© 2015 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 145/15 Das Wiederzulassungsverfahren Glyphosat (Teil 1) Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitungen und andere Informationsangebote des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung P, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 145/15 Seite 2 Das Wiederzulassungsverfahren Glyphosat (Teil 1) Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 145/15 Abschluss der Arbeit: 26.11.2015 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 145/15 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Verfahrensablauf: Zulassung von Pflanzenschutzmitteln 4 2.1. Bereits abgeschlossene Verfahrensschritte 4 2.2. Nächste Verfahrensschritte 5 3. Einwirkungsmöglichkeiten auf den Verfahrensablauf 7 3.1. Bundesregierung 7 3.2. Bundestag 7 3.3. Europäisches Parlament 9 3.4. Antragsteller (Glyphosate Task Force) 9 3.5. Dritte (Lobbyorganisationen, NGO und Bürger) 9 Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 145/15 Seite 4 1. Fragestellung Die Ausarbeitung befasst sich mit dem Genehmigungsverfahren des Pflanzenschutzmittelwirkstoffs Glyphosat. Zunächst wird der genaue Ablauf des Genehmigungsverfahrens dargestellt (2.). Anschließend erfolgt eine Übersicht über die Möglichkeiten verschiedener Gruppen während des Verfahrens Einfluss zu nehmen (3.), bevor abschließend dargestellt wird, welche Optionen bestehen , um die Genehmigungsentscheidung nachträglich gerichtlich überprüfen zu lassen (Teil 2).1 2. Verfahrensablauf: Zulassung von Pflanzenschutzmitteln Die Genehmigung eines Wirkstoffes erfolgt in der EU auf der Grundlage von Art. 7 ff. der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 (im Folgenden: PflanzenschutzVO).2 2.1. Bereits abgeschlossene Verfahrensschritte Ausgangspunkt ist ein Genehmigungsantrag (eines Herstellers) bei einem Mitgliedstaat („berichterstattender Mitgliedstaat“) gemäß Art. 7 Abs. 1 PflanzenschutzVO. Der berichterstattende Mitgliedstaat erstellt gemäß Art. 11 Abs. 1 PflanzenschutzVO einen Bericht, in dem er bewertet, ob der Wirkstoff die Genehmigungskriterien voraussichtlich erfüllt. Im Fall der erneuten Genehmigung von Glyphosat ist Deutschland als berichterstattender Mitgliedstaat verantwortlich für die Erstellung dieses Bewertungsberichts. Der Bericht wurde in Deutschland durch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) erstellt und in nochmals überarbeiteter Version 2015 an die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (European Food Safety Authority – EFSA) übersandt .3 Gemäß Art. 12 Abs. 1 PflanzenschutzVO leitet die EFSA den vom berichterstattenden Mitgliedstaat übermittelten Entwurf des Bewertungsberichts spätestens 30 Tage nach Erhalt an den Antragsteller und die anderen Mitgliedstaaten weiter und macht den Entwurf des Bewertungsberichts der Öffentlichkeit zugänglich. Sie gewährt eine Frist von 60 Tagen für die Übermittlung schriftlicher Stellungnahmen. Art. 12 Abs. 2 PflanzenschutzVO bestimmt, dass die EFSA gegebenenfalls eine Konsultation mit Experten, einschließlich Experten aus dem berichterstattenden Mitgliedstaat, organisiert. Sie nimmt innerhalb von 120 Tagen nach Ablauf der Frist für Stellungnahmen eine Schlussfolgerung dazu an, ob der Wirkstoff voraussichtlich die Genehmigungskriterien erfüllt, übermittelt diese Schlussfolgerung dem Antragsteller, den Mitgliedstaaten und der Kommission und macht sie öffentlich zugänglich. Gegebenenfalls geht die EFSA in ihrer Schlussfolgerung auf die im Entwurf des Bewertungsberichts genannten Optionen zur Risikominderung ein. Findet eine Expertenkonsultation statt, verlängert sich die 120-Tage Frist um 30 Tage. Benötigt die EFSA zusätzliche Informationen, so setzt sie nach Art. 12 Abs. 3 PflanzenschutzVO eine 1 Teil 2 wird in einer getrennten Ausfertigung nachgereicht. 2 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates, ABl. 2009 L, 309/1, konsolidierte Fassung abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02009R1107-20140630&from=EN. 3 Hintergrundinformation Nr. 033/2015 des BfR vom 22. September 2015, abrufbar unter http://www.bfr.bund.de/cm/343/bfr-hat-die-epidemiologischen-studien-zu-glyphosat-umfassend-geprueft.pdf. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 145/15 Seite 5 Frist von höchstens 90 Tagen fest, innerhalb derer der Antragsteller den Mitgliedstaaten, der Kommission und ihr diese Informationen vorzulegen hat. Der berichterstattende Mitgliedstaat bewertet die zusätzlichen Informationen und leitet diese unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von 60 Tagen nach Erhalt an die EFSA weiter. In diesem Fall wird die Frist von 120 Tagen um eine Frist verlängert, die zum Zeitpunkt des Erhalts der zusätzlichen Bewertung bei der EFSA endet . Am 12. November 2015 teilte die EFSA mit, die Neubewertung von Glyphosat sei abgeschlossen. Den Schlussfolgerungen der EFSA zufolge ist es unwahrscheinlich, dass Glyphosat eine krebserregende Gefahr für den Menschen darstellt.4 Es wird daher von der EFSA nicht empfohlen, Glyphosat als karzinogen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1272/20085 einzustufen. Insbesondere kamen die Experten, bis auf eine Ausnahme, zu dem Schluss, dass weder die epidemiologischen Daten (d.h. solche in Bezug auf den Menschen) noch die Befunde aus Tierstudien einen Kausalzusammenhang zwischen der Glyphosat-Exposition und einer Krebsentstehung beim Menschen aufzeigen.6 Die EFSA hat in ihren Schlussfolgerungen erstmals eine Akute Referenzdosis für Glyphosat vorgeschlagen, diese soll 0,5 mg/kg Körpergewicht betragen7 und bei der Überprüfung der Rückstandshöchstgehalte für Glyphosat, die zusammen mit den Mitgliedstaaten 2016 durchgeführt werden soll, zugrunde gelegt werden.8 2.2. Nächste Verfahrensschritte Erwägungsgrund 12 der PflanzenschutzVO betont, dass die EFSA eine unabhängige wissenschaftliche Überprüfung durchführen soll. EFSA führt eine Risikobewertung durch, während die Kommission die Aufgabe des Risikomanagements durchführt und die endgültige Entscheidung über einen Wirkstoff trifft. Die Kommission legt gemäß Art. 13 Abs. 1 PflanzenschutzVO innerhalb von sechs Monaten nach Erhalt der Schlussfolgerung von EFSA dem Ständigen Ausschuss für 4 EFSA, Pressemitteilung vom 12.11.2015, Glyphosat - EFSA aktualisiert toxikologisches Profil, abrufbar unter http://www.efsa.europa.eu/de/press/news/151112. 5 Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006, ABl. 2008 L, 353/1, konsolidierte Fassung abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02008R1272-20150601&qid=1438933631000&from=DE. 6 EFSA, Conclusion on the peer review of the pesticide risk assessment of the active substance glyphosate, EFSA Journal 2015;13(11):4302 (“In contrast to the IARC evaluation, the EU peer review experts, with only one exception , concluded that glyphosate is unlikely to pose a carcinogenic hazard to humans and the evidence does not support classification with regard to its carcinogenic potential according to the CLP Regulation”), abrufbar unter http://www.efsa.europa.eu/en/efsajournal/pub/4302. 7 EFSA, Conclusion on the peer review of the pesticide risk assessment of the active substance glyphosate, EFSA Journal 2015;13(11):4302 (“In contrast to the IARC evaluation, the EU peer review experts, with only one exception , concluded that glyphosate is unlikely to pose a carcinogenic hazard to humans and the evidence does not support classification with regard to its carcinogenic potential according to the CLP Regulation”), abrufbar unter http://www.efsa.europa.eu/en/efsajournal/pub/4302. 8 EFSA, Pressemitteilung vom 12.11.2015, Glyphosat - EFSA aktualisiert toxikologisches Profil, abrufbar unter http://www.efsa.europa.eu/de/press/news/151112. