AEUV verbietet, Aufsichtsaufgaben weg von den nationalen Behörden bei der EZB anzusiedeln. Dem Wortlaut der Vorschrift ist jedoch nicht zu entnehmen, dass es sich um nationale Aufsichtsbehörden handeln muss. Ein solches Verständnis der Vorschrift dürfte daraus resultieren, dass eben bislang die Aufsicht von nationalen Behörden wahrgenommen wird. Vom Wortlaut gedeckt ist aber auch, dass das ESZB (auch) zur reibungslosen Durchführung der Maßnahmen zur Aufsicht über die Kreditinstitute durch die EZB beitragen soll, wenn sie denn zuständige Aufsichtsbehörde ist. Eine solche Auslegung steht auch im Einklang mit der Systematik der Vorschrift: Auch wenn Art. 127 Abs. 5 AEUV dem ESZB keine eigene Kompetenzen hinsichtlich der Bankenaufsicht verleiht, so regelt doch Abs. 6 ausdrücklich, dass Aufsichtsaufgaben auf die EZB übertragen werden können. Insofern steht Abs. 5 einer Übertragung der Aufsichtskompetenzen nach Abs. 6 nicht entgegen. 4.1.1.1. Übertragung „besonderer Kompetenzen“? Fraglich ist, ob der Verordnungsvorschlag von dieser Kompetenzgrundlage gedeckt ist oder ob der EZB über das zulässige Maß hinaus Aufgaben im Bereich der Bankenaufsicht übertragen werden sollen. 35 Zur Rechtsfigur der impliziten Kompetenz vgl. Bast/von Bogdandy, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 47. Ergänzungslieferung 2012, Art. 5 EUV, Rn. 21. 36 Sowohl die englische („specific tasks“) als auch die französische („missions spécifiques“) Sprachfassung enthalten eine Beschränkung in diesem Sinne. Vgl. dazu Herdegen, Europäische Bankenunion: Wege zu einer einheitlichen Bankenaufsicht, a.a.O. (1891). 37 Häde, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 127, Rn. 53. WD 11 – 3000 – 149/12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 13 WD 11 – 3000 – 149/12 Entscheidend ist, was unter besonderen Aufgaben zu verstehen ist, und ob die hier übertragenen Befugnisse unter diesen Begriff subsumiert werden können. In der Literatur besteht Einigkeit darüber, dass eine vollständige Übertragung der Aufsicht auf die EZB auf Grundlage des Art. 127 Abs. 6 AEUV nicht zulässig ist.38 Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Vorschrift, nach dem „besondere Aufgaben“ und nicht „die“ oder gar „sämtliche “ Aufsichtsaufgaben übertragen werden können. Zum anderen spricht die Entstehungsgeschichte der Vorschrift für eine solche Auslegung: Bei den Vertragsverhandlungen zum Vertrag von Maastricht wurde die Forderung der Notenbankgouverneure nach einer Mitwirkung der EZB an der Bankenaufsicht von den Mitgliedstaaten abgelehnt und lediglich eine künftige Möglichkeit der Beteiligung nach Zustimmung des Rates vereinbart.39 Möglicherweise könnte sich hier als problematisch erweisen, dass zwar gewisse Aufsichtsbefugnisse bei den nationalen Aufsichtsbehörden verbleiben, dass aber eben nicht nur einzelne Aufgabenbereiche , sondern weite Teile der Bankenaufsicht auf die EZB übertragen werden sollen. Für die Mitgliedstaaten würden lediglich jene Bereiche, die nicht ausdrücklich an die EZB übertragen werden, verbleiben.40 So werden beispielhaft der Verbraucherschutz, die Bekämpfung der Geldwäsche und die Aufsicht über Kreditinstitute aus Drittstaaten, die in den Mitgliedstaaten Zweigstellen errichten oder grenzübergreifend Dienstleistungen erbringen, genannt.41 Zudem sollen die aufsichtsrechtlichen Kenntnisse der nationalen Behörden in den Aufsichtsmechanismus integriert werden und die nationalen Behörden „die meisten laufenden Prüfungen und weitere für die Vorbereitung und Umsetzung von Rechtsakten der EZB erforderlichen Aufsichtstätigkeiten vornehmen.“42 Die tägliche praktische Prüftätigkeit vor Ort und die laufende tägliche Bewertung soll damit weiterhin Aufgabe der nationalen Behörden sein.43 Fraglich ist, ob das ausreicht , um noch von einer Übertragung von „besonderen Aufgaben“ zu sprechen. Hauptfunktionen der Bankenaufsicht ist neben der Sicherung und Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte44 der Verbraucherschutz.45 Beides wird durch die laufende Überwachung der Bankgeschäfte mit dem Ziel der Sicherung der Zahlungsfähigkeit der einzelnen Kredit- 38 Kempen, in Streinz EUV/AEUV, 2. Auflage 2012, Art. 127 AEUV, Rn. 25; Häde in, Calliess/Ruffert, 4. Auflage 2011, Art. 127 Rn. 56; Hahn/Häde, Währungsrecht, 2. Auflage 2010, S. 187, Rn. 100; Becker, Die Reform der Finanzaufsicht , DÖV 2010, 909, 914; Glatzl, Geldpolitik und Bankenaufsicht im Konflikt, 2008, S. 257; Hoffmann /Speyer, a.a.O., S. 12; Geerlings, Die neue Rolle der Bundesbank im Europäischen System der Zentralbanken , DÖV 2003, 322 (328); Smits, The European Central Bank, Den Haag 1997, S. 356. 39 Vgl. dazu Glatzl, Geldpolitik und Bankenaufsicht im Konflikt S. 257 m.w.N. 40 Erwägungsgrund 22 des Verordnung-Vorschlages. 41 Verordnungsvorschlag zur Übertragung von Aufsichtsaufgaben, Begründung, S. 5. 42 a.a.O. 43 Erwägungsgrund 28 des Verordnungs-Vorschlags zur Übertragung von Aufsichtsaufgaben. 44 Im Einzelnen Glatzl, a.a.O., S. 93ff.. Siehe auch BVerfG, 2 BvR 852/07 vom 16.9.2009, Rn. 25, online abrufbar unter: http://www.bverfg.de/entscheidungen/rs200909162bvr085207.html (letzter Abruf 26.10.2012). 45 Siehe oben 2. Hintergrund: Die Europäische Finanzmarktaufsicht und die bisherige Rolle der EZB, S. 5ff. WD 11 – 3000 – 149/12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 14 WD 11 – 3000 – 149/12 institute gesichert.46 Hierfür brauchen Aufsichtsbehörden neben Aufsichtsbefugnissen auch Untersuchungs- und Sanktionsbefugnisse. Diese würden durch die Verordnung zur Übertragung von Aufsichtsaufgaben in den durch EU-Recht regulierten Bereichen auf die EZB übertragen.47 Es sollen nicht nur Teilaufgaben, sondern die Kernaufgaben der Bankenaufsicht, die bislang bei den Mitgliedstaaten angesiedelt waren, auf die EZB übergehen. Nach Art. 5 des Verordnungsvorschlags bliebe den nationalen Aufsichtsbehörden lediglich eine die EZB unterstützende Rolle. Es ließe sich also argumentieren, dass eine solch weitreichende Übertragung nicht auf Grundlage des Art. 127 Abs. 6 AEUV durchgeführt werden könne, sondern einer Vertragsänderung (Art. 48 EUV) bedürfe. Dem Wortlaut der Vorschrift des Art. 127 Abs. 6 AEUV ist jedoch nicht ausdrücklich zu entnehmen , dass etwa Kernkompetenzen bei den Mitgliedstaaten verbleiben müssten. Insofern lässt sich auch nach teleologischer Auslegung gut argumentieren, dass die Vorschrift allenfalls die vollständige Übertragung von Aufsichtskompetenzen auf die EZB ausschließen will. Solange noch Kompetenzen bei den Mitgliedstaaten verbleiben, wären die Voraussetzungen der Vorschrift danach erfüllt. Da hier nicht sämtliche Aufsichtsaufgaben und -befugnisse übertragen werden und verschiedene Kompetenzen bei den Mitgliedstaaten verbleiben, ließe sich nach dieser Argumentation der Verordnungsvorschlag auf Art. 127 Abs. 6 AEUV stützen. Dieses Ergebnis wird durch die in der Literatur vertretene Auffassung, dass Kompetenzvorschriften weit auszulegen sind, um ihre „nützliche Wirksamkeit“ (effet utile) sicherzustellen, gestützt.48 4.1.1.2. Einrichtung eines „Aufsichtsgremiums“ zur Erfüllung der Aufsichtsaufgaben auf Basis von Art. 127 Abs. 6 AEUV? Hält man die Vorschrift des Art. 127 Abs. 6 AEUV für eine ausreichende Rechtsgrundlage im Hinblick auf den Umfang der nach dem Kommissionsvorschlag auf die EZB zu übertragenden Aufgaben, stellt sich die Frage, ob im Rahmen der Übertragung von Aufsichtsaufgaben ein in der EZB bislang nicht vorhandenes Entscheidungsgremium neben dem EZB-Rat und dem Direktorium eingerichtet werden kann. Nach Art. 19 des Verordnungsvorschlages soll ein neues Aufsichtsgremium eingerichtet werden, welches mit der Planung und Ausführung der übertragenen Aufsichtsaufgaben betraut wird. Gemäß Art. 19 Abs. 3 des Verordnungsvorschlages soll der EZB- Rat „klar definierte Aufsichtsaufgaben und damit zusammenhängende Beschlüsse“ an das Aufsichtsgremium delegieren können und selbst die Überwachung und Verantwortung übernehmen. Es wird vertreten, dass eine derartige Ausgestaltung der Übertragung der Aufsichtsaufgaben auf die EZB gegen Unionsrecht verstoße.49 Begründet wird diese Auffassung vor dem Hintergrund 46 Heun, Finanzaufsicht im Wandel, JZ 2012 S. 235 (237). 