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 145/15 Seite 6 Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel (Standing Committee on Plants, Animals, Food and Feed – SCPAFF) einen Überprüfungsbericht und den Entwurf einer Durchführungsverordnung vor, wobei sie den Entwurf des Bewertungsberichts des berichterstattenden Mitgliedstaats und die Schlussfolgerung von EFSA berücksichtigt. Der Verordnungsentwurf der Kommission beinhaltet entweder die Genehmigung des Wirkstoffs oder eine Genehmigungsverweigerung oder eine Genehmigung unter Bedingungen (zur Risikominderung). Hinsichtlich des Verfahrens im Ausschuss verweist Art. 13 Abs. 2 PflanzenschutzVO auf Art. 79 Abs. 3 PflanzenschutzVO, der wiederum auf Art. 5 und 7 des Beschlusses 1999/468/EG9 unter Beachtung von dessen Art. 8 verweist. Der Beschluss 1999/468/EG ist mittlerweile durch die Verordnung (EU) Nr. 182/201110 aufgehoben bzw. ersetzt worden. Art. 5 des Beschlusses 1999/468/EG ist durch Art. 5 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 ersetzt worden. Nach Art. 5 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 erfordert eine Durchführungsmaßnahme der Kommission eine befürwortende Stellungnahme des zuständigen Ausschusses (hier des SCPAFF). Der Ausschuss entscheidet mit der qualifizierten Mehrheit seiner Stimmen gemäß Art. 16 Abs. 4 und 5 EUV. Gibt der Ausschuss eine befürwortende Stellungnahme, erlässt die Kommission gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 die Durchführungsverordnung. Wenn der Ausschuss eine ablehnende Stellungnahme abgibt, erlässt die Kommission gemäß Art. 5 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 die Durchführungsverordnung nicht. Die Kommission kann dem Ausschuss dann entweder eine geänderte Fassung des Durchführungsverordnungsentwurfs unterbreiten oder den Entwurf innerhalb eines Monats nach Abgabe der ablehnenden Stellungnahme dem Berufungsausschuss zur weiteren Beratung vorlegen. Wenn der Ausschuss keine Stellungnahme abgibt, kann die Kommission die Verordnung gemäß Art. 5 Abs. 4 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 erlassen, es sei denn, die Verordnung betrifft den Schutz der Gesundheit oder die Sicherheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen. Ist Letzteres der Fall, kann die Kommission den Verordnungsentwurf wiederum innerhalb eines Monates nach der Abstimmung im Ausschuss dem Berufungsausschuss zur weiteren Beratung vorlegen. Gibt der Berufungsausschuss eine befürwortende Stellungnahme ab, erlässt die Kommission gemäß Art. 6 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 die Verordnung. Wenn der Berufungsausschuss eine ablehnende Stellungnahme abgibt, erlässt die Kommission gemäß Art. 6 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 die Verordnung nicht. Wird keine Stellungnahme abgegeben, kann die Kommission nach 6 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 die Verordnung erlassen. Der Erlass der Verordnung gemäß dem eben dargestellten, in Art. 79 Abs. 3 PflanzenschutzVO normierten Regelungsverfahren beruht gemäß Art. 13 Abs. 2 PflanzenschutzVO auf der Grundlage des Überprüfungsberichts der Kommission, anderen in Bezug auf den zu prüfenden Sachverhalt zu berücksichtigenden Faktoren und dem Vorsorgeprinzip, wenn die Bedingungen gemäß 9 Beschluss 1999/468/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse, ABl. 1999 L, 184/23, abrufbar unter http://eur-lex.europa .eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CONSLEG:1999D0468:20060723:DE:PDF. 10 Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren, ABl. 2011 L, 55/13, abrufbar unter http://eur-lex.europa .eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32011R0182&qid=1439389878015&from=DE. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 145/15 Seite 7 Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 178/200211 relevant sind. Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 bestimmt: „In bestimmten Fällen, in denen nach einer Auswertung der verfügbaren Informationen die Möglichkeit gesundheitsschädlicher Auswirkungen festgestellt wird, wissenschaftlich aber noch Unsicherheit besteht, können vorläufige Risikomanagementmaßnahmen zur Sicherstellung des in der Gemeinschaft gewählten hohen Gesundheitsschutzniveaus getroffen werden, bis weitere wissenschaftliche Informationen für eine umfassendere Risikobewertung vorliegen .“ Die Kommission bzw. der Ausschuss treffen mit dem Erlass der Durchführungsverordnung eine Risikomanagement-Entscheidung auf der Grundlage der vorangegangenen wissenschaftlichen Prüfungen, wobei sie gegebenenfalls auf das Vorsorgeprinzip zurückgreifen. 3. Einwirkungsmöglichkeiten auf den Verfahrensablauf Die im Genehmigungsverfahren von Glyphosat noch bevorstehenden Verfahrensschritte sind die Erstellung des Überprüfungsberichts und der Entwurf einer Durchführungsverordnung durch die Kommission und die Auseinandersetzung mit diesen Dokumenten im SCPAFF-Ausschuss sowie dessen Stellungnahme. 3.1. Bundesregierung Die Bundesregierung ist insbesondere durch den bzw. die deutschen Vertreter im SCPAFF-Ausschuss am weiteren Verlauf des Genehmigungsverfahrens beteiligt und zur Einflussnahme in der Lage. Ausschüsse wie der SCPAFF setzen sich aus nationalen Vertretern zusammen, deren Auswahl den Mitgliedstaaten obliegt. Die Vertreter sind häufig die jeweils fachlich zuständigen Referenten aus den Ministerien.12 Aufgrund der Entscheidung im Ausschluss mit qualifizierter Mehrheit besteht keine Möglichkeit, allein durch das Stimmverhalten des deutschen Vertreters im SCPAFF-Ausschuss die Genehmigung durch ein Veto zu verhindern. Die Bundesregierung ist zudem durch ihren Vertreter im Rat an den Informationsrechten und Kontrollrechten des Rates beteiligt.13 3.2. Bundestag In Angelegenheiten der EU wird das Spannungsverhältnis zwischen exekutiver Außenvertretung der Bundesregierung und parlamentarischer Verantwortung des Bundestags durch Art. 23 GG auf spezifische Weise ausgestaltet. Das Konzept der parlamentarischen Integrationsverantwortung 11 Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit, ABl. 2002, L 31/1, konsolidierte Fassung abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02002R0178-20140630&qid=1447948854150&from=DE. 12 Hustedt, Verwaltungsstrukturen in der Europäischen Union: Kommission, Komitologie, Agenturen und Verwaltungsnetzwerke , 2014, S. 111. 13 S. zu den Rechten des Rates unten unter 3.3. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 145/15 Seite 8 und die hiermit verbundene Mitwirkung des Bundestages im Rahmen der Teilhabe der Bundesrepublik am europäischen Integrationsprozess wird durch den Vorbehalt des Gesetzes (Art. 23 Abs. 1 GG), das Recht auf informierte Mitwirkung (Art. 23 Abs. 2 GG) und den Vorbehalt der formalisierten Stellungnahme (Art. 23 Abs. 3 GG) in drei Stufen konkretisiert. Danach hat der Bundestag zunächst das durch den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung begrenzte Recht auf umfassende und frühestmögliche Unterrichtung durch die Bundesregierung (informierte Mitwirkung gemäß Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG), das der Teilhabe des Bundestages an der internen Willensbildung des Bundes im Hinblick auf die Beteiligung Deutschlands in Angelegenheiten der EU dient. Darüber hinaus besteht für die Teilmenge der Rechtsetzungsakte der Union ein besonderes Mitwirkungsrecht des Bundestages (Art. 23 Abs. 3 Satz 1 GG) sowie eine damit korrespondierende Berücksichtigungspflicht der Bundesregierung (Art. 23 Abs. 3 S. 2 GG).14 Die Information und Beteiligung des Bundestages in Angelegenheiten der EU wird durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZBBG)15 ausgestaltet. Über alle Vorhaben der EU gemäß § 5 EUZBBG unterrichtet die Bundesregierung den Bundestag im Verfahren gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 EUZBBG. Entsprechend Art 23 Abs. 3 GG gibt die Bundesregierung dem Bundestag gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 EUZBBG vor ihrer Mitwirkung an Vorhaben Gelegenheit zur Stellungnahme. Von dem in § 5 EUZBBG definierten Begriff der Vorhaben der EU werden Durchführungsrechtsakte und delegierte Rechtsakte („Komitologie“) als nicht erfasst angesehen.16 Im Bereich der Komitologie, wozu die Entscheidung des SCPAFF über die Genehmigung von Wirkstoffen nach der PflanzenschutzVO zählen, bestehen mithin keine standardisierten Informationsrechte des Bundestages im Rahmen einer förmlichen Zuleitung gemäß § 6 EUZBBG und keine durch § 8 EUZBBG konkretisierten Mitwirkungerechte. Ungeachtet dieser einfach-gesetzlichen Ausgestaltung besitzt der Bundestag jedoch Informationsrechte gegenüber der Bundesregierung nach Art. 23 Abs. 2 GG und gegebenenfalls ein Mitwirkungsrecht mittels Stellungnahmen gemäß Art. 23 Abs. 3 GG, sofern die Bundesregierung an Rechtsetzungsakten der Europäischen Union mitwirkt. 