47 Vgl. Art. 8 ff. Verordnungsvorschlag. 48 Streinz, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 352, Rn. 9 m.w.N.; Rossi, in: Calliess/Ruffert, Art. 352 AEUV, Rn. 61 m.w.N. 49 Gutachten des Juristischen Dienstes des Rates der Europäischen Union vom 9.10.2012, Ratsdok-Nr.: 14752/12, Rn. 6ff., abrufbar unter SysiVuS. WD 11 – 3000 – 149/12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 15 WD 11 – 3000 – 149/12 von Art. 13 Abs. 2 EUV. Nach dieser Vorschrift handelt jedes Organ der EU nach den Verfahren, die in den Verträgen festgelegt sind. Die Beschlussorgane innerhalb der EZB sind gemäß Art. 129 Abs. 1 AEUV i.V.m. Art. 9.3 der ESZB/EZB-Satzung der EZB-Rat und das Direktorium. Die Abstimmungsregeln für diese Organe sind ebenfalls primärrechtlich, nämlich in Art. 10.2 und 11.5 der ESZB/EZB-Satzung, geregelt. Eine Änderung dieser primärrechtlich festgelegten Beschlussorgane und Verfahren der EZB sei in Art. 127 Abs. 6 AEUV nicht vorgesehen. Entsprechend gehe die Regelung des Art. 19 des Verordnungsvorschlages über die dem Rat in Art. 127 Abs. 6 AEUV übertragenen Befugnisse hinaus.50 Hiergegen lässt sich anführen, dass es zur Vermeidung von Zielkonflikten zwischen Aufgaben der Geldpolitik nach Art. 127 Abs. 1 AEUV und Aufgaben der Bankenaufsicht nach vielfach vertretener Auffassung notwendig ist, Entscheidungsprozesse im Rahmen der Geldpolitik von denen im Rahmen der Bankenaufsicht zu trennen.51 Würden nun aber nur die nach dem AEUV bestehenden Beschlussorgane der EZB verbindliche Aufsichtsentscheidungen treffen können, wäre die geforderte Trennung nicht gewährleistet. Insofern wäre die Einrichtung neuer, vom EZB-Rat und dem Direktorium verschiedener Entscheidungsgremien notwendig, um den denkbaren Konflikt aus Geldpolitik und Bankenaufsicht aufzulösen. Die entsprechende Kompetenz wäre nach dieser Argumentation als Annexkompetenz in Art. 127 Abs. 6 AEUV enthalten. Mit anderen Worten schließt nach dieser Argumentation die Kompetenz zur Übertragung von Aufsichtsaufgaben auch die Kompetenz zur Errichtung der für die Erfüllung dieser Aufsichtsaufgaben erforderlichen Gremien und Verfahren ein. Entscheidend dürfte sein, dass in diesem Zusammenhang nicht die Beschlussorgane und Verfahren für die Erfüllung der primärrechtlichen Aufgabe der Geldpolitik geändert werden. Der Verordnungsvorschlag der Kommission tastet die Entscheidungsstrukturen und Zuständigkeiten von EZB-Rat und Direktorium im Rahmen der Geldpolitik nicht an. Es soll lediglich ein weiteres, neben dem EZB-Rat bestehendes Entscheidungsgremium errichtet werden, das keinen Einfluss auf die Geldpolitik haben soll. Der Vorschlag, dem Aufsichtsgremium lediglich vorbereitende Aufgaben und Zuständigkeiten zuzuweisen und den EZB-Rat mit der verbindlichen Aufsichtsentscheidung zu betrauen,52 wirft jedenfalls erhebliche Fragen mit Blick auf die Unabhängigkeit der EZB im Rahmen der Geldpolitik und auf die notwendige Vermeidung von Zielkonflikten auf. 4.1.1.3. Zusammenarbeit zwischen EZB und nicht zum Euro-Währungsgebiet gehörenden Mitgliedstaaten Art. 6 des Verordnungsvorschlags regelt die Möglichkeit einer engen Zusammenarbeit zwischen der EZB und nicht am Aufsichtsmechanismus teilnehmenden Mitgliedstaaten. Nach Abs. 1 der Vorschrift sollen auch Banken aus Mitgliedstaaten, die den Euro nicht eingeführt haben, dem Aufsichtsregime der EZB unterworfen werden können, wenn die EZB mit Erlass eines Beschlus- 50 Ratsdok-Nr.: 1452/12, Rn. 9. 51 Im Einzelnen dazu unten 4.4 Interessenkonflikt zwischen Zielen der Geldpolitik und der Bankenaufsicht, S. 26. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 16 WD 11 – 3000 – 149/12 52 Vgl. Ratsdok-Nr.: 14752/12, Rn 14. WD 11 – 3000 – 149/12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 17 WD 11 – 3000 – 149/12 ses eine enge Zusammenarbeit mit der zuständigen nationalen Behörde eingegangen ist (Art. 6 Abs. 2 des Verordnungsvorschlags). Auch diesbezüglich wird angeführt, dass der Rat bei Anwendung von Art. 127 Abs. 6 AEUV den durch das Primärrecht vorgegebenen Rechtsrahmen einhalten muss. Der gültige Rechtsrahmen gebe vor, dass alle endgültigen Beschlüsse der EZB in den von den Verträgen festgelegten Organen und im Einklang mit den geregelten Abstimmungsregeln angenommen werden müssen. In den Verträgen sei aber die Beteiligung der nicht zum Euro-Währungsgebiet gehörenden Mitgliedstaaten in den Beschlussorganen der EZB nicht vorgesehen, so dass eine entsprechende Möglichkeit nicht durch Sekundärrecht gestützt auf Art. 127 Abs. 6 AEUV eingeräumt werden könne.53 Hiergegen lässt sich rechtlich anführen, dass Art. 6 Abs. 3 des Verordnungsvorschlages lediglich vorsieht, dass im Rahmen des Beschlusses über die enge Zusammenarbeit die Bedingungen festzulegen sind, zu denen Vertreter der zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten an den Tätigkeiten des Aufsichtsgremiums teilnehmen. Auch wenn politisch schwer vorstellbar ist, dass sich ein nicht zum Euro-Währungsgebiet gehörender Mitgliedsstaat dem Aufsichtsregime der EZB unterwerfen würde, ohne aktiv an den Aufsichtsentscheidungen des Aufsichtsgremiums beteiligt zu sein, eröffnet der Verordnungsvorschlag rechtlich diese Möglichkeit. Der Verordnungsvorschlag selbst sieht nicht vor, dass Vertreter aus Mitgliedsstaaten, die nicht zum Euro-Währungsgebiet gehören, an der Beschlussfassung des Aufsichtsgremiums beteiligt werden sollen, sondern regelt ausschließlich das Erfordernis, das diesbezüglich Bedingungen festzulegen sind. Denkbar ist nach Abs. 3 etwa auch ein bloßer Beobachtungsstatus jener nicht zum Euro-Währungsgebiet gehörender Mitgliedstaaten, der jedenfalls nicht im Widerspruch zu Art. 13 Abs. 2 EUV i.V.m. Art. 129 AEUV stünde. 4.1.2. Andere denkbare Rechtsgrundlagen? Würde die Auffassung vertreten, dass Art. 127 Abs. 6 AEUV die vorgeschlagene Übertragung von Aufsichtsaufgaben nicht deckte, wäre zu prüfen, ob sich der Rechtsakt möglicherweise auf eine andere Rechtsgrundlage stützen ließe. 4.1.2.1. Art. 114 AEUV Zu denken wäre etwa - wie seinerzeit bei der Errichtung der EBA – an die Kompetenzgrundlage des Art. 114 AEUV. Die allgemeine Harmonisierungskompetenz für den Binnenmarkt erlaubt Maßnahmen zur Rechtsangleichung mit dem Ziel, Hemmnisse für den Binnenmarkt zu beseitigen , die gerade aus Unterschieden in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten erwachsen. Dabei muss der tatsächliche Zweck der Rechtsangleichung die Verbesserung des Funktionierens des WD 11 – 3000 – 149/12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 18 WD 11 – 3000 – 149/12 Binnenmarkts sein.54 Unter Rechtsangleichung ist dabei die sachbezogene Annäherung nationaler Rechtsvorschriften an einen unionsrechtlich vorgegebenen Standard zu verstehen, deren Hauptanwendungsfall in der Beseitigung nationaler Rechtsunterschiede und der hierdurch (angeblich) bewirkten Wettbewerbsverzerrungen besteht.55 4.1.2.1.1. Art. 114 AEUV und die Errichtung der EBA Schon im Zusammenhang mit der Errichtung der EBA war umstritten, ob die Einrichtung einer materielle Standards setzenden Finanzaufsichtsbehörde tatsächlich zur Angleichung des nationalen Rechts führt, oder ob nicht vielmehr eine Erweiterung der Verwaltungsbefugnisse der Union vorgenommen wird, die allenfalls auf Art. 352 AEUV gestützt werden könnte.56 Auf der einen Seite wurde ausgehend vom Wortlaut von Art. 114 AEUV bezweifelt, dass diese Vorschrift als Rechtsgrundlage herangezogen werden könne, da sie auf die Angleichung abstraktgenereller Regelungen der Mitgliedstaaten ziele.57 Andererseits hat der EuGH in seinem Urteil zur Errichtung der Europäischen Agentur für Netz- und Informationssicherheit (ENISA)58 die frühere Vorschrift des Art. 95 EGV (jetzt Art. 114 AEUV) als Rechtsgrundlage für die Errichtung einer Agentur anerkannt, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind: 1. Der Gemeinschaftsgesetzgeber erachtet aufgrund seiner eigenen Sachwürdigung die Errichtung einer Gemeinschaftseinrichtung für notwendig. 