14 BVerfGE 131, 152 (196) 15 Gesetz über die Zusammenarbeit von Bunderegierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 4. Juli 2013, BGBL. I S. 2170. 16 Unterrichtung durch den Präsidenten des Deutschen Bundestages, Erster Bericht über die Anwendung der Begleitgesetze zum Vertrag von Lissabon, BT-Drucks.17/14601, S. 20 f., („Der Gesetzgeber hat sich bei der Neufassung des EUZBBG bewusst dagegen entschieden, den Bereich der Durchführungsrechtsakte und delegierten Rechtsakte („Komitologie“) in den Vorhabenbegriff des § 3 EUZBBG aufzunehmen. Neben inhaltlichen Erwägungen spielten hierbei auch praktisch Gründe eine Rolle. So wäre der Umfang der förmlichen Zuleitung unsachgemäß ausgeweitet und letztlich überdehnt worden, ohne dass der Bundestag angesichts der Praxis der Komitologieausschussverfahren sein Mitwirkungsrecht angemessen hätte wahrnehmen können.“), abrufbar unter http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/146/1714601.pdf. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 145/15 Seite 9 3.3. Europäisches Parlament Das Europäische Parlament und der Rat haben gemäß der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 in Bezug auf Durchführungsmaßnahmen grundsätzlich keine Entscheidungskompetenzen. Sie verfügen jedoch über bestimmte Informations- und Kontrollrechte. Art. 10 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 gestaltet Informationsrechte von Parlament und Rat aus. Parlament und Rat haben im Einklang mit den geltenden Vorschriften Zugriff auf ein von der Kommission geführtes Register der Ausschussverfahren, das u.a. die Tagesordnungen der Ausschusssitzungen , die Kurzniederschriften sowie Listen der Behörden und Stellen, denen die Personen angehören, die die Mitgliedstaaten in deren Auftrag vertreten, die Entwürfe der Durchführungsrechtsakte , die Abstimmungsergebnisse und die endgültigen Entwürfe der Durchführungsrechtsakte nach Abgabe der Stellungnahme der Ausschüsse enthält. Gemäß Art. 11 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 können sie die Kommission jederzeit darauf hinweisen, dass der Entwurf eines Durchführungsrechtsakts ihres Erachtens die im Basisrechtsakt (hier: die Pflanzenschutz VO) vorgesehenen Durchführungsbefugnisse überschreitet, wenn der Basisrechtsakt nach dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren erlassen worden ist. In diesem Fall überprüft die Kommission den Entwurf des Durchführungsrechtsakts unter Berücksichtigung der vorgetragenen Standpunkte und unterrichtet das Europäische Parlament und den Rat darüber, ob sie beabsichtigt , den Entwurf des Durchführungsrechtsakts beizubehalten, abzuändern oder zurückzuziehen . Da Art. 13 PflanzenschutzVO die Entscheidung über die Genehmigung von Pflanzenschutzmitteln der Kommission bzw. dem zuständigen Ausschuss zuweist, ist nicht ersichtlich, dass die Kommission mit dem Erlass einer Verordnung zur Glyphosat-Genehmigung ihre Befugnisse überschreitet . 3.4. Antragsteller (Glyphosate Task Force) Der Antragsteller erhält gemäß Art. 13 Abs. 1 UAbs. 2 PflanzenschutzVO die Gelegenheit, zum Überprüfungsbericht der Kommission Stellung zu nehmen. 3.5. Dritte (Lobbyorganisationen, NGO und Bürger) Art. 7 Abs. 3 der Standardgeschäftsordnung für Ausschüsse17 sieht vor, dass der Ausschussvorsitz von sich aus oder auf Antrag eines Ausschussmitglieds beschließen kann, dass zu besonderen Fragen Vertreter anderer Dritter [Drittstaaten oder Organisationen] oder andere Sachverständige gehört werden. Die Ausschussmitglieder können die Teilnahme dieser Personen an der Sitzung allerdings mit einfacher Mehrheit ablehnen. Vertreter von Dritten und Sachverständige sind nach Art. 7 Abs. 4 der Standardgeschäftsordnung bei den Abstimmungen des Ausschusses nicht zugegen und nehmen an der Abstimmung nicht teil. Auch in der älteren Literatur finden sich 17 Standardgeschäftsordnung für Ausschüsse, ABl. 2011, C 206/11, abrufbar unter http://www.cep.eu/Analysen _KOM/EU__Nr._182_2011_Kontrolle_von_Durchfuehrungsbefugnissen/Standardgeschaeftsordnung.pdf. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 145/15 Seite 10 Ausführungen zu der Möglichkeit der Ausschüsse, Vertreter von Drittstaaten bzw. externe Organisationen einzuladen.18 In der Bewertung des Komitologieverfahren, nach der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 für bzw. vom Verband der chemischen Industrie (VCI) heißt es: „Der Zugang zu Informationen und Dokumenten der Verfahren zum Erlass von Durchführungsrechtsakten wird wie bisher über das von der Kommission eingerichtete Komitologieregister gewährleistet. Dieses Register enthält allerdings keine Informationen zu delegierten Rechtsakten! Ferner sind auch zahlreiche wichtige Dokumente , wie beispielsweise die Kommissionsentwürfe, Protokolle der Ausschusssitzungen oder das Abstimmungsverhalten der Ausschussmitglieder im Register nicht öffentlich zugänglich. Eine effiziente Advocacy-Arbeit zu diesen Verfahren gestaltet sich demzufolge als äußerst schwierig. […] Deshalb ist es für die Advocacy-Arbeit unerlässlich, die Industrieposition sehr früh im Verfahren , idealerweise noch vor Fertigstellung des Kommissionsentwurfes, einzubringen. Sobald der Entwurf im Ausschuss behandelt wird, ist es aufgrund der beschriebenen Mehrheitsverhältnisse sehr schwierig, noch Einfluss zu nehmen.“19 Eine politikwissenschaftliche Arbeit zu Lobbyismus in Komitologieverfahren kommt zu dem Ergebnis , dass sich Lobbyorganisationen in den von der Studie untersuchten Fällen im Zeitraum der Erstellung des Entwurfs eines Durchführungsaktes auf die Kommission konzentrieren und mit Überweisung des Entwurfs an den Ausschuss ihre Lobbytätigkeit auf die nationalen Mitglieder der Ausschüsse ausrichten.20 - Fachbereich Europa - 18 Huster, Europapolitik aus dem Ausschuss: Innenansichten des Ausschusswesens der EU, 2008, S. 107; Töller, Komitologie: Theoretische Bedeutung und praktische Funktionsweise von Durchführungsausschüssen der EU am Beispiel der Umweltpolitik, 2002, S. 473. 19 Solle (VCI), „Komitologie“ nach dem Vertrag von Lissabon, abrufbar unter http://www.alexandrathein .de/fileadmin/user_upload/diverses/11-08-23_Komitologie.pdf. 20 Nørgaard/Nedergaard/Blom-Hansen, Lobbying in the EU Comitology System, Journal of European Integration 2014, S. 491 (499 f.). © 2015 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 145/15 Wiederzulassung von Glyphosat (Teil 2) Ausarbeitung Unterabteilung Europa Fachbereich Europa Ausarbeitungen und andere Informationsangebote des Fachbereichs Europa geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung P, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 145/15 Seite 2 Wiederzulassung von Glyphosat (Teil 2) Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 145/15 Abschluss der Arbeit: 4.12.2015 Fachbereich: PE 6: Fachbereich Europa Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 145/15 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Nichtigkeitsklagen 4 2.1. Privilegierte Kläger 5 2.2. Nicht-privilegierte Kläger 5 2.2.1. Art. 263 Abs. 4 Alt. 2 AEUV 6 2.2.1.1. Antragsteller 6 2.2.1.2. Andere natürliche und juristische Personen 6 2.2.2. Art. 263 Abs. 4 Alt. 3 AEUV 7 2.2.2.1. Antragsteller 7 2.2.2.2. Andere natürliche und juristische Personen 9 2.3. Zwischenergebnis 10 3. Klage nach der Aarhus-Konvention 10 3.1. Bisherige Klagen nach Art. 10 ff. der Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 