2. Die Einrichtung wird zur Verwirklichung des Harmonisierungsprozesses beitragen. 54 Vgl. EuGH, Rs. C-376/98 (Tabakwerbeverbot I), Slg. 2000, I-8419, Rn. 84 (online abrufbar unter http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:61998CJ0376:DE:PDF, zuletzt abgerufen am 26.10.2012). 55 Kahl, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 114, Rn. 13 m.w.N. 56 Vgl. Häde, Jenseits der Effizienz: Wer kontrolliert die Kontrolleure, a.a.O. (663 m.w.N.); Michel, Die neue Europäische Bankenaufsichtsbehörde, DÖV 2011, S. 728 (729ff.). Zu der grundsätzlichen Diskussion ob gestützt auf Art. 114 AEUV Agenturen gegründet werden dürfen vgl. Siekmann, Die Europäisierung der Finanzmarktaufsicht , Institute for Monetary and Financial Stability, Working Paper Series Nr. 47 (2011), online abrufbar unter http://www.imfs-frankfurt.de/documents/WP47Siekmann.pdf, zuletzt abgerufen am 26.10.2012, S. 55ff. m.w.N. 57 So Ludwigs, Art. 95 EG als allgemeine Kompetenz zur Regelung des Binnenmarktes oder als „begrenzte Einzelermächtigung “, EuZW 2006, 417; Ohler, Rechtmäßige Errichtung der Gemeinschaftsagentur ENISA, EuZW 2006, 369 (373); Reusch/Burckhart, Kompetenz zur Errichtung der Europäischen Agentur für chemische Stoffe – (Vertrags -)Lücke zwischen Theorie und Praxis in der Europäischen Union, StoffR 2009, 224 (226 f.); Vetter, Die Kompetenzen der EG zur Gründung von unabhängigen europäischen Agenturen, DÖV 2005, 721 (728 f.). Zu den Voraussetzungen des Art. 114 AEUV vgl. oben 4.1.2 Andere denkbare Rechtsgrundlagen? S. 16. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 19 WD 11 – 3000 – 149/12 53 Ratsdok-Nr.: 14752/12, Rn. 12ff. 58 EuGH, Rs. C-217/04 (ENISA), Slg. 2006, I-3771 (online abrufbar unter http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:62004CJ0217:EN:PDF, zuletzt abgerufen am 26.10.2012). WD 11 – 3000 – 149/12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 20 WD 11 – 3000 – 149/12 3. Die der Einrichtung übertragenen Aufgaben stehen in engem Zusammenhang mit den Bereichen, auf die sich das materielle Sekundärrecht bezieht und durch die Tätigkeit der Einrichtung wird dessen einheitliche Durchführung gefördert.59 Diese an eine ungeschriebene Annexkompetenz60 erinnernden Kriterien sind im Fall der EBA erfüllt61: Denn die der EBA übertragenen Aufgaben erleichtern die Durchführung der hiermit in engem Zusammenhang stehenden Rechtsakte (vgl. Präambel der EBA-Verordnung, Rn. 1862 und 1963 sowie Art. 1 Abs. 2 EBA-Verordnung64) im Bereich der Bankenaufsicht65 und fügen sich in diesen Rahmen ein.66 59 EuGH, Rs. C-217/04 (ENISA), a.a.O., Rn. 45f. 60 Michel, a.a.O. (729 m.w.N.). 61 So auch Michel, a.a.O. (729); a.A. Reusch/Burckhardt, a.a.O. (228); Vetter, a.a.O. (729); Siekmann, a.a.O. S. 62. 62 „Die folgenden Gesetzgebungsakte legen die Aufgaben der zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, einschließlich der Zusammenarbeit untereinander sowie mit der Kommission, fest: Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die A ufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (ABl. L 177 vom 30.6.2006, S. 1), Richtlinie 2006/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten (ABl. L 177 vom 30.6.2006, S. 201) und Richtlinie 94/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 1994 über Einlagensicherungssysteme (ABl. L 135 vom 31.5.1994, S. 5).“ 63 „Zu den vorhandenen Gesetzgebungsakten der Union, die den durch diese Verordnung abgedeckten Bereich regulieren, zählen ebenfalls die Richtlinie 2002/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2002 über die zusätzliche Beaufsichtigung der Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen eines Finanzkonglomerats (ABl. L 35 vom 11.2.2003, S. 1), die Richtlinie 98/78/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom27. Oktober 1998 über die zusätzliche Beaufsichtigung der einer Versicherungsgruppe angehörenden Versicherungsunternehmen (ABl. L 330 vom 5.12.1998, S. 1), die Verordnung (EG) Nr. 1781/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. November 2006 über die Übermittlung von Angaben zum Auftraggeber bei Geldtransfer (ABl. L 345 vom 8.12.2006, S. 1), die Richtlinie 2009/110/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über die Aufnahme, Ausübung und Beaufsichtigung der Tätigkeit von E-Geld-Instituten (ABl. L 267 vom 10.10.2009, S. 7) sowie die einschlägigen Teile der Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung (ABl. L 309 vom 25.11.2005, S. 15), der Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher (ABl. L 271 vom 9.10.2002, S. 16) und der Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt (ABl. L 319 vom 5.12.2007, S. 1).“ 64 „Die Behörde handelt im Rahmen der ihr durch diese Verordnung übertragenen Befugnisse und innerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie 2006/48/EG, der Richtlinie 2006/49/EG, der Richtlinie 2002/87/EG, der Verordnung (EG) Nr. 1781/2006, der Richtlinie 94/19/EG und, soweit diese Rechtsvorschriften sich auf Kreditund Finanzinstitute sowie die zuständigen Behörden, die diese beaufsichtigen, beziehen, der einschlägigen Teile der Richtlinie 2005/60/EG, der Richtlinie 2002/65/EG, der Richtlinie 2007/64/EG und der Richtlinie 2009/110/EG, einschließlich sämtlicher Richtlinien, Verordnungen und Beschlüsse, die auf der Grundlage dieser Rechtsakte angenommen wurden, sowie aller weiteren verbindlichen Rechtsakte der Union, die der Behörde Aufgaben übertragen.“ 65 Zum Stand der Harmonisierung im Bereich des Bankenaufsichtsrechts vgl. Glatzl, a.a.O., S. 117 ff. 66 In diese Richtung auch Gutachten des Juristischen Dienstes des Rats der Europäischen Union vom 12. Oktober 2009, Ratsdok.-Nr. 14349/09, Rn. 8ff. 53 Ratsdok-Nr.: 14752/12, Rn. 12ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 21 WD 11 – 3000 – 149/12 Im Ergebnis dürfte mit Art. 114 AEUV also jedenfalls für die Gründung der EBA die richtige Rechtsgrundlage gewählt worden sein. 4.1.2.1.2. Art. 114 und die Übertragung der Bankenaufsicht auf die EZB Selbst wenn die Errichtung der EBA damals auf Art. 114 AEUV gestützt werden konnte, erscheint diese Rechtsgrundlage mit Blick auf die Übertragung von Aufsichtsaufgaben auf die EZB jedoch nicht als die richtige. Das folgt bereits daraus, dass das „Leitmotiv“67 einer Übertragung der Bankenaufsicht auf die EZB wohl nicht die Rechtsangleichung, sondern die Stabilität des Finanzsystems68 ist. Zudem ist der entscheidende Regelungsgehalt die Übertragung von Zuständigkeiten auf ein Unionsorgan i.S.d. Art. 13 EUV. Ein Organ darf nach Art. 13 EUV nur im Bereich der Verbandskompetenz der EU und im Bereich seiner im Vertrag geregelten Organkompetenzen handeln. Art. 13 Abs. 2 und 3 EUV heben ausdrücklich hervor, dass die jeweils in den Verträgen festgelegten Verfahrens- und Formvorschriften einzuhalten sind. Die Ziele und grundlegenden Aufgaben der EZB sind in Art. 127 Abs. 1- 5 AEUV festgelegt. Mit Art. 127 Abs. 6 AEV enthält die Vorschrift eine ausdrückliche Ermächtigungsklausel, wonach der EZB Aufsichtsaufgaben übertragen werden können. Wenn die EZB mit derartigen Befugnissen ausgestattet werden soll, muss diese Rechtsgrundlage herangezogen werden.69 Die Erweiterung ihrer Kompetenzen lässt sich damit nicht auf eine andere Rechtsgrundlage, also auch nicht auf Art. 114 AEUV stützen.70 Art. 127 Abs. 6 AEUV regelt insofern als lex specialis71 abschließend, auf welche Weise der EZB Aufgaben im Zusammenhang mit der Bankenaufsicht übertragen werden können. 4.1.2.2. Art. 352 AEUV Entsprechend kommt auch Art. 352 AEUV als Rechtsgrundlage für die Übertragung von Aufsichtsaufgaben auf die EZB nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift kann der Rat einstimmig auf Vorschlag der Kommission und nach Zustimmung des EP die geeigneten Vorschriften erlassen, wenn ein Tätigwerden der Union im Rahmen der in den Verträgen festgelegten Politikbereiche erforderlich ist, um eines der Ziele der Verträge zu verwirklichen, und in den Verträgen die dafür 67 Herdegen, Europäische Bankenunion: Wege zu einer einheitlichen Bankenaufsicht, WM 2012, 1889 (1891). 68 Erwägungsgrund Nr. 13 des Verordnungsvorschlags zur Übertragung von Aufsichtsaufgaben. 69 Gutachten des Juristischen Dienstes des Rates der Europäischen Union vom 12.10.2009, Ratsdok.-Nr. 14349/09, Rn. 29. 70 So auch Glatzl, a.a.O., S. 259. Zu diesem Ergebnis kommt auch Herdegen, Europäische Bankenunion: Wege zu einer einheitlichen Bankenaufsicht, a.a.O. (1891). 71 Häde, Jenseits der Effizienz: Wer kontrolliert die Kontrolleure, EuZW 2011, 662 (664); ders., in: Calliess /Ruffert, EUV/AEUV, 4. Auflage 2011, Art. 127 AEUV, Rn. 56 m.w.N.; Siekmann, a.a.O. S. 66; a.A. Glatzl, a.a.O., S. 261. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 22 WD 11 – 3000 – 149/12 erforderlichen Befugnisse nicht vorgesehen sind. Diese Vorschrift kann also schon nach ihrem Wortlaut nur dann Anwendung finden, wenn in den Verträgen selbst keine Befugnis vorgesehen ist. Art. 352 AEUV ist damit nur eine subsidiär gegenüber den Kompetenznormen des AEUV anwendbare Vorschrift. Sie dient dazu, die aus dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung resultierenden Kompetenzlücken zu schließen, wenn ein Handeln der Union notwendig erscheint , ohne jedoch die Kompetenzen der Union zu erweitern.72 Soweit also Einzelbestimmungen der Verträge den der Union in einem bestimmten Bereich zustehenden Handlungsrahmen abschließend bestimmen, kann Art. 352 AEUV nicht als Rechtsgrundlage herangezogen werden.73 Entsprechend ist Art. 352 AEUV insofern nicht anwendbar, als dass es mit Art. 127 Abs. 6 AEUV eine ausdrückliche Befugnisnorm im Zusammenhang mit der Währungspolitik und dem Gebiet der Aufsicht über Kreditinstitute gibt. Sollte die geplante Übertragung von Aufsichtsaufgaben auf die EZB nicht durch diese Rechtsgrundlage gedeckt sein, kann nicht durch die Hintertür über Art. 352 AEUV dennoch eine Übertragung der Aufsichtsaufgaben erfolgen.74 Teilweise wird jedoch argumentiert, dass Art. 352 AEUV neben Art. 127 Abs. 6 AEUV anwendbar sei, wenn es um die Übertragung sämtlicher Aufsichtsaufgaben auf die EZB gehe, da dies von der Vorschrift des Art. 127 Abs. 6 AEUV gerade nicht erfasst sei.75 Als Konsequenz dieser Auffassung müsste geprüft werden, ob die Heranziehung von Art. 352 AEUV dazu führt, dass seine Funktion und damit die Grenze zur Vertragsänderung überschritten würde. Insofern ist entscheidend, ob sich die Folgen einer auf Art. 352 AEUV gestützten Maßnahme noch im Einklang mit den von den Mitgliedstaaten übertragenen Befugnissen befinden würden, oder ob es zur demokratischen Legitimation dieser Auswirkungen der weiteren Übertragung von Hoheitsbefugnissen in Form einer Vertragsänderung bedürfte.76 Vorgetragen wird, dass sich die Mitgliedstaaten durch die Aufnahme der Vorschrift des Art. 127 Abs. 6 AEUV letztlich grundsätzlich mit einer Übertragung von Aufsichtskompetenzen an die EZB einverstanden erklärt hätten, so dass es jedenfalls eines Vertragsänderungsverfahrens nicht bedürfe. Im Ergebnis könne Art. 352 AEUV als Rechtsgrundlage für eine Übertragung der Bankenaufsichtspraxis auf die Union herangezogen werden. Dies vermag nach hiesiger Auffassung nicht zu überzeugen, da die Regelung des Art. 127 Abs. 6 AEUV so umgangen würde. Hinzu kommt, dass grundsätzlich bezweifelt werden kann, ob Art. 352 AEUV zu einer Kompetenzverschiebung ermächtigen kann, die nicht auf die Europäische Union in ihrer Gesamtheit, sondern zunächst nur für die Eurozone Anwendung finden soll.77 72 Streinz, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Auflage 2012, Art. 352 AEUV, Rn. 1, 8. 73 EUGH, Rs. 45/86 (Allgemeine Zollpräferenzen), Slg. 1987, 1493, Rn. 21. 74 So im Ergebnis auch Herdegen, Europäische Bankenunion, a.a.O. (1891). 75 Glatzl, a.a.O., S. 261. 76 Streinz, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 352, Rn. 13 m.w.N. 77 Herdegen, Europäische Bankenunion, a.a.O. (1891). 53 Ratsdok-Nr.: 14752/12, Rn. 12ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 23 WD 11 – 3000 – 149/12 4.1.3. Ergebnis Im Ergebnis lassen sich mit Blick auf die Rechtsgrundlag des Verordnungsvorschlages zur Übertragung von Aufsichtsaufgaben auf die EZB sowohl Argumente für als auch solche gegen eine Rechtmäßigkeit finden. Aus hiesiger Perspektive spricht vieles dafür, dass die Verordnungsvorschläge von den gewählten Rechtsgrundlagen gedeckt sind. Die Konsequenz der anderen Ansicht wäre, dass der EZB nicht durch eine Verordnung auf Grundlage von Art. 127 Abs. 6 AEUV die gewünschten Aufsichtsaufgaben übertragen werden könnten, sondern dass dies nur im Wege einer Vertragsänderung möglich wäre. 4.2. Subsidiaritätsprinzip Als europarechtlich bedenklich könnte sich weiterhin die Vereinbarkeit des Verordnungsvorschlags mit dem Subsidiaritätsprinzip erweisen. Nach dem Subsidiaritätsprinzip aus Art. 5 Abs. 3 EUV darf die EU in den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, nur tätig werden, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend verwirklicht werden können, sondern vielmehr mittels ihres Umfangs oder ihrer Wirkung auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind. Eine Konkretisierung erfährt das Subsidiaritätsprinzip durch das Protokoll Nr. 2 zum Vertrag von Lissabon über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit (Protokoll Nr. 2).78 Schon der Subsidiaritätsgrundsatz nach Art. 5 Abs. 2 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) war durch das mit dem Vertrag von Amsterdam eingeführte Protokoll Nr. 30 über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit79 näher definiert worden. Als Kontrollmaßstab für das Handeln der EU ist das Subsidiaritätsprinzip insgesamt schwer fassbar .80 Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat in seinen zu Art. 5 EGV ergangenen Urteilen eine konkrete Subsidiaritätsprüfung zumeist vermieden.81 Er hat sich, sowohl was die Anzahl der Urteile angeht, in denen er das Subsidiaritätsprinzip erwähnte, als auch was die konkrete inhaltliche Ausgestaltung der Prüfung im Einzelfall betrifft, zurückgehalten.82 Einer richterlichen Überprüfung erschließen sich allenfalls evidente Verstöße gegen das Subsidiaritätsprinzip , in denen die Unionsorgane nicht einmal einen plausiblen Begründungsansatz für eine Regelung liefern. 78 ABl. Nr. C 306 S. 148. Gemäß Art. 51 EUV sind die Protokolle Bestandteil der Verträge. 79 ABl. Nr. C 340, S. 105. 80 Herdegen, Europarecht, 6. Auflage 2004, Rn. 102. 81 So z.B. EuGH, Rs. C-84/94, Slg. 1996, I-5755, Rn. 46ff.; EuGH, Rs. C-233/94, Slg. 1997, I-2405, Rn. 22 ff. 82 Calliess, Kontrolle zentraler Kompetenzausübung in Deutschland und Europa: Ein Lehrstück für die Europäische Verfassung, EuGrZ, 2003, S. 181 (187). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 24 WD 11 – 3000 – 149/12 Ausgehend vom Wortlaut des Art. 5 Abs. 3 EUV ergibt sich jedenfalls eine Subsidiaritätsprüfung in drei Schritten: Zunächst ist die Art der Zuständigkeit festzulegen. Danach ist zu prüfen, ob und inwieweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend verwirklicht werden können. Insofern handelt es sich um ein Negativkriterium. Hinzu tritt ein Positivkriterium, wonach die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkung auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind.83 4.2.1. Keine ausschließliche Zuständigkeit der Europäischen Union Art. 5 Abs. 3 EUV legt fest, dass das Subsidiaritätsprinzip allein auf die Bereiche Anwendung findet, die nicht in die ausschließliche Zuständigkeit der Union fallen. Die Sachbereiche der ausschließlichen Zuständigkeiten der Union sind in Art. 3 Abs. 1 AEUV enumerativ aufgeführt.84 Der Verordnungsvorschlag zur Übertragung von Aufsichtsaufgaben an die EZB wurde auf Art. 127 Abs. 6 AEUV gestützt. Dieser befindet sich zwar im Kapitel „Währungspolitik“, für die gem. Art. 3 Abs. 1 lit. c) AEUV die Union die ausschließliche Zuständigkeit hat. Jedoch stellt Art. 127 Abs. 5 AEUV klar, dass auf dem Gebiet der Aufsicht von Kreditinstituten das europäische System der Zentralbanken (ESZB) nur zur reibungslosen Durchführung der von den zuständigen Behörden ergriffenen Maßnahmen beiträgt. Der Bereich der Bankenaufsicht fällt damit nicht in die ausschließliche Zuständigkeit der EU. Die Regelungen müssen sich daher am Prinzip der Subsidiarität messen lassen. 