12 3.2. Voraussetzungen einer Klage nach Art. 10 ff. der Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 12 3.3. Gerichtlicher Prüfungsumfang 13 3.4. Konsequenzen der Aarhus-Konvention für andere Klageverfahren 14 3.5. Zwischenergebnis 14 4. Schadensersatzansprüche gegen die Union 14 5. Fazit 16 Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 145/15 Seite 4 1. Fragestellung Die Ausarbeitung befasst sich mit dem Genehmigungsverfahren des Pflanzenschutzmittelwirkstoffs Glyphosat. Ergänzend zu den Ausführungen in Teil 1 wird im Folgenden erörtert, welche Optionen bestehen, um die Genehmigungsentscheidung in Gestalt einer Durchführungsverordnung der Kommission nachträglich gerichtlich überprüfen zu lassen. Dabei wird zwischen verschiedenen potentiellen Klägern differenziert: Bundesregierung, Bundestag, Europäisches Parlament , Antragsteller, Lobbyorganisationen, NGOs und einzelne Bürgerinnen und Bürger. Zunächst wird die Möglichkeit dargestellt, die Genehmigungsentscheidung in Gestalt der Durchführungsverordnung der Kommission mittels einer Nichtigkeitsklage gerichtlich überprüfen zu lassen (2.). Anschließend wird erörtert, inwiefern die Möglichkeit besteht, eine Klage nach der Aarhus-Konvention1 gegen die Genehmigung eines Pflanzenschutzmittels wie Glyphosat einzulegen (3.). Im letzten Abschnitt wird die Möglichkeit untersucht, auf Unionsebene Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit einer möglichen Genehmigung geltend zu machen (4.). 2. Nichtigkeitsklagen Der Gerichtshof der EU (EuGH) überwacht nach Art. 263 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV) die Rechtmäßigkeit von Gesetzgebungsakten sowie anderen Handlungen der EU-Organe. Gibt der EuGH einer Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV gegen die Handlung eines EU-Organs statt, beseitigt sein Urteil die Geltung der rechtswidrigen Handlung.2 Nichtigkeitsklagen nach Art. 263 AEUV sind gegen Gesetzgebungsakte und Handlungen der EU- Organe möglich. Bei einer Klage gegen die Genehmigung des Wirkstoffs Glyphosat wäre Klagegegenstand eine Durchführungsverordnung der Kommission, mithin eine rechtsverbindliche Handlung eines EU-Organs.3 Nach Art. 263 Abs. 2 AEUV setzt eine Nichtigkeitsklage einen Klagegrund voraus. Der Kläger muss geltend machen, die angegriffene Handlung sei aufgrund der Unzuständigkeit des Organs, der Verletzung wesentlicher Formvorschriften, Verletzung der Verträge oder einer bei der Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm oder wegen Ermessensmissbrauchs vom Gericht für nichtig zu erklären. Eine Nichtigkeitsklage gegen eine Wirkstoffgenehmigung der Kommission würde mutmaßlich mit der Verletzung der Verträge oder einer bei der Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm oder Ermessensmissbrauch begründet werden. Nichtigkeitsklagen müssen gemäß Art. 263 Abs. 6 AEUV binnen zwei Monaten erhoben werden. Diese Frist läuft je nach Lage des Falles von der Bekanntgabe der betreffenden Handlung, ihrer 1 Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, abrufbar unter http://www.unece.org/fileadmin /DAM/env/pp/documents/cep43g.pdf. 2 Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 263 AEUV, Rn. 1. 3 Borchardt/Dauses/Stotz/Wohlfahrt, in: Dauses, EU-Wirtschaftsrecht, Band 2, Lfg 32, Stand: April 2013, P.I., Rn. 74. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 145/15 Seite 5 Mitteilung an den Kläger oder in Ermangelung dessen von dem Zeitpunkt an, zu dem der Kläger von dieser Handlung Kenntnis erlangt hat. Neben Klagegenstand, Klagegrund und Klagefrist ist für die Zulässigkeit von Nichtigkeitsklagen insbesondere die Klagebefugnis von Bedeutung. Diesbezüglich ist zwischen privilegierten und nicht-privilegierten Klägern zu differenzieren. 2.1. Privilegierte Kläger Ein umfassendes Klagerecht haben gemäß Art. 263 Abs. 2 AEUV nur die sogenannten privilegierten Kläger: Kommission, Rat, Parlament und die Mitgliedstaaten. Sie können gegen jeden Gesetzgebungsakt und jede Handlung eines EU-Organs Klage erheben ohne eine besondere Klagebefugnis nachzuweisen.4 Ein Beispiel im Bereich der Genehmigung von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen ist die Klage von Schweden gegen die Richtlinie 2003/112/EG, mit welcher die Kommission den Wirkstoff Paraquat genehmigt hat.5 Von den in der Einleitung aufgezählten potentiellen Klägern sind vorliegend nur das Europäische Parlament und die Bundesregierung im Namen der Bundesrepublik Deutschland privilegierte Kläger. Die Klage von Deutschland als Mitgliedstaat würde durch die Bundesregierung im Namen Deutschlands erhoben. Dem Bundestag hingegen fehlt es an einer Berechtigung, für den Gesamtverband Deutschland nach außen zu handeln und in dessen Namen eine Nichtigkeitsklage nach Art. 263 Abs. 2 AEUV zu erheben.6 2.2. Nicht-privilegierte Kläger Gemäß Art. 263 Abs. 4 AEUV können auch natürliche und juristische Personen Nichtigkeitsklage erheben. Voraussetzung einer Nichtigkeitsklage nicht-privilegierter Kläger ist allerdings eine besondere Klagebefugnis. Gemäß Art. 263 Abs. 4 AEUV können natürliche und juristische Personen nur gegen an sie gerichtete Handlungen (Alt. 1) oder sie unmittelbar und individuell betreffende Handlungen (Alt. 2) sowie gegen Rechtsakte mit Verordnungscharakter, die sie unmittelbar betreffen und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen (Alt. 3), Klage erheben. Da die Durchführungsverordnungen, mit denen die Kommission einen Wirkstoff genehmigt, keinen Adressaten haben7, kommen nur die Alt. 2 und 3 für eine Klagebefugnis in Betracht. 4 Classen, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht, 3. Aufl. 2015, § 4 Rechtsschutz, Rn. 22. 5 EuG, Urt. v. 11.7.2007, Rs. T-229/04, – Schweden/Kommission. 6 Dörr, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, Lfg 49, Stand: November 2012, Art. 263 AEUV, Rn. 11 f. 7 Vgl. beispielsweise die Durchführungsverordnung (EU) 2015/1165 der Kommission vom 15. Juli 2015 zur Genehmigung des Wirkstoffs Halauxifen-methyl gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln sowie zur Änderung des Anhangs der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011, ABl. 2015, L 188/30, abrufbar unter http://eur-lex.europa .eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32015R1165&from=DE. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 145/15 Seite 6 Potentielle nicht-privilegierte Kläger wären der Antragsteller, Lobbyorganisationen, NGOs und einzelne Bürger. Der Antragsteller (zumeist der Hersteller des Wirkstoffs) wird aufgrund seiner besonderen Verfahrensnähe von den übrigen potentiellen Klägern getrennt erörtert. 2.2.1. Art. 263 Abs. 4 Alt. 2 AEUV Nach Art. 263 Abs. 4 Alt. 2 AEUV ist klagebefugt, wer durch die fragliche Handlung eines EU- Organs unmittelbar und individuell betroffen ist. 2.2.1.1. Antragsteller Antragsteller haben in der Vergangenheit bereits Nichtigkeitsklagen gegen Rechtsakte der Kommission zur Genehmigung von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen gemäß der Vorgängernorm der PflanzenschutzVO, der Pflanzenschutz-Richtlinie 91/414/EWG8, erhoben.9 Das Gericht der EU (EuG) erachtete die Klagen aufgrund der unmittelbaren und individuellen Betroffenheit der klagenden Antragsteller in diesen Fällen für zulässig.10 Der Antragsteller ist nach der Rechtsprechung des EuG befugt, eine Nichtigkeitsklage gegen einen Durchführungsbeschluss der Kommission zu erheben, mit welcher diese einen Wirkstoff nicht oder mit bestimmten Bedingungen genehmigt . Nach der neuen PflanzenschutzVO ergeht die Genehmigung der Kommission in Form einer Durchführungsverordnung statt mittels eines Durchführungsbeschlusses. Das ändert die Rechtslage nicht, da auch die Durchführungsbeschlüsse (wie nunmehr die Durchführungsverordnungen ) nicht an den Hersteller gerichtet waren, sondern ihn (nur) individuell und unmittelbar betrafen. 