4.2.2. Keine ausreichende Verwirklichung der Ziele auf der Ebene der Mitgliedstaaten Gemäß Art. 5 Abs. 3 EUV darf die Union in den Bereichen der geteilten Zuständigkeiten nur tätig werden, wenn die Ziele der Union durch Maßnahmen auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden und die Ziele wegen ihres Umfanges oder der Wirkungen der Maßnahmen besser auf Unionsebene erreicht werden. Beide Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen.85 Ziel der geplanten Verordnungen ist es, einen effizienten und wirksamen Rahmen für die Ausübung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Beaufsichtigung von Kreditinstituten durch Organe der Union zu schaffen und sicherzustellen, dass das einheitliche Regelwerk für Kreditinstitute in allen Mitgliedstaaten gleichermaßen angewandt wird. Obwohl das neue Subsidiaritätsprotokoll Nr. 2 im Gegensatz zum Protokoll Nr. 30 zum EGV nicht mehr ausdrücklich einen transnationalen Bezug erfordert, bleibt die Frage hiernach unent- 83 Calliess, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Verfassung der Europäischen Union, 2006, Art. I-11, Rn. 27. 84 Streinz/Ohler/Herrmann, in: dies. (Hrsg.), Der Vertrag von Lissabon zur Reform der EU, § 11, S. 88. 85 Geiger, in: Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV, Art. 5 EUV, Rn. 12. 53 Ratsdok-Nr.: 14752/12, Rn. 12ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 25 WD 11 – 3000 – 149/12 behrlich: Gerade aufgrund der stark dehnbaren Zielformulierungen gibt der Rückgriff auf die Natur des zugrundeliegenden Sachverhalts die entscheidenden Hinweise, ob die Mitgliedstaaten aufgrund des grenzüberschreitenden Bezugs schon rein faktisch nicht in der Lage sind, die Ziele des Unionsgesetzgebers hinreichend selbst zu verwirklichen.86 Aufgrund des bereits existierenden Binnenmarkts für Finanzdienstleitungen haben viele Kreditinstitute ihre Geschäftstätigkeit auf mehrere Mitgliedstaaten ausgedehnt.87 Ein grenzüberschreitender Bezug des der Bankenaufsicht zugrundliegenden Sachverhalts ist demnach anzunehmen. Nach den Leitlinien des Protokolls Nr. 30 kam es des Weiteren darauf an, ob Maßnahmen der Mitgliedstaaten allein oder das Fehlen von Maßnahmen der Union zu den Erfordernissen des Vertrages in Widerspruch stehen oder in anderer Weise die Interessen der Mitgliedstaaten erheblich beeinträchtigen würden. Einheitlichkeit mit einer Unionsrechtsnorm sollte dann angestrebt werden, wenn „Gleichberechtigung oder Wettbewerb eindeutig gefährdet werden könnten.“88 Bislang vertritt die Kommission die Auffassung, dass dieses Kriterium auch künftig zu beachten ist.89 Die Kommission führt für den hiesigen Verordnungsvorschlag an, dass die Ereignisse der jüngsten Vergangenheit klar gezeigt haben, dass sich eine angemessene Überwachung eines integrierten Bankensektors und ein hohes Maß an finanzieller Stabilität in der EU nur durch eine zentralisierte Aufsicht sicherstellen lasse.90 4.2.3. Bessere Verwirklichung der Ziele auf der Ebene der Europäischen Union: Begründungskontrolle Das Prüfungsmerkmal der besseren Verwirklichung der Ziele auf der Unionsebene erfährt in Art. 5 Protokoll Nr. 2 insofern eine Konkretisierung, als festgelegt ist, dass „die Feststellung, dass ein Ziel der Union besser auf Unionsebene erreicht werden kann, auf qualitativen und, soweit möglich, quantitativen Kriterien“ beruhen muss. Die Entwürfe von Gesetzgebungsakten sollen dabei zunächst berücksichtigen, dass die finanzielle Belastung und der Verwaltungsaufwand der EU, der nationalen Regierungen, der regionalen und lokalen Behörden, der Wirtschaftsteilnehmer und der Bürgerinnen und Bürger so gering wie möglich gehalten werden und in einem angemessenen Verhältnis zu dem angestrebten Ziel stehen . Gemäß dem Verordnungsvorschlag zur Übertragung von Aufsichtsaufgaben an die EZB soll 86 Koch/Kullas, Subsidiarität nach Lissabon – Scharfes Schwert oder stumpfe Klinge?, cep-Studie, März 2010, S. 17. 87 Verordnungsvorschlag zur Übertragung von Aufsichtsaufgaben auf die EZB, Erwägungsgrund 1. 88 Europäisches Parlament, Ausschuss für konstitutionelle Fragen, Bericht vom 24. April 2002, A5- 0133/2002, S. 12. 89 U.a. in der Folgenabschätzung zum Aktionsplan urbane Mobilität stellt die Kommission – ausgehend von der Rechtslage nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon – weiterhin darauf ab; vgl. Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, Aktionsplan urbane Mobilität, 30. September 2009, KOM (2009) 490 endg. 90 Kom (2012) 511 endg., a.a.O., S. 3. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 26 WD 11 – 3000 – 149/12 die EZB ein Aufsichtsgremium einrichten, das für die Vorbereitung von Beschlüssen in aufsichtsrechtlichen Angelegenheiten zuständig ist.91 Dieses Gremium soll aus den Ressourcen der EZB finanziert werden. Den Großteil der Kosten sollen dabei die zu beaufsichtigenden Unternehmen selbst tragen.92 Da der Haushalt der EZB gemäß Art. 314 Abs. 1 AEUV nicht Teil des Unionshaushalts ist, dürfte der Vorschlag keine zusätzlichen Auswirkungen auf den Haushalt der EU haben.93 Auch die nationalen Haushalte sollten nicht negativ von einem einheitlichen Aufsichtsmechanismus durch die EZB berührt sein, da wesentliche Aufgaben der nationalen Behörden auf die EZB übertragen werden. Das Protokoll Nr. 30 legte weiterhin fest, dass zur Erfüllung des Kriteriums der besseren Verwirklichung auf Unionsebene die fraglichen Maßnahmen auf der Ebene der EU aufgrund ihrer Größenordnung oder ihrer Auswirkungen im Verhältnis zu einem Tätigwerden auf der mitgliedstaatlichen Ebene deutliche Vorteile erbringen müssten. Auch die überwiegende Meinung in der Literatur nimmt an dieser Stelle eine vergleichende Abwägung vor: Danach sind die Unionsbefugnisse dort nicht auszuüben, wo der zusätzliche Integrationsgewinn minimal, der Eingriff in die verbliebenen Zuständigkeitsbereiche der Mitgliedstaaten jedoch beträchtlich ist.94 Ob die Ziele einer Maßnahme besser auf Unionsebene verwirklicht werden können, ist Teil einer gerichtlich nicht überprüfbaren Prognoseentscheidung. Die rechtliche Kontrolle kann sich allein darauf richten, ob der Verordnungsentwurf mit Blick auf die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips hinreichend begründet wurde.95 Gemäß Art. 5 Protokoll Nr. 2 muss die Kommission eine solche Begründung zwingend vorlegen. Dabei können pauschale Formeln und abstrakte Rechtserwägungen auf Seiten der Kommission ebenso wenig dem Begründungserfordernis genügen wie salvatorische Klauseln.96 Vorliegend führt die Kommission an, dass die Schaffung eines effizienten und wirksamen Rahmens für eine Bankenaufsicht und die Sicherstellung der wirksamen Anwendung eines einheitlichen Regelwerks nicht ausreichend auf Ebene der Mitgliedstaaten verwirklicht werden könne. Aufgrund der unionsweiten Struktur des Bankensektors und der möglichen Auswirkungen einer Bankeninsolvenz auf andere Mitgliedstaaten sei eine unionsrechtliche Regelung erforderlich. Die EZB sei die für die Aufsicht geeignete Institution, da sie über umfangreiche Kenntnisse in makroökonomischen und die Finanzstabilität betreffenden Fragen verfüge.97 Zudem argumentiert die Kommission, dass es aufgrund der nationalen Zuständigkeiten bei der Bankenaufsicht momentan nicht möglich sei, mit den integrierten Finanzmärkten Schritt zu halten.98 Bezüglich ihrer Ent- 91 Verordnungsvorschlag zur Übertragung von Aufsichtsaufgaben an die EZB, Erwägungsgrund 36. 92 Verordnungsvorschlag zur Übertragung von Aufsichtsaufgaben an die EZB, Erwägungsgrund 39. 93 Verordnungsvorschlag zur Übertragung von Aufsichtsaufgaben an die EZB, Begründung S. 9. 94 Jarass, Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, 1994, S. 19. 95 Koch/Kullas, Subsidiarität nach Lissabon – Scharfes Schwert oder stumpfe Klinge?, cep-Studie, März 2010, S. 18. 96 Von Dannwitz, Der Vertrag von Lissabon und der Fortgang der Integration, DIJV, 10. Oktober 2008, S. 10. 