2.2.1.2. Andere natürliche und juristische Personen Andere Organisationen und Personen, wie z.B. NGOs oder Bürger, sind durch die Genehmigung der Kommission nicht unmittelbar und individuell betroffen. Individuelle Betroffenheit setzt nach der sog. Plaumann-Formel grundsätzlich voraus, dass „wer nicht Adressat einer Entscheidung ist, nur dann geltend machen kann, von ihr individuell betroffen zu sein, wenn die Entscheidung ihn wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, ihn aus dem Kreis 8 Richtlinie 91/414/EWG des Rates vom 15. Juli 1991 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln, ABl. 1991, L 230/1, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:31991L0414&from=DE. 9 EuG, Urt. v. 19.1.2012, Rs. T-71/10, – Xeda International SA, Rn. 62; EuG, Urt. v. 6.9.2013, Rs. T-483/11, – Sepro Europe Ltd, Rn. 26 ff. 10 EuG, Urt. v. 19.1.2012, Rs. T-71/10, – Xeda International SA, Rn. 58; EuG, Urt. v. 6.9.2013, Rs. T-483/11, – Sepro Europe Ltd, Rn. 29 ff.; s. auch: EuG, Urt. v. 3.9.2009, Rs. T-326/07, – Cheminova, Rn. 66 („Dennoch ist Cheminova , wie die Kommission hervorhebt, als klagebefugt im Sinne von Art. 230 Abs. 4 EG anzusehen. Da sie einen Antrag gemäß Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 451/2000 auf Aufnahme des Wirkstoffs Malathion in Anhang I der Richtlinie 91/414 gestellt hat, ist sie nämlich unmittelbar und individuell von der angefochtenen Entscheidung betroffen, mit der die Kommission die Aufnahme abgelehnt hat.“) Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 145/15 Seite 7 der übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und ihn daher in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten.“11 Vor diesem Hintergrund wies das EuG eine Klage zweier Umweltschutzverbände auf Nichtigkeit einer Kommissionsentscheidung zur zeitlich begrenzten Geltung von Zulassungen für Pflanzenschutzmittel , welche die Wirkstoffe Atrazin oder Simazin enthalten, als unzulässig ab. Die Kläger seien nicht individuell betroffen, selbst wenn man annehme, dass die Kommissionentscheidung sie beeinträchtige, da „diese Bestimmungen die Kläger in ihrer objektiven Eigenschaft als Einrichtungen , die die Aufgabe haben, die Umwelt zu schützen, beeinträchtigen, und dies in gleicher Weise wie alle anderen Personen, die sich in der gleichen Situation befinden. Aus dieser Eigenschaft der Kläger allein ergibt sich nach der Rechtsprechung nicht, dass sie von der angefochtenen Handlung individuell betroffen wären.“12 Die europäische Rechtsprechung lehnt die Klagebefugnis von Umweltverbänden mangels individueller Betroffenheit in der Regel ab, wenn die Verbände nur in ihrer objektiven Eigenschaft als Einrichtungen, die die Aufgabe haben, die Umwelt zu schützen, beeinträchtigt sind.13 2.2.2. Art. 263 Abs. 4 Alt. 3 AEUV Eine Klage natürlicher oder juristischer Personen ist nach Art. 263 Abs. 4 Alt. 3 AEUV auch zulässig , wenn die Klage gegen einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter gerichtet ist, der den Kläger unmittelbar betrifft und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht. Der Begriff des Rechtsakts mit Verordnungscharakter umfasst nach der Rechtsprechung des EuGH nur Rechtsake ohne Gesetzgebungscharakter,14 also insbesondere auch Durchführungsverordnungen nach Art. 291 AEUV.15 Eine Klage einer natürlichen oder juristischen Person gegen eine Durchführungsverordnung der Kommission, mit welcher diese einen Wirkstoff genehmigt, setzt gemäß Art. 263 Abs. 4 Alt. 3 AEUV voraus, dass keine Durchführungsmaßnahmen erforderlich sind und der Kläger unmittelbar betroffen ist. Eine individuelle Betroffenheit wird hingegen nicht vorausgesetzt .16 2.2.2.1. Antragsteller Unmittelbare Betroffenheit gemäß Art. 263 Abs. 4 Alt. 2 AEUV liegt vor, wenn die angegriffene Handlung sich auf die Rechtsstellung des Klägers „unmittelbar auswirkt und ihren Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum läßt, ihr Erlaß vielmehr 11 EuGH, Urt. v. 15.7.1963, Rs. 25/62, – Plaumann. 12 EuG, Urt. v. 28.11.2005, verb. Rs. T‑236/04 und T‑241/04, – EEB und Stichting Natuur en Milieu, Rn. 56. 13 Rehbinder, Die Aarhus-Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs und die Verbandsklage gegen Rechtsakte der Europäischen Union, EurUP 2012, S. 23 (27). 14 EuGH, Urt. v. 3.10.2013, Rs. C‑583/11 P, – Inuit Tapiriit Kanatami, Rn. 60 f. 15 Classen, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht, 3. Aufl. 2015, § 4 Rechtsschutz, Rn. 28. 16 Gundel, Die Rechtsprechung zur Individualklagebefugnis des Art. 263 Abs. 4 AEUV nach dem Vertrag von Lissabon – Eine Bestandsaufnahme zu den Folgen der Neuregelung, EWS 2014, S. 22 (25). Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 145/15 Seite 8 rein automatisch erfolgt und sich allein aus der Gemeinschaftsregelung ergibt, ohne daß weitere Durchführungsvorschriften angewandt werden.“17 Das EuG ist, wie oben dargestellt, bei Klagen von Antragstellern gegen Genehmigungsentscheidungen der Kommission bisher von einer unmittelbaren und individuellen Betroffenheit der Antragsteller gemäß Art. 263 Abs. 4 Alt. 2 AEUV ausgegangen.18 Das Kriterium der Unmittelbarkeit im Rahmen von Art. 263 Abs. 4 Alt. 3 AEUV entspricht dem Unmittelbarkeitskriterium des Art. 263 Abs. 4 Alt. 2 AEUV.19 Der Antragsteller ist von der Genehmigung der Kommission mithin unmittelbar betroffen. Zudem darf der Rechtsakt mit Verordnungscharakter gemäß Art. 263 Abs. 4 Alt. 3 AEUV keine Durchführungsmaßnahme nach sich ziehen. Diese Anforderung schließt die Zulässigkeit einer Nichtigkeitsklage immer dann aus, wenn Durchführungsmaßnahmen erforderlich sind, selbst wenn diese inhaltlich determiniert sind und für ihren Erlass kein Ermessensspielraum besteht.20 Diese Voraussetzung ist bei einer Durchführungsverordnung der Kommission, mit welcher ein Wirkstoff gemäß Art. 13 PflanzenschutzVO genehmigt wird, schwierig zu bewerten, als für das Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels neben der unionsrechtlichen Genehmigung des Wirkstoffes zusätzlich gemäß Art. 28 PflanzenschutzVO eine Zulassung des Pflanzenschutzmittels auf nationaler Ebene erforderlich ist. Die entscheidende Frage ist, ob diese nationale Zulassung im Hinblick auf die Wirkstoffgenehmigung eine Durchführungsmaßnahme i.S.d. Art. 263 Abs. 4 Alt. 3 AEUV darstellt. Die Kommission machte in einem Verfahren bezüglich einer Wirkstoffgenehmigung geltend, ihre Genehmigungen seien keine Rechtsakte und würden Durchführungsmaßnahmen auf Ebene der Mitgliedstaaten erfordern („is not a regulatory act and that it requires implementing measures at Member State level“).21 Es existiert diesbezüglich noch kein Urteil des EuGH. Auch das EuG hat diese Frage bisher nicht beantwortet, sondern im Rahmen des 17 EuGH, Urt. v. 5.5.1998, Rs. C‑386/96 P, – Dreyfus, Rn. 43 m.w.N.; EuGH, Urt. v. 22.3.2007, Rs. C-15/06 P, – Regione Siciliana, Rn. 31; EuG, Urt. v. 7.3.2013, Rs. T-93/10, – Bilbaína de Alquitranes, SA, Rn. 37. 18 EuG, Urt. v. 19.1.2012, Rs. T-71/10, – Xeda International SA, Rn. 58; EuG, Urt. v. 6.9.2013, Rs. T-483/11, – Sepro Europe Ltd, Rn. 29 ff.; EuG, Urt. v. 3.9.2009, Rs. T-326/07, – Cheminova, Rn. 66. 19 Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 263 AEUV, Rn. 69. 20 Ehricke, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 263 AEUV, Rn. 56; EuG, Urt. v. 6.6.2013, Rs. T-279/11, – T&L Sugars, Rn. 53 („Nach der Rechtsprechung des Gerichts ist die Frage, ob der angefochtene Rechtsakt mit Verordnungscharakter den mit den Durchführungsmaßnahmen betrauten Behörden einen Ermessensspielraum lässt, nicht relevant, um zu bestimmen, ob er Durchführungsmaßnahmen im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV nach sich zieht oder nicht.“). 21 EuG, Urt. v. 6.9.2013, Rs. T-483/11, – Sepro Europe Ltd, Rn. 26. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 145/15 Seite 9 oben erwähnten Verfahrens gegen die Wirkstoffgenehmigung auf die individuelle und unmittelbare Betroffenheit des klagenden Antragstellers abgestellt.22 Für die Wertung der nationalen Zulassungsentscheidung als Durchführungsmaßnahme der Kommissionsgenehmigung spricht, dass die Genehmigung des Wirkstoffs nach Art. 29 Abs. 1 lit. a PflanzenschutzVO maßgeblich für die (nationale) Zulassung des Pflanzenschutzmittels zum Inverkehrbringen ist. Andererseits ist es durchaus möglich, dass ein Antragsteller sich allein auf die Produktion des Wirkstoffes verlegt und insofern für ihn bereits allein die Genehmigungsentscheidung der Kommission relevant ist. Da der Antragsteller in jedem Fall gemäß Art. 263 Abs. 4 Alt. 2 AEUV klagebefugt ist, braucht die Frage vorliegend nicht entschieden zu werden. 2.2.2.2. Andere natürliche und juristische Personen Neben der Frage, ob die Durchführungsverordnung der Kommission als Rechtsakt mit Verordnungscharakter , der keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht, eingeordnet werden kann, ist bei anderen Personen als den Antragstellern insbesondere das Kriterium der unmittelbaren Betroffenheit problematisch. Wie oben bereits festgestellt sind Organisationen und Personen, wie z.B. NGOs oder Bürger, durch die Wirkstoffgenehmigung der Kommission nicht individuell betroffen. Der Verzicht auf das Kriterium der individuellen Betroffenheit bei Rechtsakten mit Verordnungscharakter, die keine Durchführungsmaßnahme nach sich ziehen, sollte nicht dazu dienen, Popularklagen zu ermöglichen .23 Insofern fordert das Kriterium der unmittelbaren Betroffenheit, dass der fragliche Rechtsakt „sich auf die Rechtsstellung der Person unmittelbar auswirkt."24 Die europäische Rechtsprechung vertritt diesbezüglich einen restriktiven Ansatz. So verneinte das EuG beispielsweise bezüglich eines Verbots des Handels mit Robbenerzeugnissen die unmittelbare Betroffenheit von Robbenjägern und Organisationen, die ihre Interessen vertreten,25 und argumentierte: „Es ist daher festzustellen, dass zwar nicht ausgeschlossen werden kann, dass das in der angefochtenen Verordnung vorgesehene allgemeine Verbot des Inverkehrbringens Auswirkungen auf die Tätig- 22 EuG, Urt. v. 6.9.2013, Rs. T-483/11, – Sepro Europe Ltd, Rn. 29 ff. („In the present case, it is common ground that the contested decision is not addressed to the applicant, which is therefore not an addressee of that measure . In those circumstances, under the fourth paragraph of Article 263 TFEU, the applicant can bring an action for annulment of that measure only if the latter is either a regulatory act which is of direct concern to the applicant and entails no implementing measures or a decision of direct and individual concern to the applicant. It should be borne in mind that, as the applicant is the person who made the request under Article 13 of Regulation No 33/2008 aimed at the inclusion of flurprimidol in Annex I to Directive 91/414, the contested decision, in which the Commission refused to include that substance in the annex in question, is of direct and individual concern to the applicant, which the Commission does not dispute. In those circumstances, the action must be held to be admissible without there being any need to consider whether the contested decision is a regulatory act which does not entail any implementing measures.”). 23 Görlitz/Kubicki, Rechtsakte „mit schwierigem Charakter“ – Zum bislang unterschätzten, deutlich erweiterten Rechtsschutz des Individualklägers im Rahmen des neuen Art. 263 IV AEUV, EuZW 2011, S. 248 (249). 24 EuGH, Urt. v. 22.3.2007, Rs. C-15/06 P, – Regione Siciliana, Rn. 31. 25 EuG, Beschluss v. 6.9.2011, Rs. T-18/10, – Inuit Tapiriit Kanatami, Rn. 86. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 145/15 Seite 10 keit von Personen haben kann, die diesem Inverkehrbringen vor- oder nachgelagert ist; gleichwohl können derartige Auswirkungen nicht als unmittelbare Folge dieses Verbots angesehen werden . Außerdem betreffen etwaige wirtschaftliche Auswirkungen dieses Verbots nach der Rechtsprechung nicht die Rechtsstellung, sondern allein die faktische Lage der Kläger.“26 Angesichts dieser restriktiven Rechtsprechung ist nicht anzunehmen, dass sich eine Wirkstoffgenehmigung der Kommission nach Ansicht des EuG bzw. des EuGH auf die Rechtsstellung einer NGO im Umweltbereich oder die Position eines einzelnen Bürgers unmittelbar auswirkt. 2.3. Zwischenergebnis Die Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV steht grundsätzlich allen potentiellen Interessengruppen offen, die Anforderungen an die Klagebefugnis sind allerdings unterschiedlich hoch. Im Ergebnis dürften in Bezug auf die Durchführungsverordnung der Kommission, mit welcher diese den Wirkstoff Glyphosat genehmigt oder nicht, nur die privilegierten Kläger (darunter das Europäische Parlament und die Bundesrepublik Deutschland als Mitgliedstaat durch die Bundesregierung ) und von den nicht-privilegierten Klägern allein die Antragstellerin der Lage sein, eine zulässige Nichtigkeitsklage zu erheben. Andere natürliche und juristische Personen wie Lobbyorganisationen , NGOs und einzelne Bürger sind voraussichtlich nicht klagebefugt. 3. Klage nach der Aarhus-Konvention Die Aarhus-Konvention27 verpflichtet die Vertragsstaaten, ihren Bürgern Informationsrechte in Umweltfragen, Beteiligungsrechte an Verwaltungsverfahren zu Projekten mit Umweltauswirkungen sowie Klagemöglichkeiten zu gewähren. Während Art. 9 Abs. 1 und 2 der Aarhus-Konvention Klagerechte bei Verletzungen der Informations- und Beteiligungsrechte im Umweltbereich gewährleisten, legt Art. 9 Abs. 3 der Konvention fest, dass „zusätzlich und unbeschadet der in den Absätzen 1 und 2 genannten Überprüfungsverfahren […] jede Vertragspartei sicher [stellt], daß Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben, um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen .“ 26 EuG, Beschluss v. 6.9.2011, Rs. T-18/10, – Inuit Tapiriit Kanatami, Rn. 75. 27 Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, abrufbar unter http://www.unece.org/fileadmin /DAM/env/pp/documents/cep43g.pdf. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 145/15 Seite 11 Die Aarhus-Konvention ist von der EG unterzeichnet und durch den Beschluss 2005/370/EG28 genehmigt worden. Mit dem Vertrag von Lissabon ist die EU nach Art. 1 Abs. 3 Satz 3 des Vertrags über die EU (EUV) als Rechtsnachfolgerin der EG an deren Stelle getreten. Da es sich bei der Aarhus-Konvention um einen völkerrechtlichen Vertrag handelt, kann sich ein Einzelner nicht direkt auf die in der Konvention benannten Rechte stützen, es sei denn eine Konventionsbestimmung enthält unter Berücksichtigung ihres Wortlauts und im Hinblick auf Zweck und Natur des Übereinkommens eine klare und präzise Verpflichtung, deren Erfüllung und Wirkung nicht vom Erlass eines weiteren Rechtsaktes abhängt.29 Das hat der EuGH in Bezug auf Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention verneint, diese hat keine unmittelbare Wirkung.30 Maßgeblich ist für den Einzelnen mithin die Umsetzung der Konvention durch die Mitgliedstaaten bzw. die Union. Die Bestimmungen der Aarhus-Konvention finden sich zum Teil in der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001.31 Zur Anwendung der Arhus-Konvention auf die Organe und Einrichtungen der Union dient zudem die Verordnung (EG) Nr. 1367/2006.32 Die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 regelt generell den Zugang der Öffentlichkeit zu Unionsdokumenten. Nach Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 hat jeder Unionsbürger sowie jede natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz oder Sitz in einem Mitgliedstaat ein Recht auf Zugang zu Dokumenten der Organe. Davon sind gemäß Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 Umweltinformationen erfasst. Art. 9 der Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 regelt die Öffentlichkeitsbeteiligung bei umweltbezogenen Plänen und Programmen. Vorliegend sind die Art. 10 ff. der Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 von Interesse. Nach Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 können NGOs bei Unionsorganen eine interne Überprüfung von Verwaltungsakten nach dem Umweltrecht beantragen und gemäß Art. 12 Nichtigkeitsklage erheben, wenn ihr Überprüfungsantrag abgelehnt , abschlägig oder gar nicht beschieden worden ist.33 28 Beschluss des Rates vom 17. Februar 2005 über den Abschluss des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen , die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten im Namen der Europäischen Gemeinschaft, (2005/370/EG), ABl. 2005, L 124/1, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32005D0370&from=DE. 29 EuGH, Urt. v. 8.3.2011, Rs. C-240/09, – Lesoorchranárske zoskupenie VLK, Rn. 44. 