97 Verordnungsvorschlag zur Übertragung von Aufsichtsaufgaben an die EZB, Erwägungsgrund 11. 98 Verordnungsvorschlag zur Übertragung von Aufsichtsaufgaben an die EZB, Begründung S. 1. 53 Ratsdok-Nr.: 14752/12, Rn. 12ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 27 WD 11 – 3000 – 149/12 scheidung, grundsätzlich alle Kreditinstitute in die Bankenaufsicht der EZB einzubeziehen, beruft sich die Kommission auf die Ereignisse der Finanzkrise. Diese hätten gezeigt, dass auch von kleineren Banken Risiken für die Finanzstabilität ausgehen könnten.99 Auch wenn politisch bezweifelt wird, dass eine solche allumfassende Überwachung zu besseren Ergebnissen führen wird, kann rechtlich keine materielle Überprüfung des Verordnungsvorschlags auf dessen Sinnhaftigkeit erfolgen. Rechtlich überprüfbar ist lediglich, ob dem Begründungserfordernis genügt ist. Das dürfte vorliegend der Fall sein. 4.2.4. Ergebnis Insgesamt genügt der Verordnungsvorschlag nach hiesiger Auffassung damit den Anforderungen des Subsidiaritätsprinzips nach Art. 5 Abs. 3 EUV. 4.3. Achtung mitgliedstaatlicher Handlungsspielräume Die Ausübung der Aufsicht muss konform sein mit den diesbezüglich bestehenden materiellen Regeln im Bereich der Aufsicht über Kreditinstitute. Diese ergeben sich nicht aus dem Verordnungsvorschlag , der selbst nur die künftige Aufsichtsstruktur regelt, sondern beruhen auf Sekundärrechtsakten .100 DieseSekundärrechtsakteberuhenaufArt.53Abs.1AEUV,derzurHarmonisierung des Rechtsrahmens bei Aufnahme und Ausübung selbständiger Tätigkeiten in Form von Richtlinien ermächtigt. Richtlinien räumen den Mitgliedstaaten einen Spielraum bei der Wahl der Form und Mittel zur Erreichung der Ziele der Richtlinie ein (Art. 288 AEUV). Diese Spielräume für die Behörden der Mitgliedstaaten müssen auch im Rahmen des Aufsichtsregimes der EZB berücksichtigt werden. Teilweise wird vertreten, dass daher die Übergangsbestimmung in Art. 27 Abs. 5 des Verordnungsvorschlags 101 dauerhaft gelten müsse, um diesem Umstand gerecht zu werden. Nur so könne sichergestellt werden, dass beispielsweise vor der grundsätzlichen Beschlussfassung der EZB 99 Verordnungsvorschlag zur Übertragung von Aufsichtsaufgaben an die EZB Erwägungsgrund 13. 100 Vgl. oben Fn. 62, 63. 101 Art. 27 Abs. 5 lautet: „Abweichend von Artikel 4 Absatz 3 nimmt die EZB ab Inkrafttreten dieser Verordnung und bis zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG und deren Ersetzen durch neue Rechtsakte der Union die ihr durch diese Verordnung übertragenen Aufgaben wahr, indem sie an die zuständigen nationalen BehördenAnweisungen über die Ausübung der ihnen übertragenen einschlägigen Befugnisse richtet. Abweichend von Artikel 4 Absatz 3 nimmt die EZB ab dem Inkrafttreten dieser Verordnung und bis zum Inkrafttreten von Gesetzgebungsakten über die zusätzliche Beaufsichtigung der Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen eines Finanzkonglomerats, mit denen es der EZB ermöglicht wird, die Befugnisse der zuständigen Behörden auszuüben, die ihr durch Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe j übertragenen Aufgaben wahr, indem sie an die zuständigen nationalen Behörden Anweisungen über die Ausübung der ihnen übertragenen einschlägigen Befugnisse richtet.“ Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 28 WD 11 – 3000 – 149/12 auf Grundlage von Art. 4 Abs. 3 des Verordnungsvorschlags eine „Vorabeinweisung hinsichtlich der betreffenden Dossiers unter Beteiligung der nationalen Behörden“ erfolgt.102 Die notwendige Gewährleistung mitgliedstaatlicher Spielräume begründet aber keine zwingenden unionsrechtlichen Bedenken hinsichtlich Art. 4 Abs. 3 des Verordnungsvorschlags. Derzeit ist unklar, ob und wie die in Art. 27 Abs. 5 des Verordnungsvorschlags angesprochenen Rechtsakte tatsächlich reformiert werden. Bleiben sie auf Art. 53 Abs. 1 AEUV gestützt, folgt zudem aus dem Rangverhältnis von Primär- und Sekundärrecht, dass Art. 4 Abs. 3 des Verordnungsvorschlags im Lichte von Art. 53 Abs. 1, 288 AEUV auszulegen ist und die primärrechtlich festgelegten Ermessensspielräume bei der Anwendung von Art. 4 Abs. 3 Verordnungsvorschlag zu berücksichtigen sind. 4.4. Interessenkonflikt zwischen Zielen der Geldpolitik und der Bankenaufsicht Umstritten ist, ob eine Übertragung der Bankenaufsicht auf die EZB mit ihrer vorrangigen Aufgabe aus Art. 127 Abs. 1 AEUV, die Preisstabilität zu gewährleisten, vereinbar wäre, oder ob mögliche Zielkonflikte zwischen Währungspolitik und Aufsichtsaufgaben entgegenstehen.103 4.4.1. Zielkonflikt zwischen Geldpolitik und Bankaufsicht? Die Bankenaufsicht unterwirft den Finanzmarktsektor einer staatlichen Kontrolle und Reglementierung . Verfolgt werden dabei im Wesentlichen zwei Ziele: zum einen geht es um den Schutz von Gläubigern der Kreditinstitute vor unzumutbaren Vermögensverlusten aus Geldanlagen, zum anderen um die Verhinderung eines Zusammenbruchs des Bankensektors und damit um die Stabilität des Bankensystems.104 Dem steht die auf das Ziel der Preisstabilität ausgerichtete Geldpolitik der EZB gegenüber. 102 Ratsdok.-Nr. 14752/12, Rn. 16ff. 103 Vgl. Häde, Rechtliche Vorgaben für die Organisation der Bankenaufsicht, in: Kluth/Müller/Peilert, Wirtschaft- Verwaltung-Recht, Festschrift für Stober, 2008, S. 467 (470 m.w.N.); Wissenschaftlicher Beirat, Reform von Bankenregulierung und Bankenaufsicht in der Finanzkrise, a.a.O., S. 45 m.w.N., Carmassi/Di Noia/Micossi, Banking Union: A federal model for the European Union with prompt corrective action, CEPS Policy Brief No. 282, 18.9.2012, S. 4 (online abrufbar unter http://www.ceps.eu/book/banking-union-federal-model-europeanunion -prompt-corrective-action, zuletzt abgerufen am 26.10.2012); Speyer, EU-Bankenunion – besser gründlich als schnell!, EU-Monitor - Europäische Integration, Deutsche Bank DB Resaerch (Hrsg.), 30. August 2012, online abrufbar unter: http://www.dbresearch.de/PROD/DBRINTERNETDE-PROD/PROD0000000000293395/EU- Bankenunion%3A+Besser+gr%C3%BCndlich+als+schnell!.pdf (letzter Abruf: 25.09.2012). 104 Wissenschaftlicher Beirat, Reform von Bankenregulierung und Bankenaufsicht in der Finanzkrise, a.a.O., S. 45; Hüther/Jäger/Hellwig/Hartmann-Wendels, Arbeitsweise der Bankenaufsicht vor dem Hintergrund der Finanzmarktkrise , Forschungsvorhaben fe 22/08, Institut der deutschen Wirtschaft Köln – Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern Bonn – Seminar für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Bankbetriebslehre an der Universität zu Köln, online abrufbar unter http://www.iwkoeln.de/de/studien/gutachten/beitrag/63718 (zuletzt abgerufen am 26.10.2012), S. 1 f.; Glatzl, a.a.O., S. 271; Heun, Finanzaufsicht im Wandel, JZ 2012, 235 (236). 53 Ratsdok-Nr.: 14752/12, Rn. 12ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 29 WD 11 – 3000 – 149/12 Werden beide Aufgaben in einer Einheit vereinigt, wird die Gefahr gesehen, dass es zu einer dauerhaften Verschlechterung der Erfüllung beider Aufgaben kommt.105 So könne eine nachlässige Aufsichtspraxis den Bestand des Bankensystems gefährden. In gewissen Grenzen sei es aber einer Zentralbank möglich, durch eine Geldpolitik, die eine höhere Inflationsrate in Kauf nimmt, gegenzusteuern, um den Banken höhere Gewinne zu ermöglichen. Denkbar sei beispielsweise, dass der Leitzins niedrig gehalten wird, um schwächere Banken zu stützen, obwohl reine geldpolitische Erwägungen für eine Erhöhung der Leitzinsen sprechen würden. Ebenso sei vorstellbar, dass aus der Aufsichtsperspektive die Schließung und Abwicklung einer Bank angezeigt wäre, dass dies aber angesichts des dadurch entstehenden Vertrauensverlusts innerhalb der Finanzmärkte geldpolitisch nicht gewünscht ist.106 Dies könne zu einer Annäherung der Interessen von Aufsehern und Beaufsichtigten zu Lasten der Bürger führen.107 Wegen eben dieser Gefahr wird vorgetragen, dass eine Zusammenführung von Aufsichtsaufgaben und Geldpolitik in der EZB problematisch sei. Stattdessen wird die Errichtung einer Aufsichtsbehörde neben der EZB vorgeschlagen.108 Es wird aber auch vertreten, dass es