30 EuGH, Urt. v. 8.3.2011, Rs. C-240/09, – Lesoorchranárske zoskupenie VLK, Rn. 52; EuGH, Urt. v. 13.1.2015, verb. Rs. C-404/12 P und C-405/12-P, – Rat/Stichting Natuur en Milieu, Rn. 47. 31 Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission, ABl. 2011, L 145/43, abrufbar unter http://www.europarl.europa.eu/RegData/PDF/r1049_de.pdf. 32 Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. September 2006 über die Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens von Århus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten auf Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft, ABl. 2006 L, 264/13, abrufbar unter http://eur-lex.europa .eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32006R1367&qid=1439390072704&from=DE. 33 Rehbinder, Die Aarhus-Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs und die Verbandsklage gegen Rechtsakte der Europäischen Union, EurUP 2012, S. 23 (24). Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 145/15 Seite 12 3.1. Bisherige Klagen nach Art. 10 ff. der Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 Mehrere Umweltschutzverbände haben die Kommission bereits aufgefordert, ihre Genehmigung bestimmter Wirkstoffe intern zu überprüfen. Sie haben sich dafür auf Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 gestützt. Als die Kommission die Überprüfung bzw. den Antrag darauf abgelehnt hat, haben die Verbände Klagen beim EuG gegen die Ablehnungsbescheide der Kommission erhoben.34 In der Rechtssache T-192/12 wies das EuG die Klage als teilweise offensichtlich unzulässig und teilweise offensichtlich jeder rechtlichen Grundlage entbehrend zurück,35 da die Klägerin in dieser Rechtssache zum einen zum Zeitpunkt der Klage noch nicht zwei Jahre existierte , was eine Voraussetzung der Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 ist, und zum anderen unzulässige Klageanträge gestellt hatte. Die beiden anderen Klagen sind mittlerweile zurückgenommen worden.36 3.2. Voraussetzungen einer Klage nach Art. 10 ff. der Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 Ein Überprüfungsantrag gemäß der Art. 10 Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 setzt voraus, dass der Antragsteller eine Nichtregierungsorganisation (NGO) ist, bei der es sich um eine unabhängige juristische Person ohne Erwerbscharakter gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten eines Mitgliedstaates handelt; deren vorrangiges erklärtes Ziel darin besteht, den Umweltschutz im Rahmen des Umweltrechts zu fördern und die seit mehr als zwei Jahren besteht und ihr Ziel aktiv verfolgt. Eben diese Nichtregierungsorganisationen sind nach Art. 12 der Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 klageberechtigt, wenn ihr Antrag auf Überprüfung abgelehnt, abschlägig oder gar nicht beschieden worden ist. Der Überprüfungsantrag muss schriftlich und innerhalb von höchstens sechs Wochen ab dem Zeitpunkt des Erlasses, der Bekanntgabe oder der Veröffentlichung des zu überprüfenden Verwaltungsakts , je nachdem, was zuletzt erfolgte, gestellt werden. Nicht nur bezüglich des potentiellen Klägers, auch bezüglich des Klagegegenstands bzw. des Überprüfungsgegenstands enthält die Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 Vorgaben. Überprüft werden kann gemäß Art. 10 nur ein Verwaltungsakt im Bereich des Umweltrechts. Ein Verwaltungsakt wird in Art. 2 Abs. 2 lit. g der Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 wie folgt definiert: „jede Maßnahme des Umweltrechts zur Regelung eines Einzelfalls, die von einem Organ oder einer Einrichtung der Gemeinschaft getroffen wird, rechtsverbindlich ist und Außenwirkung hat.“ Fraglich ist, ob eine Durchführungsverordnung der Kommission zur Genehmigung eines Wirkstoffs einen Verwaltungsakt im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 darstellt. Die Kommission hat dies 34 EuG, Klage eingereicht am 2.5.2012, Rs. T-192/12, – PAN Europe; EuG, Klage eingereicht am 15.10.2012, Rs. T- 458/12, – Générations futures; EuG, Klage eingereicht am 4.1.2013, Rs. T-8/13, – ClientEarth. 35 EuG, Beschluss v. 12.3.2014, Rs. T-192-12, – PAN Europe. 36 EuG, Beschluss v. 5.3.2015, Rs. T-458/12, – Générations futures; EuG, Beschluss v. 21.5.2015, Rs. T-8/13, – Client Earth. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 145/15 Seite 13 in dem oben erwähnten Verfahren verneint.37 Das EuG hat diese Frage offen gelassen.38 Es ist daher nicht abschließend geklärt, ob ein Überprüfungsantrag nach Art. 10 Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 bezüglich einer Durchführungsverordnung der Kommission zur Genehmigung eines Wirkstoffes und daran gegebenenfalls anschließend eine Klage nach Art. 12 Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 möglich ist. Klagen von NGOs, die auf die Feststellung abzielen, dass die Beschränkung des Klagegenstands in Art. 10 und 12 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 lit. g der Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 auf Verwaltungsakte zu restriktiv und mit Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention unvereinbar sei, hat der EuGH abgewiesen.39 3.3. Gerichtlicher Prüfungsumfang Für den Fall, dass ein Überprüfungsantrag nach Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 bezüglich einer Durchführungsverordnung der Kommission und daran gegebenenfalls anschließend eine Klage nach Art. 12 Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 möglich ist, ist der Kontrollumfang des Gerichts zu klären. Fraglich ist, ob die Uniongerichte allein kontrollieren, ob die Kommission die Überprüfungsrechte der Nichtregierungsorganisation verletzt hat oder ob sie den Rechtsakt selbst, dessen Überprüfung von der Organisation gefordert worden war, kontrollieren. Stimmen in der Literatur fordern unter Berufung auf die Grundsätze der Effektivität des Umweltschutzes und des Rechtsschutzes Letzteres.40 In den jüngsten Entscheidungen des EuGH zu Klagen nach der Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 ist vom EuGH als zweiter wie auch vom EuG als erster Instanz jedoch allein die Frage erörtert worden, ob die Zurückweisung des Überprüfungsantrags durch die Kommission rechtswidrig war.41 Auch wurde allein diesbezüglich Klage erhoben. Dies ist insofern folgerichtig , als da die NGO nur bezüglich der Überprüfungsentscheidung eine Klagebefugnis aufgrund ihrer Adressatenstellung bzw. einer individuellen und unmittelbaren Betroffenheit geltend machen kann. Hinsichtlich des zu überprüfenden Rechtsaktes fehlt es ihr an einer Klagebefugnis nach Art. 263 Abs. 4 AEUV.42 37 EuG, Beschluss v. 12.3.2014, Rs. T-192-12, – PAN Europe, Rn. 25 („the Commission refused the applicant’s request for internal review as being inadmissible on two grounds, namely, […] and that Implementing Regulation No 1143/2011 is not an ‘administrative act’ within the meaning of Article 10(1) of Regulation No 1367/2006, as defined in Article 2(1)(g) of that regulation as a ‘measure of individual scope’.”) 38 EuG, Beschluss v. 12.3.2014, Rs. T-192-12, – PAN Europe, Rn. 26. 39 EuGH, Urt. v. 13.1.2015, verb. Rs. C-404/12 P und C-405/12-P, – Rat/Stichting Natuur en Milieu. 40 Rehbinder, Die Aarhus-Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs und die Verbandsklage gegen Rechtsakte der Europäischen Union, EurUP 2012, S. 23 (30). 41 EuGH, Urt. v. 13.1.2015, verb. Rs. C-404/12 P und C-405/12 P, – Rat/Stichting Natuur en Milieu, Rn. 1. 