ausreiche, innerhalb der Zentralbank für eine Trennung der beiden Bereiche zu sorgen.109 4.4.2. Zielkonflikte durch Trennung von Bankenaufsicht und Geldpolitik? Vereinzelt wird argumentiert, dass es gerade die derzeitige Trennung der Bankenaufsicht von der Geldpolitik sei, die zu Zielkonflikten führe und dass als Lösung nur eine Übertragung der Bankaufsicht auf die Union in Betracht komme.110 Die Kompetenzverteilung im Bereich der Geldpolitik und der Bankenaufsicht auf zwei unterschiedliche Akteure könne – weil die Wirkungsweise der Bankenaufsichtspraxis in Teilen den Wirkmechanismen der geldpolitischen Transmission gleiche111 – dazu führen, dass die Geldpolitik nicht mehr ihrer geldwertstabilisierenden Aufgabe gerecht werden kann.112 Da sich die Maßnahmen der nationalen Bankenauf- 105 Wissenschaftlicher Beirat, Reform von Bankenregulierung und Bankenaufsicht in der Finanzkrise, a.a.O., S. 45 m.w.N., Carmassi/Di Noia/Micossi, Banking Union: A federal model for the European Union with prompt corrective action, CEPS Policy Brief No. 282, 18.9.2012, S. 4; Speyer, EU-Bankenunion – besser gründlich als schnell!, EU-Monitor - Europäische Integration, Deutsche Bank DB Resaerch (Hrsg.), a.a.O. 106 Vgl. Goodhart/Schoenmaker, Should the functions of monetary policy and banking supervision be separated?, Oxford Economic Papers, 1995, 539 (546); Becker, Die Reform der Finanzmarktaufsicht, DÖV 2010, S. 909 (915). 107 Dennoch ist vielen Ländern die Bankenaufsicht (erfolgreich) in den Händen der dortigen Zentralbank. Vgl. dazu Goodhart/Schoenmaker, a.a.O. (540ff.); dort findet sich auch eine Länderübersicht über die Verteilung der Zuständigkeit für die Geldpolitik und für die Aufsicht (S. 558f.). 108 z.B. Jörgens, Die koordinierte Aufsicht über europaweit tätige Bankengruppen, Baden-Baden, 2002, S. 13 m.w.N. 109 z.B. Goodhart/Schoenmaker, a.a.O. (547). 110 Glatzl, Geldpolitik und Bankenaufsicht im Konflikt – Die Pflicht der Mitgliedstaaten zur Unterstützung er EZB im Bereich der Preisstabilität unter besonderer Berücksichtigung der Bankenaufsicht, Heidelberger Schriften zum Wirtschaftsrecht und Europarecht, 2009. 111 Glatzl, a.a.O., S. 212. 112 Glatzl, a.a.O., S. 193ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 30 WD 11 – 3000 – 149/12 sichtsbehörden als geldpolitisch relevant erwiesen hätten, müsse die Bankenaufsicht insgesamt von den Mitgliedstaaten auf die EZB übertragen werden, jedenfalls aber sei die Einrichtung eines Koordinierungsgremiums zwingend. Dies folge aus Art. 4 Abs. 3 EUV (ex-Art. 10 EGV), der die Mitgliedstaaten u.a. zu einer Beachtung der Preisstabilität verpflichte und ihnen verbiete, Maßnahmen umzusetzen, die die Preisstabilität in der Gemeinschaft gefährden. Insofern gebe es sehr weitgehende Koordinierungspflichten der mitgliedstaatlichen Bankenaufsicht mit der europäischen Geldpolitik, die eine institutionelle Absicherung der notwendigen Abstimmungen erforderlich mache.113 Die Unterstützungspflicht der Mitgliedstaaten gehe sogar soweit, dass sie der Union die Kompetenz für die Bankenaufsicht soweit übertragen müssten, dass ein Konflikt von Bankenaufsicht und Geldpolitik nicht mehr vorstellbar sei.114 Die tatsächliche Übertragung der Kompetenz auf die EZB lasse sich jedoch nicht auf Art. 4 Abs. 3 EUV stützen. Es bedürfe vielmehr einer Ermächtigungsgrundlage. Dafür kämen grundsätzlich Art. 127 Abs. 6, 114 oder 352 AEUV in Betracht, letztlich sei aber nur Art. 352 AEUV denkbar.115 Eine Übertragung von Aufsichtskompetenzen an die EZB nach Art. 127 Abs. 6 AEUV scheitere zum einen daran, dass die Bankenaufsicht nicht in ihrer Gesamtheit auf die EZB überführt werden könne, und zum anderen daran, dass der Zielkonflikt zwischen Geldpolitik und Bankenaufsicht lediglich von den Euro-Ländern auf die Nichtteilnehmerstaaten der Währungsunion verlagert würde.116 Auch Art. 114 AEUV könne nicht herangezogen werden, da dieser nicht die Kompetenz zur Übertragung von Kompetenzen einräume.117 4.4.3. Kommissionsvorschlag Auch die Kommission sieht einen Konflikt zwischen Geldpolitik und Bankenaufsicht. Die EZB soll daher ausdrücklich für eine vollständige Trennung der beiden Funktionen Sorge tragen.118Der Verordnungsvorschlag ordnet entsprechend in Art. 18 an, dass die EZB die Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht getrennt von denen der Geldpolitik wahrnimmt. Nach Art. 19 soll ein Aufsichtsgremium eingerichtet werden, dass für die Planung und Ausführung von Beschlüssen in aufsichtsrechtlichen Angelegenheiten zuständig ist.119 Dieses Gremium soll sich aber aus vom Direktorium der EZB ernannten Vertretern der EZB und Vertretern der nationalen Aufsichtsbehörden zusammensetzen. Die Mitglieder des EZB-Rates sollen dazu zum einen den Vorsitzenden des Aufsichtsgremiums aus den Reihen des EZB- 113 Glatzl, a.a.O., S. 245. 114 Glatzl, a.a.O., S. 256. 115 Glatzl, a.a.O., S. 259-267. 116 Glatzl, a.a.O., S. 257f. und 274. 117 Glatzl, a.a.O., S. 258f. und 274. 118 Vgl. Erwägungsgrund 35, Verordnungsvorschlag zur Übertragung von Aufsichtsaufgaben auf die EZB. 119 Vgl. auch Erwägungsgrund 36, Verordnungsvorschlag zur Übertragung von Aufsichtsaufgaben auf die EZB. 53 Ratsdok-Nr.: 14752/12, Rn. 12ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 31 WD 11 – 3000 – 149/12 Direktoriums, und zum anderen den stellvertretenden Vorsitzenden aus den Reihen des EZB- Rates wählen (Art. 19 Abs. 1 und 2 Verordnungsvorschlag). Auffällig ist, dass damit ein Mitglied des EZB-Rats, der die Geldpolitik der Union festlegt120 (vgl. Art. 12.1 ESZB-Satzung), auch im Aufsichtsgremium der Bankenaufsicht beteiligt werden soll. Zudem soll der EZB-Rat Aufsichtsaufgaben an das Aufsichtsgremium delegieren können und die Überwachung und Verantwortung übernehmen (Art. 19 Abs. 3 Verordnungsvorschlag). Während von mancher Seite sogar gefordert wird, dass die Aufsichtsabteilung zwar getrennt von der Geldpolitik der EZB operieren, die letzte Entscheidung aber beim EZB-Rat liegen solle121, ist schon bei der hier vorgeschlagenen Variante fraglich, ob dadurch eine Trennung von Geldpolitik und Bankenaufsicht bewirkt werden kann. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass dadurch, dass ein Mitglied des EZB-Rats sowohl in diesem als auch im Aufsichtsgremium sitzen soll, die oben beschriebenen Interessenkonflikte auftreten könnten.122 Denn eine unabhängige Beratung über die Geldpolitik scheint in der Praxis nur schwer vorstellbar und durchzuhalten, wenn die gleiche Person in anderen Fragen der Aufsicht unterliegt.123 4.4.4. Ergebnis Im Ergebnis ist entscheidend, ob und dass mögliche Konflikte zwischen den Ziel der Preisstabilität und der Finanzmarktstabilität stets im Interesse der Preisstabilität aufgelöst werden.124 4.5. Unabhängigkeit der Zentralbank Eine direkte Verantwortung der Zentralbank im Rahmen der Mikroaufsicht könnte sich ferner mit Blick auf die in Art. 130 S. 1 AEUV normierte Unabhängigkeit der Zentralbank als bedenklich erweisen. 125 In dieser Vorschrift heißt es: „ Bei der Wahrnehmung der ihnen durch die Verträge und die Satzung des ESZB und der EZB übertragenen Befugnisse, Aufgaben und Pflichten darf weder die EZB noch eine nationale Zentralbank noch ein Mitglied ihrer Beschlussorgane Wei- 120 Hahn/Häde, Währungsrecht, 2. Auflage 2010, S. 148, Rn. 64. Siehe auch oben 2.3 EZB, S. 9ff. 121 So die Forderung von EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier, zitiert nach Die Welt online, Bankenaufsicht: keine Macht für den EZB-Rat, online abrufbar unter: http://www.welt.de/print/diewelt/wirtschaft/article109288849/Bankenaufsicht-Keine-Macht-fuer-den-EZB- Rat.html (zuletzt abgerufen am 26.10.2012). Siehe auch Ratsdok.-Nr. 14752/12, Rn. 11. 122 So auch Carmassi/Di Noia/Micossi, a.a.O., S. 4. 123 So auch im Zusammenhang mit der Erörterung der Frage, ob eine Übertragung der Bankenaufsicht weg von der BAfin auf die Deutsche Bundesbank denkbar wäre, der Wissenschaftliche Beirat, Gutachten 03/10, a.a.O., S. 46; Vgl. auch Heun, Finanzaufsicht im Wandel, JZ 2012, 235 (240). 124 Herdegen, Europäische Bankenunion, a.a.O. (1894). 125 So Seidel, Konstitutionelle Schwächen der Währungsunion, EuR 2000, 861 (877). Grundlegend zur Unabhängigkeit der EZB EuGH, Rs. C-11/00 (OLAF), Slg. I-2003, 07147, Rn. 130 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 32 WD 11 – 3000 – 149/12 sungen von Organen, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union, Regierung der Mitgliedstaaten oder anderen Stellen einholen oder entgegennehmen.“ 4.5.1. Unabhängigkeit und demokratische Kontrolle Auf der einen Seite schränkt die Gewährung von Unabhängigkeit die Möglichkeiten demokratischer Kontrolle ein.126 Andererseits ist das Währungswesen aber im Sinne seiner Stabilität „dem Zugriff von Interessengruppen und der an der Wiederwahl interessierten politischen Mandatsträgern “127 zu entziehen. Die Unabhängigkeitsgarantie sichert vor diesem Hintergrund und angesichts ihrer Stellung im Kapitel Währungspolitik nach einer Auffassung lediglich die Ausrichtung der EZB auf ihr Hauptziel, nämlich die Sicherung der Preisstabilität.128 Entsprechend wird vertreten, dass sich die EZB bei Tätigkeiten außerhalb der Geldpolitik, also etwa im Bereich der Bankenaufsicht, nicht auf Art. 130 AEUV berufen könne.129 Insofern ist in Art. 16 des Verordnungsvorschlags ausdrücklich die Regelung aufgenommen, dass die Unabhängigkeit der EZB auch bei der Wahrnehmung von Aufsichtsaufgaben gewährleistet sein soll. Zudem enthält Art. 17 des Verordnungsvorschlags zur Übertragung von Aufsichtsaufgaben eine Pflicht der EZB vor dem EP und dem Rat für die Durchführung ihrer Aufsichtsgaben Rechenschaft abzulegen, um das Spannungsverhältnis von Unabhängigkeit und demokratischer Legitimation auszugleichen. Auf der anderen Seite wird auch argumentiert, dass die Regelung des Art. 130 AEUV für das gesamte Tätigkeitsfeld der EZB gelte, obwohl sie im Kapitel über die Währungspolitik normiert sei.130 Aus der Vorschrift folge, dass die Zuweisung von Kompetenzen und Aufgaben, die nicht unabhängig wahrzunehmen wären, nur nach Änderung des AEUV möglich wäre. Auch diese Ansicht erkennt jedoch an, dass eine Bankenaufsicht ohne politische Kontrolle im Widerspruch zum Demokratieprinzip stünde. Jede Form der unabhängigen Ausübung von Hoheitsbefugnissen unter Befreiung von politischer Kontrolle bedürfe daher der besonderen Rechtfertigung durch einen hochrangigen, in den europäischen Verträgen anerkannten Belang. Hinsichtlich der Geldpolitik sei dies die „empirisch belegte Verknüpfung zwischen der Unabhängigkeit einer Notenbank und der Währungsstabilität“.131 Einen vergleichbaren Befund für das Verhältnis aus Unabhängigkeit der Bankenaufsicht und Stabilität des Bankensystems gebe es aber nicht. Nach dieser Auffassung erscheint es fragwürdig, die mit (umfassender) Unabhängigkeit ausgestattete EZB 126 In Bezug auf die Unabhängigkeit der ESA vgl. Siekmann, Die Europäisierung der Finanzaufsicht, a.a.O., S. 85 m.w.N. 127 Siekmann, a.a.O., S. 88 unter Hinweis auf BVerfG 89, 155 (208). 128 Hahn/Häde, a.a.O., § 20, Rn. 51; Gaitanides, Das Recht der Europäischen Zentralbank, Unabhängigkeit und Kooperation in der Europäischen Währungsunion, 2005, S. 278. 129 Hahn/Häde, a.a.O., § 20, Rn. 51 m.w.N. 130 Herdegen, Europäische Bankenaufsicht, a.a.O. (1894). 131 Herdegen, a.a.O. (1894 m.w.N.). 53 Ratsdok-Nr.: 14752/12, Rn. 12ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 33 WD 11 – 3000 – 149/12 auch mit Aufgaben der Bankenaufsicht zu betrauen. Die in Art. 17 des Verordnungsvorschlags aufgenommene Rechenschaftspflicht vermöge dieses Dilemma nicht zu lösen.132 4.5.2. Unabhängigkeit und gerichtliche Überprüfung von Aufsichtsentscheidungen der EZB Durch die Übertragung der neuen Aufsichtsaufgaben erhielte die EZB hoheitliche Eingriffsbefugnisse gegenüber Privaten. Aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung und dem Rechtsstaatsprinzip folgt die Notwendigkeit einer gerichtlichen Kontrolle dieser exekutiven Maßnahmen der EZB. Finanzinstitute, die Aufsichtsentscheidungen der EZB unterworfen würden, müssten entsprechend die Möglichkeit haben, diese vor einem Gericht überprüfen zu lassen. Als problematisch könnte sich erweisen, dass jede Kontrolle des Handelns der EZB ihre in Art. 130 AEUV garantierte Unabhängigkeit insofern einschränkt, als dass durch die „Gefahr gerichtlicher Kontrolle“ persönliche und sachliche Abhängigkeiten entstehen.133 Eine richterliche Überprüfung etwaiger Aufsichtsmaßnahmen der EZB ist im Verordnungsentwurf nicht ausdrücklich vorgesehen. In Art. 12 Abs. 2 ist lediglich geregelt, dass die nationalen Gerichte zwar prüfen können, ob ein EZB-Beschluss über eine Vorortprüfung i.S.d. Art. 11 echt ist und die beantragten Zwangsmaßnahmen nicht willkürlich oder unverhältnismäßig sind. Es ist aber alleinige Zuständigkeit des Gerichtshofs der Europäischen Union, über die Rechtmäßigkeit eines EZB-Beschlusses zu entscheiden. Im Übrigen richtete sich damit der Rechtsschutz gegen Aufsichtsmaßnahmen nach den allgemeinen Regeln. Entsprechend sind Handlungen der EZB genauso wie die Handlungen der anderen Unionsorgane vor den europäischen Gerichten justiziabel . Ein Konflikt mit der Unabhängigkeit der Zentralbank käme allenfalls dann in Betracht, wenn sich die Rechtskontrolle auf Fragen beziehen würde, die mit der Festlegung und Durchführung der Geldpolitik in unmittelbarem Zusammenhang stehen.134 Das wäre im Zusammenhang mit den auf die EZB zu übertragenden Aufsichtsaufgaben angesichts der geplanten Trennung von der Geldpolitik aber nicht der Fall. 4.6. Unabhängigkeit nationaler Zentralbanken Nach Art. 5 Abs. 4 des Verordnungsvorschlags sollen die zuständigen nationalen Aufsichtsbehörden den Anweisungen der EZB unterliegen. Nach Abs. 4 wäre es die EZB, die die praktischen Modalitäten der Durchführung der Aufsicht bestimmt. Denkbar wäre hier ein Konflikt mit der Unabhängigkeit der nationalen Zentralbanken. Art. 130 AEUV gewährleistet nämlich nicht nur die Unabhängigkeit der EZB gegenüber Stellen 132 Herdegen, a.a.O. (1894f). 133 Vgl. Gaitanides, a.a.O., S. 241. 134 Gaitanides, a.a.O., S. 278. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 34 WD 11 – 3000 – 149/12 der Union und gegenüber den Regierungen der Mitgliedstaaten, sondern auch die der nationalen Zentralbanken im Rahmen des ESZB. Die Unabhängigkeit wird den nationalen Zentralbanken jedoch nur bei „der Wahrnehmung der ihnen durch diesen Vertrag und die Satzung des ESZB übertragenen Befugnisse, Aufgaben und Pflichten“135, also im Zusammenhang mit ihren Aufgaben im ESZB im Rahmen der Geldpolitik, gewährt. Soweit die nationalen Zentralbanken nach dem jeweiligen nationalen Recht für die Bankenaufsicht zuständig sind, ist das eine ihnen nicht durch Vertrag übertragene Aufgabe. Es müssen nicht notwendigerweise die nationalen Zentralbanken sein, die die zuständige nationale Aufsichtsbehörde bilden. Unbestritten können die nationalen Zentralbanken Aufsichtsaufgaben übernehmen, da sie nach Art. 14.4. der EZB/ESZBSatzung andere als die in der Satzung erwähnten Aufgaben in eigener Verantwortung und auf eigene Rechnung wahrnehmen können. Sie müssen es aber nicht. Vielmehr können die Aufsichtsaufgaben auch auf andere Behörden der Mitgliedstaaten übertragen sein.136 Diese Tätigkeitsbereiche gelten dann aber nicht als solche im Rahmen des ESZB. Folglich fallen solche Tätigkeiten auch nicht in den Bereich, für den Art. 130 AEUV Weisungen an die nationalen Zentralbanken verbietet.137 Ein Konflikt mit Art. 130 AEUV besteht folglich nicht. 4.7. Ergebnis Alles in allem lassen sich sowohl für als auch gegen eine Europarechtswidrigkeit des Kommissionsvorschlages zur Übertragung der Bankenaufsicht auf die EZB überzeugende Argumente finden . Angesichts der politischen Debatte der letzten Wochen ist davon auszugehen, dass das vorgeschlagene Regelwerk zur Übertragung der Bankenaufsicht auf die EZB überarbeitet wird und dabei die vorgetragenen (rechtlichen und politischen) Bedenken berücksichtigt werden. 135 Art. 130 S. 1 AEUV. 136 So etwa in Deutschland auf die BaFin. 137 Häde, Rechtliche Vorgaben für die Organisation der Bankenaufsicht, a.a.O., (479 m.w.N.).