42 Wiesinger, Innovation im Verwaltungsrecht durch Internationalisierung – Eine rechtsvergleichende Studie am Beispiel der Aarhus-Konvention, 2013, S. 96. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 145/15 Seite 14 3.4. Konsequenzen der Aarhus-Konvention für andere Klageverfahren Die Aarhus-Konvention wirkt sich nicht auf andere Klageverfahren vor den europäischen Gerichten aus. Das Argument von NGOs, ihre Nichtigkeitsklagen seien nach Art. 263 Abs. 4 AEUV (damals Art. 230 Abs. 4 EGV) im Hinblick auf den Entwurf der Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 trotz fehlender Klagebefugnis zulässig, wurde vom EuGH abgelehnt.43 Der EuGH entschied die Vorgaben einer Verordnung könnten nicht die Klagevoraussetzungen des Primärrechts ändern. Eine Nichtigkeitsklage setzte bei nicht-privilegierten Klägern eine Klagebefugnis voraus.44 Das ändere sich nicht durch die Aarhus-Konvention und die Verordnung (EG) Nr. 1367/2006. 3.5. Zwischenergebnis Nur NGOs können nach Art. 12 der Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 Klage auf eine Überprüfung von Verwaltungsakten der Union erheben. Voraussetzung ist, dass sie bereits zuvor gemäß Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 eine Überprüfung des fraglichen Verwaltungsaktes beantragt haben. Eine Überprüfung der Durchführungsverordnung, mit welcher die Kommission den Wirkstoff Glyphosat genehmigt, könnte daran scheitern, dass gemäß Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 nur die Überprüfung von Verwaltungsakten beantragt werden kann. 4. Schadensersatzansprüche gegen die Union Nach Art. 340 Abs. 2 AEUV ersetzt die Union im Bereich der außervertraglichen Haftung den durch ihre Organe oder Bediensteten in Ausübung ihrer Amtstätigkeit verursachten Schaden nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind. Der EuGH hat aus dieser Norm einen Haftungstatbestand entwickelt.45 Die Schadensersatzklage, welche auf Art. 340 AEUV gründet, ist nach ständiger Rechtsprechung der europäischen Gerichtsbarkeit ein selbständiger Rechtsbehelf mit eigener Funktion im System der Klagemöglichkeiten der EU und von Voraussetzungen abhängig ist, die seinem besonderen Zweck angepasst sind.46 Die Klage steht allen natürlichen oder juristischen Personen offen, die vortragen, durch eine Handlung der Union einen Schaden erlitten zu haben. 47 Auch der Klagegenstand ist weiter als bei der Nichtigkeitsklage, da Schadensersatz nicht nur für Schäden durch bestimmte Rechtsakte gewährt wird, sondern auch für Schäden, welche die Union durch Handlungen sowie Rechtsakte in einem weiteren Umfang verursacht hat.48 Gemäß Art. 46 Abs. 1 der 43 EuG, Beschluss v. 28.11.2005, verb. Rs. T‑236/04 und T‑241/04, – European Environmental Bureau, Rn. 70 ff. 44 S. oben unter 2.2. 45 Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 340 AEUV, Rn. 5. 46 EuG, Beschluss v. 15.10.2013, Rs. T‑13/12, – Andechser Molkerei Scheitz GmbH, Rn. 46. 47 EuG, Urt. v. 9.9.2009, Rs. T-437/05, – Brink’s Security Luxembourg, Rn. 232. 48 Jacob/Kottmann, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, Lfg 55, Stand: Januar 2015, Art. 340 AEUV, Rn. 48. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 145/15 Seite 15 Satzung des EuGH49 verjähren die Schadensersatzansprüche in fünf Jahren nach Eintritt des Ereignisses , das ihnen zugrunde liegt. Die Verjährung wird nach Art. 46 Abs. 1 Satz 2 der Satzung des EuGH durch Einreichung der Klageschrift beim Gerichtshof oder dadurch unterbrochen, dass der Geschädigte seinen Anspruch vorher gegenüber dem zuständigen Unionsorgan geltend macht. Es sind bereits in ähnlichen Konstellationen wie der Genehmigung von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen Schadensersatzklagen gegen die EU wegen Genehmigungen der Kommission erhoben worden. Beispielsweise verlangte in einem Verfahren die Klägerin Schadensersatz für die wirtschaftlichen Einbußen, welche ihr durch die Genehmigung von Steviolglycosiden als Lebensmittelzusatzstoff gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 entstanden seien.50 Die Klage wurde abgewiesen . Das EuG hat in diesem Kontext erneut die (materiellen) Voraussetzungen einer Schadensersatzklage gegen die Union nach Art. 340 AEUV dargestellt: „Es ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung die außervertragliche Haftung der Union für ein rechtswidriges Verhalten ihrer Organe im Sinne von Art. 340 Abs. 2 AEUV nur dann eintritt, wenn mehrere Voraussetzungen erfüllt sind, und zwar muss das den Organen vorgeworfene Verhalten rechtswidrig sein, es muss ein Schaden entstanden sein, und zwischen dem behaupteten Verhalten und dem geltend gemachten Schaden muss ein Kausalzusammenhang bestehen […] Der kumulative Charakter dieser Haftungsvoraussetzungen bedeutet, dass, wenn eine dieser Voraussetzungen nicht gegeben ist, die Schadensersatzklage insgesamt abzuweisen ist, ohne dass die anderen Voraussetzungen geprüft zu werden brauchen.“51 Eine Schadensersatzklage nach Art. 340 AEUV hätte mithin nur Aussicht auf Erfolg, wenn die Genehmigung des Wirkstoffs durch die Kommission rechtswidrig war. Nach der Rechtsprechung des EuGH trägt das System der Schadensersatzhaftung „der Komplexität der zu regelnden Sachverhalte , den Schwierigkeiten bei der Anwendung oder Auslegung der Vorschriften und insbesondere dem Ermessensspielraum, über den der Urheber des betreffenden Aktes verfügt, Rechnung “.52 Bei der Frage, ob das EU-Organ rechtswidrig gehandelt hat, kommt bei Schadensersatzklagen mithin der Frage große Bedeutung zu, über welchen Gestaltungsspielraum das Organ bei seinem Erlass verfügte.53 Im Bereich der Wirkstoffgenehmigung hat die Kommission ein weites Ermessen. Zum Beispiel billigte der EuGH in einem Rechtsstreit um die Genehmigung des Wirkstoffes Fenarimol der Kommission als zuständiger Genehmigungsbehörde ein weites Ermessen hinsichtlich ihrer Risikomaßnahmen zu: „dieser Bereich impliziert nämlich insbesondere politische Entscheidungen und komplexe Beurteilungen. Eine in diesem Bereich erlassene Maßnahme 49 Protokoll (Nr. 3) über die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, ABl. 2010, C 83/210, abrufbar unter http://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2008-09/statut_2008-09-25_11-55-49_682.pdf. 50 EuG, Beschluss v. 15.10.2013, Rs. T‑13/12, – Andechser Molkerei Scheitz GmbH. 51 EuG, Beschluss v. 15.10.2013, Rs. T‑13/12, – Andechser Molkerei Scheitz GmbH, Rn. 56 f. 52 EuGH, Urt. v. 10.12.2002, Rs. C-312/00 P, – Kommission/Camar, Rn. 52. 53 EuGH, Urt. v. 10.12.2002, Rs. C-312/00 P, – Kommission/Camar, Rn. 55. Fachbereich Europa Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 145/15 Seite 16 ist nur dann rechtswidrig, wenn sie offensichtlich ungeeignet ist.“54 Aufgrund des weiten Ermessensspielraums , den die europäische Rechtsprechung der Kommission im Bereich der Risikobewertung (wie sie bei einer Genehmigungsentscheidung erfolgt) zubilligt,55 stellt das Kriterium der Rechtswidrigkeit eine hohe Anforderung dar. 5. Fazit Eine gerichtliche Kontrolle von Durchführungsverordnungen der Kommission zur Genehmigung von Wirkstoffen ist insbesondere mittels einer Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV möglich. Diese kann jedoch nur von privilegierten Klägern und dem Antragsteller zulässig erhoben werden . Ein Antrag auf Überprüfung der Genehmigung nach Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 bzw. eine diesbezügliche Klage nach Art. 12 der Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 kann hingegen nur von NGOs eingelegt werden. Antrag und Klage würden voraussichtlich jedoch an der Tatsache scheitern, dass mit ihnen nur die Überprüfung von Verwaltungsakten beantragt werden kann. Eine Schadensersatzklage nach Art. 340 AEUV hätte aufgrund der hohen Anforderungen in der Begründetheit ebenfalls nur geringe Aussichten auf Erfolg. – Fachbereich Europa – 54 EuGH, Urt. v. 22.12.2010, Rs. C-77/09, – Gowan Comércio Internacional e Serviços Lda, Rn. 82. 55 EuGH, Urt. v. 22.12.2010, Rs. C-77/09, – Gowan Comércio Internacional e Serviços Lda, Rn. 82.